Zwei Juristen, drei Meinungen. An diese tiefere Erkenntnis musste ich gleich denken, als das Urteil eines Landgerichts auf den Tisch bekam.
Der Mandant hatte sich angeblich zahlreiche Kredite erschwindelt, darunter von engen Freunden. Bei der Strafzumessung wertete es das Gericht ausdrücklich als strafschärfend, „dass der Angeklagte … freundschaftliche Beziehungen ausgenutzt hat“. Ich dagegen hatte die Sache schon in meinem Plädoyer ganz anders gesehen. Denn das Näheverhältnis machte es meinem Mandanten doch eher leichter, an das Geld zu kommen. Von daher war ich der Meinung, deswegen müsse die Strafe gemildert werden.
Also schon mal zwei Meinungen. Wobei es mich überraschte, dass das Landgericht in seinem Urteil tatsächlich nur den zitierten Satz fand, um die strafschärfende Wirkung auch zu „begründen“. Den Richtern hätte ja klar sein müssen, dass ich diese dürftige Ausführung in der Revision hinterfrage. So kam es auch, und nun liefert das Oberlandesgericht Hamm in seinem Beschluss folgende Gebrauchsanweisung:
Bei Straftaten, bei denen der Täter das ihm von dem Opfer entgegengebrachte Vertrauen missbraucht, kann die Tat einerseits als besonders verwerflich und eine Strafschärfung angezeigt erscheinen lassen. Andererseits kann der Umstand, dass eine Vertrauensseligkeit des Opfers die Tat erleichtert hat, Anlass dafür sein, die Tat milder zu beurteilen, namentlich, wenn den Täter eine günstige Gelegenheit, die nicht auf ihn zurückgeht, zur Tat verleitet hat.
Nahe Beziehungen zum Opfer sind für den Täter daher nicht stets belastend, sondern können sich ebenso strafmildernd auswirken. In jedem Fall ist es … notwendig, nicht nur Feststellungen zu der jeweiligen Beziehung zu treffen, sondern insbesondere auch dazu, dass diese konkrete Beziehung von dem Angeklagten bei der Tatbegehung ausgenutzt wurde.
Genau zu diesen Punkten sagt das Urteil aber kein Wort. Das wäre sozusagen schon ein Selbstläufer für die Revision gewesen. Allerdings sind die Anmerkungen des Gerichts wohl eher als eine Leitlinie für die Neuverhandlung gedacht. Aufgehoben wurde das Urteil schon aus anderen, ebenfalls reichlich bizarren Gründen. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal.