Die Wünsche der bayerischen Polizei

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat vorhin eingeräumt, dass zumindest einer der vom Chaos Computer Club analysierten Trojaner aus Bayern stammt. Damit wird nur zugegeben, was ohnehin schon offensichtlich war. Immerhin hatte bereits am Vormittag ein bayerischer Strafverteidiger bekanntgegeben, er habe dem CCC eine Festplatte zur Verfügung gestellt, die einen von bayerischen Behörden aufgespielten Trojaner enthält.

Bemerkenswert ist, wie unverfroren der bayerische Innenminister nun an den Tatsachen vorbei argumentiert. So lässt er sich mit folgendem Statement zitieren:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung 2008 ist eine Quellen-TKÜ zulässig, wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird. Nichts anderes ist in Bayern bisher praktiziert worden. Sämtlichen Maßnahmen ist – wie gesetzlich vorgesehen – auch ein richterlicher Beschluss vorausgegangen.

Das bayerische Innenminsterium stellt den Fall also so dar, als sei aufgrund der technischen Vorkehrungen und rechtlichen Vorgaben nur die Telekommunikation des Beschuldigten überwacht worden.

Genau das ist aber nicht der Fall.

Das dem Beschuldigten bei einer angeblichen Zollkontrolle am Flughafen untergejubelte Programm machte auch alle 30 Sekunden ein Foto vom Bildschirm des Computers und übermittelte es der Polizei. So hatten die Beamten auch Einblick in alle anderen Aktivitäten, die der Beschuldigte auf seinem Computer entfaltete. Rund 60.000 Screenshots sollen insgesamt zusammengekommen sein.

Festgehalten ist der Fakt, dass sich die Maßnahme eben nicht auf eine Telekommunikationsüberwachung beschränkte, in einer recht soliden Quelle. Das Landgericht Landshut hat am 20. Januar 2011 genau diesen Teil der Überwachung für rechtswidrig erklärt. Der Beschluss ist hier nachzulesen.

Selbst der Ermittlungsrichter am Amtsgericht, der die Maßnahme ursprünglich anordnete, hat die Überwachung auf die Telekommunikation beschränkt. Schon sein Beschluss ließ es ausdrücklich nicht zu, dass der Rechner selbst durchsucht oder andere Aktivitäten des Nutzers festgehalten werden.

Offenbar hatten die Ermittler aber andere Wünsche. Obwohl ihnen solche Maßnahmen ausdrücklich untersagt waren, richteten sie die Screenshot-Funktion ein – wofür der von ihnen verwendete Trojaner offensichtlich geeignet war. So viel zu den “technischen Vorkehrungen”, die das nach Angaben des bayerischen Innenministers verhindern. (Hinweis: Zunächst habe ich geschrieben, das Amtsgericht habe die Screenshots erlaubt. Das war falsch. Deswegen habe ich den Text berichtigt.)

Wenn Herrmann also wahrheitsgemäß behauptet, seine Beamten hätten sich an die rechtlichen Vorgaben gehalten und dies durch technische Vorkehrungen umgesetzt, dürfte es die Entscheidung des Landgerichts Landshut eigentlich gar nicht geben.

Ja, wenn.

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