Das muss man doch sagen dürfen

Nicht jede verbale Attacke auf einen Richter ist auch eine Beleidigung. Dies führt das Bundesverfassungsgericht der Strafjustiz zum wiederholten Male vor Augen. Diesmal anhand eines Beklagten, der nach einem verlorenen Schadensersatzprozess in einer Dienstaufsichtsbeschwerde „gegen das schäbige, rechtswidrige und eines Richters unwürdige Verhalten der Richterin“ protestiert und verlangt hatte, die Richterin effizient zu „bestrafen“, um zu verhindern, dass diese auf eine schiefe Bahn gerät.

Das Landgericht hatte den Mann wegen Beleidigung verurteilt. Allerdings liegt in der Äußerung noch keine unzulässige „Schmähkritik“, meinen die Verfassungsrichter. Vielmehr sei das erst der Fall, wenn es dem Betreffenden nicht mehr um die Sache, sondern ausschließlich um die Herabsetzung seines Gegners gehe. Hier habe der Mann zwar polemisch und überspitzt formuliert. Grundlage sei aber erkennbar nach wie vor die sachliche Auseinandersetzung, denn dem Betroffenen gehe es ersichtlich darum, das Verhalten der Richterin überprüfen zu lassen.

Auch die Erwägung, die Richterin werde als künftige Straftäterin dargestellt, sei unzutreffend und missachte das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Hierbei werde die ungünstigste Auslegung zu Grunde gelegt. Dabei lasse sich die Äußerung problemlos auch so verstehen, dass es dem Betroffenen um eine dienstliche Maßregelung der Richterin geht.

Die Sache muss jetzt neu verhandelt werden (Aktenzeichen 1 BvR 482/13).

Namen auf den Tisch

Staatsanwälte und Strafverteidiger haben keinen Anspruch auf nachträgliche Anonymität gegenüber der Presse, wenn sie in einer Gerichtsverhandlung aufgetreten sind. Deshalb dürfen ihre Namen in einer Urteilsabschrift nicht geschwärzt werden, wenn ein Journalist auch die Nennung der Namen beantragt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Ein Amtsgericht hatte dem Redakteur einer Publikation zum Ausländer- und Asylrecht nur eine Urteilsabschrift überlassen, in der unter anderem die Namen des Staatsanwalts und des Verteidigers geschwärzt waren. Dagegen klagte der Journalist mit Erfolg. Neben den Richtern stehen, so das Urteil, auch Staatsanwälte und Verteidiger im Blickfeld der Öffentlichkeit. Und zwar in ihrer Rolle als „Organe der Rechtspflege“. Der Grundsatz der Öffentlichkeit, wichtig für ein rechtsstaatliches Verfahren, gehe dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen vor.

Etwas anderes gelte nur, wenn die Sicherheit der Personen gefährdet sei oder die Gefahr bestehe, dass sie erheblich belästigt werden. Dafür gab es aber keine Anhaltspunkte (Aktenzeichen 6 C 35.13).

Keine Erleichterung für Abmahner

Auch Filesharing-Abmahner aus der Pornobranche müssen lückenlos nachweisen, dass sie tatsächlich über die Rechte an dem Film verfügen. Laut einem aktuellen Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf reicht ein Copyright-Vermerk auf dem DVD-Cover dafür zum Beispiel nicht. Vielmehr müssten auch die entsprechenden Vertragsdokumente vorgelegt werden.

Bisher berufen sich Abmahner gerne auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach soll es unzulässig sein, wenn Abgemahnte die „ins Blaue hinein“ bestreiten. Das gilt laut dem Amtsgericht Düsseldorf allenfalls für den gewerblichen Bereich. Dort hätten die Beklagten Marktkenntnisse. Beim Filesharing sei dies aber grundlegend anders, denn die Abgemahnten hätten keinen Einblick in die Abläufe und auch keine Möglichkeit, sich diese Kenntnisse zu verschaffen.

Wörtlich heißt es in dem Urteil:

Es darf nicht sein, dass ein massenhaftes automatisiertes Bearbeiten von Rechtsstreitigkeiten ohne Eingehen auf konkrete rechtliche Hinweise des Gerichts von der Rechtsprechung dadurch gefördert wird, dass es der Klägerseite als professionellem Marktteilnehmer erspart bleibt, auf den Einzelfall bezogene … Urkunden vorlegen zu müssen.

In dem entschiedenen Fall wurde die Klage auf rund 1.300 Euro Schadensersatz schon deshalb abgewiesen, weil der Pornovertrieb nicht plausibel darlegen konnte, wann und von wem er die Rechte an dem Film erworben hat (Aktenzeichen 57 C 425/14).

