Ende einer innigen Liebe

+++ Adblocker sind zulässig, entschied das Landgericht Hamburg. In dem Rechtsstreit ging es um Adblock Plus. Das Besondere hier ist, dass der Betreiber bestimmte Werbung durchlässt – auch gegen Bezahlung. Hiergegen hatten Zeit Online und Handelsblatt geklagt. +++

+++ Er wurde wegen Mordes angeklagt, am Ende blieb eine zweijährige Bewährungsstrafe. Ein 85-Jähriger wollte mit seiner schwerkranken, dementen Ehefrau in den Tod gehen, überlebte jedoch selbst. Das Landgericht Köln hielt dem Mann zu Gute, dass er auch zum Ende einer „innigen Liebe“ an sich nur das Beste wollte. +++

+++ Die Neue Richtervereinigung (NRV) nimmt die neuen Pläne zur Vorratsdatenspeicherung „mit Befremden“ zur Kenntnis. Es gebe keine nachvollziehbaren Gründe für so eine Beschneidung der Bürgerrechte. Es sei „bedauerlich und kleinmütig“, auf die Überwachung aller Bürger zu setzen, heißt es in einem Statement der NRV-Fachgruppe Strafrecht. +++

+++ Ein Richter darf ermahnt und zu schnellerer Arbeit angehalten werden, wenn er deutlich weniger Fälle erledigt als seine Kollegen. Der Dienstgerichtshof für Richter in Stuttgart bestätigte, dass die Gerichtspräsidentin mit ihrer Ermahnung die richterliche Unabhängigkeit nicht verletzt hat. +++

Es kann doch nicht sein, dass …

Völlig zu Recht hat die Staatsanwaltschaft Berlin Ermittlungen gegen eine Lehrerin eingestellt, die im Musikunterricht das Hort-Wessel-Lied vorgespielt hatte. Ebenso wie sie ihren Schülern den „Kälbermarsch“ von Bertolt Brecht näher brachte, der das Horst-Wessel-Lied parodiert.

Das Ganze war Teil des Oberstufenunterrichts in Musik, wo nach dem Lehrplan auch „die Funktionalisierung von Musik im Dienste politischer, religiöser und wirtschaftlicher Interessen“ behandelt werden soll. Ein Berliner Lokalpolitiker hatte sich darüber empört und Strafanzeige erstattet.

Diese Anzeige entbehrt allerdings jeglicher Grundlage. Zwar fällt das Horst-Wessel-Lied als nationalsozialistische Hymne unter § 86a Strafgesetzbuch. Allerdings sind historische nationalsozialistische Symbole und Propagandamittel nicht schlechterdings verboten. So heißt es hierzu recht deutlich im Gesetz:

(Das) gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

Der betreffende Politiker will diese Wertung des Gesetzes laut Spiegel Online aber nicht akzeptieren und erwägt eine „Es kann doch nicht sein, dass…“-Beschwerde.

Ein Autogramm vom Diktator

Mit einem Autogrammwunsch an den syrischen Diktator Assad hat ein 27-Jähriger aus dem Siegerland ungewollte Popularität erlangt. Seine Mail an Assad wurde, neben vielen anderen Dokumenten auch, von Wikileaks veröffentlicht und von Google indiziert.

Vor dem Landgericht Siegen verklagte der Autogrammsammler Google auf Löschung der Fundstellen mit seinem Namen. Es kam zu einem Vergleich: Google wird die Verweise löschen, übernimmt aber keine Haftung, wenn die Links wieder auftauschen.

Die Google-Zentrale muss dem Vergleich noch zustimmen.

Ein Autogramm hat der Sammler übrigens nie erhalten.

Bericht in der Legal Tribune Online

Fall Middelhoff: Wer hätte das ahnen können?

Das Landgericht Essen hat den Haftbefehl gegen Thomas Middelhoff außer Vollzug gesetzt. Vier Monate ist es her, dass der Ex-Arcandor-Chef bei der Verkündung seines Strafurteils im Gerichtssaal festgenommen wurde, nachdem er monatelang jeden Tag brav zur Verhandlung gekommen war.

