Ein fürsorglicher Richter

Es kommt schon mal vor, dass Anwälte zu Verhandlungsterminen verhindert sind. Sie haben ja meist nicht nur einen Mandanten. So ging es mir neulich auch. Meist geht das mit der Terminsverlegung zivil ab. Am Ende telefoniert man sich halt zusammen, und es findet sich schon eine Lücke in den Terminkalendern. Aber bei einem Vorsitzenden Richter an einem Landgericht stieß ich neulich auf Granit. Er wollte den Verhandlungstermin partout nicht verlegen…

Interessanterweise führte er in unserer Korrespondenz keinerlei Gründe dafür an, warum er meinem Antrag nicht stattgeben kann. Ein Grund hätte sein können, dass das Gericht in absehbarer Zeit schlicht nichts frei hat. So eine Situation führt dann dazu, dass das Gericht die sachlichen Gründe auf beiden Seiten abwägt und halt auch begründet, warum der Termin nicht aufgehoben werden kann.

Ich erfuhr aber partout nicht, wieso bei einer Terminsverlegung die Welt untergehen muss. Deshalb legte ich außerordentliche Beschwerde ein. Darüber hätte dann das Oberlandesgericht entscheiden müssen. Wäre da nicht die Stellungnahme zu meiner Beschwerde gewesen, mit welcher der Richter nun doch schriftlich „begründete“, warum er den Termin nicht verlegen wollte.

Auch hier kein Wort von Terminsproblemen oder ähnlichem. Sondern der denkwürdige Satz, jetzt bitte festhalten, auch gerade aufgrund der Fürsorgepflicht des Gerichts für den Angeklagten erscheine es angemessen und zumutbar, dass dieser sich einen Rechtsanwalt sucht, der den anberaumten Termin auch wahrnehmen könne.

Die freie Anwaltswahl ist im Rechtsstaat ein ziemlich hohes Gut. Eigentlich sollte da ein Richter nicht reinreden und mitbestimmen wollen. Was hier ja mehr als offensichtlich versucht wurde. Das Ganze noch in den Deckmantel einer Fürsorgepflicht – also im Still guter Richter hilft Angeklagten gegenüber bösem Anwalt – zu hüllen, das war mir dann zu viel.

Mein Mandant lehnte den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Der Richterin einer anderen Strafkammer, die über den Befangenheitsantrag entscheiden durfte, hatte wohl ein ähnlich schlechtes Gefühl. Sie gab dem Gesuch kommentarlos statt. Der Verhandlungstermin hat sich damit natürlich auch erledigt.