Hollands Justiz will zur Kasse bitten

Die niederländische Staatsanwaltschaft ist in finanzieller Not und deswegen auf Geld aus. Das berichtet das „NRC Handelsbald“ unter Berufung auf Justizkreise der Niederlande. Demnach gibt es eine Millionenlücke, die mit mehr und höheren Geldbußen gefüllt werden soll. Es dürfte deshalb auch deutsche Autofahrer treffen, die in den Niederlanden unterwegs sind.

Dem Bericht zufolge werden Bußen in Verkehrssachen um fünfzehn Prozent angehoben. Andererseits gibt es aufgrund von Einsparungen und Personalknappheit bei der Staatsanwaltschaft erhebliche Verzögerungen beim Bearbeiten von Strafsachen: „“Von vielen Sachen hört man nie wieder etwas. Die wandern einfach ins Regal“, wird der Rotterdamer Rechtsanwalt Frank van Ardenne zitiert.

Diese Entwicklung wird von nordrhein-westfälischen Staatsanwälten bestätigt, die mit Rechtshilfeersuchen beschäftigt sind. (pbd)

Alltag

Polizei-Prosa ist auch ein Spiegel des Alltags in Deutschland. Ich zitiere aus einer Strafanzeige:

Der BES 02 gab an, dass er mit dem Zeugen K. und dem BES 01 in der Wohnung des BES 01 verweilte und im Laufe des Tages Alkohol konsumiert wurde. Irgendwann haben sich durch verschiedene Wortwechsel der Parteien Spannungen aufgebaut, so dass sich zunächst lautstark verbal gestritten wurde.

Im Laufe des Streits sei der BES 01 ausgerastet und habe dem Zeugen K. mehrfach ins Gesicht und Nacken geschlagen. Der BES 02 teilte mit, dass der BES 01 dann auch ihn geschlagen haben. Da der BES 02 sich nicht weiter zu helfen wusste und sich zur Wehr setzen wollte, nahm er die Bierflasche und schlug mit dieser gegen den Kopf des BES 01. …

Der achtjährige Sohn des BES 01 wurde wegen der starken Alkoholisierung aller Beteiligten zunächst nicht in der Obhut des BES 01 belassen, sondern zu dessen Großvater verbracht.

So oder ähnlich schon tausendmal gelesen.

Begrenzte Freude

Ein neuer Mandant erzählt mir, was ihm auf der Polizeiwache widerfahren ist. Er soll sich zu einem Vorwurf äußern, will das aber nicht ohne Anwalt. Der Polizeibeamte schlägt ihm vor, gleich mit ihm zu einem Anwalt zu fahren und die Vernehmung dort fortzusetzen. Er kenne auch einen Anwalt. Der sitze nur ein paar Straßen weiter.

Wenige Minuten später ist mein Mandant im Streifenwagen, der Polizist kutschiert ihn zu einer Anwaltskanzlei. Während der Fahrt denkt der Beschuldigte allerdings noch mal nach. Er erinnert sich mal gehört zu haben, dass man ohne vorherige Akteneinsicht normalerweise besser schweigt. Ob der Anwalt denn nachher auch Akteneinsicht kriege, will er von dem Polizeibeamten wissen. Nein, lautet die Antwort, Akteneinsicht bekomme der Verteidiger später von der Staatsanwaltschaft. Heute gehe es nur darum, dass mein Mandant sich zur Sache äußert.

Daraufhin sagt der Mandant, dass er sich lieber selbst einen Verteidiger sucht. Das findet der Polizeibeamte weniger lustig, akzeptiert es aber letztlich.

Nichts gegen freundlichen Service. Aber wenn die Polizei mal anfangen sollte, mir Beschuldigte frei Haus zu liefern, würde ich mich darüber ebenso freuen wie über Pflichtverteidigermandate, die mir von Richtern vermittelt werden. Nämlich gar nicht.

Über eine Umschulung würde ich schon eher nachdenken.

Nicht gefragt

Ermittlungsfehler passieren. Schön, wenn man sie so deutlich darlegen kann wie in dieser Verteidigungsschrift:

Sehr geehrte Frau Staatsanwältin,

die Frage, ob mein Mandant das Passwort für die verschlüsselte Hardware herausgeben möchte, braucht nicht beantwortet zu werden.

