Verfassungsgericht stoppt „Abschiebung“ eines 9-Jährigen

Eine Mutter hat im Streit mit dem Vater ihres Kindes, mit dem sie noch nicht mal verheiratet ist, im deutschen Familienrecht gute Karten – so die sicher landläufige Meinung. Von daher würde man es doch als eher unwahrscheinlich einschätzen, dass ein deutsches Gericht die Überstellung eines neunjährigen Jungen zu seinem Vater nach Spanien anordnet, zumal das Kind seinen Vater kaum kennt und kein Wort Spanisch spricht.

Doch genau das ist passiert. Beziehungsweise wäre fast passiert, hätte das Bundesverfassungsgericht nicht die Notbremse gezogen. Per einstweiliger Anordnung untersagen die Richter, dass der Junge zwangsweise nach Spanien zu seinem Vater gebracht wird. Die zuständigen Familiengerichte, die das eigentlich zulassen wollten, stehen dabei belämmert da. Laut dem Verfassungsgericht haben sie das geltende Recht möglicherweise noch nicht mal richtig verstanden.

Zur Vorgeschichte: Der Junge wurde 2013 in Madrid geboren. Die Eltern waren nicht verheiratet. Die Frau trennte sich und zog mit dem Kind nach Deutschland. Seit Jahren klagt der Vater in Spanien, um seinen Sohn nach Madrid zu holen. Letztlich bekam er vor einem Madrider Gericht recht, die Entscheidung sollte dann in Deutschland vollstreckt werden. Das Bamberger Familiengericht, aber auch das übergeordnete Oberlandesgericht winkten das spanische Verdikt durch mit der Begründung, die deutsche Justiz dürfe das Urteil nur formal prüfen, nicht jedoch seine sachliche Berechtigung.

Das Bundesverfassungsgericht hält das jedenfalls nicht für zwingend. Tatsächlich legen die Richter im Detail dar, dass sich die zuständigen Instanzen möglicherweise im europäischen Paragrafendschungel nicht sonderlich gut auskennen und deshalb irrtümlich meinten, sie müssten die Auffassung ihrer spanischen Kollegen kritiklos teilen. Wen die komplexen Einzelfragen interessieren, mag bitte einen Blick in die heute veröffentlichte Entscheidung werfen.

Abseits formaljuristischer Fragen weisen die Verfassungsrichter auch darauf hin, dass der Junge wohl niemals von der spanischen Justiz angehört worden ist. Zu Recht stellt sich also die Frage, wie man die Belastung des Kindes im Falle seiner Überstellung nach Spanien bewerten kann. Nach deutschem Recht ist es jedenfalls nicht denkbar, dass so eine Frage des Kindeswohls entschieden wird, ohne dass mit dem Kind gesprochen wird.

Es handelt sich um eine einstweilige Regelung. Die Mutter kann nun Verfassungsbeschwerde erheben. Bis diese entschieden ist, kann sie ihren Sohn in Deutschland behalten.