Blind abbiegen ist nicht erlaubt

Darf man links abbiegen, sozusagen im Blindflug, wenn einen die tiefgehende Abendsonne stark blendet? Ja, meinte die Staatsanwaltschaft Oldenburg. Sie stellte das Verfahren gegen den betreffenden Autofahrer mangels Tatverdachts ein – obwohl dieser beim Abbiegen mit zwei Motorradfahrern zusammengestoßen war, die beide noch am Unfallort verstarben.

Laut Staatsanwaltschaft war der Unfall „unvermeidbar“. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Motorradfahrer aus dem Auto einfach nicht sichtbar gewesen waren. Die zuständige Generalstaatsanwatschaft bestätigte die Verfahrenseinstellung. Vom Autofahrer könne nicht verlangt werden, so lange zu warten, bis er nicht mehr geblendet würde – also quasi bis zum Sonnenuntergang.

Weil die Angehörigen der Motorradfahrer sich gegen die Einstellung des Verfahrens wehrten, musste das Oberlandesgericht Oldenburg entscheiden. Die Richter sehen die Sache völlig anders. Man dürfe in so einer Situation nicht einfach „blind“ weiterfahren, ohne eine Gefährdung anderer auszuschließen. Wenn es nicht anders gehe, müsse man so lange warten, bis man wieder richtig sehen kann. Darüber hinaus hätte der Autofahrer auch am Straßenrand warten können, bis sich seine Augen an die Blendung gewöhnt haben.

Die Staatsanwaltschaft muss nun Anklage gegen den Autofahrer erheben (Aktenzeichen 1 W 60/20).

Dankeschön – trotzdem

Um sein Strafverfahren zu beenden, hat mein Mandant nach Absprache mit dem Gericht eine Auflage gezahlt. Einen sehr stattlichen Betrag. Das Geld ging an einen gemeinnützigen Verein. Für den Verein war am Js-Aktenzeichen (Strafsache) und dem Fehlen des Wortes „Spende“ natürlich problemlos erkennbar, dass der Betreffende zwar „freiwillig“ zahlt, aber dennoch kein klassischer Wohltäter ist.

Dennoch hat mir der Verein jetzt eine Mail geschrieben, in welcher er sich für die Zahlung herzlich bedankt – auch wenn sie mit einem Gerichtsverfahren zu tun hat. Eine wirklich nette Geste, wie ich finde.

Gericht billigt Maskenpflicht

Die Maskenpflicht ist hinzunehmen. Zumindest derzeit, so eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg. Eine Frau hatte gegen die Maskenpflicht geklagt, sie sieht ihre allgemeine Handlungsfreiheit und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt.

Das Oberverwaltungsgericht lässt es ausdrücklich offen, ob gerade Behelfsmasken wirklich etwas bringen. Es sei jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass sich das Infektionsrisiko mindert. Demgegenüber sei die Beeinträchtigung für Beschaffung und Tragen der Maske eher gering. Jeder habe es auch selbst in der Hand, die Maske nicht zur „Virenschleuder“ werden zu lassen.

Im Eilverfahren überwiege das Allgemeininteresse an der Maskenpflicht. Ob die Anordnung tatsächlich rechtmäßig sei, wäre dann in einem späteren Hauptsacheverfahren zu prüfen (Aktenzeichen 13 MN 119/20).

Sozialamt muss keine Masken zahlen

Hartz-IV-Empfänger können nicht verlangen, dass ihnen Mund-Nase-Schutzmasken oder wenigstens normale „Gesichtsbedeckungen“ bezahlt werden. Ein Leistungsempfänger hatte vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 349 Euro verlangt, um sich Schutzmasken kaufen zu können.

Das Gericht weist darauf hin, die Anti-Corona-Schutzverordnung des Landes verlange in bestimmten Situationen nur das Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung. Diese Voraussetzung erfüllen aber auch Alltagsmasken, aber eben auch lediglich ein Schal oder Tuch. Es handele sich also um einen Bestandteil der Kleidung, für den eine Pauschale gezahlt wird. Ein „unabweisbarer Bedarf“, wie ihn das Gesetz fordert, sei jedenfalls nicht gegeben (Aktenzeichen L 7 AS 635/20).

Freispruch für Frauke Petry

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung der früheren AfD-Vorsitzenden Frauke Petry aufgehoben und die Politikerin freigesprochen. Petry war wegen fahrlässigen Falscheids verurteilt worden. Sie soll in einer Sitzung des Landtags-Wahlprüfungsausschusses unter Eid falsche Angaben gemacht haben.

Ob Petry wirklich die Unwahrheit gesagt hat, darauf kommt es nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht an. Petry sei als Vertreterin der AfD-Fraktion an den Sitzungen beteiligt gewesen. In dieser Rolle habe sie aber nicht als Zeugin vernommen werden dürfen. Die AfD-Fraktion selbst könne als Beteiligte des Verfahrens grundsätzlich keine Zeugin sei; insoweit schließe Petrys Rolle als Vertreterin eine Zeugenpflicht aus.

Die eidliche Vernehmung Petrys war also unzulässig, so dass sie auch keinen Falscheid leisten konnte (Aktenzeichen 5 StR 424/19).

Lehrer haben keinen Anspruch auf „Nullrisiko“-Beschäftigung

Eine Lehrerin muss demnächst zur Arbeit kommen, selbst wenn ihre Schule noch keinen ausgefeilten Hygieneplan sowie ein Arbeitsschutzkonzept für den Nach-Corona-Unterricht vorgelegt hat. Das Verwaltungsgericht Frankfurt lehnte einen Eilantrag ab, mit dem die Pädagogin festgestellt wissen wollte, dass sie keinen Präsenzunterricht leisten muss.

Das Verwaltungsgericht verweist darauf, dass das Land Hessen konkrete Handlungsanweisungen erlassen hat, um Risiken zu minimieren. Hier bestehe ein Gestaltungsspielraum der Behörden. Die Antragstellerin könne nicht verlangen, nur in einer „Nullrisiko-Situation“ arbeiten zu müssen. Eine verbeamtete Lehrerin müsse auch die staatliche Verantwortung gegenüber Schülern und Familien mittragen.

Überdies sieht das Gericht auch kein Eilbedürfnis, da wegen der aktuellen Situation sowieso nicht mit einem Regelbetrieb der Schulen vor den Sommerferien zu rechnen sei (Aktenzeichen 9 L 1127/20.F).