Unerfreulich für die Kanzlerin

„Es ging alles ruhiger zu. Die Menschen unterhielten sich morgens am Arbeitsplatz über die gleichen Themen“, erinnert sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Interview mit der Bunten an früher. Leider bleibt in der Zusammenfassung offen, wann genau für Merkel früher ist.

Jedenfalls scheint sie dieser Zeit nachzutrauern, denn Regieren empfindet sie heutzutage als mühsamer. Gerade junge Leute seien kaum mehr über Zeitungen zu erreichen, auch nicht über ARD und ZDF, beklagt die Kanzlerin. Sie informierten sich „ausschließlich über das Internet“, noch dazu „oft sehr punktuell“. Die Politikerin empfindet es deshalb als schwer, alle Generationen gleichermaßen zu erreichen.

Das Problem der Kanzlerin scheint mir eher zu sein, dass ihr und natürlich allen anderen Politikerin das Informations- und vor allem das Meinungsmonopol abhandengekommen ist. „Früher“ beschränkte sich die Meinungsmacht des normalen Menschen darauf, morgens am Arbeitsplatz mal ein anderes Thema anzuschneiden – und wenig Gehör zu finden. Er konnte auch einen Leserbrief an eine Redaktion schreiben. Die Wahrscheinlichkeit eines Abdrucks lag damals wie heute im Bereich eines mittelgroßen Lottogewinns.

Heute hast du eine Stimme – im Netz. Ebenso wie ich. Und Angela Merkel, wenn sie denn will. Gleich ob es um Informationen oder Meinungen geht, wer was Interessantes zu sagen hat, wird auch gehört. Und damit wird nur ersichtlich, was früher auch schon nicht anders war – das Stimmungsbild im Land ist nicht uniform. Nur verdeckt kein Nebel mehr, was die Menschen, die nicht in der Politik oder im Journalismus arbeiten, erfahren, wissen und denken.

Wenn die Kanzlerin das als Belastung empfindet, sagt das mehr über sie als über das Internet.

Leider ist es nichts Erfreuliches.

Dazu auch eine Analyse in der Zeit