Doppeltes Pech

Wer am Busbahnhof in den falschen Bus steigt, ist selbst schuld. Das gilt auch dann, wenn die Fahrgäste beim Einsteigen dem Busfahrer ihre Fahrscheine zeigen, so ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München.

Zwei Reisende waren auf dem Weg von Hamburg nach Hagen gestrandet, weil sie versehentlich den Fernbus nach Frankfurt genommen hatten. Das fiel erst bei einem Rast in Hannover auf. Insgesamt verlangten die Fahrgäste 180 Euro Schadensersatz von dem Münchner Busanbieter.

Wenig überraschend kommt das Amtsgericht München zu dem Ergebnis, dass Reisende grundsätzlich selbst schauen müssen, ob sie das richtige Verkehrsmittel besteigen. Interessantes Detail war dagegen die Frage, ob dem Busfahrer der Fehler nicht hätte auffallen müssen. Dem hatten die Passagiere nämlich ihre Tickets beim Einsteigen gezeigt.

Das Amtsgericht München meint hierzu, es bestehe keine Rechtspflicht, Passagiere am Einsteigen in einen falschen Bus zu hindern. Ich bin mir sicher, da würden viele Richter zumindest eine Mithaftung des Veranstalters bejahen. Insoweit hatten die Reisenden also doppelt Pech (Aktenzeichen 122 C 7088/15).

Die besten Erfahrungen

Mich rief ein Mandant an, nachdem er Besuch von der Polizei hatte. Ein Beamter hatte bei ihm am späten Nachmittag geklingelt. Er wolle gern mal reinkommen und „reden“, erklärte der Polizist. Aber mein Mandant könne beruhigt sein. „Sie sind nur Zeuge.“

Allerdings war mein Mandant davon wenig erbaut. Er wusste auch überhaupt nicht, um was es eigentlich gehen soll. Er weigerte sich also höflich aber bestimmt, irgendwas als „Zeuge“ zu sagen. Obwohl ihm der Beamte natürlich das erzählte, was Polizisten widerspenstigen Zeugen gerne sagen. Dass Zeugen im Gegensatz zu Beschuldigten keine Schweigerechte haben und deshalb Auskunft geben müssen.

Was ja im Grundsatz sogar richtig ist. Nur leider vergessen Polizisten in diesem Zusammenhang gerne zu erwähnen, dass die Aussagepflicht zwar besteht, aber nicht ihnen gegenüber. Nur vor dem Staatsanwalt müssen Zeugen aussagen, und natürlich vor einem Richter.

Nun ja, so viel Beharrlichkeit war der Polizist wohl nicht gewöhnt. Er erklärte meinem Mandanten dann, dass er auch anders könne. „Wenn Sie nicht mit mir sprechen wollen, stufe ich Sie halt zum Beschuldigten hoch.“ Das war wohl in dem Sinne gemeint, dass mein Mandant jetzt selbst schuld an seiner Lage ist, wenn er sich so halsstarrig zeigt.

Aber auch damit stieß der Beamte auf Granit. Vielmehr musste er ohne „Gespräch“ von dannen ziehen und am nächsten Tag mit mir als Anwalt des Betroffenen telefonieren. Bei der Gelegenheit habe ich ihn dann auch mal ganz offen gefragt, ob es wirklich stimmt, dass er erst mal mit meinem Mandanten als „Zeugen“ plaudern wollte. Und das, obwohl er natürlich zu dem Zeitpunkt lässt einen konkreten Tatverdacht hatte. Was nach der Sachlage, die ich nun einige Zeit später nach Akteneinsicht kenne, auch gar nicht zu leugnen war.

„Wissen Sie“, sagte der Beamte, „mit der Methode mache ich eigentlich immer gute Erfahrungen. Es will ja auch nicht jeder zum Anwalt, so wie Ihr Mandant.“ Na ja, ich habe diesen kreativen Umgang mit der Strafprozessordnung nicht vertieft. Wäre ja doch nichts dabei rausgekommen. Meinem Mandanten musste ich dann allerdings eine Dienstaufsichtsbeschwerde ausreden. Die Ermittlungsakte ist ja „sauber“ – und uns beiden hätte am Ende ja doch keiner geglaubt.

