Die Bundespolizei weiß Bescheid

Für Schlagzeilen sorgt der Rauswurf eines dunkelhäutigen Mannes aus der Waldbahn im Landkreis Regen. Ein Schaffner hatte mit Hilfe von zwei weiteren Männern den Fahrgast gewaltsam aus dem Zug auf den Bahnsteig befördert. Allerdings gibt es noch andere interessante Aspekte in dem Fall – etwa das Verhalten der Bundespolizei.

Die Bundespolizei ermittelt zwar gegen die drei Betroffenen, will ein Video aus dem Zug aber nicht zur Kenntnis nehmen. Dieses sei nicht „beweisfähig“, erklärte ein Behördensprecher gegenüber den Medien. Grund sei der Umstand, dass das Video „geheim“ aufgenommen worden sei. Deshalb könne es mit Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte nicht herangezogen werden.

Zu dem Video ist bekannt, dass es ein pendelnder Schüler im Abteil mit seinem Handy aufgenommen hat. Später hat er es der Bundespolizei übergeben. Bei dieser Sachlage verwundert es, dass die Bundespolizei heute schon weiß, dass das Video nicht genutzt werden kann.

Zunächst ist es schon mal gar nicht Aufgabe der Bundespolizei, ihr vorliegende Beweismittel juristisch zu bewerten. Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und des Gerichts, wenn es zu einem Prozess kommt. Die Bundespolizei ist also gar nicht berufen, über Beweisverwertungsverbote zu entscheiden.

Auch in der Sache ist es ziemlich absurd, hier gleich mal so einfach von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen. Die Aufnahme ist in einem öffentlich zugänglichen Bereich gemacht worden, und der Schüler hat sich dabei offensichtlich auch nicht versteckt.

Selbst wenn man eine Gefahr für die ins Spiel gebrachten Persönlichkeitsrechte des Schaffners und der anderen Akteure sieht, hat dies rein gar nichts mit der Frage zu tun, ob das Video Beweismittel bei strafrechtlichen Ermittlungen sein kann. Das sind juristisch zwei Paar Schuhe. Überdies werden bei uns Beweisverwertungsverbote allenfalls in krassen Fällen bejaht. Selbst schwere Rechtsverletzungen bei der Gewinnung von Beweismitteln werden regelmäßig ignoriert – das Strafinteresse des Staates hat fast immer Vorrang. Über die „Verletzung“ von Persönlichkeitsrechten in diesem Umfang dürfte jeder Strafrichter nur milde lächeln.

Andererseits stirbt die Hoffnung ja zuletzt. Es wäre im Ergebnis natürlich zu begrüßen, wenn von bayerischem Boden ein generelles Verwertungsverbot für „illegale“ Videoaufnahmen ausginge. Dann könnte schon mal ein Großteil der ohne ausreichende Kennzeichnung arbeitenden Überwachungskameras abgehängt werden.

Bald-Ex-Abmahnanwälte

Am Filesharing-Geschäft haben sich etliche Anwälte die Finger verbrannt. Mittlerweile dürften nur noch wenige Anwaltsbüros in dem Marktsegment auf lukrative Fallzahlen kommen. Doch der (Rück-)Schritt von der Abmahnkanzlei zur Anwaltskanzlei scheint mitunter nicht einfach zu sein. Google vergisst bekanntlich nur sehr eingeschränkt.

Wie hier nachzulesen ist, möchte nun eine – zumindest einstmals – emsige Abmahnkanzlei mit ihrer Vergangenheit brechen. Früher waren die Anwälte eine feste Größe im Filesharing-Zirkus. Sie haben auch engagiert für Pornoproduzenten abgemahnt, worüber natürlich auch berichtet wurde.

Deswegen müssen potenzielle Mandanten beim Anwerfen der Suchmaschinen jetzt wohl zu oft was von Ficken und Blasen lesen, und zwar dort, wo sie sich eigentlich Infos über die juristischen Vorzüge der betreffenden Anwälte erhoffen.

