Schlecker-Grundbuch muss geöffnet werden

Die Journalisten vom Berliner autorenwerk haben sich das Recht erkämpft, die Grundbucheinträge der Unternehmerfamilie Schlecker einzusehen – zumindest teilweise. Das Grundbuchamt Ehingen hatte Anfragen nach Grundbucheinsicht zunächst verweigert. Nun ordnet das Oberlandesgericht Stuttgart an, dass die Reporter zumindest erfahren dürfen, welche Grundstücke innerhalb der Familie Schlecker übertragen worden sind.

Anlass für die Recherchen waren Informationen, wonach das Schlecker-Anwesen in Ehingen möglicherweise erst seit neuestem im Alleineigentum der Ehefrau des Firmenpatriarchen, Christa Schlecker, stehen soll. Das hätte zur Folge, dass das Grundstück nicht in die Insolvenzmasse des Schlecker-Imperiums fallen könnte, da nur Gründer Anton Schlecker mit seinem persönlichen Vermögen haftet.

Beim Ehinger Grundbuchamt stießen die Reporter aber auf Granit. Dort sah man kein ausreichendes Interesse, sondern verwies die Antragsteller lapidar an den Insolvenzverwalter. Der könne ja Auskunft geben.

Dieser Auffassung schließt sich das Oberlandesgericht Stuttgart nicht an. Die Richter bejahen ein öffentliches Interesse an der Frage, ob innerhalb der Schlecker-Familie möglicherweise Vermögen übertragen und so (auch) vor dem Zugriff der Gläubiger in Sicherheit gebracht wurde. Hier habe die Pressefreiheit Vorrang vor dem Interesse der Schlecker-Familie, private Informationen nicht öffentlich werden zu lassen.

Die Journalisten dürfen auch nicht auf den Insolvenzverwalter verwiesen werden. Zu dessen Aufgaben gehöre es schon gar nicht, die Öffentlichkeit zu unterrichten.

Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 27. Juni 2012, Aktenzeichen 8 W 228/12

Verantwortlicher Staatsanwalt soll seinen Posten räumen

Das Organisationsbüro Strafverteidigervereinigungen kritisiert eine überzogene Maßnahme der Staatsanwaltschaft Münster. Diese hatte einen Rechtsanwalt im Verhandlungssaal festnehmen lassen. Aus der Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen:

Am 19.06.2012 wurde der Strafverteidiger R. in einer von der Staatsanwaltschaft beantragten Verhandlungspause vor dem Landgericht Münster im Gerichtssaal vor laufender Kamera von der Staatsanwaltschaft mit den Worten: »Ich nehme Sie vorläufig fest. Ziehen Sie bitte die Robe aus« vorläufig festgenommen und in Handschellen aus dem Saal geführt. Die Videoaufnahmen der inszenierten »Saalverhaftung« sind im Internet für jedermann zugänglich.

Grund der Festnahme war, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund der Angaben eines Zeugen den dringenden Verdacht sah, Rechtsanwalt R. habe versucht, diesen Zeugen durch Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 50.000,- € zu einer unwahren Aussage zugunsten seines Mandanten zu »bestechen«. Rechtsanwalt R. bestreitet dies.

Nachdem am Nachmittag des 19.06.2012 zunächst ein Haftbefehl gestützt auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gegen Rechtsanwalt R. erging, wurde er am Freitag, den 22.06.2012, wieder aus der Untersuchungshaft entlassen und der Haftbefehl aufgehoben.

Am Morgen vor der Verhandlung wurden die Bielefelder Nachrichten, die BILD und der WDR durch einen anonymen Anrufer darüber informiert, dass am Landgericht Münster am gleichen Vormittag etwas Spektakuläres geschehen werde. Die Identität des Anrufers und die Quelle seines Wissens konnte bislang offiziell nicht ermittelt werden. Allerdings liegt es nahe, dass die Informationen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft Münster kamen. Denn der Zeuge, der beeinflusst werden sollte, hatte sich direkt an die Staatsanwaltschaft Münster und nicht an die Polizei gewandt und die Entschließung, eine Festnahme durchzuführen, lag alleine bei der Staatsanwaltschaft.