Früherer Beitrag zum Thema

Doppelt kassieren geht nicht

Wer von einer Airline wegen Flugverspätung entschädigt wird, kann im Regelfall nicht noch eine Minderung beim Reiseveranstalter geltend machen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Weil der Flug 25 Stunden verspätet war, erhielten eine Reisende und ihr Ehemann jeweils 600,00 € von der Fluggesellschaft. Beim Reiseveranstalter meldeten sie außerdem eine Minderung an.

Allerdings kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht doppelt kassiert werden. Die Entschädigung nach EU-Recht werde wegen der entstehenden Unannehmlichkeiten gezahlt. Genau das sei aber auch der Grund für die Reisepreisminderung nach deutschem Recht (Aktenzeichen X ZR 126/13).

Kein Dopingsünder

Bei einem Online-Shop in Holland erwarb mein Mandant ein Fläschchen Tabletten mit dem Wirkstoff DHEA. Hersteller ist die amerikanische Firma Puritan’s Pride, die – neben vielen anderen – das Zeug weltweit vertreibt.

Kleines Problem: Bei uns steht der Wirkstoff auf der Dopingliste. Außerdem handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Medikament, das allenfalls per Rezept erhältlich ist. Das ahnte mein Mandant allerdings nicht, denn die holländische Webseite pries DHEA als harmloses Nahrungsergänzungsmittel an. Schlecht, dass die deutsche Polizei bei Ermittlungen dahinter kam, wer so alles aus Deutschland bei dem Laden geordert hat.

Für meinen Mandanten konnte ich geltend machen, dass er ohne Vorsatz handelte (auch wenn Unwissenheit angeblich nicht vor Strafe schützt). Außerdem gab es da noch einige Punkte, die ich dem Staatsanwalt mitteilte. Zum Beispiel, dass mein Mandant seit einigen Jahren unter einer neurologisch bedingten Querschnittslähmung leidet. Und sich selbst an guten Tagen nur mühsam mit dem Rollator fortbewegen kann – wenn seine geschwächte Lunge mitspielt.

Ich denke, damit war klar, dass mein Mandant nicht der typische Hantelmaniac ist, der nur was für seine Optik tun will. Der Staatsanwalt hat das Verfahren ohne weitere Konsequenzen eingestellt.

Das Gericht will samstags tagen

Eine Premiere naht, jedenfalls für mich. Ein Landgericht möchte in einem Großverfahren mit vielen Angeklagten und Verteidigern am übernächsten Samstag, den 11. Oktober, kurzfristig einen Verhandlungstag einschieben – weil in letzter Zeit wegen der Erkrankung von Angeklagten Termine ausgefallen sind.

Immerhin scheinen die Richter bereit, hierfür selbst Opfer zu bringen. Jedenfalls entnehme ich einer Mitteilung des Gerichts folgendes:

Zwei erholungsbedürftige Kammermitglieder werden für diesen Tag ihren bereits bewilligten Urlaub widerrufen lassen.

Das klingt für einen Samstag jetzt nicht besonders tragisch. Allerdings sind in den meisten Bundesländern auch Herbstferien. Deshalb sollten die nächsten knapp drei Wochen auch verhandlungsfrei sein. Würde mich überraschen, wenn die zahlreichen Verteidiger, vor allem die mit Kindern, alle nur auf Balkonien sind und tatsächlich durch die Bank anreisen können.

Auch so mancher Angeklagter wird einen Urlaub gebucht haben. So könnte es ein teurer Spaß für die Staatskasse werden, wenn das Gericht tatsächlich auf den Termin besteht. Die Kosten für die An- und Rückreise vom Urlaubsort müssten dann wohl der Steuerzahler übernehmen. Und die Extra-Öffnung des Gerichts wird sicher auch nicht sonderlich preiswert sein.

Ein ganz klitzekleines bisschen würde ich allerdings gern an dem Samstag verhandeln. Das Vergnügen der Wochenendarbeit im Gerichtssaal ist mir in fast 20 Jahren nämlich bisher versagt geblieben. Das wäre doch mal eine Anekdote, die man gern im Repertoire hat.

Mützenunfreundliche Frisurgestaltung

Die Lufthansa darf ihren männlichen Piloten nicht vorschreiben, während der Arbeit eine „Cockpit-Mütze“ zu tragen. Zumindest so lange nicht, wie Pilotinnen von der Mützenpflicht ausgenommen sind. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Ein Pilot hatte gegen die Lufthansa geklagt, weil er sich gegenüber Kolleginnen benachteiligt sieht. Die entsprechende Betriebsvereinbarung stellt es Pilotinnen nämlich ausdrücklich frei, ob sie die Mütze tragen oder nicht.

