Zu den größeren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Polizei gehört das Handyverbot am Steuer. Erst gestern erhielt ich den Anruf eines wutentbrannten Mandanten. Eine Polizeibeamtin will von einer Fußgängerbrücke aus gesehen haben, wie er während der Fahrt auf einer Ausfallstraße sein Mobiltelefon „aufgenommen“ hat. Natürlich war es nur ein Diktiergerät. Natürlich.
Eher skurril fand ich den Polizisten, der sich eine Zeitlang an einer großen Kreuzung unweit unseres Büros hinter einem Fernmeldekasten versteckt hat. An der Kreuzung gibt es viele Telefonsünder, schon deshalb weil die Rotphase mitunter elendig lang ist und der Rückstau Langeweile aufkommen lässt.
Schon die Art und Weise, wie der Beamte zwischen Büschen und Telefonkasten hervorsprang und die Betroffenen rauswinkte, hatte was von Shock & Awe. Ich gehe allerdings davon aus, dass er es nur in seltensten Fällen bei der Verursachung von Angstzuständen belassen hat (= Verwarnung durch schlüssiges Handeln). Er dürfte auf die 40 Euro und den Punkt in Flensburg bestanden haben.
Wie auch immer, womöglich muss die Knöllchenquote demnächst anderweitig erfüllt werden. Das Amtsgericht Gummersbach will das Handyverbot am Steuer kippen und so bundesweit sicher einige hundert Polizisten mit einem Schlag ihrer Hauptbeschäftigung berauben. In der Rechtsprechungsübersicht des Landes Nordrhein-Westfalen findet sich ein Beschluss vom 8. Juli 2009, der weit über das hinausgeht, was Bußgeldrichter sonst so schreiben.
Kein Wunder, denn die Eingabe ist ans Bundesverfassungsgericht gerichtet. Ziel: Karlsruhe höchstselbst möge den Handyverbot-Paragrafen für verfassungswidrig erklären.
Das Amtsgericht Gummersbach sieht den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Mit dem Handyverbot habe der Gesetzgeber erreichen wollen, dass der Autofahrer beide Hände zum Autofahren frei hat. Allerdings, so ist dem Amtsgericht Gummersbach aufgefallen, gibt es noch viele andere legale Beschäftigungen im Auto, die dazu führen, dass der Autofahrer nur eine Hand, ja manchmal sogar gar keine Hände frei hat. Gleichwohl seien diese Aktivitäten nicht verboten.
(Wer bis hierher gelesen hat, sollte nun auch durchhalten. Gleich wird’s, quasi zur Belohnung, sogar schlüpfrig.)
Hier die Liste der Beispiele, welche dem Amtsrichter eingefallen sind:
Es ist überraschenderweise erlaubt,
* das Headset zur Freisprecheinrichtung erst während des Fahrbetriebs anzulegen,
* freihändig zu fahren,
* mit einer Hand oder sogar mit zwei Händen während des Fahrbetriebs bewegliche Sachen im Fahrzeug umzuräumen,
* ein Autoradio von Hand oder auch per Fernbedienung zu bedienen und dabei Gespräche zu führen und/oder Musik zu hören,
* während eines Gesprächs mit einer einwilligungsfähigen Beifahrerin an dieser – mit ihrem Einverständnis – sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit über oder unter ihrer Bekleidung vorzunehmen,
* selbstbefriedigende Handlungen vorzunehmen, soweit sie nicht nach den allgemeinen Strafgesetzen unter Strafe gestellt sind,
* die linke Hand demonstrativ aus dem geöffneten Fenster der Fahrertür baumeln zu lassen – und gleichzeitig mit Mitfahrern eine Unterhaltung zu führen,
* als Armamputierter die Fahraufgaben ohne Prothese mit nur einer Hand zu erledigen – und gleichzeitig mit Mitfahrern eine Unterhaltung zu führen,
* ein Diktiergerät aufzunehmen und z.B. einen Bußgeldbescheid, eine Anklage oder ein Urteil zu diktieren,
* ein Navigationsgerät aufzunehmen und zu programmieren – und dabei Gespräche mit Mitfahrern zu führen und den insoweit digital wiedergegebenen Anweisungen des Gerätes zu folgen,
* einen elektrischen Rasierapparat zu benutzen und dabei Gespräche mit Mitfahrern zu führen,
* ein der Größe eines Mobiltelefons entsprechendes Fernsehgerät zu benutzen und dabei Gespräche mit Mitfahrern zu führen.
Ich habe eine leise Ahnung, was dabei rauskommt. Ein Karrieresprung jedenfalls nicht.
(Danke an RA Jörg Jendricke für den Link)