Nicht angehört

Aus einer Verteidigungsschrift:

… weise ich zunächst daraufhin, dass die Staatsanwaltschaft meiner Mandantin entgegen der gesetzlichen Verpflichtung kein rechtliches Gehör gewährt hat (§ 163a StPO).

Die Polizei hat den Vorgang ohne weitere Ermittlungen, insbesondere ohne Vernehmung meiner Mandantin, an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Verbunden war damit die Anregung, die Anzeigenerstatterin auf den Privatklageweg zu verweisen (Blatt 6).

Der zuständige Amtsanwalt hat § 163a StPO missachtet und meiner Mandantin vor Abschluss der Ermittlungen keine Gelegenheit gegeben, erstmals zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Stattdessen hat er einfach einen Strafbefehl beantragt, den das Amtsgericht auch erlassen hat.

Bis zur Zustellung des Strafbefehls durch das Gericht wusste die Betroffene somit noch nicht mal, dass gegen sie ermittelt wird. Das ist nicht unbedingt hilfreich, zum Beispiel wenn man mal arglos drei Wochen in Urlaub fährt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist kann dann bei Rückkehr verstrichen sein. Am Ende steht eine rechtskräftige Verurteilung, ohne dass man auch nur einmal seinen Standpunkt darlegen konnte.

Rund-um-die-Uhr-Überwachung legal

Die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des entlassenen Straftäters Karl D. in Heinsberg ist rechtmäßig. Sein Bruder und dessen Frau, bei denen Karl D. wohnt, müssen die Maßnahmen dulden. Das hat das Verwaltungsgericht Aachen gestern entschieden.

Karl D. war zuletzt im Jahr 1995 vom Landgericht München II wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt worden. Nach Verbüßung der Strafe zog er im März 2009 zu seinem Bruder und dessen Ehefrau nach Heinsberg-Randerath. Da der Landrat des Kreises Heinsberg als Kreispolizeibehörde unter Berufung auf ein Sachverständigengutachten zu der Einschätzung gelangte, Karl D. könne erneut Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen, ordnete er dessen längerfristige Observation an. Da Karl D. mit den Klägern in einem Haus lebt, sind auch diese zwangsläufig von der Observation betroffen.

Mit ihrer Klage wandten sich Karl D.s Bruder und seine Frau gegen die Maßnahmen. Sie argumentierten, die Dauerüberwachung verletze sie in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Vorschrift des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes, die eine Dauerobservation erlaube (§ 16 a), sei zu unbestimmt und zudem unverhältnismäßig.

Selbst wenn man diese Vorschrift aber für anwendbar halte, lägen die konkreten Voraussetzungen der Norm nicht vor. Karl D. unterziehe sich ambulanten Therapiemaßnahmen, so dass von ihm keine Gefährlichkeit im Sinne von § 16 a des Polizeigesetzes ausgehe. Zudem hätte der Beklagte die Anwendung milderer Mittel wie etwa das Anbringen einer elektronischen Fußfessel bei Karl D. in Betracht ziehen müssen.

Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Der Vorsitzende Richter sagte, die Regelung des Polizeigesetzes sei anwendbar. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm könne mit einer verfassungskonformen Auslegung begegnet werden. Auch die Anwendung der Vorschrift im konkreten Fall sei rechtmäßig erfolgt. Die gutachterlichen Feststellungen ließen nach wie vor den Schluss zu, dass Karl D. eine Gefahr für die Allgemeinheit sei.

Ermessensfehler des Beklagten lägen nicht vor. Gleichwohl sei sich das Gericht der Belastung bewusst, welche die Kläger durch die Überwachung zu ertragen hätten.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Berufungsinstanz ist das Oberverwaltungsgericht in Münster.

Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 24. Januar 2011, Aktenzeichen 6 K 140/10

Üble Nachrede: Prozess gegen Ärztin beginnt

Der Schein trügt. Nur auf den ersten Blick hat das Landgericht Münster die Langsamkeit in einem heiklen Verfahren entdeckt. Die 8. Große Strafkammer hatte zwar schon vor eineinhalb Jahren die schwerwiegende Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen und sich seitdem mit einem Verhandlungstermin schwer getan. Jetzt aber wird der Chefin des Duisburger Herzzentrums und ihrem Freund doch noch der Prozess gemacht – vier Jahre nach den ersten Ermittlungen.