Bekannt ist bislang: Middelhoff muss Auflagen erfüllen. Dazu gehören normalerweise Meldepflichten auf der Polizeiwache, die Abgabe von Reisepapieren. Middelhoff selbst hatte eine Kaution von 900.000 Euro angeboten. Weitere Einzelheiten nennt das Gericht nicht, da Middelhoff zuerst informiert werden müsse.

Interessant wird sein, warum in diesem Fall der Vollzug der Untersuchungshaft nun enden kann. Laut Presseberichten heißt es aus dem nordrhein-westfälischen Justizministerium, ausschlaggebend für die plötzliche Milde sei gerade nicht Middelhoffs Erkrankung. Sondern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, nach dem die Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur verhängten Strafe stehen darf. Bei Middelhoff also drei Jahre Gefängnis, ein eher kurze Zeit.

Sollte dies zutreffen, stellt sich die Frage, wieso es überhaupt zu einer Inhaftierung Middelhoffs kam. Denn auch dem Landgericht Essen war bei der Urteilsverkündung klar, dass vor einer möglichen Rechtskraft des Urteils fünf bis zwölf Monate vergehen werden. So lange braucht der Bundesgerichtshof nämlich normalerweise, um über Revisionen zu entscheiden. Wobei natürlich auch die Möglichkeit besteht, dass das Urteil wegen Fehlern aufgehoben wird.

Auch wenn das Urteil Bestand hat, könnnte Middelhoff bei guter Führung auf eine Entlassung nach der Hälfte seiner Strafe, spätestens nach zwei Dritteln hoffen. Also nach 18 bzw. 24 Monaten. Überdies hat er bei so einer relativ geringen Strafe beste Aussichten auf offenen Vollzug.

Dass Middelhoffs Untersuchungshaft geradezu zwangsläufig unverhältnismäßig wird, hätte man also problemlos absehen können. Insofern hat sich der „Zeitplan“ nicht geändert. Da stellt sich natürlich die Frage, wie eine Untersuchungshaft anfänglich für verhältnismäßig gehalten werden kann, wenn man schon von Anfang an sehenden Auges wissen konnte, dass sie bei normaler Entwicklung der Dinge unverhältnismäßig wird.

Das lässt sich dann nur so erklären, dass durch die bereits jetzt „verbüßten“ vier Monate der Fluchtanreiz irgendwie gemindert wurde, weil die Untersuchungshaft auf eine Haftstrafe angerechnet wird. So eine Argumentation ist aber bedenklich, weil ein faktischer Vorabvollzug kein Motiv für Untersuchungshaft sein darf – jedenfalls nicht aus rechtsstaatlicher Sicht. Sollte Middelhoff nämlich noch freigesprochen werden, kann ihm keiner die Monate wiedergeben.

Wenn Middelhoffs Erkrankung also keine Rolle spielen sollte, stellen sich eigentlich noch mehr Fragen als bei verschlechterter Gesundheit. Allerdings kann ich, wie wohl jeder Strafverteidiger auch, aus Erfahrung sagen: Diese Fragen werden auch in weniger prominenten Fällen, in denen es ganz ähnlich läuft, immer wieder gestellt. Antworten kriegt man allerdings fast nie.

Die schlichte Schönheit der Nebenabrede

+++ VDS 1: Wir kennen nur die offiziellen Leitlinien zur Vorratsdatenspeicherung. Aber es gibt wohl auch eine „Nebenabrede“, die man uns vorenthält. Dort steht zum angeblich strengen Richtervorbehalt was völlig anderes drin, berichtet netzpolitik.org. +++

+++ VDS 2: Noch liegt noch nicht mal ein Gesetzentwurf für die geplante Vorratsdatenspeicherung vor. Gleichwohl möchte die Regierungskoalition die zusätzliche Überwachung möglichst schnell verabschieden. Schon vor der Sommerpause könne das Gesetz unter Dach und Fach sein, heißt es. Der Grund für die Eile dürfte oben stehen. +++

