Kaution ist nicht antastbar

So lange das Mietverhältnis läuft, ist die Kaution unantastbar. Der Vermieter darf nicht einmal dann auf die Kaution zurückgreifen, wenn er sich das im Vertrag vorbehalten hat, urteilt der Bundesgerichtshof in einer heute bekanntgegebenen Entscheidung.

Eine Mieterin hatte wegen Mängeln die Miete gemindert. Den Minderungsbetrag ließ sich der Vermieter aus der Kaution auszahlen. Er berief sich auf einen Klausel im Mietvertrag, wonach er auch vor dem Ende des Mietverhältnisses an das Geld darf.

Dies ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch unzulässig. Die Kaution sei eine Sicherheit für die Abwicklung des Mietverhältnisses nach dessen Ende. Einen vorheriger Zugriff sehe das Gesetz nicht vor. Entsprechende Vertragsklauseln seien deshalb unzulässig (Aktenzeichen VIII ZR 234/13).

… und dann mit dir im Wald allein

Die deutschen Jäger geraten in Verdacht, Datenkraken zu sein. Jäger sollen nämlich großflächig stationäre „Wildkameras“ im deutschen Wald aufgestellt haben, mit denen sie aber auch Spaziergänger und andere Waldbesucher filmen. Datenschützer wollen das nicht hinnehmen.

Der rheinland-pfälzische Landesdatenschutzbeauftragte Edgar Wagner spricht von bis zu 100.000 Kameras, die bereits im Wald Videoaufnahmen machen. Massenhaft tauchen die Geräte erst seit kurzem auf, seitdem die Technik verfügbar und vor allem extrem preiswert geworden ist.

Natürlich dienen die Kameras den Jägern in erster Linie dazu, Wildbewegungen in ihrem Revier zu überwachen. Aber ebenso wie ein Eber löst natürlich auch jeder Spaziergänger den Bewegungssensor aus. Und selbst wenn gerade keine Kamera scharf gestellt ist, bleibt auf jeden Fall der „Chilling Effect“, der von jeder Überwachung ausgeht.

Der rheinland-pfälzische Datenschützer sieht keine Rechtsgrundlage für die Cams. Diese seien nur in an besonderen Stellen zulässig, Wildbrücken etwa. Deshalb droht Wagner unbeugsamen Jägern nun Bußgelder bis zu 5.000 Euro an; er will das gegebenenfalls auch vor Gericht bringen. Der rheinland-pfälzische Landesjagdverband hält die Wildkameras dagegen für ein wichtiges Arbeitsmittel der Jäger, da diese ihr Revier besser betreuen könnten. Die Jäger wollen deshalb Musterprozesse führen.

Auch in Schleswig-Holstein sind die Wildkameras mittlerweile ein Thema. Der Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten) fordert Taten von der Regierung, nachdem auch das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum rechtliche Zweifel geäußert hat.

Bericht in der PC-Welt

Mordfall Peggy: Freispruch naht

Der im Mordfall Peggy angeklagte Ulvi K. kann auf einen Freispruch hoffen. Gestern rückte der Psychiater Hans-Ludwig Kröber von seinem Gutachten in der ersten Prozessauflage ab. Seinerzeit hatte der Sachverständige K.s Angaben für durchaus glaubhaft gehalten.

Nunmehr relativerte Körber seine Einschätzung, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Möglicherweise habe K. verschiedene Erlebnisebenen vermischt, auch in zeitlicher Hinsicht.

Deshalb sei es möglich, dass K. aufgrund des Drucks der zahlreichen Vernehmungen „ein plastisches Bild von einer erfundenen Situation“ gezeichnet habe. Demnach könne ein „falsches, wenn auch plausibles Geständnis“ vorliegen.

Das Gericht teilte heute mit, es werde die Beweisaufnahme vorzeitig beenden. Der Vorsitzende äußerte, bis zum heutigen Tag sei kein einziger Sachbeweis gefunden worden, der Ulvi K.s Geständnis belegen kann.

Was ist ein Strafverteidiger?

Was ist ein Strafverteidiger? Über diese Frage muss sich wahrscheinlich das Amtsgerichts Fürstenfeldbruck demnächst den Kopf zerbrechen. Dort ist ein gelernter Mechatroniker wegen Titelmissbrauchs angeklagt.