Nur die Schöffen fehlen

Termin am Schöffengericht. Fast alle waren da. Zwei Angeklagte. Fünf Anwälte, einige davon ein gutes Stück angereist. Eine Staatsanwältin. Der Richter. Nur die Schöffen, ohne die es am Schöffengericht nun mal nicht geht, ließen sich nicht blicken.

Wenn gleich beide ehrenamtlichen Richter fehlen, die ja außerhalb des Gerichts im Regelfall nichts miteinander zu tun haben, ist sicher was gründlich schiefgelaufen. Was sich garantiert auch nicht kurzfristig reparieren lässt. Genau das war der Fall. Wie sich herausstellte, hatte jemand im Computer falsch geklickt und den Schöffen schon vor Tagen eine Mitteilung geschickt, dass der Termin ausfällt.

Damit war der Termin geplatzt, denn auch Schöffen sind gesetzliche Richter. Man kann sie nicht einfach durch andere ersetzen, die vielleicht gerade in der Gerichtskantine sitzen oder in der Nähe wohnen. Jetzt gibt es einen neuen Termin im November. Für die Angeklagten ist das Ganze erst mal am wenigstens spaßig, denn einen halben Arbeitstag gibt’s natürlich von keinem Anwalt geschenkt. Weitere Hoffnungen brauchen sie sich nicht zu machen: Die Justiz steht für den Fehler finanziell garantiert nicht ein.

Selbstjustiz gegen Falschparker

Wer aus Wut gegen ein falsch geparktes Auto tritt, darf auf keine Gnade hoffen. Jedenfalls nicht vor Gericht.

Ein Zeitungsbote ärgerte sich über ein Auto, das auf dem Gehweg vor einer Bank geparkt war. Der Autofahrer zog Geld am Automaten. Das falsch geparkte Auto erboste den Zeitungsboten so sehr, dass er gegen die Wagentür trat. Außerdem stieß er seinen Zeitungswagen gegen das Auto.

Vor Gericht machte der Zeitungsbote geltend, den Autofahrer treffe zumindest ein Mitverschulden, denn immerhin habe der Mann sein Auto vorschriftswidrig auf dem Gehweg geparkt. Deshalb müsse er jedenfalls nicht den gesamten Schaden in Höhe von 986,78 Euro erstatten.

Das Amtsgericht München konnte sich mit dieser Argumentation nicht anfreunden. Zwar habe der Autofahrer selbst ordnungswidrig gehandelt. Falschparken rechtfertige jedoch keine vorsätzliche Sachbeschädigung. Anders wäre es höchstens, wenn das Auto unabsichtlich bei dem Versuch beschädigt wird, die Engstelle zu passieren (Aktenzeichen 122 C 2495/15).

Ungeliebte Kosten

Bußgeldstellen kennen sich eigentlich mit Paragrafen aus. Sie sollten es jedenfalls. Außerdem sind die Arbeitsabläufe dort weitgehend computerisiert. Soweit Sachbearbeiter eine Entscheidung treffen, folgen Sie regelmäßig von ihrer EDV vorgegebenen Pfaden.

Umso erstaunlicher, dass das Bearbeitungssystem in einem Punkt oft zu haken scheint. Nämlich dann, wenn Bußgeldbehörden für eigene Fehlentscheidungen gerade stehen müssen. Etwa, wenn sie einen Bußgeldbescheid aufheben müssen, weil die Argumente meines Mandanten nicht zu widerlegen sind.

Wird ein Bußgeldbescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt, darf es jedoch dabei nicht verbleiben. Vielmehr muss der Bußgeldbescheid auch eine Entscheidung darüber enthalten, wer die Kosten trägt. Die sogenannte Auslagenentscheidung ist gesetzlich vorgeschrieben; ein Ermessen gibt es nicht. Bei der Aufhebung eines Bußgeldbescheides ist es natürlich regelmäßig so, dass die Kosten der Behörde zur Last fallen.

Aktuell habe ich einen Brief der Stadt Düsseldorf auf dem Tisch, der die erfreuliche Mitteilung über die Aufhebung des Bußgeldbescheids enthält. Aber eben keine Kostenentscheidung. Das Versäumnis ist jetzt zwar nicht so ungewöhnlich, aber immer wieder bemerkenswert. Sicher hat der böse Sachbearbeiter seinen Computer eigenmächtig ausgetrickst, um die doch sicherlich vorhandene Routine „Kostenentscheidung bei Aufhebung eines Bußgeldbescheids“ zu umgehen.