+++ Das FBI hat in Gerichtsverfahren lange Zeit falsche Haaranalysen vorgelegt. Neuere DNA-Analysen belegen, dass eine unglaublich hohe Quote der Gutachten nicht zutraf. Betroffen sind auch Fälle, in denen Todesurteile verhängt und vollstreckt wurden. +++

+++ Die Piratenfraktion im schleswig-holsteinischen Landtag setzt sich dafür ein, dass bei Wahlen in den Wahlkabinen nur noch nicht radierbare Stifte ausgelegt werden. Gerade die Verwendung von radierbaren Bleistiften führt nach Angaben des Abgeordneten Patrick Breyer immer wieder zu Unverständnis der Wähler und auch zu Anfechtungen. Eine Expertenanhörung im Wahlausschuss ergab, dass auch im Norden Bleistiftes wohl bald ausgedient haben könnten. +++

Zermürbung à la Debcon

Sonst erzähle ich ja immer gerne, zu welchen schriftstellerischen Höchstleistungen sich das Bottroper Inkassobüro Debcon aufschwingt. In der Disziplin Bettelbriefe ist die Firma unangefochtene Königin (siehe hier und hier). Heute habe ich allerdings mal etwas anderes gemacht – nämlich eine Beschwerde gegen Debcon geschrieben.

Die Firma verschickt derzeit in Filesharing-Fällen „Saldenaufstellungen“ an vermeintliche Schuldner. Bei unserem Mandanten, der in der Tabelle sinnigerweise als „Forderungsinhaber“ aufgeführt wird, lautet der Saldo auf 322,10 Euro Schadensersatz.

Im Text findet sich dann folgender Hinweis:

Etwaige Einwendungen müssen unverzüglich schriftlich binnen 7 Werktagen bei der Debcon GmbH, Postfach 100345, 46203 Bottrop, geltend gemacht werden.

Solche Formulierungen kennt man von der eigenen Bank. Oder den Stadtwerken. Klar, dass dies so manchen Empfänger verunsichert. Und genau das ist natürlich auch Sinn der Aktion. Denn tatsächlich „muss“ der Empfänger in solchen Mahnverfahren gar nichts, schon gar nicht „unverzüglich“. Jedenfalls dann nicht, wenn er der Forderung anfangs einmal widersprochen hat. Das haben wir natürlich längst gemacht.

Die Taktik erinnert an die bislang so beliebten, aber letztlich juristisch ebenso inhaltsleeren Schufa-Drohungen. Denen haben diverse Gerichte in letzter Zeit den Hahn abgedreht.

Ich habe die Sache jetzt mal an das Oberlandesgericht Hamm geschickt. Das ist die Aufsichtsbehörde für Debcon.

Blitzer: Juristisch riskantes Outsourcing

Bei angeblichen Tempoverstößen lohnt es sich durchaus, das Augenmerk mal auf eine Frage zu richten, die sich nicht unbedingt in den Vordergrund drängt: Wer hat eigentlich die Messdaten ausgewertet?

Es kommt anscheinend immer öfter vor, dass die Polizei sich diese Arbeit nicht mehr macht. Sondern die Auswertung gleich als Dienstleistung einkauft, in der Regel wohl vom Hersteller der Blitzer. Allerdings ist die Auswertung von Ermittlungsergebnissen eine hoheitliche Aufgabe. Sie kann, ebenso wie die Messung selbst, nicht einfach so auf Private übertragen werden.

Im Zweifel kann diese Praxis dazu führen, dass die Messergebnisse unverwertbar sind. Ein Freispruch ist dann schon mal die Folge, wie zum Beispiel in aktuellen Urteilen des Amtsgerichts Kassel und des Amtsgerichts Parchim. Über das Urteil aus Parchim berichtet auch die Ostsee-Zeitung.