„Die Vorladungen werden jetzt zugestellt“, bestätigte Behördensprecherin Karin Waldeyer-Gellmann auf Anfrage. Die Verhandlung beginne Mitte Mai. 10 von 13 Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft sind gegen Sabine D. zugelassen worden, die elf Vorwürfe gegen ihren Lebensgefährten im vollen Umfang.

Die Medizinerin soll während ihrer Zeit an der Universitätsklinik Münster gemeinsam mit ihrem Freund anonyme Schreiben verschickt haben, in denen sie dem Klinikum vermeintliche Fehler vorwarfen. Die Briefe gingen an die Generalstaatsanwaltschaft Hamm, an Angehörige Verstorbener und Journalisten. Ziel soll es gewesen sein, dem Leiter der Herz-Thorax-Chirurgie in Münster zu schaden.

Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer erläutert seine Sicht: „Frau D. hat versucht, den Leiter der Herz-Thorax-Chirurgie zu diskreditieren, damit dieser vorzeitig aus dem Dienst entfernt wird. Sie wollte früher als geplant Leiterin der Herzabteilung werden.“

Wegen siebenfacher Verletzung von Privatgeheimnissen muss sich D. cerantworten. Laut Anklage hat sie Informationen von Patienten weitergegeben. Außerdem wird sie der falschen Verdächtigung, der versuchten Nötigung, der Verleumdung und eines Verstoßes gegen das Datenschutzgesetzt beschuldigt.

Gegen ihren Lebenspartner, einen Unternehmensberater, besteht der „hinreichende Verdacht“, in neun Fällen personenbezogene Daten unbefugt verbreitet zu haben. Überdies wird ihm Verleumdung, Nötigung und falsche Verdächtigung vorgeworfen.

Bei der Höhe der denkbaren Strafhöhe wäre normalerweise das Amtsgericht zuständig. Das Landgericht Münster hatte sich aber dem Standpunkt der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Die hat dem Verfahren (mit einem großen Umfang und wahrscheinlich 34 Zeugen samt vielen Sachverständigen) eine „besondere Bedeutung“ unterstellt. Ein entsprechend langer Prozess wird erwartet.

Der kommt nun auch auf das Duisburger Herzzentrum zu, wo D. derzeit arbeitet. Die Chefärztin wird auf der Anklagebank sitzen und nicht operieren können. Geschäftsführer Otto Eggeling ist überrascht („Wir wissen vom Prozess nichts“), hält aber an Sabine D. fest: „Wir wollen keine Vorverurteilung. Wir sind mit Frau D. sehr, sehr zufrieden.“

Das Gegenteil ist aus der Universität Münster zu hören. Von dort kommen auf D. und ihren Partner zivilrechtliche Forderungen zu. Die Uniklinik behauptet , durch die Rufmordkampagne sei ihr ein Millionenschaden entstanden.

Die Klage auf 1,5 Millionen Euro Schadensersatz wurde zunächst vom Arbeitsgericht Münster abgelehnt. „Wir sind in die Berufung gegangen“, sagt Kliniksprecherin Simone Hoffmann. Mit den Forderungen beschäftigt sich momentan das Landesarbeitsgericht Hamm. (pbd)

Nach dem Alltag zu den Bienen

Eine Diebstahlsgeschichte spielt in Imkerkreisen. In der ersten Instanz ist ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. Ich zitiere originalgetreu aus der „Zusammenfassung“.

Die Imkerei wird als Hobby in Deutschland betrieben.

Nach dem beruflichen Alltag zu den Bienen gehen, war nun die schönste Entspannungstherapie.

Die Imkerei bringt nicht nur Honig, sondern beim Sammeln des Blüten bestäuben sie auch die Fruchtknolle.

Eine kleine Imkerei ist für jeden, nicht allergischen Interessierten neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit durchführbar.

Unter 8. nennt der Sachverständige auch seine „Bezugsquellen“:

Internet und Fachliteratur

Ersteres scheint mir deutlich zu überwiegen.

Sicherungsverwahrung für Gras

Das Landgericht Essen hat „schwunghaften Handel“ mit Marihuana nicht nur zum Anlass genommen, einen 62-Jährigen zu sechseinhalb Jahren Haft zu verurteilen. Das Gericht ordnete auch die Sicherungsverwahrung an, berichtet Der Westen.