Der Mann hatte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, für einen mutmaßlichen Schwarzfahrer im Strafverfahren als „Verteidiger“ aufzutreten. Das ist in kleineren Fällen auch für Nichtjuristen durchaus möglich. Auch wenn – zum Glück für uns Anwälte – kaum jemand mal was von dieser Vorschrift gehört hat. Einzige Hürde ist die Zulassung als Verteidiger, über die das Gericht auf Antrag entscheiden muss.

Dem Mechatroniker war es gelungen, den Richter davon zu überzeugen, dass er die – nicht besonders hohen – Anforderungen erfüllt, um als Verteidiger für den angeblichen Schwarzfahrer aufzutreten. Zur Anklage gegen ihn kam es, weil er fälschlicherweise den (eindeutig geschützten) Titel „Rechtsanwalt“ geführt haben soll. Und zwar bei der örtlichen Polizei, wo er seinen „Mandanten“ nach dessen Festnahme abholte.

Im Polizei-Protokoll soll jedenfalls vermerkt sein, der Beistand habe sich als „Rechtsanwalt“ ausgegeben. Das jedoch bestreitet der Mechatroniker. Er sagt, er habe sich lediglich als Strafverteidiger vorgestellt. Nur habe der Polizist das wohl mit Rechtsanwalt „übersetzt“ und so ins Protokoll geschrieben. Dafür sei er aber nicht verantwortlich, da er sich nicht selbst als Rechtsanwalt bezeichnet habe.

Eine durchaus geschickte und, wie ich finde, vielversprechende Verteidigungsstrategie. Einen geschützten Titel „führt“ man nämlich nur dann, wenn man sich aktiv als Rechtsanwalt, Arzt etc. ausgibt. Dass andere dich so bezeichnen, ist deren Problem.

Sollte der Polizist also eigenmächtig aus dem „Strafverteidiger“ einen „Rechtsanwalt“ gemacht haben, wäre der Betroffene wahrscheinlich vom Haken. Denn der Titel „Strafverteidiger“ wird vom Gesetz nicht geschützt.

Helfen könnte dem Mann auch ein ebenfalls wenig bekannter Umstand: Als vollwertige Strafverteidiger, die keine besondere Zulassung vom Gericht benötigen, können nicht nur zugelassene Rechtsanwälte, sondern durchaus auch andere Personen auftreten. Zum Beispiel Juraprofessoren. Nicht mal im Kern ist der Begriff Strafverteidiger also identisch mit Titel Rechtsanwalt.

Ein Urteil wurde in der Sache allerdings noch nicht gefällt. Der Mechatroniker war seinerseits mit einem Nichtanwalt als Beistand erschienen, den das Gericht allerdings aus Zweifeln an seiner Qualifikation nicht zuließ. Dagegen wurde dann prompt Beschwerde eingelegt, über die jetzt erst vor der Hauptsache entschieden werden muss.

Bericht auf merkur-online.de

Mit extrascharfer Sauce

Derzeit kriegen wir einen schönen Einblick, was Polizeiarbeit im Alltag bedeutet. Da geht es meist weniger um großangelegten Betrug oder gar Kapitalverbrechen. Sondern um die kniffelige Frage, ob ein Döner als Waffe missbraucht worden ist.

Genau das wird dem Dortmunder Fußballprofi Kevin Großkreutz zur Last gelegt. Fest steht nur: Großkreutz ließ sich am Sonntag im Kölner Nachtleben treiben und wollte einen Döner essen. Und zwar einen mit extrascharfer Sauce. Doch schon ab diesem Punkt gibt es höchst unterschiedliche Versionen.

Ein Kölner sagt, Großkreutz habe ihm den Döner ins Gesicht geworfen, was wegen der extrascharfen Sauce, die der betreffende Laden als Spezialität vertreibt, tierisch in den Augen gebrannt habe. Vorausgegangen waren möglicherweise „Großkreutz“-Rufe aus dem Publikum auf dem Boluevard. Oder aber, wie Großkreutz sagt, gezielte Provokationen in Form spontaner Gesänge, von denen er sich beleidigt fühlte.