Wie es sich für eine Abmahnkanzlei gehört, greift man auf das bewährte Instrumentarium zurück. Und mahnt erst mal ab. Derzeit geht es wohl um Google-Werbung anderer Anwälte, die den Namen der betreffenden Bald-Ex-Abmahnkanzlei im Zusammenhang mit Abmahnungen erwähnen. Es, so wird argumentiert, schrecke potenzielle Mandanten ganz doll ab, wenn sie auf eine Homepage gelangen, auf der „im großen Stil über Abmahnung von X und Y im Bereich des Filesharings“ berichtet wird.

Die abgemahnten Anwälte wollen nicht nachgeben. Das wird lustig.

Der schlafende Schöffe

Auch als ehrenamtlicher Richter kann man Ärger mit der Justiz bekommen. Diese Erfahrung schildert ein Mitarbeiter von Spiegel Online, den es schon als Studenten in den bei ihm eher unfreiwilligen Justizdienst verschlagen hat. Er verschlief seinen Sitzungsdienst am Landgericht Hamburg

Das passierte nicht während der Gerichtsverhandlung, wie es ansonsten schon mal häufiger und meist fast immer folgenlos geschieht. Eine genervte Richterin soll es gewesen sein, die ihren noch unausgeschlafenen Schöffen im Streifenwagen aus dem Bett ins Gericht bringen ließ. Immerhin blieb dem Laienrichter ein Ordnungsgeld erspart. Das hätte wegen seiner Säumnis später gegen ihn verhängt werden können, allerdings nur durch einen anderen Richter.

Möglicherweise war der Verzicht auf einen Ordnungsgeld-Antrag auch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Denn zur Nutzung der vom Gericht organisierten Mitfahrgelegenheit war der Schöffe jedenfalls nicht verpflichtet. Unter anderem berichtet er, die Polizei habe ihm nur drei Minuten zum Anziehen gewährt. Für so eine „Zwangsmaßnahme“ gegenüber Schöffen gibt es allerdings keine Rechtsgrundlage.

Der Betroffene hätte also durchaus auch weniger humorvoll reagieren und Freiheitsberaubung rufen können. Oder Nötigung. Wäre sicher ein interessantes Verfahren geworden.

Exotische Karten

Bei Flugreisen müssen Anbieter stets von Anfang an den Endpreis angeben. Nur „vermeidbare“ Zuschläge dürfen in späteren Buchungsschritten auftauchen. Das Oberlandesgericht Dresden musste nun klären, für welche Zahlungsarten der Endpreis zu gelten hat.

Das Portal fluege.de hatte einen Endpreis angegeben, der allerdings nur bei Zahlung mit einer Mastercard Gold oder einer Kreditkarte Visa Electron zu erreichen war. Bei der Zahlung mit anderen Kreditkarten oder etwa Lastschrift fielen Gebühren von über 30 Euro an, die anfangs nicht genannt wurden.

Nach Auffassung der Richter muss sich der Endpreis auf eine gängige Zahlungsart beziehen. Das sei bei einer Mastercard Gold oder der Visa Electron nicht der Fall. Erstere müsse gegebenenfalls erst über fluege.de beantrag werden. Die Prepaid-Karte Visa Electron müssten Kunden erst umständlich aufladen.

Es handele sich somit nicht um gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeiten (Aktenzeichen 14 U 1489/14).

Online-Wut gegen Edathy

Die erfolgreichsten Online-Petitionen der letzten Zeit richten sich gegen die Justiz. Erst vor kurzem half der Druck der Öffentlichkeit einem Notarzt, der bei einem Einsatz Autofahrer genötigt haben soll. Der Strafbefehlsantrag gegen den Mann wurde zurückgenommen. Keineswegs ein alltäglicher Vorgang.

Nun wird es andersrum versucht: 146.000 Menschen, und es werden stündlich mehr, fordern mittlerweile, das Verfahren gegen Sebastian Edathy wieder aufzurollen.

