Facebooktime

Die aktuelle Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brandeins gibt Einblick in den Arbeitsalltag einer Großkanzlei:

Man kommt manchmal auch mit sechs Stunden hin, sitzt dann aber trotzdem neun am Schreibtisch, weil Face Time erwartet wird“, sagt Kempen. „Facebooktime wäre eigentlich treffender, denn das macht man in der Zeit.

Insgesamt ein launiger Artikel aus einem juristischen Mikrokosmos, dessen Innenleben ich auch nur aus Erzählungen kenne.

Für die Schublade

Kunden von Prostituierten setzen sich künftig einem erhöhten strafrechtlichen Risiko aus. Zumindest wenn es nach der Bundesregierung geht. Das Kabinett beschloss heute einen Gesetzentwurf, nach dem auch Freier bestraft werden, wenn sie für Sex mit einer oder einem Zwangsprostituierten zahlen.

Bis zu fünf Jahre Haft soll es geben, wenn der Freier die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer Person ausnutzt. Die große Frage ist natürlich, anhand welcher Kriterien der Kunde die Zwangslage überhaupt erkennen könnte. Darauf gibt der Gesetzentwurf keine Antwort.

Selbst die Polizei scheint skeptisch, wie sie künftig die Kunden von Zwangsprostituierten überführen soll. „Dem Kunden muss einwandfrei nachgewiesen werden, dass er wusste oder wissen konnte, eine Zwangsprostituierte aufgesucht zu haben. Das sehe ich als polizeiliche Herausforderung“, sagt etwa Oliver Malchow von der Gewerkschaft der Polizei.

Dieses Gesetz darf also unter Symbolpolitik abgelegt werden. Und zwar in die gleiche Schublade wie die bereits verabschiedete Kondompflicht für das Sexgewerbe.

GEZ-Rebellin ist wieder frei

Gestern ging es hier im law blog um eine GEZ-Verweigerin, der das Ganze bisher 61 Tage Haft einbrachte. Nun ist sie wieder frei, berichtet stern.de.

Die 46-Jährige kam frei, weil der Mitteldeutsche Rundfunk seinen Haftantrag zurückgenommen hat. Mit diesem Antrag wollte die Rundfunkanstalt erzwingen, dass die Betroffene eine eidesstattliche Versicherung über ihre Vermögensverhältnisse abgibt. Die Rundfunkanstalt hatte wegen 190 Euro nicht gezahlter Beiträge vollstreckt.

Wieso der MDR nun einen Rückzieher macht, ist bisher leider nicht bekannt.

Loveparade: Wie kann der Prozess an einem Gutachter scheitern?

Die Loveparade-Katastrophe aus dem Jahr 2010 wird nicht in einem Strafprozess aufgearbeitet. Zumindest vorläufig nicht. Das Landgericht Duisburg lehnt die Zulassung der Anklage ab. Die Staatsanwaltschaft Duisburg wollte sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters wegen fahrlässiger Tötung verfolgen. Die Panik bei der Loveparade forderte 21 Todesopfer.

Der Beschluss soll 460 Seite umfassen. Man kann also davon ausgehen, dass sich das Landgericht Duisburg sehr detailliert mit der Frage auseinandersetzt, ob ein „hinreichender Tatverdacht“ vorliegt. Dieser hinreichende Tatverdacht ist für die Zulassung der Anklage erforderlich. Er liegt vor, wenn nach der Aktenlage eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verurteilung besteht – also mehr als 50 Prozent.

Der Prozess scheitert nun laut der bislang veröffentlichten Pressemitteilung allerdings aus überschaubaren Gründen. Es handelt sich um das zentrale Beweismittel der Staatsanwaltschaft: einem Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still. Die Erwägungen des Sachverständigen seien inhaltlich und methodisch mangelhaft, meint das Landgericht. Überdies sei der Sachverständige aus mehreren Gründen befangen, unter anderem weil er sich öffentlich in Vorträgen einseitig zu dem Thema geäußert habe. Überdies habe sich der Sachverständige nicht als unabhängig verstanden, sondern der Meinung gewesen, ihn habe ein Sicherheitsunternehmen und eine englische Universität beauftragt.

Alle diese Punkte kommen nicht überraschend. So hatte das Landgericht Still mit 75 schriftlichen Fragen bombardiert, aus denen sich die Bedenken klar herauslesen ließen. Da stellt sich natürlich die Frage, wieso ein Prozess um die strafrechtliche Verantwortlichkeit für 21 Menschenleben jetzt an einem mangelhaften Gutachten und einem befangenen Gutachter scheitern muss. Dass möglicherweise aus formalen Gründen die Wahrheit nie aufgeklärt werden wird, dürfte nicht nur für die Angehörigen der Opfer schwer zu ertragen sein.

