Von Wahlanwälten und Pflichtverteidigern

Im Münchner NSU-Verfahren wird es eng auf der Anklagebank. Dort nimmt ab dem nächsten Verhandlungstag nämlich ein weiterer Anwalt Platz: der Strafverteidiger Hermann Borchert. Borchert ist Inhaber der Kanzlei, in der auch der spät ins Verfahren gekommene Pflichtverteidiger Mathias Grasel sein Büro hat.

Die Angeklagte Beate Zschäpe hat mittlerweile also fünf Verteidiger, davon sind vier vom Gericht bestellte Pflichtverteidiger. Borchert ist „Wahlanwalt“, das heißt frei von der Angeklagten zum Verteidiger bestimmt. Nach dem Gesetz darf niemand dem Beschuldigten in die Anwaltswahl reinreden, nur die Zahl seiner Wahlanwälte ist beschränkt. Mehr als drei Wahlanwälte dürfen es nicht sein. Die Zahl der vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger ist dagegen theoretisch unbegrenzt.

Die Deckelung bei den Wahlanwälten ist übrigens ein Relikt aus den RAF-Zeit. Sie steht im Zusammenhang mit den Kontaktsperregesetzen. Ziel war es damals, die Zahl der Personen möglichst gering zu halten, mit denen die beschuldigten RAF-Angeklagten Kontakt haben durften. Da ein Gesetz nur für RAF-Verdächtige aus rechtsstaatlicher Sicht nicht machbar war, irrlichtert die Regelung noch heute in der Strafprozessordnung.

Für einen neuen Wahlverteidiger ist es nie zu spät. Es gibt keinen Zeitpunkt, ab dem ein Angeklagter seine Verteidigerbank nicht mehr umbesetzen könnte. Für geschasste Wahlverteidiger bedeutet das gerade in größeren Verfahren nicht unbedingt mehr Freizeit. Denn oft bestellt das Gericht sie stante pede und zu den gesetzlichen Honorarsätzen zu Pflichtverteidigern, damit das Verfahren nicht platzt. Das ist ja derzeit auch der Grund, warum die bei Beate Zschäpe in Ungnade gefallenen Verteidiger der ersten Stunde vom Gericht noch im Verfahren gehalten werden, auch wenn diese Anwälte von vornherein als Pflichtverteidiger bestellt waren.

Interessant finde ich noch, dass der neue Wahlanwalt Hermann Borchert mit den Worten zitiert wird:

Ich werde an bestimmten Tagen im Prozess auftreten.

Damit beantwortet sich nach meiner Einschätzung die Frage, ob Beate Zschäpe im Knast zu Geld gekommen ist. Oder ob sie womöglich sogar geheimnisvolle Sponsoren hat. Denn ihren Wahlverteidiger muss Zschäpe aus eigener Tasche finanzieren. Borcherts Aussage deutet in die Richtung, dass der neue Wahlverteidiger sich keineswegs aus üppigen Mitteln bedienen kann.

Zu erwarten ist also schon nach Borcherts Ankündigung lediglich eine Verteidigung mit angezogener Handbremse. Ob das in so einem Verfahren wirklich Sinn macht, wird sich zeigen. Möglicherweise ist das ganze Manöver auch nur Vorbereitungsmaßnahme für den Versuch, das Verfahren platzen zu lassen. Ich habe zumindest eine leise Ahnung, was als Nächstes kommt…