Es ist legitim, auch über die Justiz seine Meinung zu haben. Und die Einstellung bei Edathy nicht gut zu finden. Viel Hoffnung auf einen Erfolg dürfen sich die Petenten aber in diesem Fall nicht machen. Denn weder das Gericht, die Staatsanwaltschaft noch jemand anderer haben die Möglichkeit, es sich noch anders zu überlegen.

Das ergibt sich aus dem Verfahrensrecht. Bei einer – derzeit vorläufigen – Einstellung nach § 153a Strafprozessordnung wie bei Edathy gegen Zahlung einer Geldauflage hängt es nur noch vom Angeklagten ab, ob es zu einer endgültigen Einstellung kommt. Er muss lediglich innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist die Auflage erfüllen.

Nur für den Fall, dass er nicht fristgerecht die Auflage erfüllt, kann der Prozess fortgesetzt werden. Es hängt also ganz allein von Edathy ab, ob die Einstellung endgültig festgezurrt wird – oder es vielleicht schon ist. Wir können jedenfalls davon ausgehen, dass Edathy die 5.000 Euro längst gezahlt hat, um das letzte Hindernis für eine endgültige Einstellung sofort zu beseitigen. Dazu haben ihm seine Anwälte mit Sicherheit geraten.

Eine eher theoretische Lücke gibt es noch. Die Einstellung bringt es nur mit sich, dass die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden kann. Vergehen sind alle Delikte, für welche die Mindeststrafe unter einem Jahr liegt. Sollte sich dagegen herausstellen, dass die Tat ein mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohtes Verbrechen war, erstreckt sich die Einstellung nicht darauf. Wegen des Verbrechens könnte also weiter vorgegangen werden.

Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Edathy in diesem Zusammenhang ein Verbrechen zur Last gelegt werden könnte. Die einschlägigen Vorschriften, selbst für die gewerbliche oder bandenmäßige Begehung, sind allesamt nur als Vergehen ausgestaltet.

Da ist also nichts mehr zu machen, selbst wenn es die Petenten gerne hätten.

Edathys Geld ist nicht erwünscht

Für die Einstellung seines Verfahrens soll der frühere Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy 5.000 Euro für einen guten Zweck zahlen. Als Empfänger hat das Landgericht Verden den Kinderschutzbund Niedersachsen ausgewählt. Doch der will das Geld nun nicht annehmen.

Gestern hatte der Kinderschutzbund gegenüber der Zeit noch erklärt, man werde die Zahlung annehmen, auch wenn die Einstellung als „fatales Signal“ missverstanden werden könne. In sozialen Netzwerken gab es daraufhin Widerstand, dem der Verband nun nachgab. Man könne, heißt es auf der Facebook-Seite des Kinderschutzbundes, den moralischen Widerspruch für sich nicht lösen. Deshalb sei das Landgericht Verden gebeten worden, einen anderen Empfänger zu bestimmen.

Für mich ist diese Haltung unverständlich. Ich habe schon oft genug vergleichbare Verfahren im Bereich des Sexualstrafrechts damit beenden können, dass mein Mandant Geld an eine Kinderschutzeinrichtung zahlt. Auch an den Kinderschutzbund. Bislang habe ich es noch nie erlebt, dass die Annahme des Geldes verweigert wurde.

Es ist bei solchen Auflagen ja unvermeidlich, dass sie von möglichen Straftätern gezahlt werden. Wobei die Betonung auf möglich liegt. Denn bei einer Einstellung wird die Schuld ja gerade nicht positiv festgestellt. Somit kann auch nicht gesagt werden, das Geld stamme von einem Straftäter oder gar aus einer Straftat. Wobei auch das keinen Unterschied mit sich bringen sollte.

Will der Kinderschutzbund Niedersachsen jetzt ein Urteil nach dem Urteil fällen, zwischen gutem und schlechtem Geld unterscheiden? Ich kann so eine Anfälligkeit für offensichtlichen Populismus nicht ganz nachvollziehen.

Am Ende wird es jetzt wahrscheinlich so kommen, dass Edathys Geld an die Staatskasse geht. Davon wird dann irgendwo eine hübsche Brücke gebaut. Ob das im Sinne möglicher Opfer von sexuellem Missbrauch ist, erschließt sich mir nicht.

Weniger Fotos von Beate Zschäpe

Das NSU-Verfahren in München scheint einer der wenigen Prozesse zu sein, zu dem tagtäglich (und nicht nur zu besonders interessanten Terminen) Kamerateams und Fotografen anrücken. Vor allem, um die Angeklagte Beate Zschäpe abzulichten. Der Vorsitzende des Strafsenats reagiert nun auf diesen Berichterstattungsdruck.

Künftig sind Kameras im Gerichtssaal nur noch am ersten und siebten Verhandlungstag eines Monats zulässig. Vor dem Gerichtssaal kann uneingeschränkt weiter gefilmt werden. Die Verteidiger Zschäpes hatten einen entsprechenden Antrag gestellt, weil das tägliche Schaulaufen vor dem Verhandlungsbeginn die Persönlichkeitsrechte ihrer Mandantin verletzt.

Dem folgte das Gericht nun. Eine „Prangerwirkung“ müsse schon wegen der Unschuldsvermutung vermieden werden. Zschäpe müsse sich immerhin unfreiwillig filmen und fotografieren lassen. Eine Berichterstattung mit Bildern greife auch stärker in die Persönlichkeitsrechte ein als eine ohne Bilder.

Die Pressefreiheit sieht das Gericht nicht in Gefahr. Es sei den Medien zumutbar, auf Archivmaterial zurückzugreifen. Davon gebe es nach 190 Verhandlungstagen auch genug. Überdies heißt es in der Verfügung des Gerichts, dass bei „besonderen Prozesssituationen“ Ausnahmen zusätzliche Termine möglich sein werden.

Gutachten: Tarifgesetz rechtswidrig

+++ Das geplante Gesetz zur Tarifeinheit könnte verfassungswidrig sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Mit dem Gesetz, das im März Thema im Bundestag sein soll, will die Große Koalition die Macht kleiner Gewerkschaften einschränken. +++

+++ Dem Hotelportal HRS sind Bestpreisklauseln untersagt worden. Damit verpflichtete HRS teilnehmende Hotels, Zimmer nirgendwo anders billiger anzubieten. Das Unternehmen teilte nun mit, es werde das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf akzeptieren. +++

+++ Fußballfans haben keinen Anspruch auf Abokarten. Vielmehr darf ein Club, hier der FC Bayern, ein Abo sogar jederzeit ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist beenden. Ein langjähriger Fan hatte vor dem Amtsgericht München geklagt (Aktenzeichen 122 C 16918/14). +++

+++ Eine Fahrtenbuchauflage darf gegenüber Firmen nur verhängt werden, wenn die Behörde selbst ausreichend ermittelt hat. Dazu gehört nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier, dass der Geschäftsführer befragt und Unterlagen verlangt werden. Ein Gespräch mit der „Seniorchefin“ reiche nicht (1 L 349/15.TR). +++

Filesharing in der Normfamilie

In Filesharing-Prozessen wird gern darüber gestritten, was ein Anschlussinhaber vortragen muss, um sich zu entlasten.

Das Landgericht Potsdam zur Konstellation „normale Familie“ hierzu Stellung bezogen. Ich zitiere den Leitsatz, welche die Zeitschrift JurPC aus dem Urteil kristallisiert hat (Aktenzeichen 2 O 252/14):

Die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses durch die Anschlussinhaberin ist bereits widerlegt, wenn nach den Angaben der Anschlussinhaberin deren Ehemann und der Sohn im Haushalt wohnen und freien Zugang zum Internet haben.

Weitergehender Feststellungen zum zeitlichen Umfang und zu den Zeitpunkten der Nutzung bedarf es dann nicht, da der der tatsächlichen Vermutung zugrundeliegende Erfahrungssatz bereits widerlegt ist.

Das Urteil enthält auch noch einige interessante Ausführungen dazu, wie weit Angehörige über die „Gefahren“ der Internetnutzung aufgeklärt werden müssen und wie weit Abgemahnte verpflichtet sind, in der eigenen Familie nach Übeltätern zu forschen.

Auf Teppich ist kein Verlass

+++ Die Philosophische Fakultät in Rostock möchte Edward Snowden zum Ehrendoktor machen. Die Universitätsspitze mauert. Die Philosophen werden dagegen vor Gericht ziehen. +++

+++ Von der Kölner Bettensteuer sind Geschäftsreisende ausgenommen. Theoretisch. Denn die Stadt lässt Hotelgäste ein umfangreiches Formular ausfüllen, ohne dass diese zu den Angaben verpflichtet sind. Der NRW-Datenschutzbeauftragte kritisiert die Praxis. +++

+++ Wer seinen Teppichboden durch Parkett ersetzen will, muss als Wohnungseigentümer wegen des größeren Trittschalls keine Rücksicht auf Nachbarn nehmen. Der Bundesgerichtshof entschied, dass hier keinen Vertrauensschutz gilt. Maßgeblich sei allein, dass die Schallschutzwerte eingehalten werden, die zur Zeit der Errichtung des Gebäudes galten (Aktenzeichen V ZR 73/14). +++

+++ Die Bundesregierung bringt einen Gesetzentwurf zur Abschaffung freier WLANs auf den Weg. So jedenfalls muss man das Vorhaben eigentlich korrekt benennen, meint das IT-Rechtsportal CR online. +++

Durchsuchung ohne Maß

Das Bundesverfassungsgericht musste sich mit einer Hausdurchsuchung bei einem schwerkranken Menschen beschäftigen. Der Betroffene hat zwar Anspruch auf Cannabis auf Rezept, um seine Schmerzen zu lindern. Da er sich den fertigen Stoff nicht leisten kann, baute er seinen Eigenbedarf selbst an – und machte eine Selbstanzeige.

Die Strafverfolger in Darmstadt durchsuchten bei dem Mann. Zu Unrecht, wie jetzt das Bundesverfassungsgericht feststellte. Das Gericht kritisiert, wie so häufig, dass sich die verantwortlichen Richter nicht einmal ansatzweise mit den Besonderheiten des Falles beschäftigten. Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit fehlten in dem Beschluss vollständig.

Der Beschluss zeigt einmal mehr, dass nicht jeder Anfangsverdacht eine Durchsuchung rechtfertigt. Wie wenig Mühe sich die verantwortlichen Richter insgesamt in der Sache machten, stößt beim Bundesverfassungsgericht auf deutliche Kritik. Der Beschluss ist hier nachzulesen.

Edathy liegt taktisch richtig

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat heute vor dem Landgericht Verden ein Geständis abgelegt. Über seinen Anwalt räumte er ein, mit seinem Dienst-Notebook kinderpornografische Seiten aufgesucht und Inhalte heruntergeladen zu haben.

Die Erklärung war sicher auch taktisch motiviert: Das Verfahren gegen Edathy wurde sogleich eingestellt. Edathy zahlt 5.000 Euro an den Kinderschutzbund. Edathy beugte sich mit seiner Erklärung dem Druck der Staatsanwaltschaft Hannover. Diese hatte die Einstellung davon abhängig gemacht, dass der Ex-Politiker ein glaubwürdiges Geständnis ablegt. Ohne Zustimmung der Strafverfolger kann das Gericht ein Verfahren nicht einstellen.

Ein Geständnis ist keineswegs Voraussetzung für eine Einstellung. Das habe ich schon in diesem Beitrag erläutert. Dass Edathy sich darauf einlässt, ist allerdings schlau. Offensichtlich sind die Richter am Landgericht Verden bereit, sich nicht vom Namen des Angeklagten und dem Rummel leiten zu lassen, der mit dem Verfahren bisher verbunden war.