Die Mützen-Klausel sei unwirksam, meinen die Richter am Bundesarbeitsgericht. Sie missachte nämlich den Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach in Betriebsvereinbarungen Mitarbeiter nur aus sachlichen Gründen ungleich behandelt werden dürfen. Die Lufthansa hatte argumentiert, auch die Mütze solle das Cockpitpersonal in der Öffentlichkeit als „hervorgehobene Repräsentanten“ des Unternehmens kenntlich machen.

Genau darin sehen die Richter aber das Problem. Wenn es darum gehe, die Piloten herauszuheben, sei es nicht nachvollziehbar, wieso Frauen und Männer ungleich behandelt werden. Auch das Argument der Lufthansa, Pilotinnen hätten mitunter eine mützenunfreundliche Frisurgestaltung, überzeugte das Gericht nicht (Aktenzeichen AZR 1083/12).

Tatort Wien

Ein Beamter aus dem Polizeipräsidium Ludwigsburg lädt meinen Mandanten schriftlich zu einer Vernehmung als Beschuldigter. In dem Schreiben steht wenig drin. Nur der angebliche „Tatort“ ist ausdrücklich aufgeführt:

„A-Wien
Eine Wiener Gasse 8“

Das ist die Privatanschrift meines Mandanten. Das könnte, sofern die Angaben richtig sind, ein sehr kurzes Mandat für mich als deutschen Anwalt werden. Der Polizist müsste womöglich nur dahinter kommen, was es mit diesem „A“ in der Adresse auf sich hat.

Täglich frische Unterwäsche – auch im Knast

Vier Garnituren Unterwäsche, zwei Paar Socken: Damit mussten Gefangene in westfälischen Gefängnissen bislang eine Woche auskommen. Nun schwenkt das Oberlandesgericht Hamm von seiner eigenen, seit 1993 gepflegten Linie ab und zeigt sich deutlich großzügiger. Auch im Knast muss ein täglicher Unterwäschewechsel möglich sein, heißt es in einer aktuellen Entscheidung.

Gegen die eingeschränkte Wäscheversorgung hatte ein 60-jähriger Gefangener geklagt. Das Oberlandesgericht Hamm nahm seine Beschwerde nun zum Anlass, neue „Richtlinien“ für westfälische Haftanstalten bekanntzugeben. Die Lebensumstände hätten sich geändert, so die Richter. Heutzutage gelte der tägliche Unterwäsche- und Sockenwechsel als gesellschaftliche Norm. Oder zumindest als „wünschenswert“.

Wenn Gefangene schon gestellte Anstaltskleidung tragen müssten, dürften ihre Persönlichkeitsrechte nicht noch über Gebühr beeinträchtigt werden. Genau das sei aber der Fall, wenn die Versorgung mit Kleidung von den gesellschaftlichen Normalvorstellungen abweiche.

Überdies bestehe die Gefahr, dass die Mangelversorgung mit Kleidung eine unzureichende Körperhygiene zur Folge hat. Der Strafvollzug habe aber das Ziel, dem Gefangenen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Unzureichende Körperhygiene erschwere aber eine Rückkehr ins Arbeitsleben und sonstige soziale Kontakte (Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 365/14).

In letzter Sekunde

Fortuna lässt mitunter auf sich warten. Im Fall eines 37-Jährigen Bochumers bis zur letzten Sekunde.

Der Mann wurde mit einem Haftbefehl gesucht, weil er eine Geldstrafe von 710 Euro – umgerechnet 71 Tage Haft – offen hatte. Ob er gerade deswegen sein Glück beim Spiel versuchte, ist nicht bekannt. Jedenfalls bediente der Mann gerade in einer Spielhalle im Bochumer Stadtteil Hamme einen Spielautomaten, als Polizeibeamte die Gäste routinemäßig kontrollierten und den Haftbefehl sofort vollstrecken wollten.

Als die Beamten dem Mann gerade seine Rechte erklärten, zeigte der Spielautomat „Delfin“ fünf Muscheln – Jackpot. Insgesamt 1.200 Euro kriegte der Mann an Ort und Stelle ausgezahlt und konnte seine Gerichtsschulden so begleichen. Die Bochumer Polizei verspricht, die Geschichte in Ehren zu halten. Sie habe unter den offiziellen Polizeimeldungen einen Spitzenplatz in der Kategorie „Buntes aus dem Polizeialltag“ verdient.

