Alles zum Internetrecht – gratis

Wer eine Frage zum Internetrecht hat und nicht gleich viel Geld in Fachbücher oder kostenpflichtige Aufsätze investieren will, für den gibt es seit vielen Jahren eine super Quelle: das Skript „Internetrecht“ des Münsteraner Professors Thomas Hoeren.

Das Handbuch ist jetzt in einer Neuauflage erschienen und somit auf dem aktuellsten Stand. Ich gucke selbst sehr gern rein und kann das Skript Internetrecht sehr empfehlen.

Hier geht es zum Download.

„Es stimmt, ich war zu schnell“

Wer wegen eines Verkehrsverstoßes angehalten wird, kennt vielleicht die Situation. Der Polizeibeamte nimmt nach einem lockeren Gespräch die Personalien auf. Und später liest man als Betroffener dann in den Unterlagen, dass man den Tatvorwurf eingeräumt hat. Standardformulierung: „Es stimmt, ich war zu schnell.“

Genau hiermit sollte auch ein mutmaßlicher Temposünder überführt werden. Der zuständige Polizeibeamte konnte dem Richter allerdings gar keine konkreten Informationen liefern, um wie viel der Betroffene tatsächlich zu schnell durch eine Tempo-30-Zone gefahren sein soll. Insbesondere blieb der Polizist eine Erklärung schuldig, nach welchem Maßstab er von einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausging.

Blieb letztlich nur das vermeintliche Geständnis im Rahmen der Anhörung zum Tatvorwurf. Seine mündlichen Angaben muss der Betroffene in solchen Fällen nicht durch Unterschrift bestätigen. Der Polizeibeamte sagt einem in der Regel auch nicht, wie er einen zu zitieren gedenkt.

Vor diesem Hintergrund will sich der Richter in dem entschiedenen Fall aber nicht alleine auf das angebliche Geständnis verlassen. Ohne nachvollziehbare Fakten, die ihm eine eigene Überprüfung möglich machen, könne er sich nicht auf das Geständnis stützen. Die Pflicht des Gerichts, den Verkehrsverstoß mit den vorliegenden Beweismitteln selbst zu überprüfen, werde durch ein angebliches Geständnis nicht außer Kraft gesetzt.

Überdies hatte der Betroffene in der Hauptverhandlung natürlich auch darauf hingewiesen, dass er den ihm in den Mund gelegten Satz so nicht gesagt hat.

Link zum Beschluss des AG Dortmund

Telemedizin soll Inhaftierten helfen

Die Telemedizin ist ja groß im Kommen. Derzeit ändern die Ärzte ihre Standesregeln für die Fernbehandlung von Patienten, und jetzt entdeckt auch die baden-würrtembergische Justiz den möglichen Nutzen für den Strafvollzug. Im Rahmen eines Modellprojekts sollen dort künftig Gefangene Fachärzte online konsultieren können.

Einzelheiten stehen in diesem Bericht. Interessant ist auch das Argument, dass die Telemedizin die Fluchtgefahr mindern dürfte. In der Tat, das darf ich hoffentlich sagen, sind gerade Ausführungen zu Ärzten oft eine günstige Gelegenheit, wenn sich ein Gefangener aus dem Staub machen will. Aber die Regel ist das natürlich nicht.

Ich persönlich denke in diesem Zusammenhang gern an einen schwer zuckerkranken und auch überdies sehr angeschlagenen Mandanten, der sich auch mal selbst aus der Haft entließ. Aber nur, um im Knast „nicht zu krepieren“, wie er es formulierte. Den Aufenthalt in einer Privatklinik hat ihm seinerzeit sein Bruder finanziert. Nach knapp drei Wochen ging der Mandant dann freiwillig zurück und saß brav seine Reststrafe ab.

Mehr Rechte für Flugreisende

Der Europäische Gerichtshof stärkt die Rechte von Flugreisenden. Bei verspäteten Umsteigeflügen können die Reisenden sowohl am Abflugs- als auch am Zielort die vorgeschriebene Entschädigung einklagen.

