Anzeigen müssen Anzeigen heißen

Gekaufte Texte in Zeitungen müssen klar als Werbung gekennzeichnet sein. Das hat der Bundesgerichtshof im Fall eines Anzeigenblatts entschieden.

Der Verlag hatte sich für die Veröffentlichung eines Textes bezahlen lassen. Gekennzeichnet war die Werbung durch den Hinweis „sponsored by“ und dem Logo des Auftraggebers. Das reicht nach Auffassung der Karlsruher Richter nicht. Sie fordern ausdrücklich, dass das Wort „Anzeige“ verwendet wird, sofern die Reklame nicht ohnehin klar zu erkennen ist. So verlangt es auch das Pressegesetz in Baden-Württemberg.

Die Tatsache der bezahlten Werbung, so die Richter, dürfe nicht durch unscharfe Begriffe kaschiert werden (I ZR 2/11).

Richter beschneiden Vorauskasse bei Flügen

Nachdem die Verbraucherzentrale NRW schon erfolgreich gegen die Vorauszahlungspraxis von Reiseveranstaltern vorgegangen ist, erstritt sie jetzt überwiegend positive Urteile gegen deutsche Fluggesellschaften. Die Verbraucherschützer hatten geltend gemacht, die übliche Komplettzahlung bei Buchung von Flugreisen benachteilige Verbraucher unangemessen.

Zwei Gerichte (Landgericht Frankfurt a. M. und Landgericht Hannover) folgten nun der Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale: Klauseln, nach denen bereits bei der Buchung oft schon Monate im voraus der gesamte Flugpreis zu zahlen ist, seien unwirksam. Kunden übernähmen hierbei das Insolvenzrisiko der Airline. Die Aushändigung einer Buchungsbestätigung reiche nicht zur Absicherung.

Die Verbraucherzentrale NRW fordert bei Flugbuchungen klare Obergrenzen für Vorauszahlungen. Der Flugpreis sollte frühestens 30 Tage vor Abreise fällig werden. Eine Anzahlungspflicht sei allenfalls dann akzeptabel, wenn auch Fluggesellschaften eine Insolvenzabsicherung vorweisen können, wie sie für Reiseveranstalter bereits vorgeschrieben ist.

Aus diesem Grund legt die Verbraucherzentrale gegen ein Urteil des Landgerichts Köln Berufung ein. In dem Verfahren gegen die Lufthansa hatten die Richter entschieden, das Flugticket verbriefe den Beförderungsanspruch des Kunden gegen die Airline. Deshalb sei eine Vorleistung des Fluggastes in Ordnung.

Verkehrspolizist verhaftet Feuerwehrmann

In den USA ist ein Feuerwehrmann verhaftet worden. An sich ist das keine Nachricht, wäre der Feuerwehrmann nicht gerade im Dienst gewesen und hätte nach einem Unfall einem Schwerverletzten Erste Hilfe geleistet. Sein Vergehen, zumindest nach Ansicht des eingreifenden Polizisten: Der Feuerwehrmann hatte sein Einsatzfahrzeug im kalifornischen Chula Vista so abgestellt, dass es unnötigerweise die zweite Fahrspur teilweise blockierte.

Der Feuerwehrmann heißt Jacob Gregoire. Der 38-Jährige hat laut Berichten auf die Aufforderung des Verkehrspolizisten nicht reagiert. Vielmehr soll er ungerührt weiter Erste Hilfe geleistet haben, bis der Polizist ihn verhaftete. Der Polizeibeamte legte dem Feuerwehrmann Handschellen an und führte ihn zu seinem Dienstfahrzeug. Dort musste er eine halbe Stunde sitzenbleiben, bis er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.

Das Verhalten des Polizeibeamten wird in den USA bereits hitzig diskutiert, zum Beispiel in den Kommentaren zu diesem Fernsehbericht. Die meisten weisen darauf hin, der Polizist sei über das Ziel hinausgeschossen. Bei Rettungseinsätzen habe die Feuerwehr das Sagen, so lange unmittelbare Gefahr besteht. Außerdem parkten Feuerwehrleute ihre Fahrzeuge aus gutem Grund schräg, damit die Unfallstelle abgeschirmt ist.

Zwistigkeiten zwischen Feuerwehr und Verkehrspolizei gibt es in den USA wohl öfter. CBS hat jedenfalls gleich einige Präzedenzfälle aus dem Archiv gekramt. Neu ist allerdings die robuste Vorgehensweise des Polizisten. Bislang ist es wohl noch nie vorgekommen, dass ein Feuerwehrmann während seiner Arbeit in Handschellen gelegt wird. Ähnliche Schlagzeilen machte vor rund zwei Jahren ein Vorfall auf einem Campus der Universität von Kalifornien. Dort hatte ein Wachmann mit stoischer Ruhe friedlich demonstrierende Studenten mit Pfefferspray eingenebelt.