Der 62-Jährige soll zwischen Mai und Juli 2010 fünf Mal Marihuana im Kilobereich aus den Niederlanden besorgt oder sogar selbst über die Grenze gebracht haben. Das Gericht warf dem Mann vor, er sei quasi unbelehrbar. Sogar nach einem Herzinfarkt sei er wieder straffällig geworden. „Er ist nicht zu beeindrucken“, erklärte der Vorsitzende laut dem Bericht. Ein Gutachter soll dem Mann attestiert haben, er sei fast schon ein Berufsverbrecher.

Drogenhandel ist sicher nichts Schönes. Aber mit sechseinhalb Jahren Gefängnis erhält der Betroffene eine Strafe, die für die genannten Mengen nicht milde ist. Zumal es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handelt, über deren Legalisierung ja sogar gestritten wird.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, bleibt der Betroffene auch nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe im Gewahrsam. Ein Gutachter muss alle zwei Jahre prüfen, ob er er noch „gefährlich“ ist. Grundsätzlich ist die Sicherungsverwahrung in ihrer aktuellen Fassung unbefristet; die Höchstgrenze von zehn Jahren gibt es nicht mehr. Für den Angeklagten kann das faktisch lebenslang bedeuten.

Das Landgericht Essen scheint hier übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Aber vielleicht braucht es gerade solcher Fälle, um dieses grausame und, wie ich meine, nicht mit den Grundrechten zu vereinbarende und einem Rechtsstaat unwürdige unbefristete Wegschließen von Menschen eines Tages zu Fall zu bringen.

(Danke an Christian K. für den Hinweis)

Auffallend enges körperliches Verhältnis

Aus einer Verteidigungsschrift, die ich gerade fertiggestellt habe:

Nachdenklich sollte auch stimmen, dass die Therapeutin aus dem angeblichen Umstand, die Tochter meines Mandanten habe „ständig auf seinem Schoß“ gesessen, ein „auffallend enges körperliches Verhältnis“ konstruiert. Dass Kleinkinder unbefangen auf dem Schoß ihres Vaters sitzen, war früher nichts Ungewöhnliches und sollte es heute auch nicht sein. Hieraus ein gewichtiges Indiz auf sexuellen Missbrauch herzuleiten, belegt Voreingenommenheit.

Nerdcore.de geht zurück an Rene Walter

Nerdcore.de geht zurück an Rene Walter. Die Denic ist auf Intervention von Walters Anwalt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Pfändung der Domain durch die Firma Euroweb nicht wirksam ist. Deshalb wird jetzt zunächst der alte Zustand wieder hergestellt – schon gestern musste Euroweb im Denic-Verzeichnis weichen. Dort ist jetzt wieder Rene Walter eingetragen.

Auch der triumphierende Text der Firma Euroweb, mit dem sie die Kaperung der Domain bekanntgab und großspurig eine Versteigerung der Internetadresse für gute Zwecke ankündigte, ist schon nicht mehr zu lesen. Derzeit wird die Transitseite der Denic angezeigt.

Die für Euroweb tätigen Rechtsanwälte werden die vermeintliche Erfolgsgeschichte über das Verfahren gegen Rene Walter auf ihrer Webseite wohl zumindest um einen weiteren Absatz erweitern müssen. Dieser dürfte aber nicht mehr ganz so imagefördernd ausfallen.

Walters Rechtsberater, der Kölner IT-Fachanwalt Dominik Boecker, der auch mich übrigens bereits mehrfach erfolgreich vertreten hat, stellte bei der Prüfung des Pfändungsbeschlusses nämlich gravierende Fehler fest. Unter anderem war nach seiner Auffassung Rene Walter vom Gericht kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden.

Dieser und andere Mängel führten bei der Denic jetzt zu der Erkenntnis, dass der Pfändungsbeschluss nicht die von Euroweb gewünschten Rechtswirkungen hat. Konkrete Folge: Die Denic stellt den ursprünglichen Zustand wieder her. Nerdcore geht zurück an Rene Walter.

