Notwendige Aufrüsttätigkeit

Polizeibeamte rüsten auf und wieder ab. Nämlich dann, wenn sie ihre Dienstuniform an- und ausziehen. Die Frage, ob die dafür benötigte Zeit Freizeit oder Arbeitszeit ist, musste jetzt das Verwaltungsgericht Münster beantworten.

Der Kläger ist als Polizeibeamter im Wach- und Wechseldienst bei einer Polizeiwache in Münster tätig. Anfang 2008 beantragte er, die sogenannten Rüst- beziehungsweise Abrüstzeiten vor Schichtbeginn und nach Schichtende als Dienstzeit anzuerkennen. Dies lehnte der Polizeipräsident Münster ab. Als Dienstzeit könnten nur die Vorbereitungen zur Herstellung der Einsatzbereitschaft wie etwa das Anlegen von Dienstwaffen und sonstiger Ausrüstung angesehen werden. Dagegen gehörten Vorbereitungen zur Herstellung der Dienstbereitschaft nicht zur Dienstzeit.

Dieser Argumentation folgte das Verwaltungsgericht Münster nicht. Nach Maßgabe der vom Dienstherrn konkretisierten Pflicht, den Dienst „aufgerüstet“ zum Schichtbeginn anzutreten, beginne die Arbeitszeit des Klägers nicht erst mit dem Antritt zur Schicht, sondern bereits mit dem Beginn der notwendigen Aufrüsttätigkeit unmittelbar vor Schichtbeginn.

Die Uniform stelle für den Polizeivollzugsbeamten keinesfalls eine dem reinen Privatbereich zuzuordnende Kleidung dar, sondern eine allein auf Gewährleistung von Schutz und Sicherheit ausgerichtete Ausrüstung. Dass es den Beamten gestattet sei, die Dienstkleidung mit den zugehörigen Ausrüstungsgegenständen mit nach Hause zu nehmen und den Weg von und zur Dienststelle aufgerüstet zurückzulegen, rechtfertige ebenso wenig eine andere Wertung wie die vom Innenministerium getroffene Anordnung, die für das Umkleiden notwendige Zeit als Zeit der „Vorbereitung“ auf den Dienst nicht als Dienstzeit zu werten.

Dass der Kläger nicht verpflichtet sei, die Uniform erst in den Diensträumen anzulegen, bedeute nicht, dass er hierzu nicht berechtigt wäre. Die derzeitige Handhabung der Arbeitszeitregelung bei den Beamten im Wach- und Wechseldienst stelle auch eine offensichtlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu den im Innendienst befindlichen Beamten, deren Arbeitszeit unbestritten mit dem Betreten des Dienstgebäudes beginne, und denjenigen Polizeivollzugsbeamten dar, die ihren Dienst als Krad-Fahrer oder als Fahrradstreife versehen und die ihre jeweilige Motorrad- bzw. Fahrradkombi unstreitig erst nach Dienstantritt anlegen dürften.

(Az.: 4 K 1753/08 – nicht rechtskräftig)

Geschätzt und abgerechnet

Seit September 2007 haben wir einen schönen Digitalkopierer. Das Gerät ist ins Netzwerk eingebunden, erstellt auch PDFs und erweist sich als ziemlich pflegeleicht. In der Wartungspauschale, die wir jeden Monat zahlen, sind 4.000 „Freikopien“ enthalten. Eventuelle Mehrkopien sollen halbjährlich abgerechnet werden. Wobei wir laut Vertrag verpflichtet sind, den Zählerstand nach Halbjahresende zu melden, und zwar „jeweils bis zum 5. Werktag der folgenden Abrechnungsperiode“.

Wie nicht anders zu erwarten, haben wir in den letzten drei Jahren nur einmal den Zählerstand gemeldet. Das war vor knapp zwei Wochen. Die vom Aufsteller wohl sonst versandte Mail mit der Anfrage nach dem Zählerstand scheint ausnahmsweise nicht im Spamfilter hängengeblieben zu sein. Meine Sekretärin hat die Anfrage brav beantwortet und den Zählerstand mit 86.140 angegeben.

