Internetschulung hinterlässt ratlose Polizisten
58 Millionen Euro für die Kaviarzucht – Firmenchef in U-Haft
Wenn totgeglaubte Daten wieder lebendig werden
Aktion Ausländer-Rück-Führung
Aktionswochen 3. Juni – 17. Juni 2002
Für ein lebenswertes deutsches Augsburg
Augsburger Bündnis – Nationale Opposition
Mit diesem Plakat hatte ein Augsburger Verein geworben. Die Verantwortlichen wurden durch alle Instanzen wegen Volksverhetzung verurteilt. Zu Unrecht, wie das Bundesverfassungsgericht nun festgestellt hat. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sei unzureichend berücksichtigt worden.
Der Beschluss liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Volksverhetzung nicht leichtfertig bejaht werden darf. Das Gericht zeigt nochmals die strengen Voraussetzungen auf:
Soweit angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts die Menschenwürde beeinträchtigt, ist eine besonders sorgfältige Begründung erforderlich. Ein Angriff auf die Menschenwürde ist nur gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird.
Die Strafrichter hätten der Aussage auf dem Plakat einen Sinngehalt gegeben, den das Plakat aus sich allein heraus nicht hat. In dem Plakat werde nicht die Minderwertigkeit von Ausländern ausgesprochen wie zum Beispiel durch die pauschale Zuschreibung sozial unerträglicher Verhaltensweisen oder Eigenschaften.
Eine solche Zuschreibung ergebe sich auch nicht aus der Bezeichnung „Ausländer“ in dem Wort „Ausländer-Rück-Führung“, das dem Begriffspaar „deutsches Augsburg“ und „lebenswert“ gegenübergestellt werde. Die Worte „Aktion Ausländerrückführung“ sagten dies ebenfalls nicht aus. Zwar mache das Plakat unmissverständlich deutlich, dass die Initiative der Beschwerdeführer Ausländer „rückführen“ will. Der Umfang und die Mittel,
ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werden jedoch nicht benannt.
Dem Plakat sei daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden. Um zu einer diesbezüglichen Deutung des Plakates zu gelangen, hätten die Richter konkrete Begleitumstände benennen müssen, die dieses als unter den
Umständen einzig vernünftige Deutung hinreichend begründen. Das sei nicht geschehen.
Aus der Pauschalität einer verbalen Attacke dürfe auch nicht nicht ohne weiteres auf ein Verächtlichmachen geschlossen werden, das den Betroffenen ihre Anerkennung als Person abspricht.
Da fällt mir ein, ich muss bei Gelegenheit die Akten „Tor-Server-Betreiber ./. Bundesnetzagentur“ durchsehen, abrechnen und ablegen. Die Behörde hatte am Anfang noch mächtig Druck bei allen Tor-Server-Betreibern gemacht, derer sie habhaft werden konnte.
Da wurden schnell Bußgelder angedroht, sofern die Betreiber nicht innerhalb recht kurz bemessener Fristen Vorratsdaten erheben. Nach und nach schlief die Korrespondenz aber ein. Offenbar hatte sich in der Bundesnetzagentur jemand dafür entschieden, doch erst mal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.
So kam es gar nicht zu den angedrohten Bescheiden. Hätte die Bundesnetzagentur ihre Drohungen wahrgemacht, gäbe es jetzt wohl schon etliche Klageverfahren, die wegen der festgestellten Nichtigkeit der Normen nun alle für die Behörde verloren gingen.
Da hat ein kluger Kopf in der Bundesnetzagentur ordentlich Geld gespart. Und, was vielleicht noch wichtiger ist, gehörige juristische Schlappen und negative Publicity vermieden.
