Risikoloser klebt es sich womöglich im Museum

In Berlin läuft gerade eine regelrechte Prozesswelle an. Es handelt sich um Verfahren gegen Klimaaktivisten der „Letzten Generation“. Diese kleben sich auf Straßen, zuletzt auch an die Rahmen von Gemälden in Museen. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den 20-Jährigen Angeklagten im ersten Verfahren nach Jugendstrafrecht zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

Der Strafrichter am Amtsgericht Tiergarten sah in dem Festkleben auf der A 100 eine strafbare Nötigung. Das ist korrekt, denn wer Verkehrsteilnehmer durch Blockaden zu einer Art Werkzeug für sein politisches Anliegen macht, begeht eine Nötigung. So sieht es auch das Bundesverfassungsgericht.

Möglicherweise ist es aus Sicht der Aktivisten deshalb eine naheliegende Idee, lieber ins Museum zu gehen und sich dort an Kunstwerke zu kleben. Dann reden wir über Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Es kommt auf den Kleber an und auf die Frage, ob dieser zu bleibenden Schäden führt. Sonst wohl eher keine Sachbeschädigung. Überdies wird es mit dem Hausfriedensbruch vielleicht sogar juristisch schwierig. Denn dieser setzt in einem öffentlich zugänglichen Gebäude einen förmlichen Rausschmiss voraus. Dem kann der Aktivist aber faktisch nicht nachkommen, er klebt ja fest. Wir werden sehen…

Was mich aber eigentlich zu diesem Beitrag bewegt hat, ist die Stellungnahme von Letzte Generation zu dem Urteil. Es sei ein „fataler Fehler“, dass der Richter zwar Verständnis für das Anliegen gezeigt habe, aber trotzdem zu einer Verurteilung gekommen sei. Nein, es wäre ein Fehler, wenn der Richter der Letzten Generation Notstands- oder Notwehrrechte zubilligen würde. Diese sind schon deshalb nicht gegeben, weil symbolische Aktionen weder der Gesellschaft noch Einzelnen in irgendeiner Form direkt helfen.

Die Letzte Generation will ihren „friedlichen Widerstand“ fortsetzen. Das klingt zwar gut, aber Straftaten sind jetzt nicht im engeren Sinne friedlich. Andererseits sagen die Aktivisten selbst, sie seien dazu bereit, die rechtlichen Konsequenzen für ihr Handeln zu tragen. Das ist echt gesunder Realismus, das darf man anerkennen.

Bericht im Berliner Tagesspiegel