Angesichts der deutlichen Worte des Gerichts in Richtung des Gutachters stellt sich die Frage, wieso die Staatsanwaltschaft Duisburg nicht bereits frühzeitig in Alternativen gedacht hat. Es ist ja in großen Fällen durchaus möglich und auch üblich, mehrere Sachverständige zu beauftragen. Wieso geradezu krampfhaft an einem bis dahin weitgehend unbekannten „Panikforscher“ festgehalten wurde – rätselhaft.

Aber auch das Landgericht Duisburg macht es sich möglicherweise zu leicht. Die Strafprozessordnung sieht nämlich ausdrücklich vor, dass das Gericht vor Entscheidung über die Zulassung der Anklage „zur besseren Aufklärung der Sache einzelne Beweiserhebungen anordnen“ kann (§ 202 StPO).

Zwar wird immer betont, das Gericht dürfe natürlich nicht das komplette Ermittlungsverfahren neu aufrollen. Aber spätestens nachdem der Sachverständige sich durch seine Auftritte auch noch der Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt hat, hätte es nach meiner Meinung juristisch ausreichend Spielraum gegeben, um auch nach Erhebung der Anklage ein vernünftiges Gutachten einzuholen. Wieso das Landgericht Duisburg von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, wird das Oberlandesgericht Düsseldorf sicher prüfen. Wenn die Staatsanwaltschaft oder möglicherweise die Nebenkläger Beschwerde einlegen.

Ungeklärt bleibt in jedem Fall die Frage, ob mit den Mitarbeitern der Stadt und des Veranstalters überhaupt die „richtigen“ Personen angeklagt waren. Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte und andere Verantwortliche vor Ort waren ja bereits frühzeitig eingestellt worden. Die Vorwürfe gegen sie dürften mittlerweile verjährt sein.

Kunstfreiheit: Das Ding ohne Schranken

Die Bundeskanzlerin hat ja heute nichts besseres zu tun, als dem türkischen Präsidenten Erdogan mit Kurzgutachten zur Frage auszuhelfen, ob Jan Böhmermanns Spottgedicht denn von den Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt war. Es passiert ja sonst auch gerade nichts in der Welt.

Die Kunstfreiheit hat die Kanzlerin, wenn man den Berichten glauben darf, bei ihrer Betrachtung leider vergessen. Dabei ist Satire ja leider Gottes allzu oft auch Kunst, und diese wiederum ist nach aktueller Fassung des Grundgesetzes immer noch nicht von ausdrücklichen Gesetzesschranken eingehegt. Ganz im Gegensatz zur erwähnten Presse- und Meinungsfreiheit.

Aber mit dieser lässlichen Sünde fällt es auch gleich bedeutend leichter, dem angepissten Herrn Erdogan etwas nach dem Mund zu reden. Würde mich nicht wundern, wenn das den empfindsamen Präsidenten anstachelt, die Kanzlerin noch etwas mehr in die Bredouille zu bringen.

Dazu müssten Herr Erdogan oder seine Helfer mal ins Strafgesetzbuch schauen. Das enthält in § 103 StGB nämlich eine besondere Vorschrift, die für ihre Zwecke passen könnte wie die Faust aufs Auge. Demnach wird die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes nämlich deutlich härter bestraft als die von „normalen“ Menschen. Während es sonst schon mal mit Geldstrafe abgeht, stehen hier saftige Strafen im Raum. Im Fall der „verleumderischen Beleidigung“ sind es bis zu fünf Jahre Knast. Für ein Verbaldelikt.

Das Ganze würde jedoch nur funktionieren, wenn Erdogan in Deutschland das macht, was er zu Hause ständig macht. Nämlich Strafanträge stellen. Dann wäre in der Tat die Bundesregierung am Zug. Sie müsste nämlich entscheiden, ob sie – bei Vorliegen einiger anderer Voraussetzungen – eine „Ermächtigung“ zur Strafverfolgung erteilt (§ 104a StGB). Ohne grünes Licht von Merkel würde also nichts laufen.