Im sogenannten Sauerland-Verfahren ist heute das Urteil gesprochen worden. Die Presse berichtet groß darüber. Beim Staatsschutz-Senat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts ist es in größeren Verfahren üblich, dass der Vorsitzende ein „Vorwort“ spricht. Dieses Vorwort möchte ich nachfolgend dokumentieren. Es handelt sich um das Manuskript, Abweichungen zum gesprochenen Wort sind deshalb möglich:
Mündliche Urteilsbegründung
Vorwort
Mit dem heutigen Urteil geht am nunmehr 65. Hauptverhandlungstag und nach einer Verhandlungsdauer von etwa zehn Monaten ein Verfahren zu Ende, dem ein Tatgeschehen zugrunde liegt, das seit der Festnahme der drei Angeklagten Fritz Martin Gelowicz, Adem Yilmaz und Daniel Martin Schneider am 4. September 2007 wie kein anderes Verfahren in den letzten Jahren zuvor im Blickpunkt der Medien und der Öffentlichkeit stand. Schon die ersten Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden ließen erkennen, dass der möglicherweise größte Anschlag von islamistischen Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland noch rechtzeitig verhindert werden konnte. Entsprechend groß war auch die Zahl der eingesetzten Kräfte bei der Observation und den sonstigen Ermittlungsmaßnahmen. Nahezu das gesamte gesetzlich vorgesehene Repertoire an Überwachungsmaßnahmen bis hin zur Wohnraumüberwachung kam zum Einsatz. Nach den ersten Erkenntnissen insbesondere aufgrund der Überwachung der in verschiedenen Fahrzeugen geführten Gespräche zwischen den Angeklagten Gelowicz, Yilmaz und Schneider sowie der Größenordnung des von Gelowicz gekauften Wasserstoffperoxids war die Sorge der Ermittlungsbehörden hinsichtlich eines außergewöhnlich gefährlichen und großen Anschlagsvorhabens mehr als berechtigt. Und in der Tat geisterte nicht nur in den Köpfen der Angeklagten, sondern auch in ihren Gesprächen untereinander die Vorstellung von einem Anschlag bzw. Anschlägen in der Größenordnung oder doch der Bedeutung eines “zweiten 11. September” herum.
Hätten die Angeklagten all das verwirklicht, was sie im Auftrag der in Waziristan, also im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, ansässigen Islamischen Jihad Union (IJU) planten, einer ursprünglich usbekischen Terrorgruppe, so hätte es ein ungeheures Blutbad gegeben mit einer unübersehbaren Vielzahl von Toten und Verletzten vornehmlich unter US-amerikanischen Armeeangehörigen; aber auch Zivilisten wären unter den Opfern gewesen. Doch die Gefahr, dass die Angeklagten ihr Anschlagsvorhaben erfolgreich in die Tat umsetzen, konnte glücklicherweise von den Ermittlungsbehörden gebannt werden. Und zwar war es den Ermittlungsbehörden in einem recht frühen Stadium der Anschlagsvorbereitungen gelungen, das – später noch versetzt mit Mehl – als Sprengmittel vorgesehene Wasserstoffperoxid mit einer Konzentration von 35 % gegen ein solches mit einer ungefährlichen Konzentration von 3 % unbemerkt von den Angeklagten auszutauschen. Letztlich ist sogar nicht auszuschließen, dass das Anschlagsvorhaben infolge der überwiegend nicht funktionstüchtigen Sprengzünder nicht zur Umsetzung gekommen wäre – auch ohne das Einschreiten der Sicherheitsbehörden.
Es gibt diverse Suchmaschinen, um die Kontaktdaten von deutschen Gerichten, Staatsanwaltschaften, Gefängnissen und anderen Justizbehörden zu finden. Ich persönlich nutze gerne das Orts- und Gerichtsverzeichnis der NRW-Justiz.
Die Suchfunktion ist übersichtlich, die Daten stets aktuell. Über die Selektionsmöglichkeit unten lassen sich die Daten außerdem filtern. Es wird also für den Ort nur die Behörde angezeigt, die man wirklich sucht. Die Suchergebnisse lassen sich überdies ohne großes Trara sauber ausdrucken.
Der 54-jährige Werner W. aus dem sauerländischen Wenden hatte vor fast zwei Jahren das übliche Pech im Straßenverkehr. Er war mit seinem Auto auf der A 3 in Richtung Köln unterwegs – und wurde bei Erkrath erwischt. Ein Polizeibeamter stand mit einer Videokamera samt Stoppuhr auf der Autobahnbrücke. Er stellte fest, dass W. bei einer Geschwindigkeit von 125 km/h den erforderlichen Mindestabstand von 62,5 Meter zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten hatte.
Deswegen verhängte das Amtsgericht Mettmann eine Geldbuße von 100 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot. Dagegen ging W. an – und wurde jetzt vom 3. Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) freigesprochen. Der rechtskräftige Beschluss nährt einmal mehr die Hoffnung abertausender Autofahrer. Denn er spricht Klartext. Wortwörtlich heisst es: „Bis zu einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage sind Videoüberwachungen zur Feststellung von Verstößen gegen den Mindestsicherheitsabstand und/oder gegen angeordnete Höchstgeschwindigkeiten unzulässig.“
Der Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom August vorigen Jahres. Das höchste deutsche Gericht hatte nach einer Geschwindigkeitsübertretung in Mecklenburg-Vorpommern verboten, einen Videofilm ohne ein Gesetz als Beweismittel zuzulassen.