Aller Voraussicht nach guckt Euroweb nun dauerhaft in die Röhre. Walter hat nämlich in der Zwischenzeit alle Verfahrenskosten an Euroweb gezahlt. Euroweb hat also keine Forderungen mehr an ihn, so dass ein neuer Pfändungsbeschluss nicht erlassen werden dürfte. Zu der Pfändung war es gekommen, weil Euroweb Walter wegen kritischer Äußerungen verklagt hatte. Der Blogger hatte sich, wie er selbst einräumt, wegen privatem Stress nicht um die gerichtlichen Schreiben gekümmert, darunter auch Kostenbeschlüsse.

Zu großen Diskussionen führte in den letzten Tagen die Frage, ob die Pfändung von Nerdcore.de überhaupt verhältnismäßig war. Euroweb konnte von Walter nach dessen Angaben etwa 1.100 Euro zuzüglich Zinsen verlangen. Nerdcore.de beherbergte aber eines der besucherstärksten Blogs Deutschlands. Fachleute schätzen den Wert der Domain auf 50.000 bis 80.000 Euro. Nur vor dieser erheblichen Diskrepanz ist es wohl zu verstehen, dass Euroweb nach Inbesitznahme der Domain ankündigte, Nerdcore.de zu versteigern und den Erlös zwei gemeinnützigen Institutionen zukommen zu lassen (eine davon hat die Spende rundheraus abgelehnt, bei der anderen gibt es eine interne Iniative, die Spende zu verweigern).

Wie sich nun herausstellt, hat Euroweb gegenüber dem Gericht erklärt, die Rechte an Nerdcore.de hätten einen „Schätzwert“ von 100 Euro (in Worten: einhundert Euro). Nur in Höhe dieses Betrages wären nach Auffassung von Rechtsanwalt Dominik Boecker die Verpflichtungen Walters erloschen, hätte die Pfändung Bestand gehabt. Walter hätte also trotz Kaperung seiner Domain noch einmal rund 1.000 Euro zahlen müssen.

Euroweb wird sich nun fragen lassen müssen, wie es zu der lächerlichen Summe von 100 Euro gekommen ist. Offenbar hat das Gericht den Angaben des Unternehmens blind geglaubt. Das Gericht hat Walter auch nicht angeschrieben und ihm Gelegenheit gegeben, zu dem von Euroweb genannten Schätzwert Stellung zu nehmen. Dazu wäre es aber verpflichtet gewesen.

Die sofort nach Übernahme der Domain von Euroweb angekündigte Versteigerung für einen guten Zweck könnte jetzt zum Bumerang für Euroweb werden. Sie ist jedenfalls ein Indiz dafür, dass Euroweb bewusst gewesen sein könnte, dass der tatsächliche Wert von Nerdcore.de deutlich über den genannten 100 Euro liegt. Ob Rene Walter wegen dieses Sachverhaltes, den er als „Verschleuderung“ von Nerdcore.de bezeichnet, zum Beispiel Strafanzeige wegen Verfahrensbetrugs erstattet, ist aber noch nicht entschieden.

Gleiches gilt für den ursprünglichen Prozess, in dem Walter untätig geblieben ist. Hier kann er gegen die Gerichtsbeschlüsse noch Widerspruch einlegen und das Hauptsacheverfahren betreiben. Es würde dann abschließend geklärt, ob Euroweb überhaupt zu Recht gegen den Blogger vorgegangen ist.

Zunächst freut sich Walter, dass er Nerdcore.de wohl an der gewohnten Adresse weiter betreiben kann. „Ich bedanke mich für die ungeahnte und alles andere als selbstverständliche Unterstützung durch unzählige Blogbeiträge und noch mehr Kommentare“, sagte Walter heute morgen.

Nachtrag: Stellungnahme von Euroweb

Kranker darf vielleicht Cannabis anbauen

Ein Schwerkranker hat möglicherweise das Recht, selbst Cannabis anzubauen. Das Verwaltungsgericht Köln betrachtet in einem heute bekanntgegebenen Urteil ein generelles Verbot für unwirksam. Es hat die zuständige Behörde verpflichtet, noch einmal über den Antrag zu entscheiden.

Der Kläger ist seit 1985 an Multipler Sklerose erkrankt. Er verlangte vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Anbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken. Nach Ansicht seiner Ärzte hat der jahrelange regelmäßige Cannabiskonsum des Klägers günstige Effekte auf die mit seiner Erkrankung verbundenen Störungen der Bewegungskoordination.