Urteil macht Bibliotheken attraktiver

Zwei aktuelle Urteile zum Urheberrecht:

Leseplätze in Bibliotheken: Bibliotheken dürfen gedruckte (Fach-)Bücher selbst digitalisieren und an Bildschirmleseplätzen zur Verfügung stellen. Die Technische Universität Darmstadt hatte ein Fachbuch digitalisiert und in der Bibliothek am Monitor angeboten, wogegen der Verlag klagte.

Das Angebot ist laut dem Bundesgerichtshof von den Ausnahmeregeln zum Urheberschutz gedeckt, die für Forschung und Lehre gelten. Das Urteil geht aber noch weiter. Es sei auch nicht zu beanstanden, wenn die Bibliothek es Nutzern ermöglicht, das Werk auf USB-Sticks zu kopieren. Dass dies in Darmstadt unberechtigt geschehen sei, habe der Verlag nicht dargelegt. Überdies spreche einiges für zulässige Privatkopien (Aktenzeichen I ZR 69/11).

Bushido: Der Rapper Bushido hat in seinem Plagiatsprozess einen Teilerfolg errungen. Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg auf. Dieses hatte Bushido bescheinigt, Musik der französischen Band Dark Sanctuary abgekupfert zu haben.

Dass die streitigen (kurzen) Tonpassagen tatsächlich die nötige Schöpfungshöhe aufweisen, hatten die Hamburger Richter aus eigener „Sachkunde“ geprüft. Der Bundesgerichtshof meint dagegen, das gehe nur mit Hilfe eines Sachverständigen (Aktenzeichen I ZR 225/12),

Entwarnung für kritische Kunden

Ein wichtiges Urteil für Online-Kunden, die auf den Feedbackseiten von Ebay, Amazon & Co. Nutzerbewertungen hinterlassen: Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass kritische Kundenbewertungen nicht ganz so einfach zu einer Haftung des Kunden führen. Die Richter wiesen eine 70.000-Euro-Klage eines Fliegengitterverkäufers ab, der wegen einer Nutzerbewertung angeblich enorme Geschäftsausfälle hatte.

Der Fall hatte hohe Wellen geschlagen. Diese dürften sich spätestens jetzt beruhigen. Nach Auffassung der Richter darf der Kunde auch Werturteile fällen. Eine Meinung könne keine Grundlage für Schadensersatzansprüche sein. Das ist so zu verstehen, dass jedenfalls inhaltlich noch vertretbare oder zumindest nachvollziehbare Bewertungen risikolos sind. Im Zweifel, so das Gericht, sei eher von einer Meinungsäußerung und nicht von einer – strenger überprüfbaren – Tatsachenbehauptung auszugehen.

Peinlich für den Verkäufer war in dem Fall, dass sich die vom Kunden kritisierte Bedienungsanleitung tatsächlich als falsch herausstellte. Die Maße stimmten nach gründlicher Überprüfung durch das Gericht definitiv nicht, so dass ein streng nach Anleitung gebautes Fliegengitter zu klein ausfallen musste (Aktenzeichen 27 U 3365/14).

Ich soll nicht lügen

„Die Akte wird für drei Tage übersandt“, stand auf dem Begleitschreiben des Gerichts. Der Brief ging mitsamt der Akte, in die wir Einsicht haben wollten, gestern bei uns ein.

Was allerdings den Mitarbeiter des betreffenden Gerichts nicht daran hinderte, vorhin einen Riesenwirbel in meinem Sekretariat zu machen. Und unter anderem mit „Folgen“ in Form einer Beschwerde bei der Anwaltskammer zu drohen, welche die angeblich verspätete Rücksendung der Akte haben werde.

Verspätet? Ich konnte dem Mann am Telefon zunächst auch nur sagen, dass wir die Akte gestern für drei Tage erhielten. Und dass wir sie mit Sicherheit schon heute, spätestens aber morgen wieder zurückschicken werden. Weil wir uns, sofern irgend möglich, immer mit der Rückgabe beeilen.

