Voll in Ordnung

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg kümmert sich auch um die Jüngsten. In ihrer „Grundrechte Fibel“ erklärt sie jungen Menschen unter anderem das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Schöner Titel: „Voll in Ordnung – unsere Grundrechte“.

Leider scheinen die Autoren juristisch eine Art Zeitreise gemacht zu haben. Entweder in die Zukunft. Oder in die Vergangenheit. Im juristischen Hier und Jetzt befinden sie sich jedenfalls nicht. Denn sie schreiben zur Versammlungsfreiheit:

Noch eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit steht in Absatz 2 des Artikels. Menschen, die auf der Straße gegen etwas protestieren oder für etwas demonstrieren wollen, müssen dies vorher beim Rathaus anmelden und genehmigen lassen.

Versammlungen unter freiem Himmel sind bei uns aber gar nicht genehmigungspflichtig. Versammlungen müssen lediglich angemeldet, aber gerade nicht genehmigt werden.

Das bedeutet, man darf eine angemeldete Versammlung durchführen, auch wenn gerade keine Genehmigung vorliegt. Jedenfalls so lange diese nicht ausdrücklich verboten wurde. Was beim Maß der bürgerlichen Freiheit schon ein gravierender Unterschied ist. Das alles ergibt sich recht unmissverständlich aus dem Versammlungsgesetz und ist eigentlich ein Zwischenprüfungsklassiker für Studenten im Öffentlichen Recht.

Danke an Frank Nocke für den Hinweis

Eher vermessen

Darf der Penis eines Angeklagten auf gerichtliche Anordnung vermessen werden? Diese Entscheidung hätte das Amtsgericht Leer treffen müssen – fast. Denn nun hat sich der Fall gegen den Paketzusteller, der sich gegenüber einer 16-Jährigen entblößt haben soll, auf andere Weise erledigt.

Die junge Frau hatte angegeben, der Paketzusteller habe ihr ein Paket übergeben, wobei sein Penis aus dem geöffneten Hosenlatz herausgehangen habe. Dagegen verteidigte sich der Angeklagte mit dem Hinweis, sein Glied sei nicht lang genug, um aus der Hose zu hängen. Die Ehefrau des Angeklagten sollte das als Zeugin bestätigen können.

Die Richterin hatte es abgelehnt, die Konstitution des Angeklagten im Gerichtsaal zu prüfen. Allerdings wurde erwogen, einen Gerichtsmediziner zu beauftragen. Auch das wäre keine einfache Entscheidung gewesen. Denn der Verdacht liegt nahe, dass so eine Untersuchung die Menschenwürde verletzt. Die Grundrechte eines Angeklagten muss das Gericht aber auch achten, wenn dieser von sich aus darauf „verzichtet“.

Nun taugt die Sache nicht mehr als Präzedenzfall. Das Verfahren wurde eingestellt, weil gegen den Paketboten noch andere Ermittlungen laufen.

Bericht in der LTO

„Mehrere freiwillige Tests“

Aus einer Anzeige:

Der Betroffene nahm mit seinem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teil, obwohl er unter dem Einfluss berauschender Mittel stand.

Und daher nahm der Polizist seine Gewissheit:

Bei mehreren freiwilligen Tests konnte festgestellt werden, dass der Betroffene stark zitterte. Die Pupillen konnten bei mehreren freiwillig durchgeführten Tests nicht folgen und zeigten untypische Bewegegungen. Ein freiwillig durchgeführter Speicheltest ergab um 10.25 Uhr einen positiven Befund hinsichtlich THC.

Tja, und das war das spätere Ergebnis der Blutprobe:

THC – nicht nachweisbar
11-Hydroxytetrahydrocannabinol – nicht nachweisbar
THC-Carbonsäure (freie Form) – positiver Befund, unterhalb 5,0

Also kein bekifftes Fahren, denn die einzig nachgewiesene THC-Carbonsäure lag unter dem Grenzwert von 5 ng/ml. Bei THC-Carbonsäure handelt es sich um ein Abbauprodukt. Allerdings ist umstritten, ob die Substanz tatsächlich einen zuverlässigen Rückschluss auf Cannabiskonsum zulässt.