Großkreutz sagt, er habe sich geärgert und den Döner auf die Erde geworfen. Aber auf keinen Fall ins Gesicht des Betreffenden, der ein Köln-Trikot getragen haben will. Der Imbissbuden-Besitzer soll sich erinnern, dass Großkreutz den Döner geworfen hat. Unklar ist nach seiner Aussage aber wohl bislang, wohin der Döner flog.

Die Polizei muss nun klären, was passiert ist. Eine wirklich spannende und dramatische Aufgabe. Aber allenfalls deswegen, weil der Verdächtige ein Promi ist. Ansonsten aber reden wir über die typische Dutzendware, die nicht nur den Arbeitsalltag von Streifenbeamten, sondern auch den von Kriminalkommissaren diktiert – und blockiert.

Aber vielleicht schaffen es die Beteiligten ja noch, die Sache aus der Welt zu schaffen. Das mutmaßliche Opfer könnte dann seinen Strafantrag zurücknehmen. Ich glaube kaum, dass ein Staatsanwalt Wert unbedingt Wert auf die Klärung der Frage legt, ob ein extrascharfer Döner ein „gefährliches Werkzeug“ ist.

Recht und Respekt

Der Strafprozess um die Verantwortlichen des Bankhauses Sal. Oppenheim bot gestern eine Überraschung. Zumindest aus Sicht des zuständigen Staatsanwalts. Dieser fühlte sich von der Entscheidung eines wichtigen Zeugen, die Auskunft zu verweigern, so provoziert, dass er dieses Verhalten im Gerichtssaal als „Unverschämtheit“ titulierte und auch ansonsten kräftig vom Leder zog.

Vor Gericht erschienen war Thomas Middelhoff, Ex-Bertelsmann und Arcandor-Manager. Wenn man von ihm einiges sagen kann, dann dieses: Er steckt derzeit bis über den Hals in Rechtsstreitigkeiten. Er führt Schadensersatzprozesse, er ist auf Schadensersatz verklagt, und auch die Strafjustiz ist an Middelhoff interessiert.

Vor allem letzteres ist natürlich für Middelhoff ein Grund gut zu überlegen, ob er vor Gericht was sagen will. Er entschied sich, dies nicht zu tun. Vor allem, weil der Focus am Wochenende über neue Ermittlungen gegen Middelhoff berichtet hatte. Sagte zumindest Middelhoff.

Das Ganze führt halt nun mal zu einem Auskunftsverweigerungsrecht eines Zeugen. So steht es in der Strafprozessordnung. Was den Staatsanwalt aber nicht daran hinderte, Middelhoff des fehlenden Respekts vor der Justiz zu zeihen und öffentlich sogar über die Notwendigkeit einer „Missbrauchsgebühr“ für vermeintlich renitente Zeugen zu sinnieren.

Da stellt sich in der Tat die Respektfrage – und zwar in Bezug auf den Staatsanwalt. Sein einziges Argument war wohl, dass Middelhoff bis zur Hauptverhandlung eher Bereitschaft für eine Aussage signalisiert hatte. Middelhoffs Sinneswandel, der die Terminsplanung des Gerichts sicher etwas durcheinanderwirbelt, allerdings als „Missbrauch“ zu klassifizieren, offenbart ein fragwürdiges Verständnis zu den prozessualen Rechten eines Zeugen.

Der Staatsanwalt übersieht, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht nun mal besteht. Oder eben nicht. Besteht es nicht und beruft sich der Zeuge trotzdem darauf, kann der Staatsanwalt vor Gericht was dagegen unternehmen. Zum Beispiel Zwangsgelder festsetzen oder den Zeugen sogar ins Gefängnis werfen lassen, um ihn zu einer Aussage zu zwingen.

Der Staatsanwalt hat am gestrigen Verhandlungstag aber nichts in die Richtung beantragt. Was die Schlussfolgerung zulässt, dass der Zeuge Middelhoff mit seiner Einschätzung, er müsse nichts sagen und wolle das nun auch nicht, richtig lag. Von Middelhoff zu erwarten und es gar öffentlich zu fordern, dass er aus „Gefälligkeit“ gegenüber dem Gericht dennoch aussagt, dreht Rechte und Pflichten im Strafverfahren komplett um.

Insofern war nicht Middelhoffs Auftritt ein Desaster, sondern der des Anklagevertreters.