Vielmehr haben sie bereits früh dargelegt, dass es nicht um viel verbotenes Material geht und Edathy nicht vorbestraft ist. Eine Einstellung liegt deshalb durchaus im Bereich des Möglichen. Jedenfalls mehr als die so oft beschworene Freiheitsstrafe, die sich irgendwo auf die Obergrenze von zwei Jahren zubewegt, die für Edathys Delikt gilt.

Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass bei ein paar kinderpornografischen Bildern stets eine Einstellung einfach zu erreichen ist. Eine große Zahl Amtsgrichter, die normalerweise über solche Fälle entscheiden (Edathys Fall kam nur wegen „besonderer Bedeutung“ ans Landgericht), lehnen Einstellungen und sogar Geldstrafen für solche Delikte grundsätzlich ab. Ob es dann letztlich wirklich so heftig kommt, ist natürlich oft eine andere (Beweis-)Frage. Es hängst natürlich auch davon ab, wie ein Angeklagter sich verteidigt. Edathy jedenfalls kann mit dem Ergebnis zufrieden sein. Denn es rückt sein Vergehen wieder in einen vernünftigen Maßstab.

Bestraft ist er ohnehin schon genug.

Wenn die Polizei Drogen kauft

+++ Der 48-jährige Richter Jörg L. ist heute zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Hannover hält es für erwiesen, dass L. als Referatsleiter im niedersächsischen Justizprüfungsamt Klausurlösungen für teilweise hohe Beträge verkauft oder sexuelle Gefälligkeiten dafür verlangt hat. +++

+++ An der Millionenklage des Wettermoderators Jörg Kachelmann könnte was dran sein. Kachelmann verlangt von Bild, Bunte und Focus insgesamt 3,25 Millionen Euro, weil er sich durch die Berichterstattung über ihn verleumdet fühlt. In dem ersten Prozess gegen Bild regte der Richter eine gütliche Einigung an, ohne konkrete Beträge zu nennen. +++

+++ Drogendealer müssen den Kaufpreis zurückzahlen, wenn sie auf einen getarnten Polizisten hereinfallen. In dem entschiedenen Fall hatte das LKA Berlin Drogen für 50.000 Euro gekauft; das Geld war bei der Festnahme des Mannes aber wohl schon bei unbekannten Hintermännern. Das Kammergericht Berlin hält derartige Scheinkäufe für ein „legitimes Mittel der Prävention und Strafverfolgung“. Deshalb sei eine Rückforderung gesetzlich nicht ausgeschlossen (Aktenzeichen 27 U 112/14). +++

+++ Facebook ist mal wieder im Visier der Verbraucherschützer. Diesmal geht es um 19 Klauseln aus den kürzlich neugefassten Facebook-Bedingungen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband beanstandet in einer nun eingereichten Klage vor allem einen leichtfertigen Umgang mit sensiblen Kundendaten. Insbesondere monieren sie, dass die Voreinstellungen bei Accounts extrem nutzerunfreundlich sind. +++

+++ Kritische Fragen oder „Störung“? An einer bayerischen Schule schlagen die Wellen um einen Schüler hoch, dem sein Rektor eine „zweifelhaft linksorientierte Gesinnung“ attestiert. +++

+++ Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Jürgen Fitschen muss sich vor Gericht verantworten. Ihm wird versuchter Prozessbetrug vorgeworfen. Es geht um den Fall Leo Kirch. Das Landgericht München ließ eine Anklage gegen Fitschen und vier weitere Mitarbeiter der Deutschen Bank zu. +++

Nicht strafbar? Wo kommen wir da hin!

Über Rechtsfragen kann man natürlich immer streiten. Das ist der Job von uns Juristen. Manchmal überrascht es mich schon, wie zum Beispiel Strafverfolger bei ihrer Arbeit die Rechtslage außer acht lassen oder jedenfalls grob falsch bewerten. Hier ein Beispiel:

Meinem Mandanten wird unter anderem zur Last gelegt, er habe eine junge Frau, die zu ihm bei Besuch war, sexuell genötigt. Richtig ist, dass er, als sie vor seinem PC saß, ihr von hinten einige Zeit über die Brüste streichelte und dabei in freundlichem Ton gestand, er sei in sie verliebt. Selbst in mehrfachen Vernehmungen und bei höchst suggestiver Befragung durch eine engagierte Kommissarin blieb die Frau dabei, sie habe sich nicht gewehrt. Sie habe auch keine Signale gegeben, dass sie das nicht will. Nach dem Vorfall, über den später nicht mehr gesprochen wurde, gab es auch keinen Streit oder ähnliches.

