Widerwärtig

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vermisst die Vorratsdatenspeicherung, weil es deswegen schwieriger sei, jene Leute zu erwischen, die online gegen Nationalspieler Mesut Özil gehetzt haben. In einem Interview bedauerte er, dass die Fahndung nach solchen Tätern kaum Erfolg verspreche, weil es keine Vorratsdatenspeicherung gibt.

Was der Bundesinnenminister da macht, ist allerdings selbst Agitation und Propaganda. Wenn er – zu Recht – die rassistischen Sprüche über Özil für widerwärtig hält, darf man dennoch ein ähnliches Urteil auch über seine Worte fällen. Denn Friedrich, der es natürlich besser weiß,  ignoriert mit seiner billligen Polemik die verfassungsrechtlichen Grenzen, innerhalb derer eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt zulässig ist.

Zunächst mal ist es keineswegs ausgemacht, dass die Polizei nicht auch mit normalen Fahndungsmethoden herausfinden kann, wer auf Twitter gegen Özil gehetzt hat. Sollten die Täter beim Anlegen des Accounts relevante Daten hinterlassen haben, können diese ausgewertet werden. Vielleicht haben die Spacken, allzuviel Intelligenz darf man ja wohl nicht vermuten, ihre echte IP-Adresse übermittelt. Diese könnte dann aber schon Twitter zur Verfügung stellen. Mittels der heute schon üblichen Speicherfristen bei den Providern wäre es durchaus noch möglich, an den Anschluss heranzukommen.

Sollten die Täter aber zum Beispiel ihre IP-Adresse verschleiert haben, würde auch die Vorratsdatenspeicherung nichts helfen. Denn es bestünde dann keine Möglichkeit, die vorhandenen Daten auf einen konkreten Anschluss zurück zu verfolgen. Die Halde mit allen unseren Kommunikationsdaten wäre zwar da, aber für diesen Fall unergiebig.

Überdies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Verbot der Vorratsdatenspeicherung klipp und klar deutlich gemacht, dass Vorratsdaten grundsätzlich nur verwendet werden dürfen, wenn es um schwere und schwerste Strafaten geht. Oder Leib und Leben von Menschen akut gefährdet sind. Beides ist nicht der Fall, wenn irgendwelche Idioten auf Twitter jemanden beleidigen, selbst wenn es ein Nationalspieler ist.

Die Äußerungen des Innenministers zeigen wieder einmal, wofür die Vorratsdatenspeicherung eigentlich eingesetzt werden soll. Es geht ihren Befürwortern nicht um Terrorismus und Organisierte Kriminalität. Die Vorratsdatenspeicherung soll vielmehr als universelles Fahndungsinstrument eingesetzt dienen, auch wenn es nur um Enkeltricks, ebay-Schummeleien und den Ehrenschutz geht.

Was Friedrich verlangt, ist nach derzeitiger Lage ein Verfassungsbruch, und das aus gutem Grund. Aber wer halt die totale Datenhoheit über uns möchte, den schreckt eben kaum noch was ab – auch wenn die Menschen für dumm verkauft werden. Ich erlaube mir, das ebenfalls widerwärtig zu finden.

Sie dürfen bleiben

Die Umbuchung kam kurz vor der Abreise in einen Kurzurlaub. Aber mein Mandant, den ich allerdings in anderen Sachen vertrete, hat sich nicht so einfach damit abgefunden, dass er in einem anderen Hotel untergebraucht werden sollte.

Aus seiner Mail an den Veranstalter:

Sehr geehrte Damen und Herren,

gestern erhielt ich zu o.g. Reisebuchung einen Anruf:

Das gebuchte Hotel sei leider ausgebucht, man könne mir ein anderes Hotel in der Nähe anbieten, es werde eine neue Hotelbeschreibung versendet. Ich habe dazu deutlich gemacht, dass ich das Hotel vor allem wegen der (kostenlosen) und auch nachweislich vereinbarten Internet-Verbindung gebucht habe. Als Journalist bin ich darauf angewiesen.

Das angebotene Ersatz-Hotel bietet diese Leistung nicht. Schon deshalb ist dieser Wechsel inakzeptabel. Hinzu kommt, dass das Ersatz-Hotel insgesamt deutlich schlechtere Leistungen bietet, was sich schon darin zeigt, dass es bei Ihnen deutlich günstiger angeboten wird.

