Unitymedia darf öffentliches WLAN auf Routern der Kunden installieren

Unitymedia darf die Router, die das Unternehmen Kunden zur Verfügung stellt, zum Aufbau eines öffentlichen WifiSpots nutzen. Hierfür benötigt die Firma kein ausdrückliches Einverständnis ihrer Kunden. Es reicht, wenn die Kunden die Möglichkeit haben, der Einrichtung des WifiSpots zu widersprechen. Dies hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

Unitymedia schaltet seit letztem Jahr ein unabhängiges WLAN-Netz auf den Routern der Kunden. Diese WLANs kann dann wiederum kostenlos jeder teilnehmende Unitymedia-Kunde nutzen, wenn er unterwegs ist. Nach Angaben von Unitymedia soll so das größte Netz von öffentlichen WLAN-Hotspots in Deutschland entstehen.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte Unitymedia verklagt. Sie vertrat den Standpunkt, dass für die Konfiguration eines zweiten Signals, das ein vom WLAN-Netz des Kunden („1st SSID“) unabhängiges WLAN-Netz („2nd SSID“) auf dem Router aktiviert, eine ausdrückliche Zustimmung des Kunden erforderlich sei. Das Landgericht Köln hat dieser Klage stattgeben; das Oberlandesgericht sieht es jetzt genau umgekehrt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stellt die Aufschaltung des zusätzlichen Signals keine unzumutbare Belästigung der Kunden dar, die nach § 7 Abs. 1 UWG verboten wäre. Zwar handele es sich bei dem zusätzlichen WLAN-Signal um eine Belästigung. Den Kunden werde eine geschäftliche Handlung aufgedrängt, um die sie nicht selbst nachgesucht hätten.

Wie bei unbestellter Werbung müssten sich die Kunden jedenfalls mit den Plänen von Unitymedia befassen und ihr Aufmerksamkeit zuwenden. Die Belästigung sei aber nicht unzumutbar, denn ihr gegenüber seien die berechtigten Interessen von Unitymedia abzuwägen. Das Unternehmen habe ein berechtigtes Interesse, sein Dienstleistungsangebot auszuweiten. Außerdem gebe es ein Interesse der anderen Kunden, Wifi-Hotspots auch außerhalb der Privatwohnung zu nutzen.

Demgegenüber sei die Belästigung der Kunden durch die Aufschaltung des zweiten Signals gering. Ihr Eigentumsrecht sei nicht betroffen, weil die Router im Eigentum stehen. Die Software werde von Unitymedia automatisch installiert. Damit sei kein Aufwand für den Kunden verbunden. Anhaltspunkte für ein Sicherheitrisiko habe die Verbraucherzentrale nicht vorgetragen. Schließlich bestehe für Kunden jederzeit die Möglichkeit, mit einem Widerspruch das zweite WLAN zu stoppen. Nur wenn Unitymedia die Widerspruchsmöglichkeit nicht einräumen würde, wäre das Angebot rechtswidrig.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Die Richter sehen einen grundsätzlichen Klärungsbedarf für die Frage, in welchem Umfang die Nutzung von im Eigentum des Unternehmers verbleibenden Ressourcen im Haushalt des Kunden zulässig ist (Aktenzeichen 6 U 85/17).

Zu unserer Entlastung

Aus einem Anwaltsschreiben an das Landgericht:

… reichen wir mit Dank und zu unserer Entlastung die amtliche Ermittlungsakte zurück.

Ich finde, über solchen Schwulst darf man schon mal schmunzeln.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass jemand anscheinend meinen Briefkopf missbraucht und meine Unterschrift super nachmacht. Gut, womöglich handelt es sich auch um einen Rückfall in alte Gewohnheiten. Früher habe ich wirklich schon mal so was in Briefe diktiert. Ursache dieses Flashbacks ist wohl die Überdosis Wick Medinait, die mich durch die letzte Woche brachte.

