Einer neuen Mandantin steht leider kein komfortables Wochenende bevor. Die Polizei hat sie heute am frühen Nachmittag eingesammelt, als sie von der Arbeit nach Hause kam. Gegen die Mandantin liegt ein Haftbefehl vor. Ein unnötiger allerdings.
An sich geht es um keine großen Dinge. Nichts jedenfalls, für das man ins Gefängnis müsste. Grund für den Zugriff war ein anderer. Die Mandantin war zu einem Verhandlungstermin gegen sie nicht erschienen. Sie sagt, sie hätte dem Gericht mitgeteilt, dass sie wegen einer Auslandsreise nicht kommen kann. Allerdings reichte der Richterin die Entschuldigung nicht. Sie hielt am Termin fest, und meine Mandantin kümmerte sich nicht weiter um die Sache.
Ein Richter, der vergeblich wartet, ist regelmäßig nicht gut gelaunt. Besonders wenn noch der eine oder andere Zeuge vor der Saaltüre wartet. Die Richterin hatte nach dem Gesetz zwei Optionen:
Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen.
Die Vorsitzende entschied sich für die härtere Gangart in Form des Haftbefehls.
Bei der milderen Lösung, der Vorführung, wird der Angeklagte nur rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin festgesetzt, etwa am Abend vor der angesetzten Verhandlung. Mitunter holt die Polizei die Betroffenen auch erst in aller Herrgottsfrühe zu Hause ab. Ohne Vorankündigung natürlich.
Beim Haftbehl sieht das im Normalfalls anders aus. Das Gericht beraumt erst mal keinen Termin an. Es wartet vielmehr, bis der Angeklagte verhaftet ist. Und schaut dann mal, wann eine Verhandlung möglich ist.
Mit der Festnahme wird die Angelegenheit zur Haftsache. Diese muss also schleunigst erledigt werden. Das bedeutet bei der Justiz aber keineswegs von heute auf morgen. Nein, bis zur Hauptverhandlung können dann auch mal eine oder zwei Wochen ins Land gehen. Bei komplexeren Verfahren auch mehr. Außerdem bedeutet ein Haftbefehl nicht, dass der Angeklagte am ersten Verhandlungstag wieder entlassen wird. Der Haftbefehl kann vielmehr bis zum Abschluss des Verfahrens bestehen bleiben.
Das hat natürlich gravierende Folgen. Meine Mandantin hat zwei minderjährige Kinder, um die sich jemand kümmern muss. Dem Arbeitsplatz tut so eine Geschichte auch nicht gut. Meine Aufgabe ist es jetzt, den Haftbefehl aus der Welt zu kriegen. So schlecht stehen die Chancen nicht. Entweder durch ein Gespräch mit der Richterin. Oder, falls das nichts bringt, mit einer Beschwerde zum nächsthöheren Gericht.
Argumente gibt es schon einige. Immerhin hatte die Mandantin sich ja um eine Entschuldigung bemüht. Sie war also nicht „einfach so“ weggeblieben. Angesichts dieser Umstände stellt sich die Frage, ob das alles noch verhältnismäßig ist. Immerhin hätte, so finde ich, ein Vorführbefehl für den nächsten Verhandlungstermin das Ziel auch erreicht.
Bis Montag muss die Mandantin aber auf jeden Fall Geduld haben, im Fall einer Beschwerde womöglich auch länger. Wer nicht unbedingt eine Haftanstalt von innen kennenlernen will, sollte sich deshalb einen Rat zu Herzen nehmen: Gerichtlichen Ladungen folgt man besser, so lange sie nicht aufgehoben sind. (Ob man im Gericht was sagt, ist eine ganz andere Sache.) Das erspart nicht nur den Knast. Sondern auch das Geld für den Anwalt.