Für den von Ihnen angekündigte Vertragsbruch ist darüber hinaus deshalb nicht nachvollziehbar, dass das Hotel etwa über HRS für den gebuchten Reisezeitraum weiterhin  freie Kapazitäten meldet.  Dass dieses Hotel ausgebucht, ist somit ganz offensichtlich unwahr.

Ich forderte Sie deshalb auf, den Vertrag so zu halten, wie er geschlossen wurde. …

Mit freundlichen Grüßen

Die Antwort:

Sehr geehrter Herr K.,

vielen Dank für Ihre Mail. Wie soeben telefonisch gesprochen, dürfen Sie im gebuchtem Hotel bleiben und bekommen dort statt einem EZ ein DZ zur Alleinbenutzung.

Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Kundenservice

Ein schönes Beispiel dafür, dass man nicht alles schlucken muss, was einem vorgesetzt wird. Und dass es durchaus auch ohne Anwalt geht…

Vollstreckungsaufschub für DNA-Probe

Der Amtsrichter hat aus meiner Sicht getan, was man als sorgfältiger Jurist nicht tun sollte. Er ist mit einem Federstrich dem Vorschlag eines emsigen Staatsanwalts gefolgt, meinem Mandanten eine Blutprobe (oder freiwillig eine Speichelprobe) zu entnehmen, damit das DNA-Muster meines Mandanten in der Zentralkartei gespeichert werden kann.

Dabei sprechen einige Punkte dagegen, dass mein Mandant künftig Straftaten begehen wird. Genau diese Vermutung muss aber bejaht werden, wenn die DNA festgehalten werden soll. So ist mein Mandant in der Sache, die den Auslöser gab, gar nicht verurteilt worden. Das Verfahren wurde vielmehr gegen eine geringe Geldauflage eingestellt – ohne dass auch nur ein Zeuge gehört wurde oder mein Mandant was zugegeben hat.

Die Angelegenheit liegt auch schon Jahre zurück. Seitdem hat es keine Ermittlungen gegen meinen Mandanten gegeben. Auch ein Zeichen, dass von ihm eben keine Straftaten zu erwarten sind.

Außerdem ging es um ein Delikt, das am Computer begangen worden sein soll. Da frage ich mich sowieso immer, wie die DNA weiterhelfen soll. In der Beschwerde gegen Beschluss habe ich die Bedenken so formuliert:

Die DNA ist hier regelmäßig ein völlig ungeeignetes Beweismittel, da sich am Rechner eines Betroffenen normalerweise logischerweise dessen DNA befindet. Somit kann eine DNA-Spur auch kein Indiz dafür sein, ob der Betroffene tatsächlich zu einem fraglichen Zeitpunkt ein Internetdelikt begangen hat. Ein Indiz wäre die DNA-Spur allenfalls dann, wenn sich keinerlei andere DNA-Spuren an einem Rechner befinden würden. Dies erscheint jedoch in einem normalen Haushalt reichlich lebensfremd.  

Immerhin scheint der Richter von meinen Argumenten nicht ganz unbeeindruckt. Er hat nämlich ganz schnell angeordnet, dass der Beschluss bis zur Entscheidung über die Beschwerde nicht vollstreckt werden darf. Das ist nicht selbstverständlich, denn in Strafsachen können Beschlüsse auch durchgesetzt werden, obwohl sich der Betroffene dagegen wehrt.

In dem Fall war es auch höchste Eisenbahn. Die Polizei drängelte nämlich schon, dass mein Mandant doch bitte zur Speichel- oder Blutprobe kommen soll. Praktischerweise wollte der zuständige Kommissar das gleich mit der Rückgabe der beschlagnahmten Computer verbinden, die meinem Mandanten nach der Einstellung des Verfahrens wieder zurückgegeben werden müssen.

Jetzt kann mein Mandant erst mal unbesorgt seine Sachen abholen. Ich weiß, den Beamten wird es fuchsen. Der hatte mir nämlich am Telefon stolz erklärt, das örtliche Amtsgericht sei noch nie von einem DNA-Beschluss abgerückt. Nach dem ersten Zurückrudern des Amtsrichters nehme ich jedoch an, das war nur gut geblufft.

Frau J. vermutet betrügerische Absicht

Aus einer Strafanzeige:

… meldete sich telefonisch ein Herr W. bei Frau J. und gab sich als Treuhänder für Aktiengeschäfte aus. Er warb damit, dass er sich ausnahmslos um Aktien kümmere, die auf dem Aktienmarkt gefallen sind. Seine Aufgabe bestehe darin, den Anlegern erlittene Verluste zu ersetzen. …

Er verlange lediglich eine Bearbeitungsgebühr von einmalig 1.600,00 Euro, die sofort zu zahlen sei. Unmittelbar nach Eingang der Bearbeitungsgebühr werde er veranlassen, dass die Verluste ersetzt und dem Konto von Frau J. gutgeschrieben werden. … Frau J., die am Aktienmarkt große Verluste gemacht hat, überwies die geforderte Summe.

Nachdem nach ein paar Tagen keine Zahlung bei ihr eingegangen war, vermutet Frau J. nunmehr betrügerische Absicht hinter diesem Sachverhalt und bringt diesen zur Anzeige.

Auskünfte aus dem Polizeicomputer

Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde eingestellt – kein Tatverdacht. Damit gewisse Vorwürfe nicht weiter in den Polizeicomputern rumgeistern, ist es durchaus sinnvoll, mal die Löschung der Daten zu verlangen. Das ist auch immer eine gute Gelegenheit zur Frage, was denn sonst so über den Betreffenden bei der Polizei gespeichert ist. Die Antwort fällt mitunter seltsam aus…

So auch in diesem Fall. Neben der letzten Sache, die so erfreulich endete, teilt mir das zuständige Landeskriminalamt vier weitere Fälle mit, in denen “Erkenntnisse” über meinen Mandanten im landesweiten System gespeichert sind:

– Sachbeschädigung;

– Diebstahl;

– Fahrerflucht;

– Computerbetrug.

Die mitgeteilten Datensätze klingen erst mal so, als sei mein Mandant jeweils der Beschuldigte gewesen. Als ich das alles zum ersten Mal las, war ich doch überrascht, was dieser so gutbürgerlich wirkende Mensch jedenfalls datenmäßig alles auf dem “Kerbholz” zu haben scheint.

Das ging meinem Mandanten nicht anders. In allen vier Fällen, so erzählte er mir, hatte er entweder die Anzeige erstattet. Oder er war als Zeuge angehört worden. Die Rolle im jeweiligen Verfahren ergibt sich aber gerade nicht aus den Datensätzen, die wir bekommen haben. Wenn das auch die Informationen sein sollten, die im Abfragegerät eines Streifenwagens angezeigt werden, dann sollte sich mein Mandant über etwas intensivere Kontrollen gegebenenfalls nicht wundern.

Ich habe erst mal dem Sachbearbeiter beim Landeskriminalamt angerufen. Der Beamte war überrascht, dass sich aus den abgefragten Datensätzen nicht ergibt, ob mein Mandant in den Verfahren Beschuldigter, Anzeigenerstatter oder Zeuge war. Er will nachfragen und klären, warum die ihm übermittelten Datensätze diese wichtigen Informationen nicht enthalten. “Normalerweise” sei das der Fall.

Wir sind jedenfalls gespannt.

Regierung darf Parlament nicht links liegen lassen

Bei etlichen Abstimmungen zur Eurorettung und anderen wichtigen politischen Fragen gibt es regelmäßig Frust im Bundestag. Viele Abgeordnete fühlen sich durch die Bundesregierung nicht ausreichend informiert, bekommen oft nur fertige Vertragsentwürfe vorgelegt. Und diese auch nur in letzter Sekunde. Das Bundesverfassungsgericht hat heute – erneut – festgestellt, dass es so nicht geht. Auf Antrag der Grünen stellte das Gericht einstimmig fest, dass die Bundesregierung das Parlament in wichtigen Fragen rechtzeitig informieren und über Verhandlungen auf dem laufenden halten muss.