Dieses Recht auf Wahl des Gerichtsstandes gilt der Entscheidung zufolge, wenn die verschiedenen Flüge für eine Reise einheitlich gebucht wurden „und die große Verspätung bei Ankunft am Endziel auf eine Störung zurückzuführen ist, die sich auf dem ersten Flug ereignet hat“.

Konkret bedeutet die Klarstellung durch das Gericht, dass sich ausländische Airlines, die eine Teilstrecke bedient haben, nicht auf einen Gerichtsstand in ihrem Heimatland berufen dürfen. Vielmehr können sie auch sowohl an Start und Ziel des Reisenden verklagt werden. In dem entschiedenen Fall musste sich die spanische Air Nostrum, die den ersten Teilflug innerhalb von Spaniens durchgeführt hatte, nun dem Prozess in Düsseldorf stellen. Dort war das Endziel der Reise, deren letzte Etappe Air Berlin ausgeführt hatte.

Das Grundsatzurteil gilt für alle Airlines, die ihren Sitz in der EU haben (Aktenzeichen C-274/16, C-447/16, C-448/16).

Mehr Penisbilder

Wenn es nach dem Verwaltungsgericht Cottbus geht, dürfte die Fahndungskartei der Polizei künftig um eine Rubrik reicher werden. Penisbilder. Das Gericht hält es für zulässig, wenn zur Verbrechensvorbeugung bei Sexualdelikten auch das Geschlechtsteil des Beschuldigten fotografiert wird.

Ein Beschuldigter, selbst Polizist, hatte sich gegen die Anordnung gewehrt, im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung auch seinen Schniedel ablichten zu lassen. Dem Polizisten, der wegen der angeblichen Tat bislang noch nicht verurteilt ist, wird sexueller Missbrauch eines Kindes vorgeworfen. Der Beamte soll über seinen Dienstrechner länger mit einem Kind erotische Chats geführt haben.

Von sich selbst hat der Beamte allerdings nur Bilder verschickt, die ihn mit unbekleidetem Oberkörper zeigen. Dennoch halten es die Richter für erforderlich, dass bei künftigen Ermittlungen auch ein Bild seines Geschlechtsteils zur Verfügung steht. Immerhin sei es nicht unüblich, dass im Internet auch Intimbilder ausgetauscht werden. Von daher liege die Vermutung nahe, dass der Betroffene auch zum Austausch von Nacktbildern bereit sei. Wenn eine Aufnahme seines Geschlechtsteils vorliege, sei es in ähnlichen Fällen schneller möglich, ihn als Täter zu ermitteln. Oder ihn auszuschließen.

Dieser Beschluss dürfte keine lange Haltbarkeit haben. Die Menschenwürde gilt auch für Verdächtige einer Straftat, und zwar uneingeschränkt. Fotos des Geschlechtsteils, schon gar nicht im erigierten Zustand, können nach meiner bescheidenen Meinung nicht erzwungen werden – wenn man eben diese Menschenwürde nicht völlig über Bord wirft. Fotos des nicht erigierten Penisses, die man vielleicht noch irgendwie als zulässig betrachten könnte, sind aber als solche kaum für die Zwecke des Erkennungsdienstes „erforderlich“, wie es § 81b StPO ausdrücklich verlangt. Und zwar schon ganz einfach deswegen, weil die Versender der Bilder in 99,9 % der Fälle ganz sicher nicht als Schlappschwanz dastehen wollen. Mir sind aber schon Gerüchte zu Ohren gekommen, dass nicht erigierte Penisse eher überhaupt keinen Rückschluss darauf zulassen, wie sie im erregten Zustand aussehen. Von daher wäre die Penisbilderkartei nur eins: schlicht nutzlos und somit gesetzeswidrig.

Aber nun ja, vielleicht gibt es ja zumindest in anderen Polizeipräsidien kluge Köpfe, die solche Praktiken in unserem Land dann doch eher auch nicht wollen (Aktenzeichen 3 L 95/18).