07:30 Uhr

Aus einer Vorladung der Polizei (Schreibeweise original):

… ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich. Sie werden daher geben, am Donnerstag, 27.08.2015 um 07:30 Uhr bei Verkehrskommissariat 2 Hammer Straße 234 48153 Münster … vorzusprechen.

Die Uhrzeit klingt ja doch wie ein guter Trick, um die Zahl der Leute, die ohne jede Verpflichtung so einer Vorladung Folge leisten, noch ein wenig mehr drücken.

„Mehrere Netzwerkkabel“

In einem Strafverfahren geht es darum, wer Zugriff auf einen Homeserver nehmen konnte. Denn auf dem Server waren Daten gespeichert, die dort nicht hätten sein dürfen.

Die Polizeibeamten, die zur Durchsuchung anrückten, hatten einen Durchsuchungsbeschluss, der auf drei Bewohner des fraglichen Hauses ausgestellt war. Sie durchsuchten also deren Räume. Im Bericht klingt das so, als seien damit alle Räume des Einfamilienhauses durchsucht worden. Womit dann sozusagen auch alle Hausbewohner erfasst gewesen wären, die – abgesehen von sonstigen Besuchern – als Täter in Frage kommen.

Im nachhinein stellt sich aber raus, dass das wohl doch nicht der Fall war. Im Dachgeschoss befinden sich nämlich noch zwei Räume, ein Bad und eine Küche, die durch eine Tür abgetrennt sind. Dort wohnt die Tochter des Hausbesitzers. Die war allerdings nicht im Durchsuchungsbeschluss aufgeführt und auch nicht anwesend. Das hatte zur Folge, dass die Polizeibeamten sich um diese Räume nicht kümmerten. Vermutlich weil sie die Mühe scheuten, den Durchsuchungsbeschluss ergänzen zu lassen.

Im nachhinein ist mir deshalb auch klar, wieso im Durchsuchungsbericht nur kryptisch davon die Rede ist, es würden „mehrere Netzwerkkabel durch die Betondecke in die oberen Etagen“ laufen. Normalerweise wäre es ja sinnvoll reinzuschreiben, wohin diese Netzwerkkabel gehen. Aber dann hätte man halt auch erwähnen müssen, dass ein Netzwerkkabel ins Dachgeschoss führte, das aber gar nicht betreten wurde. Mit der Folge, dass jetzt niemand sagen kann, welche Rechner denn in diesem Geschoss angeschlossen waren.

Wobei ich natürlich nicht sagen will, dass ich als Verteidiger über dieses Ergebnis unglücklich wäre. Nun haben wir nämlich einen Draht mehr zu dem Server, zu dem sich rein gar nichts mehr feststellen lässt. Noch besser wird es durch den Umstand, dass die Tochter an ihrem Netzwerkanschluss ein eigenes WLAN betrieben hat, was die Beamten dankenswerterweise noch selbst durch eine Liste der in der Siedlung aktiven Drahtlosnetzwerke dokumentiert haben.

Bei so einer Konstellation muss man immer daran denken: Im Strafprozess muss der Angeklagte nicht seine Unschuld belegen. Sondern ihm muss seine Schuld nachgewiesen werden. Darauf kann man oft aufbauen, in diesem Fall aber ganz besonders.

Big Brother hört auf Mutti

In meiner aktuellen Kolumne für die ARAG stelle ich die Frage: „Kommen jetzt die Drohnen-Eltern?“ Gemeint sind Eltern, die ihren Nachwuchs an die kurze elektronische Leine nehmen. Sie überwachen ihre Kinder mit sogenannten Nanny-Apps, die jederzeit den aktuellen Standort von Sohn oder Tochter verraten.

Hier geht es zur Kolumne.

