Wenn in den letzten Jahren Menschen in sehr fortgeschrittenem Alter öffentlichkeitswirksam angeklagt wurden, ging es meist darum, dass ihnen Taten im Rahmen des Holocaust vorgeworfen wurden. Momentan steht aber ein 92-Jähriger vor Gericht, weil er seine demente Ehefrau umgebracht haben soll.
Laut Spiegel hat der Angeklagte die Tötung zugegeben. Als Grund gab er über seinen Verteidiger an, er habe seine Ehefrau jahrelang gepflegt, es aber nicht mehr geschafft. Eine Heimunterbringung habe im Raum gestanden.
Der Angeklagte sagte, die Eheleute hätten beide in der Vergangenheit vereinbart, dass sie gemeinsam sterben wollten. Sie seien 70 Jahre glücklich verheiratet gewesen. Nach der Tat wollte der Angeklagte auch sich selbst töten; dies scheiterte jedoch.
Die Staatsanwaltschaft geht von einer verminderten Schuldfähigkeit wegen einer Depression aus. Verantworten muss sich der Angeklagte deshalb (nur) wegen Totschlags. Hintergrund dürfte sein, dass eine heimtückische Tötung nach ständiger Rechtsprechung auch in feindlicher Willensrichtung geschehen muss. Dieses Merkmal kann bei sogenannten Mitnahme-Suiziden der Tötungen aus Mitleid auch verneint werden, je nach konkreter Situation.
Eine Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB kommt wahrscheinlich nicht in Betracht, weil die Ehefrau sich nicht dahingehend geäußert hat und dies vermutlich auch nicht mehr konnte.
Autor: RA Dr. André Bohn