Die Polizei hat inzwischen mitgeteilt, es werde kein Verfahren gegen den Feuerwehrmann geben.

Datenstaubsauger mit fünf Ringen

Die Olympischen Winterspiele stehen ins Haus. Damit die „Fans“ immer gut informiert sind, hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eine Olympia-App auf den Markt geworfen. Mit dem geltenden Recht nimmt es der DOSB allerdings nicht so genau, wie ein Blogger herausgefunden hat.

Daniel Mack hat sich die App des DOSB eingehend angeschaut. So wollte sich der DOSB im Kleingedruckten das Recht herausnehmen, einen Nutzer nach der bloßen Anmeldung mit E-Mails zu beglücken. Und zwar „rund um die Themen ‚Wir für Deutschland‘, Deutsche Olympiamannschaft, diese App und weitere Onlineangebote des DOSB e. V. und der DOSB New Media GmbH“. So was geht allerdings nicht – die Versendung von Mails erfordert stets ein besonders Opt-in des Nutzers. Mack selbst wurde zunächst vom DOSB lakonisch darauf verwiesen, das Opt-out in der App zu nutzen.

Die Nutzer werden auch darüber im Unklaren gelassen, was genau passiert, wenn sie sich mit ihrem Facebook- oder Twitter-Account anmelden. Genau das ist aber erforderlich, wenn man viele der interaktiven Möglichkeiten der App nutzen will („Fancorner“). Nicht nur Daniel Mack, sondern auch der IT-Anwalt Thomas Stadler vermissen in diesem Zusammenhang eine ausreichende Datenschutzerklärung. Ganz ohne ist das alles nicht. Immerhin gewährt der Nutzer mit der Facebook-Freigabe etwa Zugriff auf sein Profil, seine Freundeliste und elektronische Kontaktdaten.

Bei so einem Datenhunger stellt sich natürlich die Frage, ob der DOSB nicht nur das Informationsinteresse der Sportfans im Auge hat. Die Informationen wären natürlich eine begehrte Ware auf dem Reklamemarkt.

Immerhin kündigt der DOSB an, sich der Kritik nicht zu verschließen. In den Kommentarspalten der Blogs von Mack und Stadler läasst ein DOSB-Mitarbeiter verlauten, Nutzer müssten ab sofort in die Zusendung von Mails ausdrücklich einwilligen. Auch die Datenschutzerklärung wollen die App-Gestalter überprüfen.

Männer – derzeit Mangelware in der Justiz

Gehen der Justiz die Männer aus? Der Chef des Oberlandesgerichts Hamm, Johannes Keders, klagt jedenfalls öffentlich darüber, es würden sich zu wenige Männer für die Anstellung als Richter oder Staatsanwalt interessieren. Tatsächlich sollen rund 80 % der Bewerbungen mittlerweile von Frauen kommen.

Bei der Einstellungsrunde im letzten Jahr führte das dazu, dass im Bezirk des OLG Hamm 44 Frauen ihren Dienst antraten, jedoch nur 23 Männer. Bei den Staatsanwaltschaften fingen 22 Frauen und zehn Männer an. Eine Ursache haben die Verantwortlichen bereits ausgemacht. Der Justizdienst ist nach ihrer Auffassung derzeit einfach nicht attraktiv genug. Das ergebe sich schon aus den Bewerberzahlen insgesamt. Diese seien sowohl bei Männern als auch Frauen „auffällig“ rückläufig.

Männliche Jung-Juristen, so die Vermutung, gingen lieber zu Großkanzleien oder in die Wirtschaft. Dort werde einfach besser gezahlt. Außerdem ist es in der Tat längst nicht mehr ausgemacht, dass man im Justizdienst eine vergleichsweise ruhige Kugel schieben kann. Der OLG-Präsident spricht selbst davon, dass lange Arbeitszeiten, Bereitschaftsdienste und schwierige Verfahren heute durchaus alltäglich sind.

Also womöglich viel Arbeit und vergleichsweise schlechte Bezahlung, darauf wollen sich offenbar immer weniger Juristen mit Spitzenexamen einlassen. Das ungleiche Verhältnis der Geschlechter sieht Keders übrigens auch darin begründet, dass Frauen den öffentlichen Dienst noch als etwas attraktiver empfinden, weil dort Arbeit und Familie als leichter vereinbar gelten.

Am OLG Hamm empfindet man die absehbare Schieflage offenbar als wenig wünschenswert. Deshalb sollen männliche Bewerber jetzt schon zum Zuge kommen, auch wenn sie eine schlechtere Examensnote haben. Bei ihnen soll ein „befriedigend“ reichen. Frauen würden dagegen weiter das Prädikat „vollbefriedigend“ benötigen.