Fernlöschung

Die Staatsanwaltschaft hat mir Bescheid gesagt, dass die Polizei einem Mandanten sichergestelltes Bargeld wieder aushändigen muss. Ein schöner Betrag, doch komischerweise löste bei meinem Mandanten der zweite Teil der Mitteilung viel größere Freude aus: Der Mandant kriegt auch sein Handy wieder.

Was wohl bedeutet: Die Fernlöschung hat tadellos funktioniert in dem Augenblick, als ein Polizeibeamter ganz konventionell den Ein-Schalter gedrückt hat.

Aber das alles reime ich mir möglicherweise auch nur zusammen, und der Mandant hatte überhaupt keine sensiblen Daten auf seinem Gerät.

Alternativen zum NetzDG

Bevor ich mich in einen kleinen Urlaub verabschiede, möchte ich noch auf einen ganz neuen Gesetzentwurf des Passauer Rechtsprofessors Dirk Heckmann hinweisen. Das Projekt, unterstützt von meinem Kooperationspartner ARAG, soll in erster Linie eine Alternative zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aufzeigen, welches ja schon im Vorfeld viel Kritik einstecken musste – die sich seit Inkrafttreten weitgehend auch bestätigt hat.

Kernanliegen von Heckmanns Vorschlägen ist ein verbesserter und vor allem wirksamer Schutz der Internetnutzer vor Hass-Postings, Ehrverletzungen und Cybermobbing. Statt auf Bußgelder gegen Facebook & Co. setzt der Gesetzentwurf darauf, die Zuständigkeit für Maßnahmen gegen schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen wieder in die Hände der Justiz zurückzugeben.

Dazu soll auch ein neuer Straftatbestand eingeführt werden, bei dem Heckmann allerdings ganz schön in die Vollen geht. So soll sich die Strafdrohung für einfache Beleidigungen auf zwei Jahre verdoppeln, bloß weil die Beleidigung online erfolgte. Außerdem schlägt Heckmann Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor, wenn die Tat geeignet ist, die Lebensgestaltung einer Person nachhaltig zu beeinträchtigen oder sogar leichtfertig dazu beiträgt, dass der Betroffene von Cybermobbing sich das Leben nimmt.

Ich persönlich glaube allerdings nicht, dass drakonische Strafdrohungen alleine etwas bewirken. Vielmehr kommt es darauf an, dass bestehende Strafrahmen im Einzelfall angemessen ausgeschöpft werden.

Aber mit der Forderung nach neuen und härteren Strafen erschöpft sich der Diskussionsvorschlag natürlich nicht. So soll für schwere Ehrverletzungen im Internet kein Strafantrag mehr erforderlich sein. Online-Beleidigungen würden hierdurch zu Delikten, gegen die Staatsanwaltschaften im Regelfall von sich aus vorgehen müssen – auch nach Anzeigen unbeteiligter Dritter. Man kann sich allerdings lebhaft vorstellen, was das für eine Anzeigenlawine gegen Gott und die Welt auslösen würde, vom Missbrauchspotenzial ganz zu schweigen. Immerhin soll jeder persönlich Betroffene die Möglichkeit haben, einer Strafverfolgung zu widersprechen.

Weiterer Kernpunkt des Entwurfes ist die Pflicht sozialer Netzwerke, Nutzern die Meldung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu erleichtern. Dazu fordert Heckmann einen Meldebutton auf jeder Seite. Soziale Netzwerke sollen Beschwerden sofort sichtbar für jeden Nutzer umsetzen, indem sie gemeldete Inhalte als fragwürdig kennzeichnen. Hierdurch sollen andere Nutzer davor „gewarnt“ werden, dass es sich um einen problematischen Inhalt handelt und sie sich möglicherweise selbst strafbar machen oder zumindest Persönlichkeitsrechte verletzen, wenn sie den beanstandeten Post teilen.

Das ist sicher ein Diskussionsansatz. Aber auch hier stellt sich die Frage, wie soziale Netzwerke berechtigte und unberechtigte Meldungen vernünftig trennen sollen. Wenn man so etwas möchte, müsste man die Kennzeichnungspflicht vielleicht nach dem Prinzip der Radarwarner gestalten, die ja auch erst Alarm geben, wenn eine relevante Zahl an Nutzern eine Meldung gemacht haben. Für Postings ohne sonderliche Öffentlichkeit, zum Beispiel unter Jugendlichen, würde das dann aber wieder nicht helfen.