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Münster in diesem Fall ist skandalös und rechtsmissbräuchlich, denn sie verletzt in eklatanter Form die für Rechtsanwalt R. streitende Unschuldsvermutung. Die Festnahme in einer eigens dafür beantragten Unterbrechung der Gerichtsverhandlung vor den Augen aller Anwesenden und der anwesenden Presse erweckt den Eindruck einer mediengerechten Inszenierung.

Ein sachlicher Grund für die Festnahme in dieser Form ist nicht erkennbar. Da Fluchtgefahr nicht bestand, wäre es ein leichtes gewesen, Rechtsanwalt R. vor oder nach der Verhandlung ohne großes Aufsehen im Gerichtsgebäude festzunehmen. Wenn dies dennoch im Gerichtssaal unter den Augen der Öffentlichkeit und der Presse geschah, ist nur so zu erklären, dass den verantwortlichen Staatsanwälten darum ging, größtmögliche öffentliche Wirkung zu erzielen.

Dabei ist die Staatsanwaltschaft nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren gehalten, alles zu vermeiden, »was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann”.

Diese Art publicityträchtiger staatsanwaltschaftlicher Öffentlichkeitsarbeit ist schon im Fall Zumwinkel kritisiert worden. So eine mediale Exekution verletzt die Unschuldsvermutung und das Gebot der Verhältnismäßigkeit in unerträglicher Form.

Die Strafverteidigervereinigungen fordern daher die Ablösung des verantwortlichen Abteilungsleiters der Staatsanwaltschaft und lückenlose Aufklärung, wie es zu den Tipps an die Presse kam.

Homepage des Organisationsbüros Strafverteidigervereinigungen

Gebimmel zur Nachtzeit

Im bayerischen Neuschönau läutete die Kirchenglocke bisher jede Stunde. Rund um die Uhr. Künftig ist jedoch Schluss mit dem “Gebimmel zur Nachtzeit”, wie es ein Hotelier formuliert. Der Gastronom, dessen Hotel neben der Kirche steht, war vom durchgehenden Glockenläuten genervt und sah auch die Nachtruhe seiner Gäste gestört.

Auf eine schriftliche Klagedrohung hin knickte der örtliche Pfarrer ein. Ausschlaggebend war ein Lärmgutachten. Dieses ergab nach Angaben des Pfarrers, dass das Nachtläuten über den zulässigen Lärmgrenzwerten liegt.

Zwischen 22 und 6 Uhr bleibt die Kirche jetzt stumm. Der erste Glockenklang des Tages ist ein sogenannte Gebetsläuten. Dieses fällt, im Gegensatz zum Stundenläuten, nach Auffassung der meisten Gerichte trotz der frühen Stunde unter die Freiheit der Religionsausübung.

Berichte in der Passauer Neuen Presse: (1) (2)

Die Herren Ministerialräte

Wundersame “Beförderungen” gab es im NRW-Justizministerium. Ulrich Hermanski, der ehemalige Pressesprecher des Ministeriums, trägt im aktuellen Handbuch der Justiz den Rang „Ministerialrat“. Ebenso wie Detlef Feige, sein Nachfolger. Dieter Wendorff, ehemals Leiter der Justizkommunikation und inzwischen in Rente, ist noch höher geklettert. Das Justizhandbuch betitelt ihn als „Leitender Ministerialrat“.

Tatsächlich sind alle gar keine Beamten, sondern Angestellte des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Fachjargon heißt das „Justizbeschäftigter”. Aber: Justizbeschäftigter – wie klingt das…? Diese Sorge muss wohl jemand verspürt und die Mitarbeiter titelmäßig aufgewertet haben. Nur wer?

Der Deutsche Richterbund, der das Buch für ganz Deutschland herausgibt, sagt, die Bezeichnungen stammten direkt aus dem Ministerium. Stimmt, so heißt es dort nach einigen Nachforschungen, das haben wir so gemeldet. Aber warum die offenkundig falschen Titel?