Er wollte mir das nicht glauben. „Das kann nicht stimmen, ich habe die Akte am 1. April rausgegeben.“ Er erklärte mir, die Poststelle brauche höchstens zwei Tage, bis der Brief in die Post geht. Deshalb solle ich ihn doch bitte nicht anlügen. Ich musste mich wirklich bemühen, bei dem Ton nicht die Contenance zu verlieren.

Dass Ostern war und vielleicht am Gericht mal was liegengeblieben ist – für ihn völlig außerhalb des Möglichen. Ich habe ihm dann auch nur sagen können, dass ich seinen Konsequenzen gelassen entgegensehe. Zur Sicherheit archiviere ich einfach den Briefumschlag des betreffenden Gerichts. Der trägt den Poststempel 13. April. Und da wir nun nachweislich nicht so viel Post von diesem Amtsgericht in Thüringen bekommen, kann mir das Kuvert ja vielleicht den Hintern retten. Ich sehe meine berufliche Zukunft also noch nicht gefährdet.

Keine Nackthaltung Gefangener

Ein Gefangener darf nicht nackt in seiner Zelle gehalten werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Raum videoüberwacht wird. Vielmehr muss dem Gefangenen zumindest schnell reißende Kleidung zur Verfügung gestellt werden, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Ein Gefangener, der als gefährlich für sich und andere eingeschätzt wurde, war im Kasseler Gefängnis nackt in eine Zelle für psychisch Auffällige gesperrt worden. Erst am folgenden Tag erhielt er Kleidung und eine Decke, obwohl der Raum dauerhaft per Video überwacht wurde.

Schon der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es laut dem Verfassungsgericht, einem Gefangenen stets ein Mindestmaß an Intimsphäre zu lassen. Hierfür gebe es schnell reißende Kleidung. Diese müsse sofort zur Verfügung gestellt werden (Aktenzeichen 2 BvR 1111/13).

Die Gründe, bitte

Gestern hat Bundesjustizminister Heiko Maas die Rahmenbedingungen einer neuen Vorratsdatenspeicherung vorgelegt. Diesen Begriff möchte man allerdings nicht mehr verwenden. Nun ist elegant von einer „Höchstspeicherfrist“ die Rede.

Das klingt ein wenig so, als wolle die Bundesregierung unbescholtene Bürger nicht in erheblichem Maße mehr überwachen, sondern uns vor irgendwas schützen. Eine massive Beschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte sprachlich so zu verpacken, ist vielleicht nur ein Detail. Aber ein vielsagendes.

Ansonsten wird nach Kräften der Eindruck erweckt, die Pläne seien doch nur eine Umsetzung rechtlicher Vorgaben. Dabei haben das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof lediglich festgestellt, dass die früheren Umsetzungen den Rahmen des rechtsstaatlich Erträglichen sprengen. Die Entscheidungen bedeuten aber keineswegs, dass wir uns eine Vorratsdatenspeicherung wünschen müssten. Oder sie gar tatsächlich brauchen.

Es wäre deshalb ein Fehler, die Debatte jetzt nur noch über das Wie der Vorratsdatenspeicherung zu führen. Auch ein kleineres Übel bleibt ein Übel. Deshalb geht es auch weiterhin vorrangig um die Frage, welche Gründe für eine Vorratsdatenspeicherung sprechen und ob diese erforderlich ist.

Hier gelten die wesentlichen Argumente uneingeschränkt weiter, die bereits die Debatte über die erste Vorratsdatenspeicherung beherrscht haben. Hier sind nach wie vor die Befürworter der Speicherung in der Pflicht nachzuweisen, dass eine Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte überhaupt einen Nutzen bringt, der den weiteren Ausverkauf des Grundgesetzes und europäischer Wertestandards verschmerzbar erscheinen lässt.

Wenn ich schon Verzicht üben und künftig in einem anderen Staat leben soll, der mich als potenziell Verdächtigen behanelt, dann möge man mir bitte plausibel erklären, warum. Ich hoffe, dass noch mehr diese Frage stellen.

