Anwälte unter Betrugsverdacht – keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Es geht um zigtausend Euro, letztlich Millionenbeträge. Deswegen tricksen Rechtsanwälte vor Gerichten und versuchen so, den Staat zu betrügen: sie halten wider besseren Wissens bei einer Klage den Streitwert niedrig und manipulieren damit die fällige Gerichtsgebühr nach unten. Diesen scharfen Rüffel hat der 2. Zivisenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) allen Angehörigen einer höchst renommierten Anwaltskanzlei in München erteilt. Die drei Berufsrichter beschuldigen die Rechtsberater sogar einer Straftat und sprechen von einem „bestehenden Verdacht eines gemeinschaftlichen versuchten Betruges zu Lasten der Landeskasse“. Kein Einzelfall, stellt das Juristen-Trio verärgert fest. Wenn eine Firma gegen die andere klagt, bleibt der Staat der finanzielle Verlierer. Wörtlich heisst es: „Nach den Erfahrungen des Senats stellt es eine …mittlerweile beinahe regelmäßige Praxis dar, dass …beide Parteien im einträchtigen Zusammenwirken mit einer zu niedrigen Streitwertangabe prozessieren, um Gerichtskosten zu sparen“. Der Senat nennt den Hintergrund. Zumeist in großen, also auch teuren Verfahren berechnen Anwälte ihre Arbeit nicht nach der Gerichtsgebühr, sondern nach Stundensätzen. Soll heissen: Die Anwälte sparen erhebliche (Staats-) Kosten des Prozesses für ihre Mandanten, um sich so von denen mehr Geld selbst zu verschaffen. Das alles, behauptet der Senat, passiere „nicht versehentlich“. Sondern „in direkter Absicht“. Demnach haben die Münchener Anwälte bei ihrer Klage – bei der es um die angebliche Verletzung eines Patents geht – dem Landgericht Düsseldorf noch einen Streitwert von 5 Millionen Euro untergeschoben. Die Landgerichtskammer freilich rechnete nach, ging von einem Unternehmensumsatz von mehr als 2 Milliarden Euro aus und erhöhte den Wert der Klage um das sechsfache auf 30 Millionen Euro. Dagegen zogen die Münchener Anwälte vor das Oberlandesgericht, dem sie dann zumindest einen Streitwert von rund 11 Millionen einräumte. Vergeblich. Der OLG-Senat folgte den Landgerichtskollegen und holte bei dieser Gelegenheit aus. Es liege auf der Hand, dass solche „bewusste Vorenthaltung seitens der Anwälte“ von der Landeskasse zustehenden Gerichtsgebühren „nicht hingenommen werden kann“. Die Anwälte, so hieß es, teilten die Auffassung des Senats nicht. Der aber bleibe bei seiner Haltung, sagte OLG-Sprecherin Susanne Baan. Inwischen hat sich die Staatsanwalt wegen des Verdachts des Betruges und dessen Strafverfolgung eingeschaltet. Die Behörde hat zwar von Amts wegen Straftaten zu verfolgen, sieht aber hier keine „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“. Einerseits, so begründete ein Behördensprecher diese Haltung, seien Anwälte nicht gezwungen, sich an der Bestimmung des Streitwerts zu beteiligen. Zum anderen fehlten die entsprechenden Akten, denn die habe der OLG-Zivilsenat ja nicht an die Strafverfolger geschickt. Warum das unterblieben ist, bleibt vorläufig im Dunkeln – es gebe, so der Sprecher des OLG „senatsinterne Gründe“. (pbd)