Der Wachtmeister hat das letzte Wort

Heute hatte ich mal wieder mit einen Paragrafen der Straßenverkehrsordnung zu tun, der zumindest in meiner Praxis ein Schattendasein führt. Es geht um § 36 StVO. Dort steht:

Die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind zu befolgen. Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor, entbinden den Verkehrsteilnehmer jedoch nicht von seiner Sorgfaltspflicht.

Mein Mandant wollte frühmorgens direkt neben einer Straßenbahnhaltestelle die Straße überqueren. Das gefiel einem Polizeibeamten nicht. Der forderte ihn auf, die etwa 40 Meter entfernte Fußgängerampel zu nutzen. Das wiederum sah mein Mandant nicht ein. Er verwies – zutreffend – darauf, dass es für Fußgänger keine Ampelpflicht gibt. Vielmehr darf man grundsätzlich als Fußgänger an jeder Stelle eine Fahrbahn überqueren, sofern es die Verkehrslage zulässt. Wenn kein Auto kommt und man auch ausreichende Sicht hat, muss man also nicht zur nächsten Ampel latschen (§ 25 Absatz 3 StVO).

Tja, das ändert aber leider nichts daran, dass „Weisungen“ von Polizeibeamten allen anderen Regeln vorgehen, auch der soeben zitierten. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Grund der Weisung überzeugt, sofern der Polizist diesen Grund überhaupt mitteilt. Wozu er nicht verpflichtet ist.

Einen kleinen Trost gibt es immerhin. Während man für echten Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte heute schon mal schnell in den Knast wandert, hält sich die Sanktion für Renitenz im Straßenverkehr doch noch deutlich in Grenzen. 20 Euro sind es derzeit bei nichtbeachteten Weisungen, 70 Euro bei ignorierten Zeichen oder Haltegeboten.

Kostenlose Kennenlern-Termine

Anfrage:

Bieten Sie auch kostenlose Kennenlern-Termine an? Ich würde Ihnen in diesem Rahmen gern meine laufenden Verfahren erläutern und anhand Ihrer juristischen Einschätzung dazu prüfen, ob Sie als Anwalt für mich in Frage kommen.

Antwort:

Leider biete ich keine kostenlosen Kennenlern-Termine an. Ihr Vorschlag entspricht in der Sache einer sogenannten Erstberatung. Diese Erstberatung kann ich Ihnen gerne anbieten, aber nur kostenpflichtig. Die Höhe der Erstberatungsgebühr ist Ihnen, wie Sie schreiben, ja bekannt.

Mein Gefühl sagt mir, dass ich den Auftrag nicht bekomme…

(Falls es interessiert: Die Erstberatung kostet nach dem Vergütungsgesetz maximal 226,10 €. Es kann, je nach Aufwand, aber auch weniger sein.)

Am Ende zahlt der Typ

Am Ende eines Strafverfahrens stand für meinen Mandanten ein erfreuliches Ergebnis. Er wurde freigesprochen. Damit hatten wohl zwei Personen definitiv nicht gerechnet: die Frau, die meinen Mandanten einer Straftat gegen ihre Person bezichtigte. Sowie die Rechtsanwältin, welche das vermeintliche Opfer als Nebenklägerin vertrat.

Es kommt im Anschluss an diesen Freispruch zu leicht bizarren Verwicklungen. Anscheinend hat die Nebenklägeranwältin nicht so recht gewusst, wie die Kostenfolge im Falle eines Freispruchs ist. (Wahrscheinlich ist sie durch die ansonsten legendäre Verurteilungsfreude ihres Heimatgerichts verwöhnt.) Im Falle eines Freispruchs muss der Angeklagte auch nicht die Kosten der Nebenklägerin tragen. Sondern diese muss selbst schauen, wie sie ihren Rechtsbeistand finanziert. Das wiederum funktioniert juristisch aber auch nur dann, wenn die Nebenklägerin durch ihre Anwältin vorab ausreichend über das Kostenrisiko aufgeklärt war.