Schon zwei Tage später flatterte uns eine Rechnung ins Haus. Für 68.003 Fotokopien. Abzüglich der 6 x 4.000 Freikopien für Januar bis Juni 2010 sollten wir 44.003 Kopien bezahlen. Das macht immerhin knapp 500,00 Euro aus. Eine Summe, bei der dem Kanzleiverwaltungshansel dann auch mal die Rechnung vorgelegt wird. Der Hansel bin ich.

Nach der Logik des Aufstellers haben wir also im Zeitraum September 2007 bis Dezember 2009 lediglich 18.137 Kopien gemacht. Das wären stolze 671 Kopien pro Monat. Die restlichen 68.003 Kopien sollen dagegen auf den Zeitraum des ersten Halbjahres 2010 entfallen. Das wären dann 11.333 Kopien pro Monat.

Da wir kontinuierlich arbeiten, kann das nicht sein. Das Inklusivvolumen von 4.000 Kopien pro Monat haben wir seinerzeit auch nicht ohne Grund vereinbart. Deshalb war für mich klar, dass die Rechnung Murks ist. Ich schrieb also ein kleines Fax an den Aufsteller. Kurz darauf meldete sich eine Sachbearbeiterin, die mir ihre internen Belege für die zurückliegenden Zeiträume faxte.

Interessant daran war auf dem ersten Blick, dass wir unsere Freiseiten in der Vergangenheit nicht mal ansatzweise aufgebraucht zu haben scheinen. Jede Halbjahresabrechnung wies rund 22.000 unverbrauchte Freikopien auf. Weil sich deshalb kein Saldo ergab, hat der Aufsteller uns diese Abrechnungen auch nicht geschickt. Hätten wir sie bekommen, hätte mich die geringe Menge an Kopien sicherlich stutzig gemacht.

Für die Mitarbeiterin alles kein Problem. „Sie haben die Zählerstände nicht gemeldet“, belehrte sie mich. „Also haben wir Sie geschätzt.“ Dazu ist der Aufsteller nach dem Vertrag tatsächlich berechtigt. Allerdings, und das wusste die Angestellte offensichtlich nicht, ist die Klausel nicht ganz so einseitig wie sie es gerne hätte. In den Bedingungen steht nämlich:

Kommt der Kunde seiner Mitteilungspflicht nicht nach, sind wir berechtigt, in unserer Abrechnung vom Durchschnittsverbrauch der letzten drei Abrechnungszeiträume auszugehen.

Die Regelung will natürlich genau das vermeiden, was jetzt eingetreten ist. Dass Zahlen genommen werden, die keinen Bezug zum tatsächlichen Verbrauch haben. Da wir aber von Anfang an gar keine Meldungen machten und die Schätzungen sofort mit der Aufstellung begannen, gibt es auch keinen „Durchschnittsverbrauch der letzten drei Abrechnungszeiträume“. Vielmehr hätte der Aufsteller, so jedenfalls meine bescheidene Meinung, nachfragen oder den Zählerstand selbst ablesen können. Diese Rechte behält er sich ohnehin vor – und zwar neben der Schätzung.

Wenigstens konnte mir die Mitarbeiterin erklären, wie es zu der absurd niedrigen Schätzung gekommen ist. Knapp zwei Wochen nach der Inbetriebnahme des Kopierers war ein Techniker da, der das Gerät ins Netzwerk einband. Der Techniker hat den Zählerstand in seinem Rapport vermerkt. Diese knapp 2.000 Kopien wurden dann zur Grundlage der Halbjahresschätzung gemacht. Die Kopienzahl von zwei Wochen entsprach dann also der eines Halbjahres. Ein ziemlicher Schnitzer, und zwar in Höhe des Faktors 12.

Wer jetzt glaubt, mein freundlicher Hinweis auf die falsche und unzulässige Schätzung könne eine kaufmännische Angestellte nachdenklich stimmen, wird leider getäuscht. Was SAP am Ende auswerfe, das unterliegt für die Dame keinem Zweifel. Schuld hätten einzig und allein wir. Sie, das klang jetzt ein wenig drohend, werde den Rechnungsbetrag jedenfalls abbuchen.