Sehr weitgehend ist auch der Vorschlag, dass soziale Netzwerke nach jeder Meldung fragwürdige Inhalte dokumentieren müssen, damit später eine gerichtliche Überprüfung möglich ist. Betroffene sollen über erweiterte Auskunftspflichten sogar erfahren können, wer gemeldete Inhalte weiterverbreitet oder auch nur zu Gesicht bekommen hat. So ehrenwert dieser Wunsch nach umfassendem Schutz vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist, so funktioniert er aber nur mit weitgehender Überwachung jedes einzelnen Nutzers durch die Anbieter. Hier muss man ganz klar sehen, dass die Schaffung der nötigen Kontrollinfrastruktur weitere Begehrlichkeiten nach dem Datenzugriff schaffen wird – eher früher als später.

Ansonsten setzt der Vorschlag naturgemäß sehr stark auf eine Verbesserung von Opferrechten. So soll es erleichterte Möglichkeiten zur Nebenklage geben, einfacheren vorläufigen Rechtsschutz, ein Recht auf psychosoziale Betreuung und auf einen Opferanwalt.

Der Gesetzentwurf ist auf jeden Fall ein wichtiger Denkanstoß für alle, die sich nicht für mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz abfinden wollen. Der Entwurf ist hier nachzulesen. Es gibt auch eine konsolidierte Fassung, damit man sich nicht alle Änderungen mühsam zusammensuchen muss.

Im law blog geht es ab dem 6. März weiter.

Die neue Aussagepflicht für Zeugen

Früher war alles einfach: Mit der Polizei muss man nicht reden. Als Beschuldigter nicht. Aber auch nicht als Zeuge. Diese Rechtslage hat sich vor kurzem drastisch geändert. Zeugen sind unter bestimmten Umständen verpflichtet, bei der Polizei auszusagen.

In meiner aktuellen ARAG-Kolumne beleuchte ich die Hintergründe der Gesetzesänderung, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet geblieben ist. Natürlich erkläre ich auch, wie man doch um eine Aussage herumkommt, wenn man diese nicht machen möchte.

Viel Spaß beim Lesen.

Zum Einschlafen PayPal lesen

Wenn man die neuen Geschäftsbedingungen des Bezahldiensets PayPal ausdruckt, verbraucht man 80 Seiten Papier. Nutzer einer Smartphone-App müssen 330 Mal den Bildschirm herunter scrollen, um ans Ende des Textes zu gelangen. Einen derartigen Packen „Kleingedrucktes“ hält der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) für wettbewerbswidrig. PayPal wurde deswegen förmlich abgemahnt.

„Hier liegt nach unserer Auffassung nicht nur wegen formaler Unverständlichkeit der AGB, sondern gerade auch wegen des erforderlichen Zeitumfangs, um das vollständige Regelwerk lesen und verstehen zu können, ein Wettbewerbsverstoß vor“, sagt die zuständige Rechtsreferentin des vzbv. Selbst ein zügiger Leser brauche rund 80 Minuten, um die AGB zu verstehen. Wobei das mit dem Tempo so eine Sache ist. Der längste Satz in den PayPal-Bedingungen umfasst 111 Wörter, sehr viele weitere sind nicht wesentlich kürzer.

Den PayPal-Bedingungen fehle nicht nur jede Transparanz, sie seien auch schlicht unzumutbar. Mit diesen Bedingungen verschaffe sich PayPal einen Wettbewerbsvorteil, argumentieren die Verbraucherschützer. Sollte PayPal seine Bedingungen nicht ändern, will der Verbraucherzentrale Bundesverband klagen.

Abrechnung im Viertelstundentakt

Ich kenne gar nicht wenige Anwälte, die ihr Zeithonorar gegenüber den Mandanten im Viertelstundentakt abrechnen. Die Kollegen werden sich nicht unbedingt über das freuen, was das Landgericht Köln – wie schon andere Gerichte zuvor – entschieden hat: Eine Abrechnung im Viertelstundentakt ist nicht zulässig.