Genau das scheint aber nicht geschehen zu sein. Einige Tage nach dem Freispruch hatte ich die Frau am Telefon. Sie klagte mir ihr Leid. Nämlich dass die Anwältin jetzt von ihr bezahlt werden will. Wir reden über knapp 4.000 Euro. Und das, obwohl vorher nur einmal überhaupt über Kosten gesprochen worden sei. Mit der prägnanten Aussage der Anwältin, die sinngemäß lautete:

Machen Sie sich keinen Kopf, am Ende muss der Typ alles zahlen.

Dass die Anwältin die Sache sehr locker angegangen ist, zeigt auch ein anderer Umstand. Am Tag nach dem Urteil hat die Rechtsanwältin noch schnell beantragt, sie der Nebenklägerin beizuordnen. So eine Beiordnung hat den Effekt, dass die Staatskasse die Anwaltskosten übernimmt. Das geht problemlos, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Waren sie. Aber der Antrag muss halt gestellt werden, und eins geht definitiv nicht – die nachträgliche Beiordnung. Dementsprechend verpuffte der Rettungsversuch an der klaren Ansage des Gerichts, dass eine nachträgliche Beiordnung gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Jetzt ist es mittlerweile wohl so weit, dass die Rechtsanwältin ihrer Mandantin mit einem Mahnbescheid droht. Ich fühlte mich durchaus ein wenig geehrt, als die Nebenklägerin mich fragte, ob ich sie gegen die Anwältin vertreten möchte. Ich habe allerdings abgelehnt, ihr aber einen fitten Zivilrechtler empfohlen.

„Ort und Datum“

Als Anwalt bin ich verpflichtet, auf Wunsch den Empfang hier eingegangener Schriftstücke von Gerichten und Behörden zu bestätigen. Das geschieht durch ein „Empfangsbekenntnis“ (§ 174 ZPO).

Das Empfangsbekenntnis ist an keine besondere Form gebunden. Üblicherweise schicken Gerichte ein vorbereitetes Formular mit, das ich unterschrieben zurücksende. So weit, so einfach. Allerdings fällt mir schon seit jeher eine Kleinigkeit auf. Von uns Anwälten werden auf den einschlägigen Formularen nämlich immer Angaben verlangt bzw. erbeten, die wir gar nicht machen müssen.

Das typische Formular sieht so aus.

Die vorstehend bezeichnete Sendung habe ich heute erhalten. Empfangsbekenntnis vollzogen zurückgesandt.

Ort und Tag

Unterschrift

Ihr werdet kein vorbereitetes Empfangsbekenntnis finden, in dem der Empfänger nicht den „Ort“ angeben soll. Ich habe jedenfalls noch keines gesehen.

Allerdings macht es juristisch überhaupt keinen Unterschied, an welchem Ort ein Anwalt ein solches Schreiben zur Kenntnis nimmt. Wenn ich es aus dem Büro mitnehme oder mir aufs Notebook mailen lasse und es dann in der Bahn lese, müsste ich bei Ort ja auch korrekterweise beispielsweise schreiben: „Zwischen Hannover und Braunschweig“.

Man braucht nur einen näheren Blick in den bereits erwähnten § 174 ZPO zu werfen, um zu sehen, dass die Angabe des Ortes in dem Formular für ein Empfangsbekenntnis an sich völlig überflüssig ist. Denn die Angabe des Ortes ist keine juristische Notwendigkeit für ein wirksames Empfangsbekenntnisses. In der Vorschrift steht nämlich:

Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis…

Datum. Unterschrift. Mehr muss der Empfänger nicht liefern. Ich gebe deshalb schon seit vielen Jahren den Ort nicht mehr an. Und meine Mitarbeiter sind gebeten, den Ort wegzulassen, wenn sie das Datum vorab einsetzen.

Moniert wurde die fehlende Ortsangabe noch nie. Immerhin.