Nun ja, irgendwer – näher mag man sich nicht festlegen – habe wohl die Funktion und Gehaltsstufe “frei übersetzt” und sei auf die Amtsbezeichnungen gekommen, die jetzt das Nachschlagewerk schmücken. Immerhin kostet es, so weit ersichtlich, den Steuerzahler nichts. Und möglicherweise erfüllt es ja auch seinen Zweck. Stehen doch gerade die Düsseldorfer im Ruf, Imponiergehabe etwas abgewinnen zu können. (pbd).

Kleiner Vortrag in Münster

“Sie haben das Recht zu schweigen”, heißt ein kleiner Vortrag, den ich am nächsten Dienstag, 3. Juli,  in Münster halten werde. Der AStA der Fachhochschule hat mich eingeladen.

Ich werde anhand praktischer Beispiele erklären, wie man sich bei Polizeikontrollen, Hausdurchsuchungen und Festnahmen am besten verhält. Egal, ob man nun Beschuldiger oder Zeuge ist.

Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Großen Hörsaal Hüfferstift, Hüfferstraße 27. Der Eintritt ist frei, und es dürfen nach meinen Informationen auch Nichtstudenten kommen.

Flyer des AStA

Adressbuch-Abzocke: Anwälte drehen den Spieß um

Normalerweise ärgert man sich ja nur über den dreisten Abzockversuch, wenn mal wieder ein dubioses Adressbuch-Angebot eingeht. Die Anwälte der Dortmunder Kanzlei Schlüter Graf & Partner greifen jetzt allerdings zu handfester Gegenwehr: Sie verlangen von einem Adressbuchverlag Geld dafür, dass er ihre Daten veröffentlichen darf.

Die brillante Idee hatte Dr. Mirko Möller, der in der Dortmunder Anwaltskanzlei arbeitet. Er änderte einfach den Text des Vordrucks, mit dem die Düsseldorfer GWE Wirtschafts-Informations GmbH für ihr Portal gewerbeauskunft-zentrale.de kostenpflichtige Aufträge reinholt. Statt die Zahlung von 569,06 Euro zu versprechen, schrieb Möller folgendes ins Formular:

Basiseintrag: Für die Erlaubnis, unsere genannten Firmendaten unter Gewerbeauskunft-Zentrale.de veröffentlichen zu dürfen, einschließlich der Verlinkung auf unsere Homepage erhalten wir von der GWE GmbH eine Vergütung von jährlich inkl. Ust: Eur 569,06. Die Berechnung erfolgt einmal pro Jahr im Voraus.

Der Adressbuchverlag nahm die Daten der Anwaltskanzlei prompt in sein Register auf, verweigert aber bislang die Vergütung. Nun gehen die Dortmunder Rechtsanwälte einen Schritt weiter. Sie haben die GWE Wirtschafts-Information GmbH vor dem Amtsgericht Düsseldorf verklagt.

Dabei müssen sich die Juristen noch nicht mal gute Argumente ausdenken. Sie kupfern einfach die Gründe ab, welche der Adressbuchverlag gegen seine “Kunden” vorbringt. Wer behauptet, das mehr oder weniger amtlich aussehende Dokument nur als Korrekturfahne für einen Telefonbucheintrag gehalten zu haben, den belehrt die GWE gerne, dass man im Geschäftsleben verpflichtet sei, Angebotstexte gründlich zu lesen, bevor man den Vertrag abschließt.

Mirko Möller ist jedenfalls zuversichtlich, dass das Gericht die GWE an ihren eigenen Maßstäben misst. Durch die Veröffentlichung der Daten, so meint er, sei der Vertrag zu seinen Konditionen abgeschlossen worden.

Mit der Klage will der Anwalt, der die Adressbuchmasche für strafbaren Betrug hält, ein Signal setzen und kein Geld verdienen. Sollte die GWE zahlen müssen, will die Kanzlei den Betrag für einen guten Zweck spenden.

beck-online

Ruhr Nachrichten

Gebt die WLANs frei

Die Digitale Gesellschaft hat heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Betreiber privater WLANs von der Störerhaftung befreien soll. Wer sein WLAN offen lässt, soll künftig nicht mehr für Urheberrechtsverstöße haften, die Dritte über seinen Anschluss begehen. Die Digitale Gesellschaft weist darauf hin, dass diese Idee an sich nur eine Gleichberechtigung bedeutet. Schon heute sind kommerzielle Internetprovider wie die Telekom oder Vodafone nicht dafür verantwortlich, wenn sich Nutzer ihrer Netze rechtswidrig verhalten.