„Und wir werden die Lastschrift zurückgehen lassen“, sagte ich. Damit war das Gespräch dann auch an einem Nullpunkt angelangt, der von gegenseitigem Unverständnis geprägt war. Immerhin hat es die Mitarbeiterin dann noch geschafft, den Rückruf unseres Kundenbetreuers zu organisieren. Das ist der Mann, der uns im Spätsommer nächsten Jahres ein neues Gerät hinstellen möchte, wenn der bisherige Vertrag ausläuft.

Der Kundenbetreuer hat sich wenigstens Gedanken gemacht. Er sah ein, dass wir die Freikopien schon mit der Wartungspauschale vergüten. Und dementsprechend wenig Lust haben, sie noch einmal zu bezahlen. Weiter stimmte er mir zu, dass wir damals das Kontingent Freikopien ziemlich gut getroffen haben. Berücksichtigt man nämlich die nicht verbrauchten Freikopien aus den alten Abrechnungszeiträumen, sind wir ziemlich exakt im Limit.

Er will sich jetzt mal im Haus umhören, wie man die Rechnung „irgendwie“ aus dem System bekommt. Das System scheint aber ziemlich allmächtig zu sein. Sonderlich zuversichtlich klang er nämlich nicht.

Gericht: Winterreifenpflicht unwirksam

Die Winterreifenpflicht hat bei Einführung große Wellen geschlagen. Auch deswegen, weil sich der Gesetzgeber bei der Formulierung der Regelung nicht sonderlich viel Mühe gegeben hat. Die Vorschrift in der StVO lautet:

Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung und Frostschutzmittel in der Scheibenwaschanlage.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Winterreifenpflicht nun in einem aktuellen Beschluss für komplett unwirksam erklärt. Die Norm erfülle nicht die (Mindest-)Anforderungen für ein Gebot. Der Betroffene müsse nach Lektüre eines Paragrafen wissen, welches Verhalten von ihm erwartet werde. Das sei hier nicht der Fall:

Anhand des reinen Wortlauts des § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO kann der Fahrer eines Kraftwagens nicht erkennen, was von ihm verlangt wird. … Weder gesetzliche noch technische Vorschriften regeln, welche Eigenschaften Reifen für bestimmte Wetterverhältnisse haben müssen. Dies gilt auch für Winterreifen. … Bisher existieren keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass alle Reifen ohne „M+S“ Kennzeichnung winteruntauglich und damit im Sinne von § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO nicht als für winterliche Wetterverhältnisse geeignete Bereifung angesehen werden könnten. …

Für den Bürger als Normadressat von § 2 Abs. 3 a StVO ist nicht erkennbar, ob und gegebenenfalls welche Reifen bei welchen Wetterverhältnissen als ungeeignet anzusehen sind. Diese Unklarheit wäre vermeidbar gewesen. Der Verordnungsgeber hätte die mit der Neuregelung des § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO verfolgten Ziele auch durch eine eindeutige Norm erreichen können.

Deswegen hob das Oberlandesgericht die Verurteilung eines Autofahrers auf, der im November mit Sommerreifen unterwegs war, obwohl sich auf der Straße eine Eisfläche gebildet hatte. Das Auto schlitterte in ein Schaufenster.

(Quelle des Links)

Das ausufernde Verbrechen

Drei Stunden nächtlicher Krach und Streit aus der Nachbarwohnung. Dann platzte meiner Mandantin der Kragen. Sie wusste mittlerweile, der Herr Nachbar reagiert pampig auf Beschwerden. Deshalb meldete sie die Ruhestörung bei der Polizei. Auf die Frage, ob die Gefahr von Tätlichkeiten besteht, antwortete meine Mandantin, sie könne die genauen Worte nicht verstehen. Deshalb wisse sie auch nicht, was vor sich geht.