Konkret ging es um die Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm und den Euro-Plus-Pakt, der die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa stärken soll. In beiden Fällen kritisiert Karlsruhe den spärlichen Informationsfluss aus der Bundesregierung. Diese müsse wichtige Dokumente vorlegen, auch wenn die Verhandlungen noch liefen. Außerdem genüge es nicht, nur kleineren Gremien Einblick in Unterlagen zu gewähren (“Obleuteunterrichtung”).

Die Bundesregierung hatte argumentiert, es sei nicht praktikabel, das Parlament stets up to date zu halten. Die Verfassungsrichter sehen das anders. Für sie gehört es zu den Kernaufgaben des Parlaments, sich rechtzeitig über wichtige Entwicklungen zu informieren. Nur so seien sachgerechte Entscheidungen möglich. Die Verfassungsrichter trauen dem Bundestag auch zu, die im Einzelfall nötige Vertraulichkeit zu wahren. Für sensible Informationen gebe es ausreichende Geheimhaltungsvorschriften.

Der Beschluss beschränkt sich darauf, der Bundesregierung eine Rechtsverletzung zu bescheinigen. Konkrete Auswirkungen auf die Gültigkeit der internationalen Abkommen hat die Entscheidung nicht. Die Abgeordneten können sich aber auf das Votum aus Karlsruhe beziehen und mit erneuten Klagen drohen, sollte die Bundesregierung das Parlament auch in Zukunft links liegen lassen.

Entscheidung des Verfassungsgerichts

Der Kleidermufti von der SPD

Auch bei Samstagsarbeit muss auf stilvolle Kleidung geachtet werden. Zumindest wenn es nach der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus geht. Der Sozialdemokrat Tom Schreiber rügte am Samstag, dass der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt auf einer Sondersitzung des Innenausschusses Bein zeigte. Reinhardt trug bei durchaus sommerlichem Wetter khakifarbene Bermuda-Shorts.

Der SPD-Abgeordnete, selbst im blauen Anzug, weißem Hemd und mit rotem Schlips erschienen, mokierte sich über die Kleidungsgewohnheiten der Piraten im allgemeinen. Mit dem Einzug dieser jungen Partei würden die Kleidersitten verfallen. Über Reinhardt sagte Schreiber, es sei "unpassend, praktisch in Unterhose und mit Laptop zu einer Ausschusssitzung zu erscheinen“. Was der SPD-Abgeordnete an einem Laptop auszusetzen hat, ist nicht überliefert.

Vor 30 Jahren trafen, so hat Telepolis recherchiert, solche Vorwürfe eine ganz andere Partei. Damals schrieben selbst Journalisten, es sei unmöglich die Grünen zu wählen, weil diese so scheiße angezogen sind. Pirat Fabio Reinhardt rechtfertigt seine Kleiderwahl damit, dass er am Samstag an einer Bootsfahrt der Piraten teilgenommen hat. Er habe keine Zeit und Lust gehabt, sich vor der Sondersitzung noch mal umzuziehen.

Dennoch fordert sein Kontrahent von der SPD jetzt sogar eine Kleiderordnung. Er wünscht sich für männliche Abgeordnete eine Pflicht zu langen, geschlossenen Hosen, aus denen nichts herausguckt.

Reinhardt hat mittlerweile erklärt, er
werde sich den modischen Gepflogenheiten des Abgeordnetenhauses durchaus beugen. Aber eine Krawatte werde er auf keinen Fall tragen.

Damit das “Hosengate” einen würdigen Abschluss findet, versteigert Fabio Reinhardt seine Bermuda-Shorts (Neupreis bei H & M: 19,99 Euro) gerade bei ebay. Der Erlös wird Asylbewerbern in Würzburg zu Gute kommen, die größere Sorgen haben als der Kleidermufti von der SPD-Fraktion.

Eltern haften für ihre Kinder

Eltern müssen auch die Internetnutzung ihrer volljährigen Kinder überwachen. Sonst haften sie dafür, wenn der Nachwuchs illegal Musik über ihren Internetanschluss tauscht. Dies hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Der erwachsene Sohn hatte am Internetanschluss seiner Mutter Tauschbörsen genutzt. Dabei soll er 2.164 Songs angeboten haben. Darin sieht das Oberlandesgericht Köln eine Urheberrechtsverletzung, für welche auch die Mutter verantwortlich sei. Die Mutter, so das Oberlandesgericht, habe nicht ausreichend auf ihren Sohn eingewirkt.