Auf diesen Beschluss stützt sich auch der Düsseldorfer Strafsenat. So wie bei Erkrath ein Verstoß festgestellt worden ist, gehe es um den „systematisch angelegten Eingriff“ in die Grundrechte beinahe unzähliger Menschen. Eben um „massenhaft durchgeführte Überwachungen im Rahmen von standardisierten Verfahren“. Die erforderliche Rechtsgrundlage dafür fehle.
Zwar beruft sich das NRW-Innenministerium auf eine juristische Basis, deren Schwerpunkt in der Strafprozessordnung steht. Dort heisst es in Paragraf 100 h wörtlich: „Auch ohne Wissen der Betroffenen dürfen außerhalb von Wohnungen … Bildaufnahmen hergestellt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre.“
Doch genau dieses Argument zerpflückt der OLG-Senat. Diese Vorschrift, so hält der Beschluss fest (AZ IV-3 RBs 8/10), „soll nach ihrem Sinn und Zweck in erster Linie der Bekämpfung von schwer ermittelbarer Kriminalität dienen“. Nicht also zur Verfolgung einer – meist nur fahrlässig – begangenen Ordnungswidrigkeit.
Demnach war der Polizeifilm, zusammengefasst, ein Verstoß gegen das vom Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Gegen das Recht jedes einzelnen Menschen also, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen.
Der 54-jährige Werner W. war dazu vorher nicht gefragt worden. Er war auch nicht einverstanden mit der Brückenfilmerei. Das Fazit: Der Polizeibeamte hinter der Kamera hat illegal gehandelt. Was nun? Auch diese Frage beantwortet der Senatsvorsitzende: „Der zuständige Gesetzgeber ist gefordert, die vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen zu schaffen.“
Mehr noch! Der Richter lässt zwar offen, ob die Grundsätze nicht auch für Videoüberwachungen und –aufzeichnungen aus fahrenden Überwachungsfahrzeugen und für ortsfeste und mobile Radar- oder Laserüberwachungsmaßnahmen gelten. Dazu bedürfe es für den vom OLG Düsseldorf beurteilten Fall „keiner Entscheidung“, sagt er. Er fügt aber hinzu: „Indessen dürfte die Fragestellung auch in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sein.“ (pbd)
Das Recht der Untersuchungshaft ist zum Jahreswechsel grundlegend geändert worden. War dem Inhaftierten früher praktisch nichts erlaubt, müssen Beschränkungen jetzt ausdrücklich angeordnet werden. Die Telekommunikation kann nach dem neuen § 119 Strafprozessordnung zum Beispiel nur eingeschränkt werden, wenn „dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr (§§ 112, 112a) erforderlich ist“.
Telefonate mit dem Verteidiger, mal unterstellt er ist kein linker Vogel, müssten also problemlos möglich sein. Haftanstalten sind jedoch seit jeher auf konsequente Kommunikationsverweigerung angelegt. Um als Verteidiger mal mit einem Mandanten telefonieren zu können, bedurfte es nach dem früher geltenden Recht stets gnädiger Sozialarbeiter oder Pastoren. Die sind leider nicht zu üppig gesät.
Seit Jahresanfang beantrage ich stets, eventuelle Beschränkungen dahingehend zu lockern, dass mein Mandanten in angemessenem Umfang mit mir telefonieren darf. Das klingt ungefähr so:
Ich bitte darum, mir nicht überwachte Telefongespräche mit meinem Mandanten zu gestatten. Die Unterbindung von Gesprächen mit mir als Verteidiger ist nicht zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich, so dass eine Beschränkung insoweit gemäß § 119 Abs. 1 StPO nicht erforderlich ist.
Die Justizvollzugsanstalt kann sicherstellen, dass lediglich ich mit meinem Mandanten telefoniere, indem die Verbindung über meinem Büroanschluss hergestellt wird bzw. ein Rückruf durch die JVA erfolgt. Ich bitte insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Justizvollzugsanstalt für mich weit entfernt liegt, so dass Telefonate die sachgerechte Verteidigung erheblich erleichtern.