Zwei Polizisten kamen nach geraumer Zeit vorbei, klingelten brav an der Tür des Mehrparteienhauses, erklärten über den Lautsprecher den Nachbarn ihr Anliegen, wurden eingelassen, gingen in den ersten Stock an die Tür der betreffenden Familie und – konnten keinen Lärm feststellen. Womöglich, weil das betreffende Ehepaar sich gerade mit der Polizei unterhielt. Aber das ist nur eine bescheidene Mutmaßung von mir.

Nun wird, auch befeuert durch eine Anzeige des Nachbarn, gegen meine Mandantin ermittelt. Wegen Missbrauchs von Notrufen. Und wegen falscher Verdächtigung. Dass die Beamten bei ihrer Vorsprache keinen Lärm hörten, soll offenbar den Rückschluss zulassen, dass es auch vorher keinen Lärm gab. Mir scheint es bei der Erwägung einen gewissen logischen Bruch zu geben. Aber vielleicht ticke ich ja anders als der Polizeibeamte, der sogleich dienstbeflissen eine Akte anlegte und Anhörungsbögen verschickte.

Sehr nett finde ich auch den Vorwurf der falschen Verdächtigung. Dafür muss man jemanden wider besseres Wissen einer Straftat bezichtigen. Ich hoffe, mir ist nichts entgangen, aber Ruhestörung hat nach meiner Kenntnis noch keinen Platz im Strafgesetzbuch gefunden.

Bleibt also noch die Frage der Polizei an meine Mandantin, ob sie Tätlichkeiten befürchtet. Schon aus der Frage ergibt sich, dass es bis zum Anruf keine Tätlichkeiten gab und somit auch niemand einer (begangenen) Straftat bezichtigt werden kann.

Die Antwort „Ich weiß nicht“ lässt sich ja auch sonst schwer als „Bezichtigung“ auffassen.

Fast schon beruhigend, dass dieser Fall seinen Platz in der Kriminalitätsstatistik finden wird. Man kann sich dann seinen Teil bei den üblichen Hiobsbotschaften über das ausufernde Verbrechen denken.

Nutzungsausfall für beschlagnahmte Computer

Kaum eine Hausdurchsuchung, bei der nicht der Computer des Betroffenen mitgenommen wird. Sehr viele Hausdurchsuchungen stellen sich nachträglich als rechtswidrig heraus. Oder das Verfahren wird mangels Tatverdachts eingestellt. Die Polizei kommt bundesweit mit der Auswertung beschlagnahmter Computer nicht nach. Betroffene müssen oft monatelang, manchmal sogar bis zu ein Jahr auf ihre Hardware warten. Nun könnten ergebnislose und vor allem lange Untersuchungen für die Justiz zumindest im Geldbeutel spürbar werden: Das Oberlandesgericht München hat einen Schadensersatzanspruch für den Entzug eines privaten Computers bejaht.

Auf „Nutzungsausfall“ geklagt hatte eine Frau, bei der ein Computer und ein Laptop beschlagnahmt wurden. Da ihr Antrag zunächst abgewiesen wurde, verlangte sie vom Oberlandesgericht München Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Staat. Erfolgreich. Die Richter stellten sich die Frage, ob ein internetfähiger Computer heute ein Lebensgut darstellt, „dessen ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist“. Nur für so wesentliche Güter gibt es Schadensersatz. Bisher zählten dazu für die Wohnung Möbel, Kühlschrank, Herd und Fernseher.

Zum Computer stellen die Richter fest:

Angesichts der zunehmenden Bedeutung, die die Nutzung eines Computers in Privathaushalten hat, hält es der Senat zumindest für diskutabel, dass die ständige Verfügbarkeit eines solchen Gerätes mittlerweile zum notwendigen Lebensbedarf gehört. Maßgebliche Aspekte sind hierbei der hohe Grad der Verbreitung, vor allem aber die ständig zunehmende Internet-Nutzung im privaten Alltag, sei es zur Informationsbeschaffung, zur Kommunikation, zur Abwicklung von Geschäften oder als Unterhaltungsmediumdie in aller Regel einen Computer erfordert.