Wie das konkret auszusehen hätte, sagt das Gericht allerdings nicht. Dies liegt daran, dass die Mutter laut dem Beschluss nicht vorgetragen hat, ihrem Sohn überhaupt Vorgaben gemacht oder diesen gar kontrolliert zu haben. Fest steht also nur, dass nach Auffassung der Kölner Richter Eltern ihre volljährigen Kinder belehren und möglicherweise sogar überwachen müssen.

Die Entscheidung erstaunt, weil das Oberlandesgericht Köln offensichtlich einen Unterschied zwischen Ehepartnern und volljährigen Kindern macht. Erst vor einigen Wochen hatte das Gericht entschieden, dass Ehegatten ihre Internetnutzung nicht gegenseitig überwachen müssen.

Wo da jetzt genau der Grund für eine unterschiedliche Behandlung liegt, erfahren wir mit etwas Glück in einem der nächsten Beschlüsse aus Köln.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 4. Juni 2012, Aktenzeichen 6 W 81/12

Auch eine GmbH kann Behörde sein

Die öffentliche Hand bleibt öffentliche Hand – auch wenn sie als Firma auftritt. Auch eine GmbH muss deshalb die Informationspflichten nach dem Pressegesetz erfüllen, sofern der Staat dort die Mehrheit hat und sie öffentliche Aufgaben erfüllt. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Ein Journalist hatte von der Berlin Partner GmbH wissen wollen, welche Unternehmen mit welchen Beträgen das von der GmbH organisierte Hoffest des Regierenden Bürgermeisters im Jahr 2008 gesponsert hatten. Die Berlin Partner GmbH hatte dieses Begehren zunächst abgelehnt, die Auskunft dann aber unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat der Berlin Partner GmbH die Kosten auferlegt, weil die Klage ohne die Auskunftserteilung Erfolg gehabt hätte. Nach dem Landespressegesetz seien Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Auskünfte zu erteilen. Diese Voraussetzungen hätten hier vorgelegen.

Die Beklagte sei im vorliegenden Fall Behörde. Der Behördenbegriff des Presserechts sei nicht organisatorisch, sondern funktionell zu verstehen; er erfasse daher auch juristische Personen des Privatrechts wie eine GmbH, der sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben bediene.

Die Beklagte habe mit der Einwerbung von Sponsorengeldern für das Hoffest öffentliche Aufgaben wahrgenommen. Die Berlin Partner GmbH werde auch von der öffentlichen Hand beherrscht, weil insgesamt 55 % der Anteile im öffentlichen Eigentum stünden. Dabei sei nicht nur der Anteil der Investitionsbank Berlin (45 %) zu berücksichtigen, sondern auch die Anteile der Berliner Handwerkskammer sowie der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, die jeweils 5 % des Gesellschaftsvermögens der Beklagten hielten, weil auch sie Teil der öffentlichen Hand seien.

Ein Auskunftsverweigerungsrecht habe der Beklagten schließlich nicht zugestanden, weil mit der Auskunftserteilung kein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Insbesondere werde bei der Auskunft über Tatsache und Höhe des Sponsorings kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der jeweiligen Sponsoren offenbart.

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. Mai 2012, Aktenzeichen VG 27 K 6.09

Digital kastriert

Über das Leistungsschutzrecht für Verlage wurde viel diskutiert. Heute ist der Referentenentwurf aus dem Justizministerium an die Öffentlichkeit gelangt. Das Papier ist ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte. Gleichzeitig ist es ein Kniefall vor der Verlegerlobby. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich damit bestätigt.

An sich hatte man ja mit einer Lex Google gerechnet. Schließlich rieben sich die Verlage immer vorrangig an der Suchmaschine, die angeblich ruchlos Artikel klaut, damit Milliarden verdient und keinen Cent davon abgibt.