In dem Verfahren ging es um eine mehrseitige Honorarvereinbarung, die ein Anwaltsbüro seine Klienten unterschreiben ließ. Zur Abrechnung im Viertelstundentakt heißt es in dem Beschluss:

(Bei dieser Regelung) kann es aber entgegen der vereinbarten Preisberechnung pro Stunde dazu kommen, dass auch im Falle einer Tätigkeit von 4 x 1 Minute – sofern diese Tätigkeiten jeweils außerhalb eines 15-Minuten-lntervalles liegen – der komplette Stundensatz (von 190 Euro pro Stunde) fällig wird.

Einschränkungen betreffend die Abrechnung sind nicht vorhanden, so dass bei jeder anwaltlichen Tätigkeit, auch wenn diese nur einige Sekunden andauert, für den Mandanten Kosten von je 47,50 € anfallen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die typische Bearbeitung eines Mandates durch einen Rechtsanwalt bei einer derartigen 15-Minuten-lntervall-Abrechnung zu einer erheblichen Mandantenbenachteiligung führt. Regelmäßig erfordert die anwaltliche Tätigkeit neben aufwändiger rechtlicher Prüfung, und zeitintensiver Wahrnehmung von Gerichtsterminen oder Mandantenbesprechungen auch kurze Telefonate, die Anfertigung von Notizen oder Vermerken u.s.w., so dass in einer Vielzahl von Fällen die Vergütung der Beklagten, gerechnet auf die Minute, deutlich über dem Stundensatz von 190,00 € liegt.

Im Hinblick auf die Möglichkeiten moderner Zeiterfassung ist eine genauere Zeittaktung auch zumutbar und möglich. Für die Beklagte ergibt sich zudem der Anreiz, Tätigkeiten über den Tag zu verteilen, anstatt diese innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraumes zu erbringen.

Ich selbst rechne Zeithonorare seit jeher minutengenau ab. Es gibt auch aus meiner Sicht keinen vernünftigen Grund für den Viertelstundentakt (Aktenzeichen 26 O 453/16).

Strafbare Beihilfe durch Betrieb eines TOR-Servers

Dass die Betreiber von TOR-Servern ab und zu mal Problem mit der Justiz bekommen, ist bekannt. Es kommt halt immer wieder vor, dass Nutzer den TOR-Service für kriminelle Aktivitäten missbrauchen. Der Anfangsverdacht richtet sich dann halt oft gegen denjenigen TOR-Aktivisten am Ende der „Zwiebelschicht“, dessen IP-Adresse ermittelt werden kann.

Normalerweise gelingt es recht problemlos, einer Staatsanwältin oder einem Staatsanwalt die Thematik zu vermitteln. Der Kollateralschaden, ausgelöst durch die Hausdurchsuchung, bleibt natürlich. Aber am Ende wird das Verfahren dann eingestellt – mangels Tatverdachts.

Anders nun bei einer Staatsanwaltschaft hier in Nordrhein-Westfalen. Da hat es sich die Staatsanwältin echt nicht nehmen lassen, meinen Mandanten anzuklagen. Er soll sich wegen Beihilfe zur Verbreitung von Kinderpornografie übers Internet strafbar gemacht haben, weil er es zugelassen habe, dass die fraglichen Daten (auch) über seinen Server transportiert wurden.

Das Gericht muss jetzt über die Zulassung der Anklage entscheiden. Ich habe so Stellung genommen:

Der Angeklagte hat einen TOR-Server betrieben. Ein TOR-Server ist in Deutschland legal. Für den Angeklagten als Internet Service Provider (ISP) gilt das Telemediengesetz. Aus den §§ 7 – 10 TMG ergibt sich, dass den ISP keine Haftung für die durchgeleiteten Daten trifft.