Bericht im manager-magazin

Mit dem Dritten sieht man alles

Vor einem Jahr habe ich über eine neuartige Video-Überwachung durch die hessische Polizei berichtet. Polizisten tragen dabei nicht Papageien, sondern Kameras auf der Schulter. Die Kameras sollen eventuelle Attacken auf Polizisten verhindern, die in Hessen ein großes Problem sein sollen.

Ein Pilotversuch in Frankfurt soll nun so erfolgreich gewesen sein, dass die Bodycams bald auch in Wiesbaden und Offenbach zum Einsatz kommen. Das hessische Innenministerium beruft sich darauf, dass sich im Testzeitraum die Übergriffe auf Polizisten spürbar verringert hätten. Von 27 auf 20. Binnen eines halben Jahres. Ich bin kein großer Statistiker, aber die Basis dieser Feststellung scheint mir doch recht dünn, und zwar zahlenmäßig und zeitlich. Wäre interessant, mal die Streubreite über einen längeren Zeitraum zu kennen und sich die neuen Fälle darauf anzuschauen, ob Übergriff früher auch gleich Übergriff heute ist.

Wiesbaden und Offenbach wurden nun als weitere „Bodycam“-Städte ausgewählt, weil es dort besonders häufig zu Übergriffen kommen soll. Insgesamt soll es im letzten Jahr 375 Fälle gegeben haben. Die meisten ereignen sich nach Angaben der hessischen Polizei zwischen 21 und 4 Uhr. Bei 46 Prozent stünden die Verdächtigen unter Alkoholeinfluss. Ob sich allerdings gerade Betrunkene überhaupt von solchen Kameras abschrecken lassen, das scheint bislang keineswegs belegt. Oder anders gesagt: Psychologisches Geschick und mehr Manpower würden der Polizeiarbeit vielleicht besser tun, als ein Dokumentationstrupp (jeder Polizist mit Bodycam muss eine Weste mit dem Aufdruck „Videoüberwachung“ tragen).

Immerhin, das sollte man auch festhalten, dürfen die Kameras nur eingeschaltet werden, wenn Angriffe gegenüber Polizeibeamten zu befürchten sind. Die Dauerüberwachung des öffentlichen Raumes, heißt es, sei nicht zulässig. Überdies müssen Aufnahmen sofort gelöscht werden, wenn sie nicht gebraucht werden.

Diese Zurückhaltung ist natürlich auf der einen Seite lobenswert, wenn man schon solche Kameras haben will. Andererseits ist es aber auch interessant, dass die Bodycams tatsächlich durchweg von offizieller Seite nur als „Maßnahme zum Schutz von Polizeibeamtinnen und -beamten“ angepriesen werden. Dabei gäbe es doch auch die Möglichkeit, fehlerhafte Abläufe auf Seiten der Polizei zu dokumentieren. Jedenfalls theoretisch. Sie wird aber noch nicht mal erwähnt.

Die hessischen Grünen finden die Bodycams übrigens gut.

Früherer Beitrag zum Thema

Kein Doppel-Storno

Hat ein Verbraucher einen Vertrag wirksam widerrufen, muss er dies nicht noch einmal bestätigen. Deshalb wies das Amtsgericht München jetzt die Zahlungsklage gegen eine Frau ab, von der ein „doppelter Widerruf“ verlangt wurde.

Die Kundin hatte einen Schwimmkurs gebucht, ihn aber online widerrufen. Das durfte sie nach dem Fernabsatzgesetz ohne Angabe von Gründen. Für den Widerruf verwendete sie das Stornierungsformular, das der Händler bereit stellte. Laut dem Unternehmen hätte die Frau aber noch einmal einen Link unter der Stornierungsbestätigung klicken müssen, damit das Storno wirksam wird.

Für so ein Prozedere gebe es keine Grundlage, befindet das Amtsgericht München. Ein einmal abgeschickter Widerruf, also solcher wird der Stornowunsch ausgelegt, müsse nicht noch einmal bestätigt werden. Dem Händler sei es anhand der Daten auch problemlos möglich gewesen, den Widerruf zuzuordnen (Aktenzeichen 261 C 3733/14).

Beredtes Schweigen

Vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) begann heute der Prozess gegen den sogenannten Maskenmann. Dem 46-jährigen Angeklagten werden mehrere Mord- und Totschlagsversuche, Körperverletzung und räuberische Erpressung vorgeworfen.