Doch in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf taucht Google nur am Rande auf. Im Fokus stehen dagegen Blogs sowie – unausgesprochen – Facebook-Nutzer und Twitterer. Diese Medien hat man nun offensichtlich als das tauglichste Zielobjekt für die geplante Monetarisierung der verlegerischen Eigenleistung ausgemacht. Das Leistungsschutzrecht soll die juristische Grundlage für eine gigantische Abmahnwelle gegen Blogs, Facebook-Seiten und Tweets legen. Im Entwurf wird diese Absicht nicht mal notdürftig kaschiert.

Das ist die Ausgangslage: Verleger sollen ein eigenständiges Verwertungsrecht für ihre Presseerzeugnisse erhalten. Wer diese Erzeugnisse auch nur zu kleinsten Teilen übernimmt, kann mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen überzogen werden. Blogger, die Texte aus Zeitungen oder Zeitschriften übernehmen, müssen eine Lizenz erwerben. Einzige Voraussetzung: Die Netzpublizisten sind gewerblich tätig. Das ist laut Entwurf schon dann der Fall, wenn irgendwelche Einnahmen erzielt werden. Ausdrücklich ausreichen sollen Werbebanner oder Micro-Bezahldienste, etwa Flattr.

Zwar sollen nach dem Vorschlag das Zitatrecht sowie reine Links nicht unters Leistungsschutzrecht fallen. Allerdings wird nirgends deutlich, wie eine Abgrenzung erfolgen soll. Denn an anderer Stelle wird ausdrücklich betont, dass schon kleinste Passagen aus einem Presseerzeugnis geschützt seien. Ausdrücklich bezieht sich das Ministerium auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte für Musik festgelegt, dass schon die Übernahme kleinster Schnipsel unzulässig ist.

Was nach dem Zitatrecht also noch möglich wäre, könnte nach dem Leistungsschutzrecht verboten sein. Diese rechtliche Grauzone ist nach meiner Überzeugung kein Missgeschick, sondern Absicht. Denn das juristische Nirgendwo liefert Blogger, Facebook-Nutzer und Twitterer an die finanzstarken Verleger aus.

Es wird nämlich genau auf dieser unsicheren Grundlage abgemahnt und mit Klagen gedroht werden. Und es wird genau das passieren, was wir schon aus dem Filesharing-Bereich kennen. Viele Betroffene ahnen zwar, dass sie nichts Unrechtes getan haben, aber sie werden es nicht auf eine rechtliche Überprüfung ankommen lassen und zahlen. Schon weil sie sich einen Prozess gar nicht leisten können.  

Der Schwenk weg von Google zu Netzpublizisten erscheint aus Verlegersicht folgerichtig. Offenbar hat man auch dort erkannt, dass sich beim Giganten aus den USA kein Geld holen lässt. Dieser wird seine deutschen News-Dienste im Zweifel eher abschalten, als dass er sich von den Medienhäusern über den Tisch ziehen lässt. Schon im Streit Youtube gegen GEMA praktiziert Google ja dieses Konzept, indem die Firma Musikvideos für den deutschen Markt einfach sperrt.

Was sind außerdem zehn oder 20 marktrelevante Suchmaschinen gegen abertausende, wenn nicht gar Millionen potenzieller Opfer? Damit meine ich alle Menschen, die in Blogs, auf Facebook und Twitter ins Internet schreiben. Einschließlich der unbedarften Kids, die man ebenso gleichmütig ins Messer des Leistungsschutzrechts laufen lassen wird, wie man sie und ihre Familien seit Jahren zu Opfern der Film- und Musikverwerter werden lässt. 

Insoweit darf man den Verlegern gratulieren, dass sie es tatsächlich geschafft haben, ihre Kanonen nun auf die von ihnen ohnehin ungeliebte Nebenöffentlichkeit im Netz richten zu dürfen. Neben dem finanziellen Aderlass dürfte die absehbare Shock & Awe – Strategie ja auch den Effekt haben, dass sich weniger Menschen trauen, selbst Inhalte ins Netz zu stellen. Was wiederum etlichen anderen wieder die Zeit geben könnte, Geld für klassische Presseprodukte auszugeben.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass das Leistungsschutzrecht die neue Meinungsfreiheit bedroht. Wer als Bürger nur noch Zeitung lesen, aber nichts mehr im Internet dazu sagen darf, kann sich getrost digital kastriert vorkommen. Insoweit ist das Leistungsschutzrecht auch ein erster Schritt zurück in die Zeit, als die Medien alles, du und ich aber öffentlich nichts zu sagen hatten.