Allerdings reiche auch ein Computer aus. Die monatliche Miete für einen Computer schätzt das Gericht auf immerhin brutto 200,00 €. Der Antragstellerin, die sich kein Gerät gemietet hatte, stehen hiervon 40 % als „Kompensation“ zu, allerdings nur vom Nettobetrag. Für jeden Tag kommt das Gericht auf 2,30 € Schadensersatz. Da die Frau 77 Tage keinen Computer hatte, würde sie 177,00 € bekommen.

Mit der vom Oberlandesgericht bewilligten Prozesskostenhilfe kann die Betroffene nun klagen.

(Oberlandesgericht München, Beschluss vom 23. März 2010, 1 W 2689/09)

Es wird eng am Himmel in NRW

Bevor hunderte und in den bald beginnenden Sommerferien tausende Passagiere aus allen Wolken fallen, kam das ebenso überraschende wie umfassende Geständnis der Deutschen Flugsicherung: Es kann im Flugverkehr rund um Düsseldorf bis ins nächste Frühjahr hinein zu erheblichen Verspätungen kommen!

Die DFS hat den Aufschwung am Himmel unterschätzt, räumte ihr Geschäftsführer Dieter Kaden ein. Deswegen fehlen ihr bundesweit hundert Lotsen in der Zentrale Langen bei Frankfurt – von da aus wird auch der nordrhein-westfälische Luftraum kontrolliert. Der gehört zu den „komplexesten in Europa“.

Abgesehen von den Großflughäfen Düsseldorf und Köln (und den kleineren in Dortmund, Mönchengladbach, Münster-Osnabrück, Weeze, Mülheim) liegen im An- und Abflugbereich Frankfurt, Amsterdam und Brüssel. Allein das Gebiet um Düsseldorf – jetzt schon mit durchschnittlich 6 Minuten Verspätungen pro Flug an der deutschen Verzögerungsspitze – wird momentan von rund 50 Lotsen in Langen betreut.

Fünf fehlen – „eine nicht planbare Herausforderung“, so Kadens Versuch einer Entschuldigung. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York nämlich seien Flugverkehrszahlen rapide eingebrochen. Auch die DFS habe „gravierende finanzielle Einbußen erlitten“. Kurz: Die Lotsen haben sich zu dieser Zeit auf falsche Verkehrsprognosen verlassen.

Deswegen wurde vor acht Jahren die Düsseldorfer Kontrollzentrale nach Langen eingegliedert und weniger Nachwuchs eingestellt. „Jetzt suchen wir mit Hochdruck.“ Aber die Ausbildung dauert gerade für den engen NRW-Luftraum länger als die vorgesehenen vier Jahre. Ein schneller Personaltausch funktioniert nicht, weil jeder Lotse für nur einen Sektor seine Lizenz hat.

Mit fast um Vergebung heischenden Unterton kam Dieter Kaden auf ein anderes Problem zu sprechen. Nirgendwo in Deutschland gibt es so viele Luftsportbegeisterte wie in Nordrhein-Westfalen. Wenn Fallschirmspringervereine, Privatpiloten, und Segelflieger auch am Wochenende unterwegs sind, müsse die DFS viel Personal vorhalten, könne also keine Überstunden abbauen.

Wann es welche und wie lange dauernden Verspätungen geben kann, weiß niemand bei der DFS. Nur so viel: Es kann hier und da mal eng werden. „Wir tun alles in unserer Macht stehende“, verspricht Kaden, „um die Situation so erträglich wie möglich zu machen“. (pbd)

Alkoholverkauf darf nachts verboten werden

Das nächtliche Verkaufsverbot für Alkohol in Baden-Württemberg verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde erst gar nicht zur Entscheidung an, weil es keine „grundsätzliche Bedeutung“ erkennen konnte.

Zwischen 22 und 5 Uhr dürfen Läden, Tankstellen, Bahnhöfe und Kioske in Baden-Württemberg keinen Alkohol mehr verkaufen, Gaststätten aber schon. Diese Regelung greift, so die Karlsruher Richter, zwar in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit ein.