Das wäre wirklich ein interessanter Lackmustest zur Frage, wie weit sich die Bundesregierung erdoganisieren lassen würde. Nach den heutigen Worten der Kanzlerin würde ich da für nichts die Hand ins Feuer legen. Der Herr Böhmermann müsste sich trotzdem nicht großartig sorgen. Das Urteil sprächen am Ende Richter, die von der Kunstfreiheit schon mal etwas mehr gehört haben dürften und die Herrn Erdogan weniger verpflichtet sein dürften als unsere Kanzlerin.

Nachtrag: Weil es in den Kommentaren zu diesem Beitrag anders dargestellt wird: Der § 103 StGB gilt bei Staatsoberhäuptern auch dann, wenn sie sich nicht in Deutschland aufhalten. Nur bei anderen Regierungsmitgliedern ist es erforderlich, dass sie sich zum Zeitpunkt der Beleidigung in Deutschland befinden.

Nachtrag 2: Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass Jan Böhmermann sich strafbar gemacht haben könnte

Knast statt GEZ

Weil sie die Zahlung der Rundfunkgebühren konsequent verweigert, sitzt eine Frau aus Thüringen mittlerweile im Gefängnis. Und das seit dem 4. Februar. Bleibt sie hart, kann sie mit einer Entlassung erst nach sechs Monaten rechnen, wenn die Höchstgrenze der Erzwingungshaft abgelaufen ist.

Vorher bleibt der 46-Jährigen allerdings jederzeit die Möglichkeit, wegen 190 Euro rückständiger Rundfunkgebühren die eidesstaatliche Versicherung abzugeben, berichtet die Welt. Natürlich könnte sie den Betrag auch zahlen. Das aber will sie partout nicht, weil sie meint, dass sie damit die Rechtmäßigkeit der GEZ-Gebühr (heute: Haushaltsabgabe) anerkennt.

Obwohl die Betroffene nach eigenen Angaben viel liest und auch jede Menge Feedback auf ihre Aktion erhält, hat ihr bislang anscheinend niemand erklärt bzw. erklären können, dass sie sich vielleicht besser im Vorfeld hätte wehren sollen. Zum Beispiel, indem sie gegen die Gebührenbescheide Widerspruch einlegt oder klagt. Auf diesem Weg hätte sie versuchen können, das für sie zuständige Gericht davon zu überzeugen, dass die GEZ-Gebühren unzulässig sind. (Auch wenn in letzter Zeit so gut wie alle Gerichte die Haushaltsabgabe für rechtmäßig halten.)

Aber erst mal nichts tun und dann ganz am Schluss gegen die Vollstreckung aufzubegehren, ist wirklich der falscheste Weg. Da hilft es auch nichts, sich auf Robin Hood zu berufen. Für die jetzt zuständigen Vollstreckungsgerichte ist es nämlich völlig egal, ob es um die festgesetzte Haushaltsabgabe geht oder einen Vollstreckungsbescheid von Vodafone oder dem Otto-Versand.

„In Internetforen kursieren viele Falschinformationen, bei denen ich als Jurist schmunzeln muss“ wird der in dem Beitrag erwähnte Rechtsanwalt zitiert. „Die Grenzen des Rechtsstaates müssen schon eingehalten werden.“ Man kann nur hoffen, dass sich diese Erkenntnis auch mal bis in die JVA Chemnitz rumspricht, wo die 46-Jährige nun ihre Tage verbringt.

„Man sitzt viel vor der Eieruhr“

Die Berliner Justiz hat massive IT-Probleme, berichtet der Berliner Tagesspiegel:

Seit an den Amtsgerichten und am Landgericht eine neue Version des Betriebssystems installiert wurde, laufen die Computer ruckelig bis gar nicht, mitunter liegen sie halbe Tage brach. Am 15. März gab es einen mehrstündigen Totalausfall. „Die Stimmung war IT-mäßig noch nie so schlecht wie jetzt“, berichtet ein Gerichtspräsident. Er schätzt, dass rund 4000 Computerarbeitsplätze betroffen waren. Die Mitarbeiter hätten dann stundenlang nichts zu tun gehabt, sich aber auch nicht getraut, nach Hause zu gehen, weil man ja nicht wusste, ob im nächsten Moment wieder alles läuft.

Das System arbeite nur mit Verzögerung, Buchstaben, Wörter und ganze Texte verschwänden einfach, und die Drucker hätten quasi ein Eigenleben. „Man sitzt viel vor der Eieruhr“, wird eine Richterin zitiert.

Derartige Pannen und Abstürze häufen sich laut dem Bericht so stark, dass es nun schon Verfahrensverzögerungen gebe. Also über die Verzögerungen hinaus, die bei der Berliner Justiz seit Jahr und Tag ohnehin als „normal“ gelten.