Der Fall zeigt aber, was Polizeibeamte so als (sichere) Indizien für aktuellen Cannabiskonsum nehmen. Als Autofahrer ist man deshalb gut beraten, sich an solchen Tests nicht zu beteiligen. Man ist nämlich nicht verpflichtet, sich in die Pupillen leuchten zu lassen. Oder gar irgendwelche Bewegungen zu machen. Gleiches gilt für einen Speichel- oder gar Pinkeltest. Das gilt übrigens auch dann, wenn die Aktionen von einem Polizeiarzt „angeordnet“ werden.

Wenn man sich weigert, kann das später in einem möglichen Verfahren nicht nachteilig gewertet werden. Nicht dokumentierte Ausfallerscheinungen sind halt im Zweifel keine. Wichtiger ist aber, dass man durch eine Weigerung die Polizei in Zugzwang bringt. Diese muss dann entscheiden, ob sich die Anordnung einer Blutprobe wirklich „lohnt“. Gerade in nicht eindeutigen Fällen ist es dann oft so, dass man wegen des hohen Arbeitsaufwandes für die Beamten weiterfahren darf und diese eher auf sichere Kandidaten warten.

Es kann also durchaus sein, die eigenen Rechte zu kennen und darauf zu pochen. Diese Rechte sind zusammengefasst ganz einfach: Man muss bei Verkehrskontrollen nichts sagen und auch nicht an Untersuchungen mitwirken. Dazu gehört übrigens auch das Pusten in ein Alkoholmessgerät. Am Ende ist es eigentlich nur die Blutprobe, die man möglicherweise über sich ergehen lassen muss.

Nuancen bei der Verfassungstreue

Die Stadt Frankfurt muss einen Sachbearbeiter im Jobcenter weiter beschäftigen. Die Kommune hatte den Mann im Sommer 2014 gekündigt, weil dieser hessischer Landesvorsitzender der NPD ist und auf Listen der NPD für den Landtag und den Bundestag kandidierte. Diese politische Tätigkeit ist nach Auffassung des Gerichts kein Kündigungsgrund.

Die Stadt Frankfurt hatte sich darauf berufen, ihr Selbstverständnis als weltoffene und tolerante Stadt verbiete es, Extremisten zu beschäftigen. Der Betroffene machte dagegen geltend, er sei kein Extremist und auch kein Verfassungsfeind.

Das Gericht weist darauf hin, der Kläger sei nur „einfacher“ Büroangestellter. Von ihm sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts deshalb kein besonderes, sondern nur ein einfaches Maß an Verfassungstreue zu verlangen. Ein einfacher Angestellter können die Verfassung schon dadurch wahren, dass er sie jedenfalls nicht aktiv bekämpft. Gegen das Urteil kann die Stadt Frankfurt in Berufung gehen (Aktenzeichen 1 Ca 4657/14 und 1 Ca 4246/14).

Die Gewinner

Hier im law blog gab es zehn Anwaltskalender 2015 des Karikaturisten Wulkan zu gewinnen. Vielen Dank an alle Leser, die mitgemacht haben. Hier sind die Gewinner:

Wachtmeister a.D.
blogspargel
Gast
Tomatensaft
Rincewind
Hendrik
Don
Lunocat
Lars
B.Amter

Die Gewinner erhalten eine Mail.

RAK2014 EXTRA.12 kleinKarikatur: wulkan

Wer kein Glück hatte, kann den Anwaltskalender 2014 auch direkt ordern unter:

Mail: wulkan@arcor.de
Telefon: 0172 200 35 70

Die Kalender kosten 20,95 Euro zuzüglich einer Versandpauschale von 5,80 Euro. Der Anwaltskalender ist auf hochwertigem Papier in DIN-A-3 gedruckt und fachmännisch gebunden. Er eignet sich deshalb auch hervorragend als Geschenk und wird auch direkt an eine Wunschadresse verschickt.