Rechtswidrig verletzt sei das Grundrecht jedoch nicht, da das Alkoholverbot insbesondere nicht gegen das Übermaßverbot verstoße. Mit dem Verkaufsverbot wolle das Land einer vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Zunahme alkoholbedingter Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren begegnen.

Hierbei handele es sich um wichtige Gemeinwohlbelange, die geeignet seien, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu rechtfertigen. Die Einschränkung der Alkoholverkaufszeiten dämme den übermäßigen Alkohokonsum ein, der gerade durch die jederzeitige Verfügbarkeit gefördert werde. Lediglich temporäre Verkaufs- oder Konsumverbote durch Einzelverfügung der Ortspolizeibehörden wären kein milderes Mittel, das die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung entfallen ließe. Derartige polizeirechtliche Maßnahmen wären bereits aufgrund ihrer örtlichen Begrenztheit nicht gleichermaßen wirksam.

Durch die angegriffene Regelung seien die Bürger auch nicht unzumutbar beeinträchtigt. Der Einschränkung der Handlungsfreiheit stünden die Schutzgüter der Gesundheit sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegenüber, denen ein hoher Stellenwert zukomme.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer auch während der Verkaufsverbotszeiten ein Konsum vorab erworbener alkoholischer Getränke ebenso wenig verwehrt sei wie der Genuss dieser Getränke in Gaststätten und sonstigen privilegierten Verkaufsstellen, sei die angegriffene Regelung verhältnismäßig.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Juni 2010 – 1 BvR 915/10

Zu freundlich im Grenzgebiet

Mein Mandant ist ein freundlicher Mensch. Weil weder sein Bruder noch dessen Freund ein Auto haben, erklärte er sich bereit, die beiden in Venlo abzuholen. Ist ja nicht weit von Düsseldorf.

Venlo? Genau, dieses Venlo. Auf der Rückfahrt winkte die Bundespolizei das Auto raus. Der Bruder hatte 30 Gramm Marihuana in der Jackentasche; der Freund 12 Gramm.

Bei meinem Mandanten selbst wurde nichts gefunden. Bruder und Freund sagten gleichermaßen aus, mein Mandant habe vorher sogar noch klargestellt, er wolle keinen Ärger. Sie sollten bloß nichts über die Grenze bringen. Beide hätten ihm hoch und heilig versichert, nichts dabei zu haben.

Eine dürftige Beweislage, sollte man annehmen. Denn die Einfuhr von Betäubungsmitteln ist ein Vorsatzdelikt. Der Täter muss also von der Einfuhr wissen, und er muss sie wollen. Das alles ficht die zuständige Staatsanwaltschaft Krefeld und das zuständige Gericht wenig an. Man erlässt einen Strafbefehl wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln. Mit der kühnen Behauptung:

Am Tattag reisten Sie aus den Niederlanden kommend ins Bundesgebiet ein, wobei sie wussten, dass Ihre Beifahrer insgesamt 41,1 Gramm Marihuana mit sich führten. Wie Sie wussten, waren Sie zur Einfuhr der Betäubungsmittel nicht befugt.

Die bekannten Tatsachen werden da sehr kreativ in eine Aussage gepresst. Aber damit nicht genug. Mein Mandant ist ebenso wie die anderen beiden nicht vorbestraft. Trotzdem erhält er, der gar nichts bei sich hatte, als Geldstrafe doppelt so viele Tagessätze wie seine Fahrgäste. Darauf muss man erst mal kommen.

Ich frage mich derweil, was mein Mandant machen sollte. Seine Mitfahrer vor Antritt der Fahrt durchsuchen? Sich vorher eine notarielle Bestätigung geben lassen, dass er die beiden eingehend darüber belehrt hat, nur keine Betäubungsmittel mit nach Deutschland zu bringen?