Außerdem gibt es einen neuen Beitrag für meine Video-Kolumne auf Youtube. Thema: „Bilder auf Facebook: Kleines Foto, große Rechnung“. Bitte hier anschauen:

Amtliches Pathos, greifbare Irreführung

„Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.“ Das steht als Überschrift fett in dem Brief, den mein Mandant erhalten hat. Absender ist die Kriminalpolizei in Nürnberg. Weiter heißt es, die erkennungsdienstliche Behandlung meines Mandanten sei „erforderlich“. Wenn er aus „zwingenden Gründen“ nicht zur Dienststelle kommen könne, möge er einen neuen Termin mit dem Sachbearbeiter vereinbaren.

Interessanterweise findet sich in dem Schreiben zunächst kein einziger klarer Hinweis, dass die Ladung so unverbindlich ist wie die Postwurfsendung der Asia-Massage um die Ecke. Mein Mandant muss zum jetzigen Zeitpunkt nämlich gar nichts. Denn es es geht um eine ED-Behandlung im Rahmen der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung. Bei dieser Form der ED-Behandlung muss man nur mitwirken, wenn die Polizei einen entsprechenden Bescheid erlassen hat – gegen den man je nach Bundesland Widerspruch einlegen oder klagen kann. Wobei beides im Regelfall aufschiebende Wirkung hat.

Deshalb ist es auch reichlich merkwürdig, dass in dem Schreiben der Eindruck erweckt wird, nur bei „zwingenden Gründen“ müsse der Betroffene nicht erscheinen. Nein, tatsächlich kann er wegbleiben, wenn er einfach keine Lust oder an dem Tag schon einen Massagetermin hat. Was ja auch eher kein zwingender Grund ist.

Nur ganz am Ende des Schreibens erfährt der bis dahin schon eingeschüchterte Leser, dass gegebenenfalls ein förmlicher Bescheid erst noch erlassen wird, sollte er nicht kommen. Verbunden ist das dann mit dem Hinweis, dieser Bescheid könne „zwangsweise und kostenpflichtig durchgesetzt“ werden. Auch hier natürlich keinerlei Hinweis darauf, dass der mögliche Bescheid kein Gottesurteil wäre, sondern dass man sich dagegen juristisch immer noch ausgiebig wehren kann. Mit ganz guten Erfolgsaussichten übrigens.

Ich weiß nicht, ob Polizeibehörden stolz darauf sind, wenn sie solche Briefe verfassen. Mich hinterlässt es jedes Mal irritiert, wenn sich amtliches Pathos mit greifbarer Irreführung paart. Ich frage mich dann immer, ob sie das wirklich nötig haben. Womöglich ja.

Dantis Tod im Lichte der Paragrafen

Im Berliner Volkspark Humboldthain hat ein Polizeibeamter am frühen Montagabend seine Dienstwaffe gezogen und einen Hund erschossen. Der Polizist hatte vorher verlangt, dass das Tier angeleint wird. Dann fühlte er sich nach eigenen Angaben von dem Hund bedroht, weil dieser auf ihn zulief. Der Polizist zückte seine Waffe und tötete den Hund.

Die Geschichte um den Rhodesian Ridgeback namens „Danti“ schlägt mittlerweile hohe Wellen, wie man hier und hier nachlesen kann. Auf Facebook gibt es heftige Debatten und böse Worte gegen den Polizisten. Im Park wurde eine Mahnwache für den Hund abgehalten.

Juristisch ist der Fall nicht kompliziert. Das Ergebnis hängt weniger von Paragrafen ab, sondern vielmehr davon, wie er sich im einzelnen zugetragen hat. Von diesen Details, die bislang nicht öffentlich sind, ist die juristische Bewertung abhängig. Dennoch will ich einige Punkte aufzeigen, denn Schüsse auf Hunde machen munter weiter Schlagzeilen.

Wenn sich die Tötung Dantis am Ende juristisch nicht rechtfertigen lässt, hätte sich der Beamte zunächst wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB strafbar gemacht. Denn Tiere sind laut dem Gesetz zwar keine Sachen, aber die Vorschriften über die Sachen werden entsprechend auf sie angewendet. Außerdem hätte der Beamte ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund geötet, was nach § 17 TierschG eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren einbringen kann.