Acht Monate plus X

Im deutschen Recht ist ja alles gern ein wenig komplizierter. Über ein Beispiel bin ich heute gestolpert, als ich meinem Mandanten erklären musste, wie sich die Sperrfrist berechnet, nachdem ein Gericht die Fahrerlaubnis entzogen hat.

Wir reden über einen typischen Fall. Der Mandant ist am 23. August 2017 alkoholisiert Auto gefahren (1,2 Promille). Die Polizei kassierte an Ort und Stelle seinen Führerschein. Am 24. November 2017 erließ das Gericht einen Strafbefehl. Darin hieß es:

Ihnen wird die Fahrerlaubnis entzogen. Ihr Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wird angewiesen, Ihnen vor Ablauf von acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Der Mandant rechnete, so wie es für jemanden naheliegt, der seit dem Tattag nicht mehr Auto fahren darf. Also acht Monate ab dem 23. August 2017. Die Fahrerlaubnis konnte er nach seiner Rechnung also im April 2018 wieder bekommen.

In Wirklichkeit ist es anders. Die vom Gericht festgelegte Frist für die Entziehung beginnt erst mit dem Tag, an dem der Strafbefehl erlassen oder ein Urteil gesprochen wurde. Der Mandant kann also erst drei Monate später wieder seine Fahrerlaubnis erhalten, nämlich ab dem 23. Juli 2018 (der Tag des Erlasses zählt gnädigerweise schon komplett zur Frist). Richter müssen also bei Erlass des Strafbefehls darauf achten, wann der Betroffene erwischt wurde. Diese Zeit müssen sie gedanklich einrechnen.

Für die Betroffenen ist natürlich kaum nachvollziehbar, dass im Strafbefehl acht Monate steht, aber faktisch „acht Monate plus X“ gemeint sind. Erläutert wird das durch die Justiz schon gar nicht. Es soll auch schon Anwälte gegeben haben, die das nicht im Blick hatten und ihren Mandanten die Sperrfrist quasi schön rechneten. Wobei das böse Erwachen dann auf dem Straßenverkehrsamt kam, als der Mandant den Antrag auf Wiedererteilung stellen wollte. Dort können sie definitiv Sperrfristen berechnen.

„Gegen Fehlblatt entheftet“

Vor kurzem habe ich erzählt, wie die Polizei bei Auswertung eines beschlagnahmten E-Mail-Postfachs auf Korrespondenz gestoßen ist, die der Beschuldigte mit Anwälten geführt hat, bei denen er Rechtsrat in genau dieser Strafsache einholen wollte. Da konnte er zwar schon ahnen, dass mal was passiert. Sonst hätte er die Anwälte ja auch nicht für ihre Dienste befragt.

Selbst schuld, könnte man sagen. Bei Korrespondenz mit dem Strafverteidiger ist das aber nicht so einfach. Die Nachrichten sind juristisch privilegiert. Kurz gesagt, sie hätten nie ausgewertet und schon gar nicht zur Akte genommen werden dürfen.

Das hat mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft eingesehen. Heute kriegte ich auf mein zweites Anschreiben in dieser Sache folgende Mitteilung:

Es wird mitgeteilt, dass Bd. I Bl. 137a – 147 d.A. aus dieser gegen Fehlblatt entheftet worden sind.

Die E-Mails mit den Anwälten werden also nicht mehr Gegenstand der Entscheidungsfindung sein. Natürlich kann die zuständige Staatsanwältin ihre Existenz nicht aus dem Gedächtnis bannen. Aber wenn sie korrekt arbeitet, wird sie genau dies jedenfalls so weit wie möglich versuchen.

Bei meiner Überzeugungsarbeit hat mir übrigens auch ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geholfen. Der hat im November 2017 in der Rechtssache 37717/05 festgestellt, dass Nachrichten zwischen Betroffenem und Anwalt auch dann geschützt sind, wenn ein Verteidigungsverhältnis noch nicht besteht (was ja bei einem reinen Beratungsmandat im Vorfeld möglicherweise auch hier der Fall gewesen ist).