Als Maskenmann wird der Angeklagte bezeichnet, weil er bei seinen Taten meist eine Imkermaske getragen haben soll und deshalb praktisch nicht erkennbar war. Die gesamte Anklage stützt sich deshalb vorwiegend auf Indizien.

Angesichts dieser Vorgeschichte ist es natürlich ein Statement, wie sich der mutmaßlich „Maskenmann“ heute bei Gericht vorführen ließ (Foto). Sein Gesicht versuchte er offenbar mit einem Schnellhefter zu verhüllen, wobei die klare Vorderseite allerdings auf seinem Gesicht lag. So mussten die Redaktionen das Gesicht offenbar sogar noch nachverpixeln.

Besser kann man als ansonsten schweigender Angeklagter wohl kaum sagen:

Ich war’s nicht.

Anwälte als Hartz-IV-Abzocker

Die Zahl klingt erst mal beeindruckend: Fast 40 Millionen Euro soll die Bundesagentur für Arbeit im Jahr 2012 investiert haben. Für Anwaltshonorare. Allerdings geht es nicht die Kosten irgendwelcher externer Berater. Sondern um Anwaltsgebühren wegen verlorener Hartz-IV-Verfahren.

Das hält aber zumindest Spiegel online nicht davon ab, der Sache einen bemerkenswerten Spin zu geben. Statt die hohe Zahl von Prozessen zu beklagen, welche bei der Arbeitsagentur offenkundig in die Hose gehen, werden die prozessführenden Anwälte in die Nähe von Gierhälsen gerückt. Dazu dienen dann plastische Beispiele, wonach einzelne Kanzleien mit Hartz-IV-Klagen bis zu 300.000 Euro Gebühren eingenommen haben sollen.

Jeder einzelne Cent, den die Arbeitsagentur an die Anwälte überweisen musste, beruht allerdings auf einem eigenen Fehlverhalten der Behörde. Sie hat sich eben nicht rechtmäßig verhalten und Anspruchsberechtigten Sozialleistungen vorenthalten. Das kann an den schlecht gemachten Gesetzen liegen. Aber auch an dem Verhalten der einzelnen Jobcenter, welche die Vorschriften mitunter sehr kassenfreundlich auslegen.

Dass Anwälte, was wohl vorkommt, massenweise Verfahren um die gleiche Sache führen können, liegt halt daran, dass die Agentur ebenso massenweise vorher die Vorgaben der Sozialgerichte missachtet. Was trotz der hohen Erfolgsquote für die Arbeitsagentur immer noch lukrativ sein könnte. Betroffene wehren sich nämlich nur gegen einen Bruchteil der Bescheide, die Masse unrechtmäßiger wird klaglos geschluckt.

Interessante Hintergründe berichtet mein Anwaltskollege Christian Wolf in seinem Blog. Wolf vertritt Hartz-IV-Empfänger vor Gericht.

Grundlage für den SpOn-Artikel ist das druckfrische Buch „Vorsicht Rechtsanwalt: Ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral“ von Joachim Wagner,der auch mit mir im Vorfeld über die Anwaltszunft gesprochen hat. Ob ich es bis ins Buch geschafft habe, weiß ich allerdings noch nicht.

Nachtrag: Spiegel online hat jetzt auch einen ausführlichen Beitrag von Joachim Wagner zum Thema

Konsequente Ermittlungen

Möglicherweise ist es nicht ganz ungefährlich, Post in den Briefkasten des Bundesverfassungsgerichts zu werfen. Der Karlsruher Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah wurde bei dieser Gelegenheit jedenfalls nicht nur die Vollmacht für ein Verfahren los, sondern fand sich auch in Handschellen wieder, nachdem ihn ein Polizist zu Boden gebracht hatten.

Der Vorfall, von dem die taz berichtet, ereignete sich um die Mittagszeit am 14. April, einem Werktag. Nachdem der Jurist die Vollmacht am öffentlich zugänglichen Briefkasten des Gerichts eingeworfen hatte, sagt er, habe ein Polizist von ihm wissen wollen, was er da eingeworfen habe.

Schneider-Addae-Mensah will erwidert haben, was ich auch gesagt hätte:

Das geht Sie nichts an.