Kein Eintrittsgeld für Weihnachtsmarkt

Ziemlich nachvollziehbar klingt für mich eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin. Sie richtet sich gegen den Betreiber eines Weihnachtsmarktes vor dem Schloss Charlottenburg. Die Veranstalter wollten von den Besuchern drei Euro Eintrittsgeld verlangen.

Das geht nach Auffassung des Gerichts nicht. Denn der Weihnachtsmarkt findet in einer städtischen Grünanlage statt. Diese müsse grundsätzlich allen Bürgern offenstehen. Die Erlaubnis für einen Weihnachtsmarkt beinhalte nicht das (Sonder-)Recht, nichtzahlende Bürger von diesem Platz auszusperren (Aktenzeichen VG 24 L 381.14).

Es stand irgendwo in der Akte…

Manchmal braucht man als Verteidiger auch etwas Glück. Zum Beispiel am Amtsgericht, als eine Richterin den Vater meines Mandanten in den Zeugenstand rief. Sie belehrte ihn, dass er als Vater des Angeklagten nichts sagen muss, da ihm das Gesetz ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zubilligt.

Der Vater meines Mandanten machte von dieser Möglichkeit dankend Gebrauch. Er durfte nach einer Minute wieder gehen. Auch mir war das recht. Und meinem Mandanten erst. Denn sein Vater war möglicherweise Augenzeuge einer der Taten, die meinem Mandanten zur Last gelegt wurden. Er hätte mutmaßlich nichts Erfreuliches berichten können.

Tja, das ist gut gelaufen. Denn Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht hatten etwas übersehen. Dass der Vater meines Mandanten zwar als Vater fühlt und wie ein Vater handelt, er im rechtlichen Sinn aber kein Vater ist. Vielmehr war mein Mandant mit anderthalb Jahren in der Familie aufgenommen worden. Er ist dort durch Vermittlung des Jugendamtes als Pflegekind aufgewachsen.

Interessanterweise haben Pflegeeltern bei uns keinerlei Zeugnisverweigerungsrechte, selbst wenn sie das Kind wie ihr eigenes Kind erzogen haben. Es gab zwar mal Diskussionen über diese durchaus wichtige Frage, aber zu einer Gesetzesänderung hat es offensichtlich nicht gereicht.

Ich persönlich sah im Gerichtssaal keinen Grund, aktiv Aufklärung zu betreiben. Zum ersten war die Pflegschaft an einer Stelle der – zugegeben dicken – Ermittlungsakte sogar erwähnt. Lesen hätte also geholfen. Zum zweiten bin ich als Verteidiger der einzige im Gerichtssaal, der wirklich alles unterlassen muss, was dem Angeklagten schaden könnte. Deshalb erzähle ich die Geschichte übrigens auch erst jetzt. Das Urteil ist seit geraumer Zeit rechtskräftig.

Zeter und Mordio

In einem Filesharing-Verfahren pfeifen die Anwälte eines Pornoproduzenten den Richter an:

Die Klägerin verwahrt sich gegen die Entscheidung des Gerichts, die Klageerwiderungsfrist um vier Wochen zu verlängern. Auch in Zivilverfahren gilt der Beschleunigungsgrundsatz. Es gehört zu den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege, dass Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gewähren ist. Die gewährte Verlängerung, verbunden mit den gerichtsüblichen Bearbeitungszeiten, ist geeignet, diesen Anspruch zu gefährden.

Erstaunliche Worte, gerade weil es die Klägerin selbst bislang überhaupt nicht eilig hatte. Der Abgemahnte soll angeblich im Februar 2010 den Film über eine Tauschbörse bezogen haben. Einen Mahnbescheid beantragt hat die Klägerin Ende 2013, also erst nach knapp vier Jahren. Und dann brauchte sie noch mal rund fünf Monate, um nach dem Widerspruch gegen den Mahnbescheid ihren Anspruch bei Gericht zu begründen.

Na ja, sollen sie motzen. Das erhöht die Erfolgsaussichten der Klage jedenfalls nicht. Wenn es überhaupt noch zu einer Entscheidung kommt. Für mich klingt das alles nämlich so, als drohe da jemandem die Pleite und es soll noch schnell Kasse gemacht werden.

