Papa und seine Erziehungsberechtigte

Der Ruhestand ist weiß Gott kein Segen. Das hat kurz vor Weihnachten einer meiner Mandanten erlebt. Mit seinen knapp 80 Jahren musste er mit Klagen und Strafanzeigen drohen – und das seiner eigenen Tochter.

Die Tochter lebt zwar etwas weiter entfernt, hat das Leben meines Mandanten aber gut im Blick. Jedenfalls kam sie mehr oder weniger per Ferndiagnose zu dem Ergebnis, dass mein Mandant altersbedingt nicht mehr Auto fahren darf.

Zunächst mal hat sie meinen Mandanten wohl beim Straßenverkehrsamt gemeldet. Doch dort dürfte man auf die Rechtslage verwiesen haben. Das Lebensalter als solches ist kein Grund, eine Fahrerlaubnis in Frage zu stellen.

So löste die Tochter das „Problem“ halt selbst. Kurzerhand tauchte sie in der Wohnung meines Mandanten auf, nahm ihm die Wagenschlüssel ab und nahm sein Auto mit. Mit der klaren Ansage, dass er es nur wiederkriegt, wenn er seinen Führerschein zurückgibt und mit einem Käufer für das Auto kommt.

Mein Mandant ging nach diesem Auftritt erst mal zur Polizei. Die Polizei nahm eine Anzeige auf. Und dann passierte – tagelang nichts. Na ja, so kam dann ich ins Spiel. Telefonisch war die Tochter für mich nicht zu sprechen, also setzte ich ein Schreiben auf, erklärte ihr in kurzen Worten die Rechtslage und erlaubte mir, eine eher knappe Frist zur Rückgabe des Autos zu setzen.

Wie nicht anders zu erwarten, änderte die Tochter nach Erhalt des Briefes ihre negative Grundhaltung gegenüber Telefonaten. Wie das bei Fällen mit großer Selbstbetroffenheit häufig geschieht, kam ich bei dem Gespräch wenig zu Wort und musste mich verfluchen lassen. Außerdem trage ich persönlich ab sofort die Verantwortung, wenn mein Mandant mit seiner Dreckskarre ein Kind totfährt.

Na ja, nachdem sie Luft abgelassen hatte, folgte die Tochter immerhin meiner Empfehlung, doch vielleicht mal selbst einen Anwalt zu fragen. Einen, der nicht so voreingenommen ist wie ich. Das ist manchmal gar kein schlechter Tipp. Denn was sollen die Kollegin bzw. der Kollege denn schon raten – außer das Auto zügig wieder vor die Tür meines Mandanten zu stellen?

Die betreffende Anwältin hatte sicher auch keine einfache Besprechung mit der Dame. Sie löste das aber ganz geschickt. Ihr zweiseitiges Schreiben wiederholte noch mal alles Böse, was es über meinen Mandanten zu sagen gibt. Und über mich. Es endete dann völlig unvermittelt mit dem Satz:

Meine Mandantin wird das Auto Ihrem Auftraggeber morgen vor die Tür stellen. Sie lehnt jede Verantwortung ab.

Der Wagen kam pünktlich zurück. Jetzt wird es sicher noch mal interessant, was die Polizei mit der Anzeige macht. Und auch über meine Kostenberechnung muss der Mandant sich noch Gedanken machen. An sich müsste die ja seine Tochter zahlen…