Überlastung, hausgemacht

Die Strafjustiz ist ja so schrecklich überlastet. Mal abgesehen vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage, ist jedenfalls eines klar: Viele der Probleme sind hausgemacht. Als kleines Beispiel möchte ich eine Anklage nennen, die gegen einen meiner Mandanten erhoben wurde.

Bei einer Rangelei, an der er zunächst nicht direkt beteiligt war, soll mein Mandant dazwischen gegangen sein. Nämlich in der Form, dass er einen der Streithähne an seiner Jacke fasste und ihn zurück zog. Dabei soll die Jacke eingerissen sein.

Jetzt soll mein Mandant vor Gericht. Wegen Sachbeschädigung. Natürlich ist auch der zuständigen Staatsanwältin bekannt, dass bei uns sehr vieles strafbar ist und immer mehr strafbar wird. Aber eins ist nach wie vor nicht strafbar: die fahrlässige Sachbeschädigung. Die Anklageschrift unterstellt meinem Mandanten deshalb, er habe den Riss in der Jacke „zumindest billigend in Kauf genommen“. Das wäre dann – vielleicht – die geringste denkbare Form des Vorsatzes, die Juristen noch für zulässig halten.

Leider findet sich für diesen behaupteten Vorsatz aber keinerlei tatsächlicher Anhaltspunkt in der Ermittlungsakte. Es gibt nicht den geringsten Ansatzpunkt dafür, dass es meinem Mandanten darum ging, etwas kaputt zu machen. Von daher wäre es richtig gewesen, nicht dem staatsanwaltlichen Anklagereflex zu folgen, sondern die Sache mangels Tatverdachts einzustellen. Oder von mir aus auch wegen Geringfügigkeit, was ja problemlos möglich ist.

Was am Ende dabei rauskommt? Nichts, da lege ich mich fest. Die Anklage wird entweder gar nicht zugelassen. Oder der Mandant wird freigesprochen. Aber bis dahin wird die Akte noch ganz gehörig die Arbeitskraft eines Richters und die Ressourcen des Gerichts insgesamt belasten. Dabei ist dort sicher zweifellos Wichtigeres zu tun.