Verdeckungsabsicht

Fehlenden Einsatz kann man den Anwälten auf der Klägerseite nicht vorwerfen. Insgesamt fabrizierten sie 29 Seiten Text und 42 Seiten Anlagen. Damit wollten sie begründen, warum der Kläger von unserem Mandanten ein paar tausend Euro für eine Dienstleistung zu kriegen hat.

Wir hatten schon bei dem Briefwechsel vor der Klage das Gefühl, dass hier Nebelkerzen geworfen werden. Um vom Umstand abzulenken, dass unser Mandant schlicht und einfach keinen Auftrag erteilt hat. Also eine Art zivilrechtlicher Verdeckungsabsicht.

So sieht es auch das Gericht, das nach (hoffentlich) gründlicher Lektüre der Klageschrift folgenden schriftlichen Hinweis gibt:

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass sich aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr keine Beauftragung der abgerechneten Leistung ergibt. Der Kläger ist beweispflichtig.

Wie es aussieht, können wir unsere Stellungnahme etwas kürzer ausfallen lassen.

Die verschwundene Vorstrafe

Etwas Glück kann vor Gericht nie schaden. Eine besonders große Dosis kriegte jetzt der Angeklagte in einem Prozess ab, den ich als Verteidiger einer weiteren Angeklagten miterleben durfte.

Der Betreffende hatte schon vor Jahren eine Freiheitsstrafe auf Bewährung kassiert. Zur allseitigen Überraschung tauchte diese Vorstrafe in den Unterlagen des neuen Verfahrens nicht auf. Konkret: Das bundesweite Vorstrafenregister war in diesem Punkt erfreulich blank, obwohl Löschungs- und Tilgungsfristen definitiv noch nicht abgelaufen waren.

So was passiert sehr selten. Manchmal gibt es Übermittlungsfehler bei der Datenübertragung von den Gerichten an das Register. Oder, was ich schon mal erlebt habe, die Vorstrafe meines Mandanten wird vom Register auf das Konto einer Person gebucht, die mit dem Verurteilten Namen, Vornamen Geburtsdatum und Wohnort teilt.

Um den „Verbleib“ der Vorstrafe zu klären, forderte die zuständige Richterin sogar die Akten des alten Verfahren an. Die lagen im letzten Verhandlungstermin zwar auch vor ihr auf dem Tisch. Sie verlas aber nur den Auszug aus dem Bundeszentralregister. Kein weiteres Wort über das frühere Urteil. Grundsätzlich hätte die Richterin darüber Beweis erheben können, ob das Register falsch ist. Etwa durch Verlesung des damaligen Urteils. Oder durch eine Anfrage beim Register, was denn womöglich schief gelaufen ist. Machte sie aber nicht. Fragt mich nicht, warum.

Mein Mitverteidiger war so schlau, das alles nicht groß zu thematisieren. Denn so lange das Gericht keine Vorstrafe durch entsprechende Hinweise in das Verfahren einführt, darf die Vorstrafe natürlich auch nicht strafverschärfend berücksichtigt werden.

Was dann auch tatsächlich nicht geschah. So kam es am Ende zu einem Urteil, das den Angeklagten sehr freuen konnte. Immerhin kriegte er Bewährung, was bei seinen Taten nicht selbstverständlich war. Und schon gar nicht selbstverständlich gewesen wäre, wenn seine frühere Verurteilung eine Rolle gespielt hätte.

Auch meine Mandantin war im Ergebnis happy, denn die Richterin gewährte ihr ebenfalls einen großzügigen Rabatt. Das nennt man wohl ausgleichende Gerechtigkeit. Der Staatsanwalt hatte allerdings weit härtere Strafen gefordert. Als er dann auch noch großmütig erklärte, er verzichte gleich an Ort und Stelle auf Rechtsmittel, war der Tag echt nicht mehr zu toppen.

Zu dem Gericht fahre ich gern mal wieder.

85.000 Kopien fürs Gericht

Der Streit zwischen Anwälten und Gerichten über Kopierkosten für Pflichtverteidiger ist Alltag. Nicht immer wird er aber so verbissen ausgetragen wie derzeit in Düsseldorf. Dort möchte ein Verteidiger die gesetzliche Vergütung dafür haben, dass er eine Verfahrensakte mit einem Umfang von 85.000 Seiten kopiert hat.