Der doppelte Beschuldigte

Vor Gericht und auf hoher See… Die altbekannte Weisheit habe ich jetzt mal wieder eindrucksvoll bestätigt erhalten.

Ein Herr P. hatte Strafanzeige gegen meinen Mandanten erstattet. Die Anzeige ging als Brief bei der Staatsanwaltschaft ein – und am Tag zuvor auch als Fax. Bei der Zuordnung hat jemand offensichtlich nicht aufgepasst. Also wurden zwei rote Akten angelegt und der doppelte Fall, der eigentlich nur einer ist, landete in zweifacher Ausfertigung auf den Tischen verschiedener Staatsanwälte.

Normalerweise fällt so was auf, wenn ein Mitarbeiter in das sogenannte Verfahrensregister guckt. Da gibt es dann nämlich eine Überschneidung bei den Daten, die früher oder später stutzig machen sollte. Nicht hier, denn bei der zweiten Eingabe des Geburtsdatums meines Mandanten schlich sich ein Zahlendreher ein. Im Behördencomputer dürfte er von diesem Augenblick an doppelt existiert haben.

Wie auch immer, von einem Verfahren erlangten wir Kenntnis. Ich habe Akteneinsicht genommen, anderthalb DIN-A-Seiten zu den Vorwürfen geschrieben. Ganz dummes Zeug kann es nicht gewesen ein. Es kam nämlich postwendend eine Einstellung mangels Tatverdachts. Diese übermittelte ich auch freudig dem Mandanten.

Die schlechte Nachricht folgte einige Wochen später. In Form einer Anklageschrift, und zwar in der anderen Sache, von der wir gar nichts wussten. Die Anklage ging zum Schöffengericht. Das Ganze ist insoweit interessant, weil man daran sieht, wie sehr die Bewertung einer Angelegenheit vom jeweiligen Staatsanwalt abhängen kann. (Und ein klein bisschen sicher auch davon, was ein Anwalt für den Mandanten dazu zu sagen hat.)

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob die Staatsanwaltschaft an der Anklage festhalten möchte. Das ist witzigerweise die Akte mit dem Fehler im Geburtsdatum. So weit ich überdies herausfinden konnte, war zum Glück dieser Staatsanwalt wohl eher nicht für den Fall zuständig. Sondern eigentlich sein Kollege, der uns mit der Einstellung erfreut hat.

Mal schauen, wie sie bei der Behörde die Kuh vom Eis kriegen. Ein Telefonat mit dem stellvertretenden Behördenleiter klang schon mal vielversprechend, aber man will sich natürlich Zeit nehmen, um die Sache zu prüfen. Leidtragender ist natürlich der Mandant, der momentan die Welt nicht mehr versteht.

Natürliche Gegebenheiten

Wer im Herbst sein Auto unter einem Walnussbaum parkt, muss damit rechnen, dass Walnüsse und – bei starkem Wind – auch ganze Äste herunterfallen. Der Baumbesitzer muss für dieses „natürliche“ Verhalten seines Baumes keinen Schadensersatz leisten, so sieht es zumindest das Amtsgericht Frankfurt am Main.

Der geschädigte Autofahrer war der Meinung, der Baumbesitzer habe eine Gefahrenquelle geschaffen, weil der Baum 1,5 Meter auf die Abstellfläche des Autos ragte. Das Gericht folgte dieser Einschätzung nicht. Es entschied, dass der Kläger im Herbst bei einem Walnussbaum mit dem Herabfallen von Nüssen rechnen musste, denn ein solches sei eine „natürliche Gegebenheit“.

