‚N neues Pferdschen

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Offen genügt nicht. „Strahlend“ sagt zu wenig aus. Und „sympathisch“ klingt wohl auch zu bieder. Das Landeswappen von Nordrhein-Westfalen, laut Landesregierung ein Zeichen großer Prominenz, soll zu einem „zeitgemäßen Signet“ werden. Und damit das auch nun wirklich alle bis in den hintersten Winkel des Landes merken, steigern die Schöpfer mit großer Spracheleganz die Eigenschaften.

Die Leitlinien zum Nordrhein-Westfalen-Design nennen das neue Wappen „offener, strahlender und sympathischer“. Obwohl die Bevölkerung es noch gar nicht kennt, ist das neue Wappen seit dem 1. Mai bereits „ein starkes und plakatives Identifikationssymbol für das Land Nordrhein-Westfalen und seine Bürgerinnen und Bürger“.

Die Notwendigkeit zur Änderung ist augenfällig. Und zerfällt in zwei Teile. Zunächst die für die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung. Ganz so, als habe das westfälische Ross im rechten Teil des hoheitlichen Symbols bislang wie eine Hyäne auf Hinterbeinen ausgeschaut, sind die Proportionen des Pferdes jetzt „der natürlichen Anatomie angenähert worden“.

Der Rhein, bislang angedeutet mit drei Flusskurven, zeigt nur knappe zwei. Die lippische Rose, einst mit ihren Blüten und Kelchblättern erkennbar, wirkt nun wie das Steuerrad eines Segelschiffs.

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Alt oder neu? Jedenfalls offiziell.

Anders im zweiten, den vornehmen Teil „für hoheitliche Anwendungen“. Da wirkt die Rose wie eine Rose. Der Rhein hat eine Art von Wellen. Und das westfälische Ross plötzlich einen kräftigen Mähnenkamm, mehr Haare am Schweif, sichtbare Muskeln – es reckt den Kopf mit offenem Maul.

In etwa diesem Zustand sehen sich dieser Tage auch die rund 262.500 Beamten und 113 000 Angestellten des Landes. Von ganz oben, der Staatskanzlei, kommt die schriftliche Unterrichtung. Sie geht über die Ministerien. Von da zu den Mittelbehörden. Hin zu den Behördenleitern. Und von denen geht die Weisung bis in die letzte Amtsstube, wo Menschen ob dieser geballten Bürokratie nur noch wimmern, wahlweise in Tränen ausbrechen: „Die Leitlinien zur Anwendung des Nordrhein-Westfalen-Designs sind Bestandteil des Kabinettbeschlusses vom 27. März 2007 und gelten verbindlich für den Bereich der Landesregierung, ihre nachfolgenden Behörden, die Landesbetriebe, Gesellschaften und Initiativen“.

Auf 44 Seiten folgen dann Vorgabe um Vorgabe. Unter dem Stichwort „Absenderfahne“ heißt es beispielsweise: „Das Wappen wird mit dem Abstand 1 x nach rechts bzw. ¾ zum oberen Formatrand positioniert“. Unter dem Stichwort „Typografie“ ist festgelegt: „Hausschrift des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Benton Sans in den Schnitten Regular, Medium und Bold“.

Selbstverständlich soll das damit beschriebene Papier auch eine Schablone haben. Für Briefbögen wird „Conqueror Smooth CX22 Diamantweiss, 80-120g/qm“ empfohlen. Für Einladungskarten dagegen „Munken Polar, Umschlag 300g/qm, Einleger 120 g/qm“. Es sei denn, es geht um hochwertige Einladungskarten. Dann, bitte, „Munken Pure“.

Nach alledem versteht sich fast wie von selbst: Briefformulare müssen „klar strukturiert“ sein. Und Telefaxbögen. Und Visiten- und Grußkarten. Und Informationen und deren Mappen. Und die Internet-Kopfzeile. Nicht zu vergessen, die Gestaltung für CD-Cover und –Label. Selbstverständlich auch Plakate. Und Broschüren, Landes-Urkunden. Und, ja doch, die Dokumentenvorlage der Korrespondenz des Ministerpräsidenten.

Der schreibt fiktiv an Manfred Mustermann, was das alles soll. Zitat: „Das Landesdesign unterstreicht durch ein sinnvolles Maß gemeinsamer Gestaltungselemente die Absender-Kompetenz, zugleich schafft es ein Höchstmaß an kreativer Anwendbarkeit und damit den idealen Freiraum für ressort-individuelle Profile und Themendarstellungen“.

Nichts verstanden? Etwa noch Fragen? Hier der Versuch der Erklärung, ebenfalls im Zitat: „Ein starkes Design, das die Marke Nordrhein-Westfalen prägen hilft, ist eine wesentliche Basis“. Dieser Satz gleicht der wichtigen Erkenntnis, dass die Basis die Grundlage des Fundaments ist. Tatsächlich will die Landesregierung aus CDU und FDP das Land „mit Blick auf die Wirtschaftsförderung mit allen verfügbaren Argumenten immer wieder hervorheben“.

Das solle doch, bitteschön, über alle Parteigrenzen hinweg unbestritten sein, hieß es zu einer kleinen, besorgten Anfrage der Abgeordneten Sylvia Löhrmann (Grüne) vor zwei Monaten. Obwohl es vor drei Jahren schon ein neues NRW-Design gegeben hat, gebe es rund 50.000 Euro für einen Designleitfaden im Etat (über die Folgekosten kann nur spekuliert werden). Die Landesregierung jedenfalls mache sich Gedanken darüber, wie sie die Menschen ansprechen könne. Dazu lasse sich die Landesregierung fortwährend von Fachleuten aus der Politik, der Wirtschaft, aus dem Journalismus, aus der Wissenschaft, von Künstlern und Intellektuellen beraten.

Nun kennen wir das Ergebnis. Es ist offener, strahlender und sympathischer. Und der Steuerzahler wundert sich. (pbd)

Nachtrag: Die NRZ zeigt alt und neu im direkten Vergleich.