Wieso der Polizist darauf hin den Ausweis des Anwalts sehen wollte, kann die Polizei laut taz bislang nicht erklären. Im weiteren Verlauf ist Schneider-Addae-Mensah dann aber wohl von dem Beamten in den Polizeigriff genommen und auf den Boden geworfen worden.

Selbstverständlich hat die Polizei bereits Ermittlungen aufgenommen. Und zwar gegen den Juristen. Er soll Widerstand geleistet und den Polizisten einen „Drecksbullen“ genannt haben. Was ich, rein menschlich gesehen, ein wenig nachvollziehen kann. Immerhin soll es 15 Minuten gedauert haben, bis man merkte, dass man wohl keinen Topterroristen zur Strecke gebracht hat.

Hatte ich erwähnt, dass der Jurist dunkle Hautfarbe hat?

Widerwillen auslösen

Die Zeit veröffentlicht ein sehr ausführliches Porträt der Kölner Rechtsanwältin Anja Sturm. Die Juristin verteidigt im Münchner NSU-Prozess Beate Zschäpe, die für zehn Morde mitverantwortlich sein soll.

Der Bericht beschreibt das Unverständnis, mit dem ein Strafverteidiger nicht immer, aber doch häufig konfrontiert wird. Wie kann er sich nur auf die Seite des vermeintlich Bösen stellen, für die Interessen eines mutmaßlichen Mörders, Vergewaltigers, Kinderschänders oder – je nach aktuellem Fokus – sonstwie als verachtungswürdig empfundenen Menschen eintreten?

Die Argumente, warum der Anwalt das macht, machen darf und sogar machen sollte, liegen eigentlich auf der Hand. Dennoch ist es gut, wenn sie in dem Artikel noch mal sehr schön nachvollziehbar aufgedröselt werden. Völlig korrekt ist auch das Fazit des Hamburger Rechtsanwalts Johann Schwenn:

Es ist nun mal die Rolle des Strafverteidigers, Widerwillen auszulösen.

Zum Beitrag in der Zeit.

Tattoo-Selfies – ein Fall für die Juristen

Momentan kommen zwei Sachen zusammen: Es wird Sommer, und die Selfie-Ära ist angebrochen. Da liegt es nahe, auch mal die eigenen Tattoos einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf Twitter etwa. Oder Facebook. Allerdings gibt es nichts, woran einem Juristen nicht den Spaß verderben können.

Ein vermeintllich schicker Tattoo-Schnappschuss kann im schlimmsten Fall – Stichwort Arschgeweih – nicht nur zu Hohn und Spott führen, sondern sogar zu einer Abmahnung. Wegen Urheberrechtsverletzung.

Das Tattoo gehört nämlich keineswegs ausschließlich seinem Träger, erläutert der Mainzer Anwalt Karsten Gulden auf seiner Seite „infodocc“. Vielmehr handele es sich, absoluter 08/15-Körperschmuck ausgenommen, um ein „Werk der bildenden Kunst“.

Grundsätzlich können sich Tätowierte darauf berufen, dass der Künstler ihnen die Rechte auch übertragen hat. Zumindest, wenn sie das Tattoo bezahlt haben. Allerdings bleibt es laut Gulden fraglich, ob dieses Einverständnis stets auch für Tattoo-Bilder im Internet gilt.

Auch hier gelte zwar, dass Menschen ihren Körper online zeigen dürfen. Allerdings kämen die Rechte des Tätowierers umso mehr ins Spiel, je deutlicher das Foto aufs Tattoo fokussiere.

Gulden rät deshalb dazu, sich inbesondere die Online-Rechte vom Tätowierer schriftlich übertragen zu lassen. Dabei sollte man auch festhalten, ob bei einem Tatto-Foto der Hautkünstler benannt werden muss. Auch darauf, so Gulden, habe der Tätowierer einen Anspruch.

Diese unbequemen Gesetze aber auch

Mit einer fragwürdigen Ermittlungsmethode gerät die Polizei in Baunatal in die Kritik. Die Ermittler hatten von 15 Mitarbeiterin im örtlichen VW-Werk DNA-Proben genommen. Offiziell auf „freiwilliger“ Basis. Allerdings wäre auch hierfür eine richterliche Anordnung erforderlich gewesen.