Strafe für falschen Zahnarzt

Ziemliches Glück hatte ein falscher Zahnarzt, dass er im Amtsgericht Mönchengladbach an den richtigen Richter geriet. Einen netten nämlich. Der verurteilte den Hochstapler lediglich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der falsche Zahnarzt hatte über einen längeren Zeitraum in immerhin drei Zahnarztpraxen gearbeitet. Ihm wurde Körperverletzung bei 137 Patienten zur Last gelegt.

Erst beim dritten Zahnarzt fielen Unregelmäßigkeiten auf. Das stimmte den Richter offenbar milde. Immerhin, so sagte er in der Urteilsbegründung, hätten sich Zweifel an der Echtheit der Zeugnisse aufgedrängt. So sei das Abschlusszeugnis von einem „Prüfunksausschuss“ ausgestellt gewesen. Außerdem spielte eine Rolle, dass der Zahnarzt nach eigenen Angaben wegen des Todes seines Vaters an dem Abschluss in Zahnmedizin gescheitert ist. Er habe seine Familie nicht mit seinem Misserfolg belasten wollen, sagte der Angeklagte.

Auch die Ehefrau des Zahnmediziners will nichts gewusst haben, obwohl sie selbst Zahnarzthelferin ist. Nun hat der Mann notgedrungen beruflich abgespeckt. Er arbeitet jetzt im Lager.

Bericht im Dental Magazin

In der Endlosschleife

Nachrichten aus dem Sekretariat:

14.12 Uhr: „Frau N. bittet um Anruf. Sie sucht einen Strafverteidiger.“

14.17 Uhr: „Frau N. teilt mit, die Sache hat sich erledigt. Sie brauchen nicht zurückzurufen.“

14.34 Uhr: „Frau N. beklagt sich, dass Sie noch nicht zurückgerufen haben.“

15.12 Uhr: „Ich wollte Sie mit Frau N. verbinden, aber sie sagt, das wäre nicht gewünscht, sie hat jetzt wohl einen anderen Anwalt.“

15.23 Uhr: „Frau N. bittet um Rückruf. Sie hat ein strafrechtliches Problem und würde gern mit Ihnen darüber sprechen.“

Fortsetzung folgt. Garantiert.

Gar nicht aufs Display geschaut

Neulich haben wir gelernt, das Handy am Steuer ist auch im Straßenverkehr erlaubt – so lange die Start-Stopp-Automatik den Motor ausgeschaltet hat. Jetzt erweitert das Oberlandesgericht Köln die Palette um einen Fall, in dem eine Autofahrerin das Handy zwar in die Hand genommen, aber gar nicht auf das Display geschaut hatte.

Eine Autofahrerin sollte ein Bußgeld wegen angeblicher Handynutzung zahlen. Sie wehrte sich dagegen mit der Begründung, sie habe das klingelnde Handy lediglich aus der Handtasche geholt und es ihrem Beifahrer weitergereicht. Das genügt nach Auffassung der Richter nicht, um den nötigen juristischen Bezug zur „Funktionalität“ des Geräts herzustellen. Erst wenn das Handy als Handy gebraucht werde, liege ein „Aufnehmen“ im Sinne des Gesetzes vor. Das bloße Rüberreichen genüge nicht, so lange der angebliche Verkehrssünder nicht auf das Display geschaut hat.

Das ist allerdings kein Freibrief für andere Konstellationen. Die Richter weisen ausdrücklich darauf hin, dass folgende Aktionen mit dem Handy am Steuer eindeutig verboten sind: Das Ablesen der Nummer und anschließendes Ausschalten des Geräts; das „Wegdrücken“ eines eingehenden Anrufs; das Aufnehmen des Mobiltelefons, um ein eingehendes Gespräch entgegenzunehmen, auch wenn die Verbindung letztlich nicht zustande kommt; das Abhören eines Signaltons, um dadurch zu kontrollieren, ob das Handy ausgeschaltet ist (Aktenzeichen III-1 RBs 284/14).

