Manchmal erschreckt der Blick in den Terminkalender. Wie soll ich das alles schaffen? Oder sagen wir, das war einmal. Nach nun fast drei Jahrzehnten als Strafverteidiger kann ich es mit Fug und Recht so machen, wie es beispielsweise Airlines mit Überbuchungen halten. So wie (fast) niemals alle Passagiere erscheinen, so sicher fällt auch ein Drittel bis zur Hälfte der angesetzten Termine ohnehin kurzfristig aus.
Das liegt nicht nur an der Pandemie, auch wenn das Phänomen ein Turbo für die Aufhebungsquote war. Hier ein kleines Beispiel für einen typischen Ablauf. In einem Verfahren gegen zwei angebliche Schläger verteidige ich einen der Angeklagten. Fünf Tage vor dem Verhandlungstermin erfuhr ich über einen Verbindungsbeschluss, dass dem Verfahren andere Vorwürfe angehängt werden. Und zwar zwei Anklagen, die wohl auch noch gegen den anderen Angeklagten liefen. Diese sollen offenbar nun der Einfachheit halber mit erledigt werden.
Nun ja, wenn Verfahren verbunden werden, dann kann ich als Verteidiger nicht sagen: Gericht und Staatsanwaltschaft versichern dir, dass die neuen Vorwürfe gar nicht deinen Mandanten betreffen. Das muss ich schon selbst überprüfen – dafür gibt es ein Akteneinsichtsrecht. Außerdem soll ich ja die ganze Zeit dabei sitzen, wenn die anderen Sachen nun in unserem Verfahren verhandelt werden. Da würde ich schon gerne wissen, um was es geht. Ich verband meinen Verlegungsantrag natürlich mit einem Akteneinsichtsgesuch. Der Termin wurde wenig überraschend aufgehoben.
Eine knappe Woche vor dem Termin habe ich jetzt die Akte noch mal durchgesehen. Und stellte fest, dass ich immer noch keine Akteneinsicht erhalten habe. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als das Versäumnis erneut zu rügen. Mit der Folge, dass mit einiger Sicherheit nicht verhandelt werden kann. Diesen Termin kann ich also schon mal in Gedanken abhaken. Die betreffende Woche sieht da schon deutlich weniger abschreckend aus, und morgen ist ja auch noch ein Tag…