Internetrecht zum Nulltarif

Wenn man was zum Internetrecht nachschlagen möchte, muss das nicht unbedingt 70 bis 120 Euro kosten. Also den Preis, den man für ein juristisches Fachbuch heute mindestens rechnen muss.

Seit Jahren hat der Münsteraner Professor Thomas Hoeren sein Buch (er spricht zurückhaltend von einem Skript) „Internetrecht“ online. Das Gute an dem Werk: Es bietet nicht nur einen guten Überblick. Sondern es wird auch regelmäßig aktualisiert. Gerade ist die Fassung mit Stand April 2016 erschienen.

Link zum Skript Internetrecht

Fallsammlung Europa

Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat eine Fallsammlung von wichtigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte veröffentlicht. Die Fälle stammen aus den Jahren 2014 und 2015. Sie drehen sich um die Bereiche Datenschutz (9 Fälle), Schutz der Privatsphäre/Achtung des Privat- und Familienlebens (8 Fälle), sowie Zugang zu Dokumenten (7 Fälle) und Meinungsäusserungsfreiheit (4 Fälle).

Link zum Dokument

VW-Kunden müssen Autos behalten

Wegen der Schummelsoftware von VW ist ein erstes Urteil gesprochen worden. Das Landgericht Bochum sieht kein Rückgaberecht für die Käufer betroffener Fahrzeuge.

Der gekaufte VW Tiguan sei zwar mangelhaft, befindet das Gericht. Durch den Einsatz einer sogenannten „Umschaltlogik“, die zwischen Straßen- und Prüfstandsbetrieb unterscheide, täusche die Software eine tatsächlich nicht vorhandene Qualität der Abgasreinigung vor.

Dennoch fehle dem Mangel die Erheblichkeit, die für einen Rücktritt vom Kaufvertrag nötig ist. Der Fehler lasse sich nämlich durch eine Nachbesserung relativ leicht beheben. Die Kosten blieben mit maximal 1 % des Wagenpreises deutlich unter der Bagatellgrenze. Daher liegen nach dem Urteil die juristischen Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht vor (Aktenzeichen I-2 O 425/15).

Kunden dürfen feilschen – auch nachträglich

Das Widerrufsrecht bei Online-Bestellungen und anderen Fernabsatzverträgen erlaubt es dem Kunden auch, auf einen besseren Preis zu pokern. Ein Kunde hatte einem Matratzenhändler „gedroht“, dass er seinen online geschlossenen Kaufvertrag fristgerecht widerruft, sofern er nicht 32,98 Euro Nachlass erhält. So viel günstiger bot mittlerweile ein anderer Händler die Matratzen an.

Der Händler verweigerte die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Begründung, der Kunde verhalte sich rechtsmissbräuchlich. Das Widerrufsrecht beim Kaufvertrag bestehe, damit der Käufer die Ware prüfen könne. Nicht aber, um nachträglich den Preis zu drücken.

Dieser Argumentation konnte der Bundesgerichtshof in einem heute veröffentlichten Urteil nichts abgewinnen. Das Widerrufsrecht gebe dem Käufer ein effektives und einfach durchzusetzendes Recht zur Aufhebung des Vertrages, so die Richter. Dazu gehöre auch, dass der Kunde den Widerruf nicht begründen müsse. Deshalb sei es grundsätzlich uninteressant, aus welchen Gründen der Käufer widerruft.

Eine unzulässige Schikane sei der nachträgliche Preisvergleich jedenfalls nicht. Das uneingeschränkte Widerrufsrecht führe eben zu der „Wettbewerbssituation“, dass Kunden auch noch nach dem Kauf Preise vergleichen können. Es gebe keinen Grund, warum der Kunde diesen Vorteil nicht nutzen dürfe. Der Matratzenhändler muss nun den vollständigen Kaufpreis erstatten (Aktenzeichen VIII ZR 146/15).

Google übersetzt für die Polizei

Googles Produkte sind sicher in den meisten Fällen alltagstauglich. Aber auf die Idee, dass dies auch für „Google Translate“ gilt, musste wohl erst die Essener Polizei kommen. Die Essener Beamten „verhörten“ einen mutmaßlichen Ladendieb mit Google Translate, statt sich über einen Dolmetscher mit ihm zu verständigen. Der Beschuldigte sprach wohl arabisch und die Polizisten nicht, berichtet die Rheinische Post.

