Mein Mandant war schon etwas überrascht, als er den Brief eines kleinen Amtsgerichts aus Ostdeutschland las. Die Strafabteilung teilte mit, es sei ein Strafbefehl gegen ihn verhängt worden. 35 Tagessätze. Außerdem drei Monate Fahrverbot. Angeblich hatte sich mein Mandant als Führer eines Lkw unerlaubt von einem Unfallort entfernt.
Die Personendaten im Strafbefehl waren alle korrekt. Sogar der zweite Vorname meines Mandanten war richtig aufgeführt. Geburtsdatum (12.08.1972) und Adresse stimmten ebenfalls.
Mein Mandant hat allerdings gar keinen Lkw-Führerschein. Gut, dass muss ihn nicht daran hindern, trotzdem einen Laster zu lenken. Aber in diesem Punkt war er sich sehr sicher: „Ich habe noch nie einen Lkw gefahren.“ Schon gar nicht jenen der S-Spedition, mit dem in einem Nachbarort der Crash verursacht worden sein soll.
Bei Durchsicht der Gerichtsakte durfte ich dann staunen. Die Polizei hatte sauber gearbeitet. Am Tatvorwurf war wohl was dran. Denn in der Akte fand sich eine schriftliche Stellungnahme des tatsächlichen Fahrers. Der räumte in seinem Brief an die Staatsanwaltschaft ein, dass er an dem Tag den Lkw der S-Spedition gefahren hat. Nur von einem Zusammenstoß habe er nichts gemerkt. Seine persönlichen Daten gab der Autofahrer auch an.
Und hier wurde es dann offenbar hakelig. Der Mann heißt mit Nachnamen nämlich genau so wie mein Mandant. Nur die Vornamen sind verdreht: Bernd Ulrich heißt der Mandant, Ulrich Bernd der tatsächliche Fahrer. Etwas ähnlich war auch die Adresse, nämlich an der Hauptstraße. Aber in unterschiedlichen Orten, verschiedene Hausnummern. Außerdem hatte der Lkw-Fahrer als Geburtsdatum den 11.06.1957 angegeben.
Ich habe keine Ahnung, wieso der zuständige Staatsanwalt dann einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten beantragt hat. Möglicherweise gibt es im Verfahrensregister zu meinem Mandanten einen Eintrag. Der müsste dann aber sehr kritiklos übernommen worden sein. Auch wenn die Datensätze ähnlich aussehen: Wohnort, Hausnummer und Geburtsdatum waren jedenfalls nicht identisch.
Na ja, auch der Richter hat nichts gemerkt und den Strafbefehl abgezeichnet. Wenn mein Mandant jetzt zum Beispiel länger im Urlaub gewesen wäre und deshalb die zweiwöchige Einspruchsfrist versäumt hätte, wäre der Strafbefehl glatt rechtskräftig geworden. Das ist zum Glück nicht passiert. Jetzt winkt ein Freispruch, und am Ende muss immerhin die Staatskasse wenigstens die Kosten tragen.