Fragen, die sich nun wohl jedem stellen, der andere Leute in seinem Auto mit über die Grenze nimmt. Womöglich könnten sich Staatsanwaltschaft und Gericht neue Fälle erschließen. Sie müsste ihre Rechtsauffassung nur auf Zugführer und Taxifahrer übertragen…

Gericht ohne Akten

Mitunter kommt auch bei der Justiz etwas abhanden. Sogar Akten. Dass eine Richterin aber plötzlich ohne kriminelle Machenschaften, Feuer oder Wasserschaden alle Akten aus ihrem Büro vermisst, dürfte eher Seltenheitswert haben.

Gestern ist genau das passiert. Für die um 14 Uhr anberaumte Verhandlung stand eine Strafrichterin komplett ohne Akte da. Kurz vorher hatte sie bemerkt, dass der Botendienst des Gerichts wohl alle Ordner aus ihrem Büro mitgenommen hat. Wieso, weshalb, warum – rätselhaft.

Immerhin konnte in der Kürze der Zeit schon mal geklärt werden, dass alle Akten gerade zur örtlichen Staatsanwaltschaft unterwegs waren. Am Ziel sollten die Akten der Richterin dann aussortiert und zurückgebracht werden. Und zwar am nächsten Tag. Das ist, wenn man die Arbeitsabläufe der Justiz kennt, ein raketenmäßiges Tempo.

Der Fall war etwas kompliziert. Also war auch nicht daran zu denken, noch am Nachmittag zu verhandeln. Den größten Nutzen aus dem Malheur zog übrigens der Angeklagte. Wegen Fehlern der Justiz solle er nicht unnötig lange in Untersuchungshaft schmoren, befand die Richterin. Wir improvisierten also einen Haftprüfungstermin. Der Haftbefehl wurde außer Vollzug gesetzt, und mein Mandant durfte als vorerst freier Mann das Gericht verlassen.

Beim Deutschlandspiel jubelt keiner lauter als er. Das hat er mir versprochen.

Amnesty gegen Polizeigewalt

Die aktuelle Kampagne von Amnesty International beschäftigt sich mit Straftaten durch Polizisten und deren, so amnesty, häufig unzureichende Aufklärung. Es geht nicht um Polizeigewalt irgendwo auf der Welt. Vielmehr widmet sich Amnesty den deutschen Verhältnissen.

Auf der Informationsseite von Amnesty International findet sich auch ein Bericht zum Thema. Darin dokumentiert Amnesty International ernstzunehmende Vorwürfe von mutmaßlicher Misshandlung und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizeibeamte in Deutschland. Amnesty International kommt zu dem Ergebnis, dass die Ermittlungen in den dokumentierten Fällen mangelhaft waren.

Seit 2004 haben 869 Personen Amnesty International über Probleme mit der Polizei informiert. In 138 Fällen stellte Amnesty International weiterführende Nachforschungen an. Im Zuge dieser Recherchen wurden mutmaßliche Opfer (und bei Todesfällen überlebende Angehörige), Anwälte, Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaften sowie Richter befragt. 15 Fälle werden im Bericht ausfürlich beschrieben.

Elf Stunden

Anwälte und Rotlicht haben einiges gemeinsam. Etwa den Hang, kategorisch Vorkasse zu verlangen. Natürlich bin ich in dieser Richtung, also was die Vorkasse angeht, auch nicht ohne Fehl und Tadel. Aber dass ein örtlicher Club einen Kunden, der mit gerade mal knapp hundert Euro in der Tasche im Etablissement reinschaut, trotzdem im Gegenwert von über 10.000,00 (in Worten: zehntausend) Euro umsorgt, hat mich jetzt doch überrascht.

Dennoch scheint es so zu sein. Mein Mandant wollte sich für seinen Hunderter nur kurz vergnügen. Daraus werden dann geschätzte elf Stunden Aufenthalt, ein Brummschädel und besagter Deckel in fünfstelliger Höhe. Bewirtungs- und Dienstleistungshonorar hat sich der Club durch einen knappen „Schuldschein“ absichern lassen. Von dem Schuldschein sagt mein Mandant, er könne sich an manches erinnern, aber nicht an eine Unterschrift.