Die Erfahrung mit den Staatsanwaltschaften, die jetzt meist für die Haftüberwachung zuständig sind, ist sehr gut. Bislang hat noch kein Strafverfolger ernsthaft versucht, mir Telefonate zu verwehren. Es gab zwar zwei, drei Rückfragen, ob das denn sein müsse und wie das praktisch laufen soll. Aber meist scheinen die Staatsanwaltschaften für das neue Recht gut gebrieft. Typisch sind freundliche Antworten, wie zum Beispiel gestern von der Staatsanwaltschaft Gera:
„… hinsichtlich der von Ihnen genannten Telefongespräche habe ich eine entsprechende Mitteilung an die JVA übersandt und Ihre Kanzleinummer angegeben.“
Was allerdings noch gar nicht klappt, sind die Telefonate selbst. Es bedarf in der Regel einiger nachdrücklicher Worte, bis ich den Mandanten wirklich in der Leitung habe. Oder auch mal angedrohter Petze beim Staatsanwalt oder dem Ermittlungsrichter.
Falls auch das nichts hilft, bleibt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der gegen alle Beschränkungen möglich ist. Von diesen Anträgen musste ich erst einen formulieren, der hatte aber nichts mit einem Telefonierverbot zu tun.
Bei den Pressekammern an den Landgerichten Hamburg und Berlin knallen womöglich die Sektkorken. Und über zusätzliches Personal darf sicher auch bald nachgedacht werden. Denn eine erhebliche Ausweitung des Einsatzgebietes steht ins Haus: Waren die Kammern bislang nur dafür bekannt und berüchtigt, mit Hilfe des „fliegenden Gerichtsstandes“ die Presse- und Meinungsfreiheit in ganz Deutschland zu knebeln, kann an ihrem Wesen nun bald die ganze Welt genesen.
Denn deutsche Gerichte sind auch für Klagen gegen Veröffentlichungen im Internet zuständig, deren Urheber seinen Sitz im Ausland hat. Nur einen vagen Vorbehalt macht der Bundesgerichtshof in einer heute veröffentlichten Entscheidung: Die angegriffene Publikation muss „deutliche Bezüge“ zu Deutschland aufweisen.
Im entschiedenen Fall hatte jemand die New York Times wegen eines online veröffentlichten Artikels vor dem Landgericht Düsseldorf verklagt. In dem Artikel waren dem in Deutschland wohnenden Kläger Mafiakontakte nachgesagt worden. Der Bundesgerichtshof bestätigte ihm nun, dass sich die New York Times juristisch in Deutschland verantworten muss.
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht der Bundesgerichtshof schon deswegen, weil es nahe liege, dass der Artikel in Deutschland zur Kenntnis genommen werde. Immerhin sei die New York Times weltweit bekannt und habe auch Leser in Deutschland.
Auch für die weitaus meisten Internetpublikationen, bis hinab zum Weblog, dürften sich ohne Probleme derartige Anknüpfungspunkte finden lassen. Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass die Landgerichte Hamburg und Berlin übertrieben strenge Anforderungen stellen werden. Immerhin würden sie sich ja sonst die Möglichkeit entgehen lassen, nun auch im Ausland so wichtig und so unbeliebt zu werden, wie sie es in Deutschland schon lange sind.
Das kommt als Auto-Reply, wenn man an die Staatsanwaltschaft Essen mailt und die Adresse auf dem Briefbogen verwendet:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Dieser Übermittlungsweg per E-Mail dient ausschließlich dazu, nicht formbedürftige Mitteilungen zu übersenden. In Rechtssachen können daher auf diesem Wege insbesondere keine Schriftsätze, Mitteilungen oder sonstige Einsendungen zu Verfahren übersandt werden, die anhängig sind oder anhängig gemacht werden sollen, da die Identität des Absenders nicht mit Sicherheit feststeht.
Bitte benutzen Sie deshalb in diesen Angelegenheiten in Ihrem eigenen Interesse die üblichen Übermittlungswege, insbesondere auch dann, wenn durch eine Mitteilung eine Frist gewahrt werden soll, da dies per E-Mail nicht möglich ist. Alle übrigen Anliegen werden an die zuständige Stelle weitergeleitet und bearbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
Die Leitende Oberstaatsanwältin
Den letzten Satz finde ich bemerkenswert. Sollte in der Poststelle tatsächlich ein Löschbeamter sitzen, der ausgerechnet die wichtigen E-Mails (Schriftsätze zu Verfahren, Fristsachen) löscht und nur die unwichtigen Schreiben an die jeweilige Abteilung durchlässt? Ein umgekehrter Spamwächter, sozusagen.