Wäre dies anders, würden sich die Verantwortlichen von Vodafone, der Telekom, Unitymedia, aber auch tausende kleinere Internetanbieter Tag für Tag strafbar machen. …

Überdies ist es dem dem Angeklagten durch das Telekommunikationsgeheimnis (§ 88 TKG) sogar untersagt zu überprüfen, welche Daten Nutzer des TOR-Dienstes bei ihm durchleiten. Wie jeder andere Internetanbieter muss es der Beklagte also aufgrund der klaren gesetzlichen Vorgabe in Kauf nehmen, dass seine Dienste mitunter auch für rechtswidrige Handlungen genutzt werden.

Ein ISP ist auch nicht zur Abschaltung seines legalen Angebotes verpflichtet, sofern sich im nachhinein Ansatzpunkte für vereinzelten Missbrauch seines Angebots zu illegalen Zwecken ergeben.

Schon wegen der eindeutigen Gesetzeslage ist die Anklage unschlüssig.

Zudem würde es auch an einem Beihilfevorsatz fehlen. Der Beihilfevorsatz muss bekanntlich ein doppelter sein: hinsichtlich der fremden Tat und dem Willen, diese Tat zu unterstützen.

Hier fehlt es schon daran, dass dem Angeklagten die konkrete Tat überhaupt nicht bekannt war. Sie ist ihm ja erst durch die Ermittlungen der Polizei bekannt geworden.

Ein eigener Beihilfevorsatz erschließt sich noch weniger.

Ich beantrage deshalb, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Namensschilder auf der Anklagebank

Heute begann ein größerer Prozess mit fünf Angeklagten, verbunden mit einiger Medienöffentlichkeit. Mein Mandant hatte für sich entschieden, dass er beim Gang in den Gerichtssaal sein Gesicht nicht vor den Kameras verbirgt. Von daher dürften ihn auch die Platzkarten weniger gestört haben, die das Gericht für alle Verfahrensbeteiligten auf den Tischen angebracht hatte.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir über diese Namensschilder, die in größeren Prozessen ja üblich sind, noch nie Gedanken gemacht habe. Ein Anwaltskollege aber schon, und zwar aus gegebenem Anlass. Dessen Mandant wollte sich nicht filmen lassen. Er hielt sich einen Aktenordner vors Gesicht, so lange Kameras im Saal waren. Das ist sein gutes Recht. Aber konterkariert wird dieses Recht natürlich, wenn später im Fernsehen und Presseberichten das Gesicht des Angeklagten nicht sichtbar ist, das vor ihm stehende Namensschild aber schon.

Der Verteidiger wies ganz sachlich darauf hin, dass in der Strafprozessordnung nirgends was von Namensschildern steht und sich sein Mandant in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt sieht. Groß Popcorn verteilen lohnte sich allerdings nicht. Die Vorsitzende Richterin erwiderte, dass sie die Namensschilder bei mehreren Angeklagten, diversen Verteidigern, Sachverständigen etc. am Anfang des Verfahrens für sinnvoll hält. Einfach, weil es dann zu weniger Verwechslungen kommt.

Andererseits zwinge das Gericht aber keinem Angeklagten auf, dass sein Name von der Zuschauertribüne aus gelesen werden kann. Kurz gesagt: „Wir wehren uns nicht dagegen, wenn die Schilder umgedreht oder entfernt werden.“ Damit dürften dann wohl alle Seiten leben können.

Der Altbundespräsident im Supermarkt

„Wer Bettina liebt, der schiebt!“ So war ein Artikeln in der Illustrierten „Neue Post“ überschrieben. Ein Foto zeigte den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff beim Einkauf im Supermarkt. Kurz vorher hatte Wulff das „Liebes-Comeback“ mit seiner Ehefrau Bettina bestätigt. Vor Gericht wurde später heftig darüber gestritten, ob die „Neue Post“ und das Magazin „People“ Bilder aus Wulffs Privatleben zeigen durften, etwa bei einer Autofahrt. Das letzte Wort hatte jetzt der Bundesgerichtshof.