Wegen des Haftungsrisikos schotten momentan viele Nutzer ihre Funknetze ab, anstatt andere mitsurfen zu lassen. Das führt in dichter besiedelten Gebieten dazu, dass zwar oft ein Dutzend WLANs zu empfangen sind – aber alle verschlüsselt, sodass kein einziges zur Nutzung offen steht. Und all dies nur, weil die WLAN-Betreiber, anders als etwa die Anbieter von DSL-Anschlüssen, nach gegenwärtiger Rechtslage für alles haftbar gemacht werden können, was über ihre Netze geschieht.

Die Digitale Gesellschaft will diese Benachteiligung abschaffen: Warum, so fragen die Initiatoren, soll für den kleinen Mann eine wesentliche härtere Haftung gelten als für Telekom und & Co.?

Aus Sicht der Digitalen Gesellschaft ist das Teilen von Internetzugängen eine netz- und sozialpolitische Notwendigkeit: „Wer sein WLAN anderen zur Mitnutzung zur Verfügung stellt, tut etwas Gutes und sollte dafür nicht bestraft werden“, erläutert Markus Beckedahl, Vorsitzender des Vereins.

„Für Datenreisende ist diese digitale Nachbarschaftshilfe einem gereichten Glas Wasser vergleichbar. Auch kann man auf diese Art sozial Benachteiligten ermöglichen, im solidarischen Huckepackverfahren einen Internetzugang zu erhalten.“ So sieht der Hartz-IV-Regelsatz einen Zugang zum Internet bisher nämlich überhaupt nicht vor. Gerade für die Kinder von Hartz-IV-Empfängern bedeute dies eine handfeste soziale Benachteiligung.

Derzeit beschäftigen sich verschiedene Bundesratsinitiativen, zum Beispiel aus Hamburg und Berlin, mit dem Thema. Einige politische Akteure scheinen das Problem der Haftung für offene WLAN-Netze also bereits erkannt zu haben.

„Ohne Internetzugang ist man bereits heute Bürger zweiter Klasse“, sagt Markus Beckedahl. „Zugang zum Internet zu haben, darf nicht vom Einkommen abhängen – dafür ist es schon viel zu wichtig, ob zur Eigeninformation, zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe oder für Verwaltungsvorgänge..”

Der professionell formulierte Gesetzentwurf  steht allen politischen Parteien gleichermaßen zur Umsetzung offen: “Copy & Paste ist hier mal ausdrücklich erwünscht”, so Beckedahl.

Gesetzentwurf

Richter erklären Beschneidung von Jungs für strafbar

Das Landgericht Köln hat ein Urteil gefällt, das sicher noch für Diskussion Sorgen wird. Nach Auffassung der Richter ist die Beschneidung eines Jungen eine strafbare Körperverletzung, wenn sie aus religiösen Motiven erfolgt. Das Gericht verurteilte nach einem Bericht der Financial Times Deutschland nun einen muslimischen Beschneider, der auf Wunsch der Eltern einen vierjährigen Jungen beschnitten hatte.

Nach Auffassung des Landgerichts Köln soll es sich bei der Beschneidung aus religiösen Gründen um eine "schwere und irreversible Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit" handeln. Diese sei weder durch die Religionsfreiheit noch das Elternrecht gedeckt.

Diese Ansicht haben allerdings auch schon andere deutsche Gerichte vertreten. Die meisten Entscheidungen drehen sich aber um zivilrechtliche Fragen, etwa die Überschreitung des Sorgerechts durch Eltern oder Schmerzensgeldansprüche beschnittener Jungen. Strafrechtlich scheint die Frage bislang in der Tat noch nicht geklärt. In den Standardkommentaren ist durchaus (noch) zu lesen, eine religiös motivierte Beschneidung sei bei Jungen “sozialadäquat”, verbunden mit dem Hinweis, die Beschneidung von Jungen sei nicht zu vergleichen mit der Genitalverstümmelung von Mädchen.