Aber womöglich ist das auch nur etwas schräg formuliert. Ich fände es jedenfalls gut, wenn jede meiner Einsendungen zumindest bis zur zuständigen Stelle durchdringt. Die kann dann ja gerne pflichtgemäß entscheiden, was sie damit macht.
Nur am Rande: Die Formvorschriften sind originell ausgedacht bzw. von der Homepage eines Gerichts abgeschrieben. Auf letzteres deutet die Formulierung zu den Verfahren hin, die „anhängig“ gemacht werden sollen. Das passt gar nicht, wo doch gerade Strafanzeigen, die Verfahren bei der Staatsanwaltschaft normalerweise einleiten, überhaupt keiner Form bedürfen. Sonst müsste die Polizei ihre Internetwachen aber ganz schnell offline nehmen.
Tatsächlich gibt es keine gesetzliche Norm, die besagt, dass man sich in laufenden Verfahren bei der Staatsanwaltschaft nicht per E-Mail äußern darf und diese Eingaben deshalb – zumindest ohne Nachfrage – unberücksichtigt bleiben könnten. Nur Strafanträge und einige Rechtsmittel können möglicherweise unwirksam sein, wenn sie nicht schriftlich (d.h. zumindest per Fax) fristgerecht bei der Behörde eingehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung soeben für verfassungswidrig erklärt. Zwar hält das Gericht eine Vorratsdatenspeicherung nicht für grundsätzlich unzulässig; die jetzige gesetzliche Regelung genüge jedoch nicht dem Grundrecht auf Telekommunikationsfreiheit.
Anscheinend stellt das Gericht, so die gerade laufende mündliche Begründung, maßgeblich auf die fehlende Sicherheit der gespeicherten Daten ab. Es fordert eine getrennte Speicherung von den laufenden Kommunikationsvorgängen, Verschlüsselung und transparente Kontrolle. Schon bei der mündlichen Verhandlung Ende letzten Jahres war klargeworden, dass das Gericht äußerst verwundert darüber ist, dass es praktisch keine Regeln dafür gibt, wie die enormen Datenmenge bei den Providern gespeichert werden.
Erneut wird betont, dass die Vorratsdatenspeicherung nur bei schweren Straftaten zulässig sein kann. Ebenso wie bei der Onlinedurchsuchung müsse es einen eng begrenzten Katalog schwerer Straftaten geben. Außerdem seien die Daten nur bei Gefahr für Leib und Leben verwendbar. Für eine solche Gefahr bedürfe es konkreter, nachvollziehbarer Anhaltspunkte.
Das Verfassungsgericht fordert für die unmittelbare Nutzung der Daten einen Richtervorbehalt. Es müsse Rechtsschutz gegen die Verwendung der Daten geben.
IP-Adressen könnten unter geringeren Voraussetzungen überprüft und Nutzerdaten herausgegeben werden.
Das Gericht kritisiert im einzelnen, dass das geltende Gesetz viel zu allgemein ist. Konkrete Straftaten seien nicht aufgeführt. Verwendungszwecke würden überhaupt nicht konkret genannt. Das führe zu einem offenen Datenpool, der notwendige Zusammenhang zwischen Speicherung und Nutzung gehe verloren.
Die gesamte Vorschrift ist nichtig. Alle erhobenen Vorratsdaten müssen unverzüglich gelöscht werden.
Der Gesetzgeber kann nun einen neuen Anlauf machen, ein neues Gesetz zu erlassen.
Es geht um eine kleine Geschwindigkeitsübertretung für 35,00 Euro, aber auch um wichtige Rechtsfragen. Also ums Prinzip. Das Amtsgericht in Hessen schickt nicht nur die Ladung zum Verhandlungstermin, sondern auch gleich eine beredte Erklärung, wonach der Verkehrssünderbeschluss des Bundesverfassungsgerichts in unserem Fall nicht weiter hilft.
Da konnte ich ebenso flink mit der brandaktuellen Entscheidung eines Oberlandesgerichts antworten, welche die Rechtsauffassung der Bußgeldrichterin haarklein wiederlegt. Das Oberlandesgericht liegt allerdings in einem anderen Bezirk, so dass seine Argumente möglicherweise nicht ausreichendes Gehör finden werden.