Der Staatsanwalt muss in dem Fall natürlich vorrangig prüfen, ob eine Notwehrlage gegeben war. Gegen Tiere selbst gibt es zwar keine Notwehr, aber möglicherweise gegen die Verantwortlichen für das Tier. Wenn der Mann, der den Hund ausführte, den Hund entgegen seiner Verpflichtung (die Juristen sprechen von „Garantenstellung“) nicht an dem Angriff gehindert hat, könnte man über eine Notwehrlage nach § 32 StGB diskutieren.

Egal ob Notwehr oder nicht, es gibt noch eine andere Norm, die den Schuss auf den Hund rechtfertigen kann. Es ist § 228 BGB. Dieser Paragraf trägt die Überschrift „Notstand“ und lautet wie folgt:

Wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch sie drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht widerrechtlich, wenn die Beschädigung oder die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr verschuldet, so ist er zum Schadensersatz verpflichtet.

Während das strafrechtliche Notwehrrecht ziemlich weit geht, enthält der Notstandsparagraf des BGB gleich einen doppelten Verhältnismäßigkeitsvorbehalt. Die Tat muss zur Abwendung der Gefahr erforderlich sein und der Schaden darf nicht außer Verhältnis zur Gefahr stehen. Ohne Kenntnis der Einzelheiten des Falles lässt da wie gesagt keine Bewertung abgeben.

Am interessantesten finde ich momentan die Frage, wieso ein Polizeibeamter in so einer Situation überhaupt seine Pistole aus dem Holster zieht. So weit ich weiß, haben Polizisten in Berlin standardmaßig ein Abwehrspray dabei. Das wirkt sicher nicht nur bei Menschen. Apropos Menschen. Der Vorfall soll sich am frühen Abend zugetragen haben, als der Park bei Sommerwetter gut besucht war. Da kann man froh sein, dass nicht ganz andere juristische Fragen zu beantworten sind.

Heizölkauf ist keine Spekulation

Wer sein Heizöl schriftlich, telefonisch, per Fax oder Mail bestellt, schließt einen Fernabsatzvertrag. Normalerweise gilt für Fernabsatzverträge ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Allerdings sollte das Widerrufrsrecht bei Heizöl ausgeschlossen sein, so Gerichtsurteile. Doch das ist nun doch nicht der Fall: Der Bundesgerichtshof entschied, dass für Heizöl keine Ausnahme gilt und der Vertrag fristgemäß ohne Begründung widerrufen werden darf. Das ist natürlich dann interessant, wenn es einen Preissprung nach unten gegeben hat.

Das Landgericht Bonn und andere Gerichte hatten Heizölkäufern kein Widerrufsrecht zugestanden, weil es sich bei dem Brennstoff um „spekulative Ware“ handele, bei welcher der Marktpreis schwankt. Für derartige Produkte, insbesondere Kapitalanlagen, gibt es tatsächlich Ausnahmen im Bürgerlichen Gesetzbuch (die Entscheidung erging zu einer älteren Fassung des Gesetzes).

Doch Heizöl ist nach dem Urteil kein Spekulationsobjekt. Verbraucher, so die Richter, füllen ihren Tank normalerweise zur Eigenversorgung und nicht, um durch den Weiterverkauf des Heizöls Gewinn zu machen. Deshalb gebe es keinen Grund, das Fernabsatzrecht zu beschränken. Das 14-tägige Widerrufsrecht gilt aber nur so lange, wie das Heizöl nicht im Tank ist (Link zum Urteil).

Dienstags in München

Hier mal wieder ein Beispiel dafür, wie man sich gegenüber der Polizei nicht verhalten sollte. Zumindest wenn man den Schaden durch eigenes Fehlverhalten minimieren möchte.

Die Polizei in München hielt am Dienstag einen 68-Jährigen an, der mit dem Auto die Kreilerstraße befuhr. Es handelte sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle. Der Autofahrer erklärte den Beamten, er habe nie eine Fahrerlaubnis besessen. Im Alter von 18 Jahren war er durch die Führerscheinprüfung gefallen. Einen weiteren Versuch, die Fahrerlaubnis zu erwerben, machte er in all den Jahren nicht.

Allerdings räumte er ein, in all den Jahren Auto gefahren zu sein. Sicher kommt ihm irgendwann noch der Gedanke, dass es da doch so was wie ein Schweigerecht gibt. Spätestens dann, wenn der Richter das Strafmaß verkündet und festlegt, wann der Betroffene es frühestens noch mal mit dem Führerschein probieren darf.