Die Problematik des Kölner Urteils liegt allerdings auf der Hand. Es verabsolutiert die körperliche Unversehrtheit eines Kindes, das aufgrund seines Alters nicht wirksam in den Eingriff einwilligen kann, gegenüber den religiösen Grundregeln seiner Eltern und deren (grundsätzlich zu achtenden) Wunsch, das Kind ebenfalls in dieser Religion zu erziehen.

Hinzu kommt, dass die männliche Beschneidung laut Wikipedia (Achtung: Der Wikipedia-Eintrag ist bebildert und möglicherweise NSFW) der weltweit am häufigsten vorgenommene chirurgische Eingriff ist. Beschneidungen erfolgen nicht nur aus religiösen Gründen, in den USA ist der Eingriff bei Jungs so etwas wie ein gesellschaftlich etablierter Standard. Außerdem gibt es eine Vielzahl medizinischer Indikationen für die männliche Beschneidung.

Strafrechtlich gesehen hat das Landgericht Köln somit zwar gesprochen. Ich bezweifle aber, dass es schon das letzte Wort in dieser schwierigen Problematik war.

Links 755

65 Prozent der GEMA-Ausschüttungen gehen an fünf Prozent der Mitglieder

Junge Anwältin zwischen den (politischen) Fronten

ARD und ZDF kündigen Einspeisungsverträge fürs Kabel

Chef von Morgan Stanley stolpert ins Aus

Kritik an der Polizei kann „Ehrabschneidung“ sein

Grüne wollen (nach wie vor) Marihuana legalisieren

Justizminister stellen WLAN-Störerhaftung auf den Prüfstand

Gericht untersagt Berliner Polizei erneut Videos bei Demonstrationen

Polizei in NRW blitzt nach Wunsch

Sperrmüll nicht zu früh rausstellen

Ach, sagen Sie mal…

Heute habe ich einen Brief der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bekommen. Die Abteilung Geldwäscheprävention beschäftigt sich mit einer Firma, die nicht nur einen vollmundigen Namen trägt, sondern nach eigenen Angaben Niederlassungen in Panama, Monaco, auf der Isle of Man und den Cayman Islands hat.

Nun soll ich der BaFin nähere Informationen über das Unternehmen liefern. Man bittet mich um eine detaillierte Beschreibung, welche Tätigkeiten und Dienstleistungen die Firma anbietet.

Interessant ist natürlich, wie die BaFin darauf kommt, mir so einen Brief zu schreiben. Nun ja, die Erklärung ist eher schlicht: Mein Büro wird auf der in Panama gehosteten Webseite unter der Rubrik “Empfehlungen” geführt. Dort hat jemand eine ganze Latte von Strafverteidigern aus ganz Deutschland aufgezählt und – offensichtlich – die Tätigkeitsfelder und Kontaktdaten von der jeweiligen Kanzleihomepage rüberkopiert.

Schon vom Erscheinungsbild spricht also wenig dafür, dass die dort aufgeführten Anwaltsbüros tatsächlich für die betreffende Firma arbeiten. Oder dass die Kanzleien gar, wie es das BaFin in dem Schreiben ebenfalls für möglich hält, als Referenzkunden für tatsächlich ausgeführte Tätigkeiten oder Dienstleistungen des Unternehmens aufgeführt sind.

Ebenso interessant ist natürlich, welche Antwort sich die BaFin erhofft. Für einen Anwalt gilt die Schweigepflicht – auch und gerade gegenüber dem Staat. Zu dieser Schweigepflicht gehört mitunter schon, ob ein Mandat besteht. Oder eben auch nicht. Streng genommen fällt unter die Schweigepflicht sogar, ob es mal Gespräche über ein Mandat gegeben hat, selbst wenn letztlich nichts daraus geworden ist.