Seit der Hausdurchsuchung ist über ein Jahr vergangen. Mein Mandant wurde erstmals nach dem Passwort gefragt, als er vor gut zwei Wochen die freigegebene Hardware abholen durfte. Vorher hat sich niemand bei ihm erkundigt, ob er das Passwort herausgeben möchte und wie es lautet.

Nun hat mein Mandant das Passwort vergessen. Das ist auch ganz natürlich, denn es hatte über 50 Stellen.

Aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis ergibt sich kein hinreichender Tatverdacht gegen meinen Mandanten. Ich beantrage deshalb, das Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts einzustellen.

„Das überwachte Netz“ in Freiburg

Mit meinem kleinen Vortrag „Das überwachte Netz – Strafverfolgung im Internet“ bin ich am Freitag, 1. Oktober, in Freiburg zu Gast. Im Rahmen des Sommercampus referiere ich in der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Außerdem sagt der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Stefan Ernst etwas zum Thema „IT und Recht – Zwei Welten, zur Zusammenarbeit verdammt?“

Veranstalter des Sommmercampus sind der Lehrstuhl für Kommunikationssysteme und das Centre für Security and Society.

Der Eintritt ist kostenlos, eine Anmeldung nicht erforderlich. Der Sommercampus beginnt um 19 Uhr an der Georges-Köhler-Allee 101, Raum 016.

Willkommen auf der „Liste“

Wie wird man zu einem „Zeugen“ im Fall des vermissten Mirco? Man muss nur in Grefrath und Umgebung mit dem Auto unterwegs sein. Samt und sonders alle an „tatrelevanten Orten“ vorbeikommenden Wagen seien am Freitag von Radarwagen geblitzt worden, berichtet die Polizei.

Die Aktion habe vier Stunden gedauert. Etliche Autofahrer hätten angehalten und die Polizisten angesprochen, weil sie sich keiner Geschwindigkeitsübertretung bewusst gewesen sein. „Alle zeigten sich nach einer kurzen Aufklärung sehr verständnisvoll und zeigten sich erstaunt über den enormen Ermittlungsaufwand der Polizei“, heißt es im Polizeibericht.

Erstaunt wäre ich auch gewesen. Mein Verständnis hätte sich allerdings in Grenzen gehalten.

Die Polizei hofft offensichtlich, dass der Entführer des Jungen öfter die fraglichen Orte abfährt oder halt in der Gegend wohnt. „Mit viel Glück und Zufall ist vielleicht auch der Täter geblitzt worden“, wird ein Polizeibeamter zitiert. Was ja wohl nichts anderes heißt, als dass nun alle festgehaltenen Kfz-Kennzeichen und Insassenfotos durch die Datenbanken gejagt werden in der Hofnung, bei einem der Noch-„Zeugen“ könnten sich Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen ergeben.

Es gibt eine Rechtsgrundlage für die Fotos der Polizei. § 100h Strafprozessordnung erlaubt Bildaufnahmen außerhalb der Wohnung. Aber grundsätzlich nur vom Beschuldigten. Andere Personen, also die beliebig vorbeikommenden Autofahrer, dürfen nur fotografiert werden, „wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger vielversprechend oder wesentlich erschwert wäre“.

Die gesetzlichen Voraussetzungen können durchaus erfüllt sein. Wenn die Polizei nämlich schlichtweg keine anderen Ermittlungsansätze mehr hat. Dafür spricht, dass zeitgleich mit der Fotoaktion Listen in Grefrather Kneipen ausgelegt wurden. In diese Listen sollen sich freiwillig Gäste eintragen, die regelmäßig freitags dort sind oder am 3. September 2010, dem möglichen Tattag, dort waren. Das klingt, so traurig es ist, als würde die Polizei momentan nach dem letzten Strohhalm greifen.

Letztlich stellt sich bei der Blitzaktion die Frage nach der Verhältnimäßigkeit. Ist sie geeignet? Mit dem gleichen gedanklichen Ansatz könnte man auch alle Wohnungen in Grefrath durchsuchen, geht die Polizei doch erklärtermaßen davon aus, dass der Täter aus der Gegend kommt. Aber mit kriminalistischer Erfahrung lässt sich ja alles rechtfertigen. Und sei sie noch so plump wie die gern kolportierte Erkenntnis, Straftäter ziehe es immer wieder an ihre Tatorte zurück.