Ebenso interessant wie der absehbare juristische Streit ist die Frage, ob wir eine Hauptverhandlung brauchen. Mein Mandant ist zwar nicht verhindert, kann aber nur erschwert anreisen. Er befindet sich nämlich in Untersuchungshaft und müsste sich, sofern er nicht Ausgang kriegt, an die 300 Kilometer „verschuben“ lassen.
Bevor ich mich darauf einlasse, werde ich auf jeden Fall klären, wer die möglicherweise happigen Kosten für diese Maßnahme trägt. Bin gespannt, ob man bei der Rechtsschutzversicherung darauf eine Antwort weiß. Dann bleibt noch zu ermitteln, ob der Mandant sich die Strapaze, im Justizbus über etliche Zwischenstationen zum Zielort zu tingeln, wirklich antun möchte.
Aber vielleicht hat die Richterin ja auch ein Einsehen und entscheidet ohne Hauptverhandlung. Ich habe es beantragt und hätte nichts dagegen – auch wenn ich gemütlich mit dem Auto anreisen kann.
In Baden-Württemberg gilt seit heute ein nächtliches Verkaufsverbot für Alkohol. Zwischen 22 und 5 Uhr dürfen weder Bier, Schnaps noch Wein verkauft werden, berichtet die Welt. Das Verbot gilt auch für Erwachsene. Ausgenommen ist der Ausschank in Gaststätten.
„Wir müssen den nächtlichen Alkoholgelagen und damit der Aggression und Gewalt ein Ende setzen“, rechtfertigte der zuständige Innenminister das Gesetz. Vorrangig geht es in den offiziellen Verlautbarungen um den Jugendschutz. Ziel soll es sein, die angeblich viel zu häufigen Saufgelage junger Menschen einzudämmen.
Mir scheint der Jugendschutz ein Deckmantel, mit dem den Menschen gewisse Moral- und Ordnungsvorstellungen von Leuten übergestülpt werden, welche die Zeit gern in die 50er oder 60er Jahre zurückdrehen möchten. Dem bereits jetzt sehr strengen Jugendschutz würde es besser tun, wenn man die geltenden Verkaufsverbote für Minderjährige einfach mal durchsetzt.
Dann wäre es auch nicht nötig, den Erwachsenen auf dem Kopf rumzutanzen.
Das Amtsgericht Brühl nimmt es genau. Ich hatte in einem Fall, in dem die Staatskasse die Kosten zahlen muss, Fahrtkosten für 154 Kilometer abgerechnet. Darauf teilt das Gericht mit:
Abzusetzen waren 9,00 EUR Fahrtkosten. Die Entfernung Kanzlei – Amtsgericht beträgt aufgerundet 62 Kilometer x 2 = 124 Kilometer x 0,30 EUR ergibt 37,20 EUR.
Ich erinnere mich noch recht gut an den Tag. Das Wetter war winterlich; auf der A 57 und der A 1 gab es Staus. Das Navigationsgerät lotste mich um den Schlamassel herum, teilweise auch über Land und durch idyllische Dörfer am Rande Kölns.
Obwohl ich schon eine gute Stunde Fahrtzeit einkalkuliert hatte, kam ich 20 Minuten zu spät. Was aber nichts machte, denn der Anwalt in der Sache vorher war gleich eine dreiviertel Stunde zu spät gewesen und hatte dem Gericht entsprechenden Verzug eingebrockt. Ich konnte mit dem Mandanten also noch eine Weile gemütlich auf dem Flur sitzen.
Auf dem Rückweg war es ähnlich. Eigentlich bin ich überrascht, dass ich nur 30 Kilometer mehr gefahren bin als die Idealstrecke, welche das Gericht mit dem Falk Routenplaner akkurat ermittelt hat. Ich könnte jetzt natürlich die Verkehrssituation erklären. Aber leider bin ich nicht in der Lage, den tatsächlichen Weg darzulegen. Mangels eines nationalen Stauregisters und wegen eines Navis, in dem die Speicherung gefahrener Routen abgeschaltet ist. Letzteres übrigens aus guten Gründen. Jedenfalls wird mir das nicht in den nötigen Einzelheiten gelingen, wie sie das Amtsgericht Brühl erwarten dürfte.
Die neun Euro sind also geschenkt.