Das nimmt der BaFin natürlich nicht das Recht, höflich zu fragen. Mehr hat sie ja auch nicht getan. Dennoch sollte der BaFin aber auch klar sein, dass Anwälte, die eventuell für die Firma arbeiten, die freundliche Bitte gar nicht erfüllen können, ohne sich wegen Verletzung der Schweigepflicht strafbar zu machen. Es sei denn, ihr Auftraggeber stimmt irgendwelchen Informationen zu. Aber wäre das der Fall, hätte die BaFin ihre Informationen ja wahrscheinlich schon direkt von der Firma erhalten.

Ich muss mir jetzt überdies eine Wiedervorlage notieren. In absehbarer Zeit werde ich bei der BaFin nämlich mal anfragen, welche personenbezogenen Daten dort zu diesem Vorgang über mich gespeichert sind.

Im Gerichtssaal verhafteter Anwalt ist wieder frei

Der in Münster im Gerichtssaal verhaftete Anwalt ist wieder frei. Einzelheiten zu der Verhaftung habe ich hier berichtet. Nach meinen Informationen hat das Amtsgericht Münster heute nachmittag die Freilassung des Betroffenen angeordnet, nachdem er sich in der Haft zu den Vorwürfen geäußert hat.

Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Münster sagte mir, der Anwalt habe “wesentliche Teile des Ermittlungsergebnisses bestätigt”. Jedoch sei dies nicht so zu verstehen, dass der Betroffene den eigentlichen Vorwurf eingeräumt hat. Er habe zu der Frage, ob er einem Zeugen für eine Falschaussage Geld geboten hat, definitiv kein Geständnis abgelegt.

Jedenfalls erscheine es nach der Aussage nicht mehr verhältnismäßig, den Anwalt weiter in Haft zu belassen. Insbesondere sei die bislang angenommene Verdunkelungsgefahr nun nicht mehr gegeben.

Auch wenn das alles zutrifft, ändert dies nichts an der bislang geäußerten Kritik an dem brachialen Vorgehen der Münsteraner Ermittler. Denn selbst wenn dem Anwalt letztlich etwas zur Last gelegt werden kann, war die nach allem Anschein genüsslich inszenierte Festnahme im Gerichtsaal durch nichts gerechtfertigt.

Es ist Aufgabe der Gerichte über Straftäter zu urteilen. Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Verdächtige durch Showeinlagen öffentlich vorzuverurteilen und ihr Leben zu ruinieren. Es hätte der Staatsanwaltschaft Münster gut angestanden, auch beim Prozedere die Verhältnismäßigkeit ebenso im Auge zu behalten, wie sie es  jetzt – nach eigener, bislang nicht überprüfbarer Darstellung – bei der Frage nach der Fortsetzung der Untersuchungshaft tut.   

Ob und was an den Vorwürfen dran ist, wird jetzt das ganz normale Verfahren zeigen. Nach Auskunft des Sprechers der Staatsanwaltschaft werden die Ermittlungen fortgesetzt. Der Schaden, den die Staatsanwaltschaft Münster – auch für das Image der Strafverfolger insgesamt – bislang angerichtet hat, wird so oder so bleiben.

Andere Stimme zum Thema

Die Märchenstunde des Verlegeranwalts

Christoph Keese hat früher mal kluge Artikel für die Financial Times Deutschland geschrieben. Seit Jahren agiert er als Lobbyist für den Axel Springer Verlag. Da stellt er sich allerdings weit weniger schlau an. Sein wichtigstes Projekt, zumindest nach der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ist das Leistungsschutzrecht. Manche sprechen sogar von einer Lex Keese. Anerkennend ist das nicht unbedingt gemeint. Und langsam fängt es sogar an, albern zu werden.

Keese präsentiert in seinem Blog heute das “Gutachten” eines Anwalts, der den Entwurf des Leistungsschutzrechts in höchsten Tönen lobt. Was sollte der Jurist auch sonst tun? Ausweislich des Vorspanns arbeitet er seit Jahren als Urheberrechtsexperte, beackert das Feld des Leistungsschutzrechts. Seine Mandanten und damit Brötchengeber sind die Verlegerverbände, seit jeher auch treibende Kräfte in Sachen Leistungsschutzrecht.