Juristen fragen aber auch nach der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn. Hierbei ist sicher zu berücksichtigen, dass die Maßnahme bei allen jetzt (und vielleicht künftig) fotografierten Autofahrern Ängste auslösen wird. Was passiert mit den Fotos und den abgeglichenen Daten? Welche Umstände reichen aus, um als „Zeuge“ vorgeladen zu werden? Und welche, um eine unangemeldete Hausdurchsuchung zu bekommen? Oder gleich effektvoll am Arbeitsplatz verhaftet zu werden?

Wer als rechtschaffener Bürger die Pressemeldung liest und zur fraglichen Zeit in Grefrath war, muss jedenfalls ein ganz dickes Fell haben, wenn ihn der Gedanke nicht erschaudern lässt, dass er jetzt als potenzieller Täter in Betracht kommt („Mit viel Glück und Zufall ist vielleicht auch der Täter geblitzt worden“). Und dass er jetzt zumindest per EDV gründlich abgeklopft wird.

Die Polizei macht Grefrath damit auch für die nächste Zeit zu einer No-go-Area. Wer möchte sich in diese Stadt begeben, wenn er schlicht und einfach aufgrund dieses Umstandes fotografiert, datenmäßig durchleuchtet und danach mit Namen und Adresse sowie einem passenden Scorewert auf der „Liste“ mit interessanten Namen zu einem möglichen Schwerverbrechens landet? Absichtliches oder versehentliches Upgrade zum Verdächtigen sowie dauerhafte Speicherung in der Fallakte selbstverständlich eingeschlossen.

Es wird interessant sein zu erfahren, zu welchen Maßnahmen die kreativen Ermittler in Grefrath noch gegriffen haben oder es tun. Stichworte: Mobilfunk, Internetnutzung.

Noch interessanter wird sein, wie sie es mit ihren Informationspflichten nach Abschluss der Ermittlungen halten. Die Überwachten und Erfassten müssen nämlich grundsätzlich benachrichtigt werden, damit sie von den Maßnahmen überhaupt erfahren und, sofern sie es möchten, dagegen klagen können.

Loveparade: CDU glaubt nicht an Unschuld der Polizei

Die Polizei hatte ganz klar eine Zuständigkeit bei der Love Parade. Das behauptete gestern Peter Biesenbach, der Rechtsexperte der CDU-Landfraktion unter Berufung auf das Polizeigesetz. Er stellte sich damit gegen die Darstellung des Innenministers Ralf Jäger (SPD), nur der Veranstalter sei verantwortlich gewesen.

Damit verbreite Jäger nur eine „Vernebelungsgeschichte“. Die Frage sei doch, ob die „unkoordinierten“ Absperrungen der Polizei nicht ursächlich mit den Todesfällen in Zusammenhang stehen, sagte Biesenbach. „Viele Besucher konnten sich 30 Minuten lang nicht bewegen, erst nach Auflösung der Sperren begann die Flucht – hat die Polizei diese Gefahrensituation erst geschaffen?“

Dennoch sieht die CDU-Fraktion momentan keine Möglichkeit, mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Katastrophe mit 21 Toten aufzuklären. „Unsere Fragen gingen hauptsächlich an Polizeibeamte; die aber dürfen sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Duisburg auf ihr Aussageverweigerungsrecht berufen“, erklärte Biesenbach.

Das Ziel der CDU sei nach wie vor die Aufklärung der Katastrophe. Ein Untersuchungsausschuss sei aber „derzeit nicht tauglich“. Denn das Innenministerium habe der Fraktion zwar Unterlagen überlassen, die aber alle „vertraulich“ gestempelt. In der kommenden Woche berät der Landtag über einen Antrag der Linken zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. (pbd)

A Global Price Index for Marihuana

„Price of Weed“ ist eine Mitmachseite mit origineller Idee. Nutzer aus aller Welt können dort mit Geotags eintragen, was sie für ihren Rauchbedarf zahlen. Alles natürlich anonym – versprechen die Seitenbetreiber. Ziel ist ein globaler Preisindex für krümelartige Substanzen.

Bislang gibt es leider fast nur Einträge aus den USA. Aber die sehen schon mal sehr informativ aus.

Nachtrag: Ein alternatives, schon besser ausgebautes Portal gibt es auch.

Quelle des Links

A 380 – Premiere (für mich)

Wem am 2. oder 3. Oktober langweilig ist, sollte sich ein Angebot der Lufthansa ansehen: Morgens mit dem A 380 von Frankfrurt nach Mallorca, am frühen Abend zurück. Das alles für 99,00 Euro pro Person.

Habe mir gerade zwei Tickets für den 3. Oktober gesichert (Economy).