Anhaltspunkte dafür, dass der Baum krank gewesen sei, habe es nicht gegeben. Außerdem hatte der Besitzer den Baum regelmäßig zurückgeschnitten. Auch eine allgemeine Anmerkung erlaubt sich das Amtsgericht. Walnussbäume seien im Interesse der Allgemeinheit wünschenswert, gerade auch in Städten. Da gehe es nicht, das allgemeine Lebensrisiko auf andere abzuwälzen.

Der Autobesitzer bleibt auf seinem Schaden – immerhin 3.000 Euro – sitzen (Aktenzeichen 32 C 365/17 (72)).

Wildwest-Methoden auf dem Wohnungsmarkt

Gegen rabiate Vermieter, die bei Verzug des Mieters selbst die Wohnung räumen, dürfen Mieter sich ebenso tatkräftig wehren. Das Amtsgericht München gab einem Mieter recht, der sich nach der eigenmächtigen Räumung seiner Wohnung wieder Zugang verschaffte, indem er die neu angebrachten Schlösser aufbrach. Solche Selbsthilfe hält das Gericht für zulässig – sofern der Mieter „sofort“ reagiert.

Der Streit drehte sich um einen befristeten Mietvertrag. Nach Vertragsende war der Mieter nicht ausgezogen, außerdem fürchtete die Vermieterin, dass die Arge die Miete nicht weiter zahlt. „Ich schmeiß‘ Sie raus! Ich räume Sie!“, soll die Vermietern gedroht haben. Dabei blieb es nicht. Sie wechselte die Schlösser und bestellte Umzugshelfer, die die Wohnung leerräumen sollten. Nachdem es keine Einigung gab, brach der Mieter nachts um eins die Wohnungstür auf.

Das Gericht verweist auf § 859 BGB. Danach darf sich der Besitzer einer Sache (hier der Mieter) gegen verbotene Eigenmacht wehren. Dieses Abwehrrecht gilt grundsätzlich auch gegenüber dem Eigentümer (hier die Vermieterin). Die Frage war nur, ob der Mieter „sofort“ im Sinne des Gesetzes gehandelt hat. Der Mieter habe sich nicht auf eine körperliche Auseinandersetzung mit den Angestellten der Vermieterin einlassen müssen, so das Gericht. Er habe deshalb einige Stunden warten dürfen, bis die Wohnung unbewacht war. Auch Vermieter müssten den Rechtsweg einhalten. Gerade auf dem Münchner Wohnungsmarkt dürfe so ein Verhalten nicht geduldet werden (Aktenzeichen 461 C 9942/17).

Schreckgespenst Negativzinsen: Für Banken wird es nicht so einfach

Auch wenn die Zinsen gegen Null gehen, unter diese Marke fallen dürfen sie nicht. Zumindest nicht bei laufenden Geldanlagen. Das Landgericht Tübingen untersagt es deshalb der Volksbank Reutlingen, mittels geänderter Geschäftsbedingungen ihre Kunden mit Negativzinsen zu belegen.

Die Volksbank Reutlingen teilte ihren Kunden per Preisaushang mit, dass für bestimmte Angebote künftig negative Zinsen fällig würden. Sie begründete ihr Verhalten wie folgt: „Dies geschieht, um die mittlerweile anfallenden Kosten für die Annahme und Verwahrung großer Guthaben nicht auf alle Kunden umzulegen.“ Minuszinsen würden beim Tagesgeld bereits ab 10.000 Euro und bei Termin- und Kündigungsgeld ab 25.000 Euro fällig werden.

Hiergegen klagte die Verbraucherzentrale – erfolgreich. Über das Kleingedruckte können nach Auffassung des Gerichts keine Negativzinsen erhoben werden. Die Richter begründen das nachvollziehbar mit dem Hinweis, dass der Vertrag über eine Geldanlage nicht in etwas völlig anderes verwandelt werden dürfe. Nämlich einen Verwahrungsvertrag, der noch dazu kostenpflichtig ist (Aktenzeichen 4 O 187/17).