Asylbewerber dürfen sexuelle Ausrichtung nicht „beweisen“

Wenn Ausländer in der EU Asyl beantragen, weil sie sich als Homosexuelle in ihren Heimatländern verfolgt sehen, dürfen die Behörden den Sachverhalt aufklären. Das bedeutet insbesondere, dass die Antragsteller zu ihrer sexuellen Orientierung befragt werden dürfen. Allerdings, so der Europäische Gerichtshof in einem heute bekanntgegebenen Urteil, bestehen hierfür enge Grenzen.

Die Fragen dürfen nach Auffassung des Gerichts nicht allein auf „stereotypen Vorstellungen in Verbindung mit Homosexualität“ beruhen. Vielmehr müssten Einzelheiten rücksichtsvoll und einzelfallbezogen aufgeklärt werden. Die Menschenwürde sei stets zu achten. So sei es in Befragungen unzulässig, Einzelheiten sexueller Praktiken zu erfragen. Was nun genau bei Befragungen erlaubt ist, wird allerdings nicht näher beschrieben. Das Gericht stellt aber klar, dass zögerliche Antworten auf intime Fragen nicht automatisch Unglaubwürdigkeit bedeuten.

Strikt verboten sind laut dem Urteil allerdings „Tests“, bei denen die Antragsteller ihre sexuelle Ausrichtung unter Beweis stellen. Gleiches gelte für das Ansinnen, dass die Betroffenen Videoaufnahmen intimer Handlungen vorlegen. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Asylbewerber sich mit solchen Tests einverstanden erklären. In dem Ausgangsverfahren hatten Asylbewerber teilweise selbst vorgeschlagen, sexuelle Handlungen vor den Augen von Behördenmitarbeitern vorzunehmen oder „Beweisvideos“ zu präsentieren (Aktenzeichen C 148/13 bis C-150/13).

Gewisse Hybris

Schon mal im Parkhaus als Fußgänger die Autozufahrt hinaufgeflitzt? Wenn ja, dann sind Sie wahrscheinlich besser weggekommen als ich. Bei der Begehung dieses ungeheuerlichen Delikts kam mir neulich ein Polizeibeamter in die Quere, mit dem ich kurz vorher Bekanntschaft im Gerichtssaal geschlossen hatte. Vielleicht war er deswegen auch ein bisschen angesäuert und agierte besonders streng. Jetzt geht es an die juristische Aufarbeitung der Sache. Demnächst vor dem Amtsgericht Koblenz.

Die Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz möchte von mir 20 Euro haben. Interessanterweise aber nicht, weil ich – möglicherweise – verbotswidrig in dem privaten Parkhaus das Schild „Keine Fußgänger“ missachtet habe. Sondern weil ich mich nicht an die „Weisungen“ eines Polizeibeamten gehalten haben soll. Allerdings meine ich nicht, dass mir ausgerechnet das zur Last gelegt werden kann.

Warum, das erklärt meine Anwältin in einem ausführlichen Schriftsatz ans Gericht. Ich zitiere ihn mal wegen des nicht zu leugnenden Unterhaltungswerts:

I. Sachverhalt

Herr Vetter ging am fraglichen Tag die Rampe des Parkhauses am Görresplatz in Koblenz hinauf, obwohl sich dort ein (privates) Verbotsschild für Fußgänger befindet. Es handelt sich um eine recht großzügige, zweispurige Rampe, die problemlos von einem Fußgänger begehbar ist, auch wenn Autos entgegenkommen. …

Mein Mandant, der aus Düsseldorf kommt, hat dieses (private) Verbotsschild nicht wahrgenommen. Er ging die Rampe hinauf, weil sich im engen Eingangsbereich zum Aufzug und Treppenhaus, wo auch der Kassenautomat steht, einige Personen – darunter welche mit Koffern – drängelten, die offensichtlich ihre Parkscheine bezahlen wollten. Diesen Auflauf wollte mein Mandant umgehen.