Zur Buchung

Kein Seriös

Unsere Mandantin, ein nicht ganz kleines Unternehmen, hat einen Nebenstandort in ein besseres Objekt verlagert. In die alte Halle ist dem Vernehmen nach eine Firma eingezogen, die sich vorwiegend mit „Import/Export“ beschäftigt.

Daraus ergibt sich nun ein kleines Problem, das wir erst mal dem Vermieter nähergebracht haben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

unsere Mandantin, die Seriös GmbH*, hat festgestellt, dass Sie bzw. der neue Mieter am Objekt folgendes Schild angebracht haben:

– KEIN SERIÖS GMBH –

Ein eigenes Firmenschild des neuen Mieters ist nicht vorhanden. So eine Kennzeichnung verletzt die Namensrechte unserer Mandantin. Sie ist überdies missverständlich und irreführend. Es stünde der neu eingezogenen Firma frei, ihr eigenes Namensschild anzubringen. Dann wäre ohnehin klar, dass die Seriös GmbH nicht in dem Objekt ist.

Unsere Mandantin wird es nicht hinnehmen, dass ihr Name von Dritten verwendet wird. Wir bitten Sie darauf hinzuwirken, dass das Schild bis Dienstag, 28. September 2010, entfernt wird.

Sollten das Schild alleine vom Mieter angebracht worden sein, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Aufforderung weiterleiten bzw. uns die Kontaktdaten des Mieters übermitteln. Wir werden uns dann mit dem Mieter auseinandersetzen. Am Objekt selbst oder online lässt sich leider nicht ermitteln, wie die Firma heißt. Wir gehen aber nicht davon aus, dass sie unter Kein Seriös GmbH firmiert.

Mit freundlichen Grüßen

*Name geändert

Fünfhundert Euro

Erst mal ’ne Strafanzeige raushauen: Nach diesem Prinzip geht die Düsseldorfer Rheinbahn auch bei Schwarzfahrern vor, die an sich gar keine sind. Das Nahverkehrsunternehmen zeigt nämlich auch Fahrgäste wegen Beförderungserschleichung an, die ihr Ticket 1000 vergessen haben und es nicht nachträglich in einem Kundencenter vorzeigen.

Das Ticket 1000 ist nicht übertragbar. Das bedeutet, der Inhaber so einer Fahrkarte kann in ihrem Geltungsbereich gar nicht schwarzfahren – sofern er sich beim Kontrolleur ausweist. Denn dann stehen seine Personalien fest. Durch einen Abgleich mit der Kundenkartei könnte überprüft werden, ob die betreffende Person ein gültiges Ticket 1000 hat.

Das geschieht aus mir unbekannten Gründen aber nicht. So traf es neulich auch mal wieder eine meiner Mandantinnen (früherer bericht im law blog). Die Staatsanwaltschaft glaubte natürlich den Angaben der Rheinbahn und erhob Anklage. Gegenüber dem Gericht habe ich folgendes ausgeführt:

Möglicherweise hatte Frau B. ihr Ticket 1000 nicht dabei. Dies führt jedoch nicht dazu, dass Frau B. schwarzgefahren ist. Das Ticket 1000 ist nämlich personengebunden. Somit besaß Frau B. einen gültigen Fahrschein, auch wenn sie diesen möglicherweise nicht bei sich führte.

Die Rheinbahn AG ermöglicht es Kunden auch, das Ticket 1000 nachträglich vorzuzeigen. Dann wird das erhöhte Beförderungsentgelt erlassen. Selbst wenn Frau B. das Ticket 1000 nicht nachträglich vorgezeigt haben sollte, ändert dies nichts daran, dass sie über einen gültigen Fahrschein verfügte. Da Frau B. ein gültiges Ticket 1000 besaß, hatte sie auch zu keinem Zeitpunkt die Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten. Das Entgelt hatte sie nämlich bereits bezahlt.

Dass Frau B. ihr Ticket 1000 nicht nachträglich vorgezeigt hat, besitzt keine strafrechtliche Relevanz. § 265a StGB stellt das Vergessen eines gültigen Fahrscheins nicht unter Strafe.

Das Gericht stellte das Verfahren ein und entschied, die Staatskasse habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Einschließlich der „notwendigen Auslagen“ von Frau B. So hat die Akte jetzt nicht nur den Justizapparat beschäftigt und Kosten verursacht. Das Land darf auch meine Anwaltsgebühren übernehmen.

Aber was sind schon fünfhundert Euro.