Dass Google Translate technisch derzeit gar nicht in der Lage ist, eine Vernehmung sauber zu übertragen, braucht man wohl nicht zu diskutieren. Wer hier an die Technik glaubt, kann ja mal einen ganz simplen Text eingeben. Und dann kräftig lachen.

Interessanter ist aber, dass die Polizisten überhaupt auf die Idee gekommen ist, den Beschuldigten ohne einen Dolmetscher zu vernehmen, nachdem sie die Sprachinkompatibilität festgestellt hatte. Denn so ein Vorgehen lässt sich, wenig überraschend, mit der Strafprozessordnung nicht vereinbaren.

So ist nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren schon bei der ersten Vernehmung aktenkundig zu machen, ob der Beschuldigte hinreichende Deutschkenntnisse hat, so dass ein Dolmetscher entbehrlich ist. Ausreichende Sprachkenntnisse müssen also positiv festgestellt werden. Gelingt dies nicht, muss im Zweifel ein Dolmetscher ran – und eben keine Maschine. Noch dazu eine Maschine bzw. Software, die alle eingegebenen Daten an unbekannter Stelle verarbeitet und vielleicht sogar speichert.

Ansonsten erklären die in dem verlinkten Artikel zitierten Juristen sehr nachvollziehbar, was da bei der Essener Polizei schiefgelaufen ist. Nachdenklich macht mich die Weigerung der Staatsanwaltschaft, Auskunft zu geben, ob es sich hier nur um einen bedauerlichen Einzelfall handelt oder ob solche Praktiken geduldet werden.

Schweigen ist keine Zustimmung

Wenn (Ex-)Mandanten oder Dritte sich über Anwälte beschweren, leiten die Rechtsanwaltskammern Verfahren ein. Dadurch werden die Beschwerdeführer aber nicht zu Beteiligten, stellt der Bundesgerichtshof jetzt in einem Beschluss klar. Das hat Folgen für die Weitergabe von Informationen. So ist es nach der Entscheidung unzulässig, wenn die Kammer dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des Anwalts zu den Vorwürfen übersendet.

Das gilt jedenfalls so lange, wie der Anwalt nicht ausdrücklich zustimmt. Bisher war es so, dass die meisten Kammern den Beschwerdeführern eine Kopie der Stellungnahme schickten, sofern der Anwalt nicht ausdrücklich widersprach. Wobei es nur natürlich ist, dass ein Widerspruch dann oft schon als halbes Schuldeingeständnis galt.

Die bisherige Praxis ist unzulässig, so das Gericht. Es müsse stets das ausdrückliche Einverständnis des Anwalts vorliegen. Tut es dies nicht, darf seine Stellungnahme nur vom Kammervorstand gelesen werden.

Bericht in der LTO

Breivik klagt gegen Isolation

Die norwegische Justiz verhandelt seit heute über die Haftbedingungen von Anders Breivik. Der 37-Jährige hat 2011 ein Massaker mit 77 Opfern angerichtet. Breivik geht es darum, dass er seit seiner Festnahme ununterbrochen in einer Art Isolationshaft sitzt. Diese Haftbedingungen fügen ihm, so sein Anwalt, psychische und physische Schäden zu.

Breivik hat ausschließlich Kontakt mit Gefängnispersonal, berichtet die FAZ. Mithäftlinge bekommt er nicht zu Gesicht. Seine Post wird zensiert. In der ganzen Zeit hat er erst zwei private Besuche empfangen, darunter einen von seiner mittlerweile verstorbenen Mutter. Selbst seinen Anwalt darf er nur hinter einer Trennscheibe sprechen.

Auch in Norwegen gilt die Europäische Menschenrechtskonvention. Nach Art. 3 darf „niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“. Das dürfte also am Ende der juristische Prüfungsmaßstab sein, sofern Breivik wie schon angekündigt im Falle einer Niederlage vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zieht.

Es wird also am Ende darauf ankommen, welche sachlichen Gründe es für Breiviks Behandlung gibt. Denn ganz ohne sachlichen Grund, so viel ist klar, wäre Isolation nicht nur eine unwürdige Behandlung, sondern sogar verbotene Folter. Die Osloer Richter nehmen sich jedenfalls mehrere Tage Zeit, um den Fall – und wahrscheinlich hauptsächlich Breiviks Gefährlichkeit – zu prüfen. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Denn die Qualität eines Rechtsstaates zeigt sich gerade auch daran, wie souverän er mit seinen schwierigsten Fällen umgeht.