#Befreiung #Niederlage

Zeigt mir bitte Geschichtsbücher aus Frankreich, England, den USA, Russland oder Polen, in denen die bedingungslose Kapitulation des zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr vorhandenen 3. Reiches in erster Linie als „Befreiung“ beschrieben wird, verbunden mit dem mahnenden Hinweis, dass man von einer Niederlage der Deutschen oder einem Sieg über sie aber bitte nicht sprechen darf.

Wir haben den Krieg verloren, und so sehen es die Sieger völlig zu Recht. Der Rest der Welt übrigens auch. Es war und bleibt eine Niederlage im größtmöglichen Umfang. Was ganz einfach daran liegt, dass eure und meine Großeltern und Urgroßeltern sich eingefügt und nicht in nennenswerter Zahl gegen das System aufbegehrt haben. Bis zum Schluss.

Vorrangiges Motiv der Siegermächte war zu keinem Zeitpunkt, uns die Freiheit zu bringen. Ihnen ging es (notgedrungen) darum, den Kriegsgegner Deutsches Reich unschädlich zu machen, der Europa und halb Afrika mit beispielsloser Aggressivität und Menschenverachtung okkuppiert hatte – und der offen nach dem Rest der Welt gierte.

Dieser Gegenwehr hatte Nazideutschland letztlich nichts entgegenzusetzen. Auch deshalb ist der Kern des damaligen Geschehens die Niederlage. Dieser Niederlage wohnte auch ein Element der Befreiung inne. Aber eine „Befreiung“ bezieht sich von ihrer Wirkung her auf die Wochen, Monate und Jahre nach der Niederlage. Bis zur Gründung der Bundesrepublik sind nach dem letzten Schuss noch Jahre vergangen. Dies war die eigentliche Zeit der Befreiung. Es gab die Entnazifizierung. Und es war längst nicht ausgemacht, dass man uns wieder mit offenen Armen integrieren würde (Stichwort: Morgenthau-Plan). Letztlich waren die Vorboten des Kalten Krieges unser Glücksfall. Wir wurden wieder gebraucht, und – vor allem – deshalb hat man uns gut behandelt. Wofür ich persönlich auch dankbar bin.

Wer nun verlangt, man solle von Befreiung sprechen und nichts anderem, hilft den falschen. Nämlich den Feiglingen. Wer von den Siegermächten „befreit“ werden musste, war nach diesem Denkmuster selbst irgendwie Opfer des Systems. Nicht Täter. Nicht Mitläufer. Das Beharren auf „Wir sind befreit worden“ ist im Prinzip nichts anderes als eine nachträgliche Reinwaschung von der ethischen Verantwortung, die jedes Mitglied einer Gesellschaft trägt. Dieser sind die weitaus meisten Deutschen in den Jahren 1933 bis 1945 offenkundig nicht gerecht geworden.

Wobei man sich an diesem Punkt auch immer die Frage stellen muss: Was wäre zum Beispiel meine Rolle als Jurist damals gewesen mit, sagen wir, Geburtsjahrgang 1905? Eine ehrliche Antwort fällt für mich eher beschämend aus. Schön, wenn es bei euch anders ist.

Ich habe das starke Gefühl, dass genau jene, die nun das Narrativ von der Befreiung spinnen, sich genau so eine schmerzhafte Frage noch nie gestellt haben. Nur deshalb fällt es ihnen so leicht, den Deutschen im 3. Reich zu gestatten, sich als „Befreite“ zu fühlen und damit notwendigerweise auch als „Opfer“.

Natürlich könnt ihr es halten, wie ihr wollt. Ich habe kein Problem damit, wenn ihr sagt, wir wir wurden befreit.

Ich habe aus den vorstehenden Gründen aber ein Problem damit, wenn mir verboten wird zu sagen, wir haben verloren.