Suizidrisiko verhindert Abschiebung

Mit einem heute veröffentlichten Beschluss verhindert das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung eines türkischen Straftäters in seine Heimat. Das Oberlandesgericht Braunscheig hatte die Auslieferung mehrfach gebilligt – trotz möglicher Suizidabsichten des Betroffenen. Zur Begründung wiesen die Braunschweiger Richter darauf, dass im zuständigen türkischen Gefängnis ein Psychologe bereit stehe. Außerdem gebe es dort ein Programm zur Suizid- und Selbstverletzungsprävention. Doch das reicht den Verfassungsrichtern nicht, sie verlangen zumindest ein Sachverständigengutachten.

Der Fall ist auch deshalb interessant, weil der Mann sowohl in der Türkei als auch in Deutschland mit der Strafjustiz in Konflikt geraten ist. In Deutschland saß er im Maßregelvollzug, in der Türkei wurde er wegen Diebstahls und „Qualifizierten Diebstahls“ zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nachdem er in Deutschland entlassen wurde, verlangten die türkischen Behörden seine Auslieferung, damit er die dortige Strafe antritt. Noch während seines Aufenthalts im deutschen Vollzug unternahm der Mann einen Selbstmordversuch. In der später angeordneten Abschiebehaft bescheinigten ihm mehrere Ärzte und auch das Abschiebegefängnis, dass er nicht in die Türkei abgeschoben werden sollte.

Zur Begründung hieß es etwa, der Betroffene bedürfe täglicher medizinischer Behandlung. Diese Behandlung sei in der Türkei nicht durchführbar. Ein anderer Arzt bezweifelte die Reisetauglichkeit des Mannes. Dem widersprach das Oberlandesgericht Braunschweig aber ausdrücklich mit dem Hinweis auf die psychologische Betreuung im türkischen Gefängnis und ordnete die Abschiebung an. Damit stoßen die Richter beim Verfassungsgericht auf Widerstand. Für die Karlsruher Richter ist es schon zweifelhaft, „ob ein einziger Psychologe, der für sämtliche Häftlinge in der Anstalt verantwortlich ist, allein die zeitlichen Kapazitäten“ für die Betreuung des Betroffenen hat. Außerdem werde nicht berücksichtig, dass auch auf dem Transport was passieren könne. Auch hier müssen, so das Verfassungsgericht, Selbstmordversuche wirksam verhindert werden.

Im Ergebnis sollen also jetzt Sachverständige klären, ob ein türkischer Staatsbürger, der in der Türkei Straftaten begangen hat, in der Türkei seine Haftstrafe zumindet bis zu seiner Genesung nicht absitzen muss, weil er sich, wie es in einer der Stellungnahmen heißt, bislang „nicht ausreichend von seiner Suizidalität distanziert“ hat. Wir werden sicher bald wieder von dem Fall hören (Aktenzeichen 2 BvR 1694/23).