Der Kläger hält eine Alternativbehandlung mit den Ersatzstoffen Dronabinol oder mit Cannabis-Extrakt nicht für wirksam. Da seine Krankenkasse diese Behandlung auch nicht übernehme, könne er sie sich auch gar nicht leisten. Deshalb sei er auf den Eigenanbau von Cannabis angewiesen.

Das BfArM verweigerte die Genehmigung. Eine Erlaubnis verstoße gegen das internationale Suchtstoffübereinkommen. Zudem habe der Kläger keine geeigneten Sicherungsmaßnahmen in seiner Wohnung, um Zugriffe Dritter zu verhindern. Der selbst angebaute Cannabis sei zur medizinischen Versorgung des Klägers auch ungeeignet, da die Qualität des Wirkstoffs nicht nachgewiesen sei.

Dem folgte das Verwaltungsgericht nicht. Zwingende Versagungsgründe liegen nach Auffassung der Richter nicht vor. Die Sicherungsmaßnahmen des Klägers seien ausreichend. Der jahrelange Eigenanbau belege, dass der Kläger sich durch eine Therapie mit dem eigenangebauten Cannabis nicht selbst schädige.

Der mit der Erlaubniserteilung verbundene Verstoß gegen das internationale Suchtstoffabkommen müsse nicht zwingend zu einer Versagung der Erlaubnis führen. Das BfArM habe auch bei Verstoß gegen das Abkommen einen Ermessensspielraum, innerhalb dessen auch die Interessen des Klägers angemessen zu berücksichtigen seien. Dieses Ermessen habe die Behörde (bisher) nicht ordnungsgemäß ausgeübt, weil sie allein darauf abgestellt habe, dass eine Vertragsverletzung dem Ansehen der Bundesrepublik schade.

Die Behörde muss jetzt erneut über den Antrag entscheiden.

Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 11. Januar 2011, Aktenzeichen 7 K 3889/09

Letztlich etwas sehr Rührendes

Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) hat den Fernsehsender RTL lizenziert. Sie ist gesetzlich deshalb verpflichtet, die Einhaltung gewisser Programmgrundsätze bei RTL zu überprüfen, etwa die Achtung der Menschenwürde.

Gerade diesen Grundsatz sah David L. am 12. September 2010 im RTL-Programm verletzt. Der Sender strahlte um 19.05 Uhr eine Folge von „Schwiegertochter gesucht“ aus. Nach seiner Meinung wurden in der Folge partnersuchende Männer, insbesondere den als „Kratzbild“-Fan bekanntgewordenen Peer, als Volltrottel dargestellt und in einer Art und Weise präsentiert, die insgesamt nicht mehr akzeptabel ist. David L. beschwerte sich deshalb offiziell. Sein Schreiben landete bei der NLM.

Die zuständige Programmreferentin ließ sich mit ihrer Antwort in Namen der NLM etwas Zeit. Das lag womöglich daran, dass sie erkennbar an originellen Formulierungen feilte. Am 14. Dezember 2010 erhielt David L. jedoch eine Antwortmail. Nach deren Lektüre kann man sich durchaus fragen, wie ernst die NLM ihren Job nimmt. Jedenfalls hat man offensichtlich großen Spaß bei der Bearbeitung (und dem Abbügeln) solcher Beschwerden.

Dabei fängt alles vielversprechend an. Die NLM gibt dem verärgerten Zuschauer in weiten Teilen sogar Recht – nur machen kann sie am Ende nichts.

Zur Einleitung erklärt die NLM erst mal ausführlich, was es mit „Schwiegertochter gesucht“ überhaupt auf sich hat. Die Sendung stehe für „Partnervermittlung à la RTL“. Moderatorin Vera Int-Veen versuche für allein stehende Männer das große Liebesglück zu finden. Deren Mütter wünschten sich nicht nur einen glücklich verliebten Sohn, sondern auch, dass dieser endlich zu Hause auszieht.

Dann geht es aber zur Sache:

Nach drei Staffeln jedoch, so scheint es, ist das Reservoir an vorzeigefähigen Junggesellen, die noch zu Hause wohnen, nahezu erschöpft. Die auch als die „Mutter Theresa“ apostrophierte Int-Veen muss also in der aktuellen Staffel arg benachteiligte männliche „Restposten“ an die Frau bringen. Es sind Kandidaten mit vielerlei Marotten, die man sich wohl angewöhnt, wenn man es mit „Mutti“ über die übliche Halbwertzeit eines solchen Arrangements hinaus ausgehalten hat.