Auch wenn unklar bleibt, für wen der Anwalt das “Gutachten” geschrieben hat, einen Gefallen tut er seinen Auftraggebern damit jedenfalls nicht. Der Anwalt schwurbelt zwar weitgehend unverständlich und damit risikolos daher, versteigt sich aber immerhin zu folgender  Kernbehauptung:

Nur wer das Presseerzeugnis verwertet (und nicht lediglich seine Inhalte), greift in das Leistungsschutzrecht ein. Das Leistungsschutzrecht verletzt daher, wer zum Beispiel den elektronischen Scan einer Zeitung oder die technische Kopie einer Nachrichten-Website im Internet verfügbar macht. Keine Verletzung des Leistungsschutzrecht bewirkt, wer nur den Inhalt eines Presseartikels übernimmt – sei es in einem Blog, einem Tweet oder auf Facebook.

Der Anwendungsfall des Leistungsschutzrechts soll also darauf beschränkt sein, dass jemand einen Zeitungsartikel fotografiert und ins Netz stellt? Oder eine redaktionell gestaltete Onlineseite samt Layout übernimmt?

Ich rätsele wirklich, wo der Verleger-Anwalt diese Einschränkung herausinterpretiert. Davon steht im Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht kein Wort. Im Gegenteil: Die Begründung betont ausdrücklich, dass sogar kleinste Textfetzen auch vom Leistungsschutzrecht umfasst sein sollen, ähnlich wie dies der Bundesgerichtshof ja bereits für Songs entschieden habe.

Im Sinne des “Gutachters” hat sogar Lobbyist Keese das Leistungsschutzrecht bislang nicht verstanden. Er räumte mittlerweile ein, dass theoretisch auch URLs (die zum Beispiel den Text der Überschrift enthalten) oder bloße Linksammlungen vergütungspflichtig sein könnten. Von Scans oder Textübernahmen samt Layout ist bei Keese keine Rede. Sein einziger Trost: Die Verleger würden hierfür sicher keine oder nur eine sehr geringe Lizenzgebühr kassieren.

Aber sehen wir das Positive. Ein von den Verlegern bezahlter Jurist erklärt öffentlich, dass wir das Leistungsschutzrecht gar nicht brauchen. Das Veröffentlichen von Scans oder gar die komplette Übernahme ganzer HTML-Seiten, die Redaktionen (mühsam) gestrickt haben, ist bislang jedenfalls nicht als der Quell der Millionenverluste beklagt worden, welche der angebliche Textklau im Internet verursacht.

Jedenfalls dürfte der Schaden, den eingescannte Zeitungsseiten verursachen, kein eigenes Gesetz rechtfertigen. Zumal der Anwalt auch dezent verschweigt, dass beide von ihm angeführten Fälle das geltende Urheberrecht verletzen. Verlage können in diesen Fällen schon längst aus den ihnen übertragenen Nutzungsrechten vorgehen.

Wir haben es also seit heute aus berufenem Mund schriftlich, dass das Leistungsschutzrecht überflüssig ist. Es bleibt nur die offenkundige Absicht, auf Grund unsicherer Rechtslage eine Abmahnwelle loszutreten und durch Verunsicherung von Bloggern, Facebook- und Twitter-Usern die publizistische Hoheit im Netz zurückzuerobern. 

Für diese Erkenntnis dürfen wir Christoph Keese wirklich dankbar sein.

Ebenfalls zum Thema:

Presseschauer

Internet-Law

kLAWtext

Stefan Niggemeier

Die Kachelmann-Schleife

In Münster ist ein Strafverteidiger im Gerichtssaal verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, einem Zeugen 50.000 Euro für eine Falschaussage geboten zu haben. Die Art und Weise, wie die Staatsanwaltschaft mit dem Rechtsanwalt umgeht, wirft Fragen auf.