Es wird sich lohnen, die Umsetzung dieses Vorhabens zu verhindern.

Gesetzentwurf

Andere Meinungen:

Internet-Law

Kai Biermann in der Zeit

Analyse von iRights.info

Polizei verlangt Urintests am Straßenrand

Urinieren in der Öffentlichkeit ist an sich verboten. Allerdings scheint es mittlerweile auch Ausnahmen zu geben – bei Verkehrskontrollen durch die Polizei. In Marl etwa setzt die Polizei neben dem bislang verwendeten Wischtest einen neuen Drogenschnelltest ein. Für den sollen angehaltene Autofahrer an Ort und Stelle in ein Testgefäß pinkeln.

Gegenüber dem bisherigen Wischtest, bei dem über die Stirn oder Handinnenfläche gerieben wird, soll die neue Methode wesentlich schneller arbeiten. Schon nach zwei statt 20 Minuten gebe der Teststreifen Auskunft über möglichen Drogenkonsum, berichtet die WAZ.

Allerdings ist es für nicht ganz unempfindsame Gemüter natürlich ein Unterschied, ob kurz mit einem Papierstreifen über ihre Haut gewischt wird oder ob sie in der Öffentlichkeit auf Kommando in einen Plastikbecher urinieren müssen.

Außerdem gibt es da ja auch einen physiologischen Unterschied zwischen Frauen und Männern, der es Frauen nicht unbedingt einfach macht, am Straßenrand Wasser zu lassen. Unabhängig davon weiß ich nicht, ob ich es als männlicher Polizist schon im eigenen Interesse aus Sorge um eine Anzeige wegen sexueller Belästigung wagen würde, eine Frau zu einer solchen Prozedur aufzufordern, so lange nicht zumindest ein brauchbarer Sichtschutz vorhanden ist.

Bei Männern wie Frauen stellt sich insgesamt die Frage, ob so ein Prozedere (noch) mit der Menschenwürde vereinbar ist. Der WAZ-Bericht weckt jedenfalls Zweifel. Im konkreten Fall geht es um einen Familienvater, der vor den Augen seiner Kinder aufgefordert wurde, die Hosen runterzulassen und das Geschäft hinter einem Container zu erledigen. Ansonsten werde er in Handschellen auf die Wache gebracht, vermutlich, um dort eine eine Blutprobe zu nehmen.

Immerhin, das sollte man wissen, gibt es keine Pflicht, an solchen Aktionen mitzuwirken. Polizeibeamte dürfen nicht darauf bestehen, dass ein Autofahrer einen Drogen- oder Alkoholtest mit sich machen lässt. Das folgt schon aus dem Grundsatz, dass niemand an seiner eigenen Überführung mitwirken muss.

Wer solche Maßnahmen also strikt verweigert, stellt die Beamten vor die Wahl. Entweder sie machen das volle Programm mit der Blutprobe. Das wiederum bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand, denn es muss ja nicht nur der Arzt kommen, sondern auch ein richterlicher Beschluss eingeholt werden (was allerdings gerne unterlassen wird). Oder die Beamten lassen den Kontrollierten fahren, ohne ihren wie auch immer ausgeprägten Anfangsverdacht zu überprüfen.

Ich persönlich hatte in fast 30 Jahren als Autofahrer erst zwei Mal das Vergnügen, mit Polizisten über solche Tests zu diskutieren. Einmal sollte ich pusten, beim anderen Mal einen Wischtest mit mir machen lassen. Ich lehnte in beiden Fällen freundlich, aber entschieden ab.

Natürlich kam dann auch die Drohung mit dem Polizeirevier, allerdings ohne die Handschellen. Hierzu habe ich nur gesagt, dass ich ein geduldiger Mensch bin und gerne gemeinsam mit den Beamten, die ja in der Zwischenzeit auch keine anderen Fahndungserfolge erzielen können, auf die Blutprobe warte, zumal ich mir über deren Ergebnis sehr sicher sei.

Ich durfte jeweils weiter fahren.