Die Richter bejahen ein Recht der Presse, auch über Wulffs Rolle als „fürsorgender Familienvater“ zu berichten. Wulff kann sich insbesondere nicht darauf berufen, er sei (nur) ein ehemaligen Bundespräsident. Das Interesse an seiner Person wirkt nämlich auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Denn Wulff bleibe nun mal „Altbundespräsident“, der zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommt. Von daher sei es auch von öffentlichem Interesse, wen der Bundespräsident liebt und wie er seine Familie organisiert.

Der Bundesgerichtshof weist außerdem darauf hin, dass Wulff selbst sein Privatleben früher gern öffentlich gemacht hat. Wer sich bei derartiger Prominenz ins Rampenlicht begibt, muss später auch damit leben, dass ohne sein Einverständnis berichtet wird.

Die Vorinstanzen (mal nicht Hamburg, sondern Köln) hatten die Zeitschriften noch zur Unterlassung verurteilt (Aktenzeichen VI ZR 76/17).

Murmeltier-Tag

Zugegeben, es ist eine traurige Angelegenheit. Es geht um einen seit Jahren ungeklärten Mordfall in München. Das einzige, was mein Mandant damit zu tun hat: Er hielt sich zum fraglichen Zeitpunkt beruflich in der bayerischen Landeshauptstadt auf. Von dem Aufenthalt weiß die Polizei, weil sie wohl Unmengen an Handydaten aus München ausgewertet und alle Anschlussinhaber darauf abgeglichen hat, ob sie altersmäßig in ein bestimmtes Raster passen.

Schon vor einigen Jahren hatte sich die Polizei an meinen Mandanten gewandt und ihn zu einer DNA-Probe aufgefordert. Das lehnte der Betroffene ab, und zwar auch mit dem Hinweis, dass er über seinen Aufenthalt in München schon Angaben gemacht hat – obwohl er dazu gar nicht verpflichtet war. Eine DNA-Probe mochte er nicht abgeben, weil er kein sonderliches Vertrauen darin hat, dass mit den Daten korrekt umgegangen wird.

Nun ja, nach einigen Jahren Ruhe kommt jetzt der nächste Versuch. Mein Mandant soll bei seiner örtlichen Wache erscheinen, zwecks „Vernehmung als Zeuge und Abgabe einer DNA-Probe“. Ich habe zurückgeschrieben, dass mein Mandant aus den bekannten Gründen nicht zu dem Termin erscheinen wird. Und gebeten, dem Mandanten vorab rechtliches Gehör zu gewähren, sollte jetzt wider Erwarten nach so langer Zeit versucht werden, an einen richterlichen Beschluss zu gelangen, der sich konkret auf meinen Mandanten bezieht.

Unerfreuliche Funde

Anfrage:

Ein Kollege hat bei der Suche nach Tom und Jerry Comics in P2P Netzwerken Kinderpornografie entdeckt. Und will das der Polizei melden, ohne selbst wegen Besitz ins Visier zu geraten. Gibt es eine Anleitung, wie er das tun kann, damit sich ein LKA der Sache annimmt?

Meine Antwort:

Ich kann aus der leidvollen Erfahrung, die einige meiner Mandanten schon machen mussten, in solchen Fällen nicht empfehlen, den eigenen Namen zu nennen oder sich sonstwie ermittelbar zu machen. Meldern wird mitunter quasi automatisch unterstellt, dass sie gezielt nach solchem Material gesucht haben oder zumindest daran interessiert sind.

Das kann durchaus reichen, um bei gewissen Staatsanwaltschaften einen Anfangsverdacht zu begründen. Folge: Hausdurchsuchung. Wenn also Anzeige, dann vielleicht quasi-anonym über eine Internetwache der Polizei.

Dabei muss man allerdings beachten, dass dort meistens alle greifbaren Daten (IP-Adresse, verwendeter Browser, eingegebene Formulardaten zum Absender etc.) gespeichert werden. Man sollte also entsprechende technischen Maßnahmen ergreifen, wenn man dies nicht möchte.

Im Zweifel gibt es auch noch den guten alten Brief.

Ein Internetnutzer ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, solche unerfreulichen Funde im Internet zu melden. Es gibt für Delikte aus diesem Bereich keine Anzeigepflicht.