Es fängt schon damit an, dass es Tipps an die Medien gegeben haben soll. Die Osnabrücker Zeitung berichtet, unter anderem sei das WDR-Landesstudio in Münster informiert gewesen. Der Sender schickte ein Kamerateam, das die Verhaftung des Juristen filmte.

Zwar wird die Hauptverhandlung, in welcher der Anwalt gerade verteidigte, zu dem Zeitpunkt schon unterbrochen gewesen sein. Somit waren Filmaufnahmen im Gerichtssaal, wo die Handschellen klickten, jedenfalls nicht gesetzlich verboten. Es ist aber schon auffällig, wie sich ein beteiligter Staatsanwalt in dem Film martialisch an die Wachtmeister wendet, um noch an das Handy des Verhafteten zu kommen, gleichzeitig aber offenbar keine Probleme damit hat, dass dies alles vor laufenden Kameras stattfindet.

Das Ganze riecht nach bewusster Inszenierung, um dem Strafverteidiger eine möglichst große Packung mitzugeben. Nicht nur wegen der Kameras, sondern auch wegen des gewählten Ortes. Welche Notwendigkeit gab es für die Staatsanwaltschaft, den Anwalt im Gerichtssaal festzunehmen, also an jenem Ort, der größtmögliche Bloßstellung garantiert? Da der Verteidiger offenbar völlig ahnungslos war, wäre die Maßnahme problemlos diskreter möglich gewesen. Etwa im Büro des Verteidigers. Oder von mir aus auch bei ihm zu Hause.

Dass sich der verantwortliche Staatsanwalt mitten in der Verhandlung erhebt und die Festnahme verkündet, indem er von einem Blatt abliest wie bei einem schlechten Plädoyer, spricht nach meiner Auffassung ohnehin für sich. Wie der Mann da steht und dem Beschuldigten vor den Augen aller Beteiligten und Medien seine Rechte verkündet, ist schlichtweg inszenierter sozialer Mord an dem Anwalt.

Welche Notwendigkeit besteht denn, dies alles quasi in der Öffentlichkeit zu tun, selbst wenn der Zugriff in einer Gerichtsverhandlung erfolgen muss? Direkt neben jedem Gerichtsaal liegt ein Beratungszimmer. Ein verantwortungsvoller Staatsanwalt hätte den Betroffenen zumindest dorthin gebeten, und kein vernünftiger Richter hätte dies unter Berufung auf sein “Hausrecht” verweigert.

Stattdessen ist offenbar viel daran gesetzt worden, sich im Lichte dieser Aktion zu sonnen. Das widerspricht jedenfalls den Vorgaben für Staatsanwälte. Deren Richtlinien schreiben klar vor, dass sie die Persönlichkeitsrechte Beschuldigter zu wahren haben und alles unterlassen müssen, was eine Vorverurteilung begünstigt. Gegenüber Medien sind Staatsanwälte außerdem zur Zurückhaltung verpflichtet, auch im Blick auf die Unschuldsvermutung.

In diesem Fall kommt hinzu, dass der Vorwurf gegen den Anwalt auf wackeligen Beinen ruht. Ein Zeuge soll von einem Geldangebot berichtet haben. Das kann auch schlicht erfunden sein. Oder später jedenfalls nicht beweisbar sein, weil Aussage gegen Aussage steht. Die Festnahme des Anwalts erinnert also gleich in mehrfacher Hinsicht an den Fall von Jörg Kachelmann. Auch Kachelmann wurde mit großer Inszenierung verhaftet und vorgeführt. Am Ende war er freizusprechen, weil ihm eine Schuld nicht nachgewiesen werde konnte – trotz etlicher Äußerungen von Staatsanwälten, die ihn sogar noch als Täter darstellten, als die vermeintlichen Beweise längst bröckelten.

Es ist beschämend, wie wenig die Justiz lernbereit ist. So lange man die Verantwortlichen aber nicht zur Rechenschaft ziehen kann, sondern diese – wie im Fall Kachelmann geschehen – auch noch die Karriereleiter hinauffallen, wird sich nichts ändern. Es bleibt dann nur, wenigstens den Applaus zu verweigern, wenn wieder eine Kachelmann-Schleife anläuft.