TÜV-Plakette ist kein Freibrief

Bei besonders schwerwiegenden Mängeln eines Gebrauchtwagens kann der Kunde sofort vom Kaufvertrag zurücktreten. Er muss sich nicht auf „Nachbesserung“ verweisen lassen, wie sie das Gesetz normalerweise vorsieht. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Es ging um einen 13 Jahre alten Opel Zafira mit einer Laufleistung von 144.000 Kilometern. Hierfür hatte eine Käuferin 5.000 Euro bezahlt. Schon am Tag nach dem Kauf ging das Auto kaputt. Unter anderem stellte sich heraus, dass der Wagen wegen korrodierter Bremsleitungen verkehrsuntauglich war. Bei derart gravierenden Mängeln ist es laut dem Gericht dem Käufer nicht zumutbar, den Verkäufer vorher zur Nachbesserung aufzufordern.

Interessanterweise hatte der Wagen noch am Kauftag eine TÜV-Plakette erhalten. Aber auch das half dem Verkäufer nicht. Der Verkäufer müsse den Wagen selbst sorgfältig prüfen. Die Mängel hätten ihm deshalb auffallen müssen (Aktenzeichen VIII ZR 80/14).

Ein Blog macht nicht befangen

Ein Sachverständiger kann vor Gericht nicht bloß deswegen abgelehnt werden, weil er was ins Internet schreibt. Eine Versicherung hatte das gerichtliche Gutachten eines Kfz-Sachverständigen nicht akzeptieren wollen, weil dieser früher regelmäßig über seine Tätigkeit in einem Blog Beiträge veröffentlichte und auch heute dort noch kommentiert.

Die Versicherung störte sich insbesondere an der versicherungskritischen Haltung des betreffenden Blogs. Für das Oberlandesgericht Hamm bedeutet dies jedoch keine Befangenheit. Aus dem Beschluss:

… ist es sinnvoll, wenn sich an einer solchen Plattform auch Experten aus dem Bereich der Unfallregulierung beteiligen. Dazu gehören neben Fachanwälten auch öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige, die über eine langjährige Erfahrung bei der Erstellung von gerichtlichen Gutachten verfügen. Beiträge von entsprechenden Fachleuten tragen zu einem Austausch auf einem qualifizierten Niveau bei.

Eine Befangenheit liege höchstens vor, wenn dem Sachverständigen grob unsachliche und abwertende Äußerungen nachgewiesen werden könnten. Das war vorliegend jedoch nicht der Fall, zumal der Sachverständige seine Autorentätigkeit für das Blog schon 2006 eingestellt hatte (Aktenzeichen 1 W 86/14).

E-Books bleiben einmalig

Der Weiterverkauf von E-Books kann weiter per Allgemeiner Geschäftsbedingung verboten werden. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg bestätigte jetzt ein gleichlautendes Urteil des Landgerichts Hamburg (Aktenzeichen 10 U 5/11).

Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagt seit geraumer Zeit gegen Regelungen im Kleingedruckten, mit denen fast alle Buchverlage den Weiterverkauf von E-Books untersagen. Bislang allerdings erfolglos. Wie die Hamburger Gerichte hatten auch schon das Oberlandesgericht Hamm und das Oberlandesgericht Stuttgart zu Gunsten der Verlage entschieden.

Die Verbraucherschützer wollen allerdings noch nicht aufgeben. Nach ihrer Meinung ist es unangemessen, digitale und gedruckte Bücher ungleich zu behandeln. Vor allem auch, weil E-Books kaum billiger seien als gedruckte Werke.

Schwierig könnte es für die Verlage noch auf europäischer Ebene werden. Der Börsenverein des Buchhandels, der für die Branche spricht, berichtet selbst über eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, bei der es ebenfalls um den Weiterverkauf von E-Books geht. Hier ist allerdings noch nicht klar, wann es eine Entscheidung gibt.