Weil das Oberlandesgericht Düsseldorf wohl unter anderem Zweifel an der Richtigkeit seiner Abrechnung angemeldet hat, wollte der Anwalt dem Gericht gestern nachmittag belegen, dass die Zahl der angemeldeten Kopien tatsächlich stimmt. Wie macht man das? Man legt die Kopien dem Gericht vor, damit diese durchgezählt werden können.

Allerdings wurde der Anwalt nach eigener Darstellung schon am Eingang des Oberlandesgerichts wieder nach Hause geschickt. Dort hatte er um eine Sackkarre gebeten, um seine 85.000 Kopien, die er auf zwei Autos verteilt hatte, mit seinen Helfern auf die Geschäftsstelle des Gerichts rollen zu können. Angeblich kam das „Hausverbot“ direkt von jener Richterin, die den Anwalt per Beschluss aufgefordert hatte, den Umfang der Kopien zu belegen.

Logisch, dass so was in einen Befangenheitsantrag mündet. Womöglich erwägt abgewiesene Anwalt nun auch, die 85.000 Seiten einfach ans Gericht zu faxen.

Näheres zu dem bizarren im Jurion Strafrecht Online Blog.

Tellergeld: Ein nicht ganz dummer Vergleich

Ein Streit um das sogenannte „Tellergeld“ für Toilettenpersonal endete jetzt vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen mit einem Vergleich. Eine Mitarbeiterin, die am WC-Eingang des Centro in Oberhausen den Geldteller „bewachte“, erhält für zwei Monate insgesamt 1.000 Euro.

Die Mitarbeiterin war keine Reinigungskraft. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, am Eingang zu sitzen und ab und zu den Geldteller zu leeren. Dafür zahlte das Unternehmen einen Stundenlohn von 5,20 Euro. Darüber hinaus wollte die Firma die Mitarbeiterin nicht an den Trinkgeldern beteiligen. Diese seien ein „freiwilliges Nutzungsentgelt“ und stünden der Firma zu.

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen sah das offenbar anders und verurteilte die Firma zunächst zur Auskunft darüber, wie viel Geld während der Dienstzeiten der Frau zusammenkamen. Bei allen Mitarbeitern sollen dies in zwei Monaten bis zu 30.000 Euro gewesen sein. Vor diesem Hintergrund war es sicher nicht ganz dumm, wenn der Toilettenbetreiber durch den Vergleichsschluss ein Präzedenzurteil abgewendet hat.

Bericht bei Spiegel online / Älterer Beitrag zum Thema

Gegen null

Mein Mandant ist seit längerer Zeit in einer geschlossenen Anstalt untergebracht. Er hatte mehrere Straftaten begangen, wegen derer er nicht bestraft werden konnte. Er war zur Tatzeit wegen Drogenmissbrauchs nämlich schuldunfähig.

Seine Entlassung aus der Geschlossenen wurde nun über einen längeren Zeitraum verweigert. Hauptbegründung, nachdem sich die Drogenproblematik erledigt hat: Es bestehe nicht nur die Gefahr weiterer – geringfügiger – Straftaten, sondern der Betroffene sei auch HIV-positiv. Wegen seines tatsächlich reichlich unkontrollierten Sexualverhaltens stuften ihn die Ärzte, kurz gefasst, als als tickende Zeitbombe ein.

Nun muss das Gericht mal wieder darüber entscheiden, ob die Unterbringung ein weiteres Jahr verlängert wird. Mir war aufgefallen, dass der ansonsten ausführliche Arztbericht diesmal nur die HIV-Infektion erwähnte, aber sonst keine Details enthielt. Deshalb fragte ich in der Anhörung nach, wie sich die Krankheit denn entwickelt.

Was ich dann hörte, war wirklich der Hammer. Die Kombinationstherapie mit Medikamenten schlage hervorragend an, sagte die zuständige Ärztin. Die Virenlast im Blut meines Mandanten gehe „gegen Null“. Was, wie die Medizinerin weiter bestätigte, natürlich gleichzeitig Auswirkungen auf die Ansteckungsgefahr hat. Die sei nämlich derzeit praktisch nicht vorhanden.

Abgesehen davon, dass so eine Information in eine ärztliche Stellungnahme gehört, ändert das die Sachlage nach meiner Meinung von Grund auf. Ein wesentlicher Punkt für die Unterbringung ist damit entfallen. Das Gericht, das von der Bewertung, offensichtlich ebenso überrascht war wie ich, wird sich jetzt sicher noch mal besonders genau überlegen müssen, ob mein Mandant wirklich weiter weggesperrt werden kann.

Dem Gerichtsbeschluss sehe ich wirklich gespannt entgegen.