Es mag einem gefallen oder nicht. Aber nach geltendem Recht scheidet hier eine Sexualstraftat aus. Denn dazu bedarf es zumindest bei Erwachsenen stets des Einsatzes von Gewalt, der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder den Umstand, dass das Opfer dem Täter schutzlos ausgeliefert ist.

Das erkannte der Staatsanwalt auch. Allerdings greift er behend zu einer Notlösung. Statt das Verfahren in diesem Punkt einzustellen, klagt er meinen Mandanten an – wegen Beleidigung. Dabei steht in wirklich jedem Strafrechtskommentar in breitester Ausführlichkeit, dass es keine „Geschlechtsehre“ als solche gibt. Und dass die Beleidigungsdelikte kein Auffangstatbestand sind, um straflose sexuelle Handlungen doch zu bestrafen.

Vielmehr ist es für eine Beleidigung immer erforderlich, dass die sexuelle Handlung als solche eine besondere Missachtung des Opfers zum Ausdruck bringt. Es gibt unzählige Urteile, die sich lang und breit mit genau diesen Fragen beschäftigen und betonen, dass es eben gerade besonderer Umstände bedarf, um aus einer sexuellen Handlung auch eine Ehrverletzung zu machen.

Ich bin etwas geknickt, weil ich die Rechtslage in zwei Schriftsätzen wirklich detailliert dargestellt habe. Und sogar noch Telefonate mit dem Staatsanwalt führte, in denen ich zumindest das Gefühl hatte, er versteht was ich meine. Wie auch immer, jetzt darf ich mein Glück beim Gericht versuchen und darauf hoffen, dass die Anklage in diesem Punkt nicht zugelassen wird.

Neues Gericht, völlig andere Sicht

Auto-Reply-Mails auf Kundenpost mit angehängter Werbebotschaft sind nicht unbedingt rechtswidrig. Das Landgericht Stuttgart korrigiert jetzt mit einem Urteil eine Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt.

Der Kunde einer Versicherung hatte auf seine Kündigung hin eine Eingangsbestätigung erhalten. Am Ende war eine Werbebotschaft angehängt. Werbung ist Werbung, befand das Gericht erster Instanz. Da der Kunde Reklame nicht zugestimmt habe, sei die Botschaft verbotener Spam.

Das Landgericht Stuttgart sieht dies anders. Es handele sich hier um tatsächliche, vom Kunden veranlasste Korrespondenz, die auch eindeutig als automatisierte Antwort erkennbar sei. In dieser Konstellation liege zwar ebenfalls Werbung vor, aber es fehle an der erforderlichen Erheblichkeit der damit verbundenen Belästigung. Ein besonderer Aufwand ergebe sich schon deshalb nicht, weil eine Eingangsbestätigung typischerweise nicht von Hand gelöscht werde, sondern der Empfänger diese aufbewahrt. Aus dem Urteil:

Abgesehen davon war auch bereits aus dem Betreff, nämlich „automatische Antwort auf Ihre Mail“, und aus der Uhrzeit für den Kläger erkennbar, dass es sich bei der E-Mail um eine Eingangsbestätigung handelte. Ein Aussortieren ist in einem solchen Fall schon deshalb nicht erforderlich, weil für gewöhnlich solche E-Mails nicht von den Empfängern gelöscht werden, damit sie später einen Nachweis für den Eingang ihrer E-Mail haben. Der Umstand, dass am Ende der E-Mail auf eine kostenlose Unwetterwarnung per SMS und auf die App (…) hingewiesen wird, ändert nichts daran, dass eine erhebliche Belästigung nicht angenommen werden kann.

Link zum Urteil