Es ging um einen unappetitlichen Sachverhalt. Eine VW-Angestellte hatte Spermaspuren auf ihrer Jacke entdeckt. Sie vermutete, dass ein Kollege ihre Kleidung besudelte. Deshalb trat die Polizei an 14 VW-ler heran, die im Umfeld der Betroffenen arbeiten und als Verursacher in Frage kamen.

Wie genau das geschehen ist, darüber gibt es unterschiedliche Versionen. Währen die Polizei davon spricht, sie habe die Speichelproben „freiwillig“ erhalten, scheinen das einzelne Testkandidaten anders zu sehen. Die Hessische Niedersächsische Allgemeine berichtet vom Schreiben eines Betroffenen. In dem Brief schildere der Angestellte die Situation nicht gerade so, dass die Polizei den Testkandidaten viel Spielraum ließ. Auch sei keinem gesagt worden, wofür der Test überhaupt benötigt werde.

Wie auch immer, selbst eine auf dem Papier „freiwillige“ DNA-Untersuchung hätte die Polizei wohl nicht selbst anordnen dürfen. Nach § 81h Strafprozessordnung müssen Reihenuntersuchungen, bei denen Personen nach einem bestimmten Raster überprüft werden, vorab von einem Richter angeordnet werden. Ohne diese Anordnung darf die Polizei gar nicht um eine „freiwillige“ Speichelprobe bitten.

Überdies sind solche Tests auch nur zulässig, wenn ein Verbrechen begangen wurde. Verbrechen sind Straftaten, die mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Gefängnis bedroht sind. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Die in Frage kommenden Delikte (Sachbeschädigung, Beleidigung) sind lediglich Vergehen, die milder bestraft werden können.

Nun wird sich die Frage stellen, ob die Polizei das Gesetz nicht kennt. Oder ob sie es kennt und schon deshalb gleich darauf verzichtet hat, einen Richter zu fragen. Da dieser die Tests nämlich nicht hätte erlauben dürfen. Für letzteres, die bedenklichere Variante, spricht der Umstand, dass laut den Zeitungsberichten die Akte bislang noch nicht mal der zuständigen Staatsanwaltschaft vorliegen soll. Diese leitet aber an sich die Ermittlungen und müsste den Antrag ans Gericht stellen.

Wie so oft in dieser Konstellation, wird sich die Polizei am Ende wahrscheinlich im Lichte ihres Fahndungserfolges sonnen und die juristischen Bedenken als unbedeutsam abtun. Der Mann, von dem das Sperma stammt, hat sich nämlich dem Test unterzogen, konnte so mittlerweile ermittelt werden und hat auch ein Geständnis abgelegt.

Bericht in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen: (1) (2)

Punktsieg für Urmann

In einem seiner Verfahren konnte Abmahnanwalt Thomas Urmann jetzt einen vorläufigen Erfolg erzielen. Eine Anklage wegen Prozessbetrugs wird erst mal nicht weiter verfolgt – weil Urmann möglicherweise in einem anderen Prozess ohnehin eine härtere Strafe droht.

Urmann ist zuletzt durch Abmahnungen von Besuchern des Porno-Portals „Redtube“ in die Schlagzeilen geraten, denen er für die Schweizer „The Archive AG“ Urheberrechtsverstöße vorwarf. In Regensburg sollte Urmann nun wegen Prozessbetrugs in einer anderen Angelegenheit erscheinen, kam laut Mittelbayerischer Zeitung aber nicht.

Vielmehr verhandelte seine Anwältin mit Gericht und Staatsanwaltschaft. Danach wurden die Zeugen nach Hause geschickt und das Verfahren eingestellt. Und zwar im Hinblick auf andere Vorwürfe, wegen denen Urmann sich noch zu verantworten hat. So eine Einstellung ist nach dem Gesetz durchaus möglich, wenn die zu erwartende Strafe wegen der drohenden anderen Verurteilungen nicht ins Gewicht fällt.

Allerdings kommt es auch schon mal vor, dass bei so einer Verfahrensweise die Sache letztlich völlig unter den Tisch fällt. Nämlich dann, wenn auch die späteren Fälle ohne Urteil oder gar mit einem Freispruch enden. Dann muss der Staatsanwalt a) daran denken, das ältere Verfahren wieder aufzunehmen und b) es auch wollen. Verpflichtet ist er dazu nicht.