Sachgerechte Vorbereitung des weiteren Vorgehens

Aus einem Schreiben des Gerichts:

In der Strafsache gegen N. wird zur sachgerechten Vorbereitung des weiteren Vorgehens um Angabe der Dienstagstermine in den Monaten April, Mai und Juni 2018 gebeten, an denen nicht verteidigt werden kann.

Welch wohltönende Formulierung, jedenfalls für Juristenohren.

Verjährung, die gar keine mehr ist

In der Diskussion um den Regisseur Dieter Wedel spielen Verjährungsfristen eine Rolle. Nachfolgend einige Worte zur aktuellen Rechtslage:

Seit 2015 gilt die Regelung, wonach die Verjährung bei den weitaus meisten Sexualstraftaten frühestens ab Vollendung des 30. Lebensjahres beginnt. Ab dann läuft die normale Verjährung, die je nach Schwere der Tat zwischen 10 und 20 Jahre beträgt. Diese Verjährungsfrist kann sich durch diverse Unterbrechungsmaßnahmen (z.B. die erste Vernehmung des Beschuldigten, Anklageerhebung etc.) verlängern – und zwar jeweils bis zum Doppelten. Die maximale Verjährungsfrist beträgt in solchen Fällen 40 (!) Jahre.

Das bedeutet ganz praktisch, und ich zitiere aus dem Kommentar Dölling pp. zum Gesamten Strafrecht:

Mag die Regelung dazu dienen, dass erst dann das Opfer in vielen Fällen den Entschluss zur Strafanzeige aufgrund vorher bestehender Abhängigkeiten realisieren wird können, so können durch die ja erst dann beginnende Verjährung Fälle verhandelt werden, die bereits Jahrzehnte zurückliegen.

Schwere Sexualdelikte können daher frühstens mit Vollendung des 50. Lebensjahres des Opfers verjähren, wobei sich die Frist durch Unterbrechungshandlungen sogar bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres des Opfers verlängern kann.

Die Glaubhaftigkeit einer Aussage wird dann nur sehr schwer zu beurteilen sein.

Eine Verjährung gibt es also in diesem Deliktsbereich faktisch schon jetzt nicht mehr. Ob das noch verfassungsgemäß ist, wurde bislang noch nicht entschieden. Ich habe da so meine Zweifel. Aber vielleicht macht uns ja ausgerechnet der Fall Wedel schlauer.

(K)ein bescheidenes Angebot

Mein Mandant stand heute wegen Körperverletzung vor Gericht. Mit dem Prozess arbeitete das Gericht offenbar noch schnell die Karnevalssaison 2016/2017 auf, bevor es in den anstehenden bunten Tagen juristischen Nachschub gibt. Die Tat geschah an Altweiber in der Düsseldorfer Altstadt.

Manchmal ist es ja sinnvoll, sich reuig zu geben. So entschuldigte sich mein Mandant nicht nur bei den beiden Opfern. Er bot zu Beginn der Verhandlung, als die Zeugen noch nicht im Saal waren, über mich auch ein Schmerzensgeld an. Und zwar 500 bis 700 Euro für jeden Geschädigten.

Der Richter nahm das zur Kenntnis, überlegte kurz und sagte dann, er habe in den letzten Jahren ja vorwiegend als Zivilrichter gearbeitet. Bei ihm hätten die Geschädigten ca. 300 Euro gekriegt. Wir nahmen das gerne auf und boten dann diesen Betrag. Damit waren die Geschädigten auch tatsächlich zufrieden. Die Entschuldigung akzeptierten sie überdies.

Meine etwas vorschnelle finanzielle Freigiebigkeit zahlte sich am Ende aber trotzdem noch aus. Der Richter rechnete es meinem Mandanten an, dass er ein „eher großzügiges Angebot“ gemacht und sich damit nicht knickerig gezeigt habe. Das Urteil fiel am Ende so milde aus, dass mein Mandant es akzeptieren und keine Berufung einlegen möchte.

Ich würde jetzt gern sagen, ich hatte das alles genau so geplant.