Geschmackliche Aspekte dürften, so die NLM, bei der rechtlichen Beurteilung von Medienangeboten aber nun mal keine Rolle spielen. So kommt die Behörde zu folgendem Ergebnis:

In medienrechtlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass in der Sendung zwar eine gewisse Zurschaustellung von Menschen mit körperlichem und seelischem Handicap nicht von der Hand zu weisen ist, dass aber auf Grund der Dramaturgie und Inszenierung der Sendung keine Lächerlichmachung bzw. Diffamierung der Protagonisten mit denunziatorischer Absicht erkennbar ist. Vielmehr wird – untermalt von romantischer Musik – Peer in seinem unbeholfenen Liebeswerben gezeigt, was letztlich auch etwas sehr Rührendes hat.

Messerscharf folgert die NLM:

Dass die gezeigten männlichen Kandidaten vielleicht etwas beschränkt oder schüchtern wirken heißt ja nicht, dass sie geistig behindert sind. Sie sind auch nicht etwa entmündigt, sondern es ist davon auszugehen, dass sie sehr genau wissen, was sie tun und dass sie die Show als große (und vielleicht einzige) Chance auf eine Beziehung sehen.

David L. war mit Inhalt und Ton der Antwort eher unzufrieden. Ich kann das ein ganz klein bisschen nachvollziehen.

(Bei der NLM habe ich angefragt, ob die Antwort authentisch ist. Diese Frage wurde leider nur indirekt beantwortet. Die zuständige Programmreferentin untersagt mir – ohne Begründung – eine Veröffentlichung.)

Nachtrag 1: Stefan Niggemeier belegt, wo sich die NLM für ihre Antworten inspirieren lässt.

Nachtrag 2: Dirk Fischer, Direktor der NLM, hat mir folgende Stellungnahme übersandt:

„- Die generelle Bewertung der Sendung als medienrechtlich unbedenklich ist richtig.

– Einzelne Formulierungen in dieser offiziellen Antwort sind unpassend.

– Die teilweise wörtliche Übernahme eines Pressetextes ist nicht akzeptabel.

– Die NLM wird den Vorgang überprüfen und angemessen reagieren.“

Justiz-Express

Letzten Mittwoch habe ich vor dem Schöffengericht in Witten eine Geschäftsfrau verteidigt. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld eingestellt. Am nächsten Tag hatte ich die Abrechnung der Pflichtverteidigergebühren fertig. Sie dürfte am Freitag beim Amtsgericht Witten gewesen sein.

Heute, nur acht Tage nach der Verhandlung, gehen die Anwaltsgebühren auf meinem Konto ein. Das ist wirklich ein beeindruckendes Tempo, sowohl beim Amtsgericht Witten als auch bei der Justizkasse.

Lob von der „anderen Seite“

Die Deutsche Richterzeitung wirft in ihrer aktuellen Ausgabe einen „Blick ins Netz“. Dieser trifft dann auch auf juristische Blogs. Zitat:

Neben klassischen, oftmals relativ statischen Internetseiten bestimmen seit einigen Jahren sogenannte Blogs das Bild des WWW: Insbesondere zu aktuellen rechtspolitischen Fragen bietet diese Form der Publikation im »Web 2.0« mit besonders intensiver Vernetzung und gern genutzten Kommentarfunktionen einen echten Mehrwert gegenüber klassischen Seiten.

Die Anwaltschaft hat diese Vorteile offenbar erkannt, sodass viele Kanzleien inzwischen einen »Blog« anbieten, auf dem sie zu aktuellen Rechtsfragen Stellung beziehen oder auch bisweilen skurrile Erlebnisse aus ihrem Berufsalltag aufgreifen.

Gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz kann es sehr erhellend sein, sich vor Augen zu führen, wie die eigene Arbeit auf der »anderen« Seite wahrgenommen wird. Beispielhaft für viele lesenswerte Anwalts-Blogs seien die meinungsstarken und zugleich humorvollen Seiten kanzlei-hoenig.info sowie lawblog.de genannt.

Beim Kollegen Hoenig, dem ich für den Hinweis danke, wird in den Kommentaren gleich eine alte Geschichte zum Verhältnis Anwalt – Richter neu aufgekocht.