Zehntausend Euro sind ihm jedenfalls viel zu viel. So viel hat er nun auch nicht gemacht. Sagt er. Ich glaube ihm gerne und will deshalb wissen, was denn im einzelnen abgerechnet wird. Der „Geschäftsführer“ des Clubs hält es allerdings nicht für nötig, eine Rechnung zu erstellen. Er meint, der Schuldschein sei ja wohl „Beweis“ genug für die Zahlungspflicht.

Ich habe ihm empfohlen, seinen Anwalt zu kontaktieren. Der wird ihm erklären, dass ein ohne Rechtsgrund abgegebenes Schuldanerkenntnis zurückgenommen werden kann. Und dass er dann wohl spätestens dem Gericht erläutern muss, welche Dienstleistungen erbracht und welche Getränke serviert wurden und welche Tarife denn so gelten sollen. Da gilt dann auch nichts anderes als bei der Autoreparatur.

Ich weiß gar nicht, ob es Sachverständige gibt, welche die ortsüblichen Preise im Bereich der käuflichen Liebe feststellen können. Aber vielleicht finden wir ja doch noch eine Lösung. Der Anwalt des Clubs ist jedenfalls einer, mit dem ich schon so manchen gordischen Knoten durchschlagen habe.

Flotte Schauspielerin muss sich fahren lassen

Wer zu schnell fährt, kann das drohende Fahrverbot einfach mit einem höheren Bußgeld abwenden – diese landesweit verbreitete Annahme hat jetzt das Oberlandesgericht Hamm (OLG) korrigiert.

Das Amtsgericht Bielefeld hatte zunächst noch Verständnis für die bekannte Schauspielerin Simone T. gezeigt. T. war Anfang vorigen Jahres auf der A 2 mit 146 km/h geblitzt worden und damit 46 km/h zu schnell. Na ja, so befand der gnädige Amtsrichter, die Frau müsse immerhin „erhebliche Strecken“ zu den Drehorten oder Bühnenauftritten zurücklegen, da genüge die Erhöhung des Bußgeldes von 100 auf 400 Euro. Das vorgesehene Fahrverbot sei dann nicht mehr vonnöten.

Falsch, entschied nun der 3. Senat des OLG Hamm und folgte der Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft sah den „Einzelfall“ nicht berücksichtigt. Die Schauspielerin habe ein überdurchschnittlichen Einkommens und könne ihre Fahrten auch anders organisieren. Die Anstellung eines Fahrers etwa sei „ohne weiteres zumutbar“. Eine solche finanzielle Belastung müsse jeder Verkehrsteilnehmer hinnehmen. Das einmonatige Fahrverbot jedenfalls führe nicht zu einer erheblichen Härte. Dieser Auffassung schloss sich das Oberlandesgericht an. (pbd)

VDS privat

Auch nach dem Ende der Vorratsdatenspeicherung wird auf Vorrat gespeichert. Viele Internetanbieter legen die Verbindungsdaten für eine gewisse Zeit auf Halde – sie brauchen die Daten angeblich zu Abrechnungszwecken. Das wird auch bei Kunden gemacht, die eine Flatrate gebucht haben.

Rückendeckung erhalten die Provider durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt. Die Frankfurter Richter betrachten den aktuellen Speicherzeitraum von sieben Tagen bei der Telekom für angemessen. Sie haben der Telekom abgekauft, dass es hierfür technische Gründe gibt.

Wer überhaupt mal wissen will, ob und wie lange der eigene Provider speichert, sollte an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens schreiben. Und nicht locker lassen, bis eine vernünftige Antwort vorliegt. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat einen Musterbrief veröffentlicht.

Solche Anfragen schaffen nicht nur für den einzelnen Kunden Klarheit. Ab einer gewissen Zahl führen sie auch dazu, die Unternehmen dafür zu sensibilisieren, dass eine sicher nicht unbeträchtliche Zahl der Kunden es nicht gut findet, wenn nun unter anderem Deckmäntelchen fortgeführt wird, was das Bundesverfassungsgericht dem Staat zunächst mal verboten hat.