Mein Mandant hatte die Rampe bereits zu 2/3 und ohne die Nähe eines Autos nach oben erklommen, als er von hinten aus einiger Entfernung Rufe hörte. Diese bezog er allerdings nicht auf sich, da sie für ihn unverständlich waren. Erst auf ein lautes „Anhalten“ schaute Herr Vetter zurück und sah den Polizeibeamten. Dieser stand mit seinem Dienstfahrzeug an der Ausfahrtsschranke. Er hatte die Seitenscheibe heruntergekurbelt. Seine Worte lauteten: „Sofort zurückkommen“ und „zu dem Mitarbeiter da drüben gehen“.

Herr Vetter sagte, dass er keinen Grund sehe, zu einem Mann, in dessen Richtung der Polizeibeamte zeigte – es handelte sich wohl um den Parkwächter – zurückzugehen. Er wies darauf hin, dass er im Übrigen schon fast oben sei. Daraufhin sagte der Polizeibeamte: „Dann treffen wir uns halt oben.“

Mein Mandant wartete oben pflichtschuldig auf den Polizeibeamten. Dieser belehrte ihn nicht über einen konkreten Vorwurf, sondern erklärte lediglich, er habe meinen Mandanten zurückgeschickt, „damit das Parkhaus mögliche rechtliche Schritte einleiten kann“. Was er damit meinte, ließ er offen. Vorstellbar ist ein Hausverbot. Der Parkhausmitarbeiter sah sich im weiteren Verlauf übrigens nicht gehalten, zu meinem Mandanten zu kommen, so dass davon ausgegangen werden darf, dass sich die Sache für diesen erledigt hatte.

Im Gesprächsverlauf wies mein Mandant darauf hin, dass der Polizeibeamte wohl nicht für die Durchsetzung einer privaten Zugangsbeschränkung zuständig ist. Der Beamte erklärte darauf hin, er wolle die Personalien meines Mandanten dennoch feststellen, damit „das Parkhaus Ersatzansprüche geltend machen kann“.

Ausdrücklich betonte der Beamte, er wolle meinem Mandanten kein Knöllchen geben. Der Tatvorwurf, die Weisung eines Polizeibeamten missachtet zu haben, erfolgte nicht. Dieser Gedanke kam ausweislich der Akte offenbar erst dem Sachbearbeiter der Bußgeldstelle, der den gegen meinen Mandanten ergangenen Bußgeldbescheid hierauf stützte.

II. Rechtliche Würdigung

Meinem Mandanten fällt ein Verstoß gegen §§ 36 Abs. 1 , 49 StVO, Nr. 128 BKatV nicht zur Last.

1. Es ist bereits fraglich, ob überhaupt eine missachtbare Weisung vorlag. Wie dargelegt, hat mein Mandant auf die „Weisung“ hin das Gespräch mit dem Polizeibeamten gesucht und ihm erklärt, warum er nicht wieder nach unten gehen wird.

Daraufhin forderte ihn der Beamte auf, sich oben zu treffen.

Somit hatte der Beamte die eigene „Weisung“ schon modifiziert, bevor mein Mandant überhaupt der Weisung zuwiderhandeln konnte.

2. Es liegt auch gar keine Weisung im Sinne des § 36 StVO vor. Die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung greifen nur, wenn es sich um ein unmittelbares Straßenverkehrsdelikt handelt, so etwa Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, § 36 Rdnr. 4:

Weisungen, die anderen Zwecken, insb. der Verfolgung nach beendetem oder nicht mehr den Verkehr beeinträchtigenden Verstoß dienen, sind hier nicht erfasst (BGHSt 32, 248; Janiszewski NStZ 83, 513 f; OLG Zweibrücken Rn 3; OLG Köln VM 81, 43; VRS 59, 462 = StVE 6; OLG Koblenz VRS 71, 70), ebenso wenig Weisungen, die nicht unmittelbar verkehrsbezogen sind, wie Anhalten, um Überladung festzustellen (OLG Köln VM 85, 61; s aber V u § 34 V StVZO!), sich zur Überprüfung zum Streifenwagen zu begeben (OLG Koblenz VRS 61,392; OLG Köln VRS 64, 59), die Auflage einer Erlaubnis (OLG Köln VM 84, 84 = StVE 13) oder sonstige allg. Regeln einzuhalten (OLG Düsseldorf VRS 60, 149 = StVE 18; 72, 296; DAR 94, 330; OLG Hamm DAR 78, 27) oder das abgestellte Kfz abzuschließen (OLG Celle VM 66, 166).