Unwürdig

Ein mehrfach vorbestrafter Jura-Absolvent darf kein Rechtsreferendariat ableisten. Das Oberverwaltungsgericht Münster hält ihn für „unwürdig“.

Der Betroffene ist Mitglied im Bundes- und Landesvorstand der Partei „Die Rechte“ sowie der mittlerweile verbotenen „Kameradschaft Hamm“. Er ist in der Zeit von 2004 bis 2015 insgesamt zehn Mal strafrechtlich verurteilt worden, unter anderem wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, mehrfacher Beleidigung, Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Mit seinem Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht wollte er nun erreichen, dass er zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Er berief sich auf sein Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und wies – nachvollziehbar – darauf hin, dass er ohne Zweites Staatsexamen nur ein „halber Jurist“ mit entsprechend schlechten Berufsaussichten ist.

Normalerweise spielen Vorstrafen beim Rechtsreferendariat erst eine Rolle, wenn der Bewerber mindestens zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Diese Grenze nennt das Ausbildungsgesetz als Regelfall. Das war bei dem Bewerber jedoch nicht der Fall, denn alle seine Strafen waren Geldstrafen oder deutlich kürzer. Dennoch, so das Oberverwaltungsgericht, sei der Mann „unwürdig“. Das wird folgendermaßen begründet:

Jeder Bewerber müsse die Erwartung rechtfertigen, er werde dem Berufsbild eines Volljuristen auch von seiner Persönlichkeit her im Verlauf der Ausbildungszeit gerecht. Der Vorbereitungsdienst diene der Ausbildung zu Berufen, deren wesentlicher Inhalt die Verwirklichung des Rechts sei. Vor diesem Hintergrund fehle es an der Würdigkeit, wenn der Bewerber schwer gegen das Recht verstoßen habe. Denn bereits während des Vorbereitungsdienstes müssten mitunter eigenverantwortlich Aufgaben für die ausbildenden Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden und Rechtsanwälte wahrgenommen werden.

Die politische Ausrichtung des Bewerbers wird mit keinem Wort erwähnt. Wenn es also nur auf die Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung ankommt, dann muss ich sagen, haben einige mir bekannte Volljuristen durchaus Glück gehabt. Ich kenne etwa einen eingefleischten Ultra, der in seiner Karriere als Fußballfan mindestens ebenso viele kleinere Vorstrafen gesammelt hat. Dennoch ist er heute Volljurist und Partner einer mittelständischischen Kanzlei.

Außerdem fällt mir ein agiler Mandant ein. Er hat sich sein Jurastudium und seinen ersten Ferrari mit pfiffigen Anlagemodellen für Leute mit zu viel Schwarzgeld verdient. Nach seinen paar Verurteilungen, um die wir am Ende nicht herumkamen, hat bei seiner Einstellung in den Vorbereitungsdienst kein Hahn gekräht.

Das kann man im Vergleich zu dem aktuellen Fall seltsam finden, ich tue es jedenfalls. Das heißt nicht, dass ich die Gesinnung des Bewerbers sympathisch finde. Ihm aber deswegen die Tür in eine berufliche Zukunft zuzuschlagen, finde ich ebenso wenig sympathisch (Aktenzeichen 6 B 733/15).

Juristischer Erfolg für Parkplatz-Geier

Das Landgericht München I hat den Geschäftsführer eines großen Abschleppunternehmens freigesprochen. Der Vorwurf lautete auf Erpressung. Die Firma schleppt im gesamten Bundesgebiet im Auftrag von Grundstücksbesitzern Falschparker ab. Bis zu 340 Euro soll die Firma von den Fahrern verlangt haben, damit diese ihr Auto wiederbekommen. Teilweise soll den Autobesitzern ohne Zahlung noch nicht mal gesagt worden sein, wo sich ihr Fahrzeug befindet.