Die angebliche Weisung des Polizeibeamten beinhaltete keine Verkehrsregelung oder gar die Ahndung eines Verkehrsverstoßes. Vielmehr gab der Polizeibeamte die „Weisung“ zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche eines Dritten.

Damit fehlt es neben den Gründen zu Ziff. 1 schon an der erforderlichen Verkehrsbezogenheit, so dass § 36 StVO nicht anwendbar ist.

3. Aber selbst wenn man all dies anders sehen wollte, musste mein Mandant die „Weisung“ nicht befolgen. Nach § 36 Abs. 1 StVO entbindet die Anweisung des Polizeibeamten nicht von der eigenen Sorgfaltspflicht.

Wenn es tatsächlich um die Entschärfung einer Gefährdungssituation gegangen wäre, war die Weisung des Beamten widersinnig. Mein Mandant hatte nämlich schon rund 2/3 der Rampe erklommen. Der Rückweg wäre also länger gewesen als der restliche Weg, die potenzielle Selbst- und Fremdgefährdung wäre also größer gewesen.

Die Sorgfaltspflicht gegenüber sich selbst und auch gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gebot es also zur Vermeidung einer unnötigen weiteren Gefährdung, den Weg hinauf zu nehmen.

Dies gilt umso mehr, als der Polizeibeamte selbst ja ohnehin nur nach oben kommen konnte und auch nichts anderes wollte. Hinter seinem Auto stauten sich nach dem kurzen Gespräch bereits drei Fahrzeuge, die nicht aus dem Parkhaus kamen, so lange der Beamte an der Ausfahrtschranke stand.

Colorandi causa darf an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Polizeibeamte am fraglichen Tag stundenlang zeugenschaftlich vernommen worden war im Rahmen eines Verfahrens, das seit 2012 bei der Staatsschutzkammer des Landgerichts rechtshängig ist und in dem auch die Unterzeichnerin verteidigt. Möglicherweise war er infolge der dort erfolgten Befragung, im Rahmen derer er sich als äußerst dienstbeflissen darzustellen suchte, emotional noch ein wenig aufgewühlt, so dass er dieserhalb außer Stande war, die sich ihm darstellende Situation rechtlich wie auch tatsächlich zutreffend einzuordnen, was auch erklären würde, weshalb er mit einer gewissen Hybris agierte.

Letztlich bleibt zu sagen, dass sich der Betreiber des Parkhauses bislang nicht bei meinem Mandanten zwecks Durchsetzung der vom Polizeibeamten erwähnten zivilrechtlichen Ansprüche gemeldet hat. Ein Hausverbot wurde ebenfalls nicht ausgesprochen.

III.

Dies vorausgeschickt erweist sich der Vorwurf als unbegründet, so dass angeregt wird, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.

Sollte das Gericht im Beschlusswege nach § 72 Abs. 1 OWiG entscheiden wollen, ist mein Mandant auch hiermit einverstanden. Auf die Belehrung über die Möglichkeit des Widerspruchs verzichtet Herr Vetter, da ihm diese Möglichkeit bekannt ist.

IV.

Für den Fall, dass das Gericht den Sachverhalt rechtlich anders einordnen sollte als oben dargestellt und hinsichtlich der unterschiedlichen Darstellungen weiteren Aufklärungsbedarf sehen sollte, wird höflich um Mitteilung ersucht. Das Gespräch zwischen meinem Mandanten und dem Polizeibeamten wurde von mehreren Prozessbeteiligten des vorerwähnten Verfahrens verfolgt, die im Rahmen einer umfassenden Beweisaufnahme zeugenschaftlich einvernommen werden könnten.