Die 29 angeklagten Fälle seien jedenfalls keine Erpressung, lautet das Urteil. Die Vorsitzende des Gerichts betonte, in allen Fällen seien die Fahrzeuge unberechtigt geparkt gewesen. Das habe die Abschleppfirma lückenlos belegen können. Auch keiner der rund 100 vernommenen Zeugen habe behauptet, die Autos seien rechtmäßig geparkt gewesen. Die Beschilderung sei Eindeutig gewesen. Außerdem hätten die Parkplatzbesitzer teilweise sogar Flugblätter verteilt, mit denen sie das Abschleppen androhten.

Das Gericht betonte, das Urteil sei kein Freibrief für das Geschäftsmodell. In allen Fällen sei der Nachweis aber nicht gelungen, dass die Firma vorsätzlich einen so überhöhten Betrag verlangt habe, der die Schwelle zur Strafbarkeit überschreite.

Details zu den rechtlichen Erwägungen nennen weder die Pressemitteilung des Gerichts noch die Medienberichte. Juristische Grundlage für das Verhalten der Abschleppfirma ist aber das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB. Danach kann die Herausgabe einer Sache verweigert werden, wenn berechtigte Gegenansprüche bestehen. Das wären in diesem Fall die Abschleppkosten.

Allerdings ist das juristisch alles sehr komplex. Die Abschleppfirma hat ja selbst gar keinen Anspruch gegen den Falschparker. Dieser steht allenfalls dem Grundstücksbesitzer zu. Dann stellen sich noch etliche weitere Fragen: Liegt überhaupt ein „Schaden“ vor, etwa, wenn ein falsch geparktes Auto auf einem weitgehend leeren Supermarktparkplatz steht? Sind die „Aufwendungen“ ( = Abschleppkosten) stets erforderlich und wenn ja, in welcher Höhe? Bedarf die Abschleppfirma einer Inkassoerlaubnis? Was ist, wenn der Halter des Fahrzeugs das Auto gar nicht selbst falsch geparkt hat?

Die Aufzählung lässt sich noch lange fortsetzen. Und dann hätte man erst die zivilrechtlichen Vorfragen abgearbeitet, bevor man sich dann dem auch nicht unkomplizierten Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB) zuwenden darf. Es ist also keineswegs ausgemacht, dass die Entscheidung des Landgerichts München I Bestand hat. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision angekündigt, so dass wir hoffentlich bald Näheres vom Bundesgerichtshof erfahren werden.

Dortmund bleibt „sauber“

Die Stadt Dortmund ist in ihrem heroischen Kampf gegen die Straßenprostitution einen Schritt weiter. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte nun, dass in Dortmund kein Straßenstrich geduldet werden muss.

Dabei ist die Begründung höchst bemerkenswert: In ganz (!) Dortmund, so die Stadtverwaltung und die Bezirksregierung Arnsberg, stehe kein einziges Gebiet zur Verfügung, das einen Straßenstrich „verkraften“ kann. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Zahl der Sexarbeiterinnen in dem Marktsegment während der letzten Jahre enorm zugenommen hat. Von einer Verdreifachung binnen kürzester Zeit war die Rede, als die Stadt im Jahre 2011 den Strich an der Ravensburger Straße schließen ließ und Straßenprostitution komplett untersagte.

Die Richter des Oberverwaltungsgerichts halten unter diesen Umständen die Annahme für gerechtfertigt, ein solcher Straßenstrich werde egal an welcher Stelle immer auch schutzbedürftige Gebiete räumlich betreffen. Dies habe zur Folge, dass „sozialunverträglicher Konfronta­tion unbeteiligter Dritter“ – Kinder, Jugendlicher und Erwachsener – mit der Prostitu­tionsausübung beziehungsweise deren unliebsamen Begleiterscheinungen kommen könne. Deshalb sei das generelle Verbot gerechtfertigt.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte in der Vorinstanz zwar die Schließung des Strichs an der Ravensburger Straße gebilligt. Es verpflichtete die Stadt Dortmund aber, nach einem geeigneten Standort zu suchen. Dazu war die Stadt aber nciht bereit.

Der Anwalt der Klägerin hat laut Spiegel Online Rechtsmittel angekündigt. Er sieht – zu Recht – die Berufsfreiheit seiner Mandantin und ihrer Kollegen über Gebühr eingeschränkt. Das Urteil wird überdies sicher auch in anderen Städten aufmerksam gelesen werden (Aktenzeichen