Ist übrigens mein einziges privates Verfahren derzeit. Zum Glück.

Wer Weihnachten sagt, muss auch Anwaltskalender sagen

Pünktlich zur Vorweihnachtszeit gibt es im law blog mal wieder was zu gewinnen. Wie es schon Tradition ist, verlosen wir zehn Anwaltskalender des Düsseldorfer Karikaturisten wulkan. Es handelt sich praktischerweise um die gerade erschienene Ausgabe 2015.

RAK15.Titel klein

Wer mitmachen und einen Anwaltskalender 2015 gewinnen möchte, braucht nur bis zum 7. Dezember 2014 einen Kommentar zu diesem Eintrag zu hinterlassen. Die Kalender werden unter allen Teilnehmern ausgelost.

RAK15.Tresor klein

Dabei darf jede angegebene E-Mail-Adresse mehrfach auftauchen, zum Beispiel wenn jemand noch was zu anderen Kommentaren sagen möchte. Jede Mailadresse nimmt aber nur einmal an der Verlosung teil. Bitte eine gültige E-Mail-Adresse angeben, da die Gewinner nur über diese Mailadresse informiert werden. Die Mail-Adresse wird ausschließlich für die Verlosung genutzt.

RAK15.Viel Glueck

Wer nicht auf sein Glück vertrauen möchte oder gar mehr als einen Kalender benötigt, kann den Anwaltskalender 2015 auch direkt bei wulkan ordern unter:

Mail: wulkan@arcor.de
Telefon: 0172 200 35 70

Die Kalender kosten 20,95 Euro zuzüglich einer Versandpauschale von 5,80 Euro. Alle bestellten oder gewonnenen Kalender werden noch rechtzeitig vor Weihnachten an die gewünschte Adresse geschickt. Der Anwaltskalender ist auf hochwertigem Papier in DIN-A-3 gedruckt und fachmännisch gebunden. Er eignet sich deshalb auch hervorragend als Geschenk.

Ihr Preis steigt um 5 %

Mein Sportstudio ist so freundlich, die im Jahr 2014 drastisch gestiegenen Kosten an mich weiterzugeben.

Mal abgesehen von der Frage, welche Kosten im Jahr 2014 drastisch gestiegen sind, finde ich das Preiserhöhungsschreiben selbst interessant. Offenkundig ist man zumindest im Verwaltungsbereich des Sportstudios um größtmögliche Effizienz bemüht.

Der Brief enthält nach dem üblichen Blabla zur Kernfrage, um wie viel es denn nun teurer wird, nur folgende Mitteilung:

… erhöht sich Ihr Monatsbeitrag zum 01.01.2015 um 5 %.

Tja, erscheint wirklich raffiniert. Nicht nur, weil 5 % bei einem ohnehin stattlichen Beitrag deutlich harmloser klingt als die tatsächlich Endsumme. Überdies braucht es trotz differenzierter Preisstruktur auch nur eines einheitlichen Musterbriefs an alle Mitglieder.

Das spart zwar vordergründig Geld, kann aber letztlich doch teuer werden.

Zunächst mal wegen der – vermutlich wenigen – Mitglieder, die nicht einfach alles über sich ergehen lassen. Gegenüber Verbrauchern müssen stets Endpreise angegeben werden. Das gilt auch bei Preiserhöhungen. Wird der Endpreis nicht angegeben, liegt halt letztlich trotz schöner Worte keine wirksame Preiserhöhung vor. Wer also ab dem Jahreswechsel nur den bisherigen Beitrag zahlt, macht nichts falsch.

Die liebe Konkurrenz kann sich ebenfalls freuen. Der Verstoß gegen die sogenannte „Preisklarheit“ und „Preiswahrheit“ in dem Erhöhungsschreiben ist so was von wettbewerbswidrig, dass die Schwarte kracht. Aber möglicherweise spielt es ja doch keine allzu große Rolle für das Studio, wenn man sich teure Rechtsstreite aufhalst.

Die Kunden zahlen es ja. Spätestens mit der Preiserhöhung 2016.