Mir schwant allerdings, dass diese Absicht schnell wieder zu vermehrter Arbeit in der Justiz führt. Nämlich bei den Verwaltungsgerichten, die sich mit den Klagen zu kurz gekommener Bewerberinnen beschäftigen müssen. Die Methode klingt nämlich verdächtig nach Geschlechterdiskriminierung. Jedenfalls so lange, wie es keinen rechtswirksamen „Männerförderplan“ gibt.

Bericht in der Neuen Westfälischen / RA Detlef Burhoff zum gleichen Thema

Nachtrag: Laut einer Mitteilung des OLG Hamm sollen die Einstellungsvoraussetzungen für Männer nicht abgesenkt werden.

Gypsies, Tramps and Thieves

Interessanter Satz aus einer Anklageschrift:

Aufgrund eines gemeinsamen Tatplans … schwärzten die Angeschuldigten … am Tattag gegen 18.00 Uhr über die auf der Neustraße verlaufende Bundesgrenze aus den Niederlanden kommend nach Herzogenrath 431 Gramm Marihuana … in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein.

Ich habe erst mal gestutzt, denn die Verwendung des Wortes schwärzen in diesem Kontext war mir bislang nicht geläufig. Und ich habe schon viele Anklageschriften bei Drogendelikten gelesen. Laut Duden bedeutet schwärzen schmuggeln, allerdings nur im Süddeutschen. Umgangssprachlich wird es wohl auch mit dieser Bedeutung in Österreich verwendet.

In der Wikipedia ist zu erfahren, dass der Begriff seinen Stamm in der rotwelschen Sprache hat. Diese ist „ein Soziolekt gesellschaftlicher Randgruppen auf der Basis des Deutschen, wie sie seit dem späten Mittelalter besonders bei Bettlern, fahrendem Volk (Vaganten), Vertretern sogenannter unehrlicher Berufe und in kriminellen Subkulturen in Gebrauch kamen“.

Nachdem ich das gelesen habe, finde ich die Formulierung deutlich weniger originell als zuerst. Der Staatsanwalt hat ja mit Sicherheit keinen Versuch gemacht hat, sich seiner (heutigen) Zielgruppe sprachlich anzunähern. Damit wäre er in der Tat glorios gescheitert. Bleibt als Intention wohl nur eine gewisse Abfälligkeit, die da ausgedrückt wird. Das wiederum finde ich etwas deplatziert – jedenfalls für einen Mitarbeiter der „objektivsten Behörde der Welt“.

Viele Worte

Heute habe ich seit längerem mal wieder in die Akte eines Rechtsstreits geguckt, der nach den Regeln der Zivilprozessordnung entschieden wird. Meine Kollegin hatte mich gebeten, einen Blick auf die Unterlagen zu werfen. Sie war sich nicht sicher, ob der gegnerische Anwalt ein cleveres Kerlchen ist. Oder ein Horst.

Neben anderen Kleinigkeiten geht es darum, dass der gegnersiche Anwalt für den Kläger beantragt, gegen unsere Mandantin – die Beklagte – ein Versäumnisurteil zu erlassen. Und zwar pronto. Seine Begründung: Wir hätten nicht ordnungsgemäß angezeigt, dass sich unsere Mandantin gegen die Klage verteidigen wird. Dies muss man im Regelfall innerhalb von zwei Wochen erledigen. Sonst kann in der Tat ein Versäumnnisurteil ergehen.

Allerdings gibt es von uns einen fristgerechten Schriftsatz, in dem folgendes steht:

Die Beklagte wird sich gegen die Klage verteidigen.

Diese „Verteidigungsanzeige“ liegt vor, der Anwalt hält sie aber für unwirksam. Immerhin, da hat er recht, hätten wir diese Anzeige zunächst an ein anderes Gericht gerichtet. Nämlich das Gericht, an welches er zunächst die Klage geschickt hatte. Allerdings ohne zu bedenken, dass dieses Gericht örtlich gar nicht zuständig ist. Demgemäß wurde der Rechtsstreit, nach entsprechendem Protest von uns, vom ersten Gericht an das zuständige Gericht verwiesen. Dort liegt die Akte nun auch vor, und dort wird der Rechtsstreit auch entschieden.

Mit vielen Worten versucht der Anwalt nun das neue Gericht zu überzeugen, es müsse ein Versäumnisurteil gegen uns erlassen. Allerdings muss man nur ein wenig um die Ecke denken, um den Flachsinn zu erkennen. Wir haben ja damals bei dem Gericht die Verteidigungsanzeige eingereicht, das uns dazu aufgefordert hat. Das später zuständig gewordene Gericht, das aber denselben Prozess nun weiterführt, hat uns dagegen nicht nochmals zu einer Verteidigungsanzeige aufgefordert. Warum auch – diese lag ja bereits vor.

Im Kern möchte der Anwalt also eine angeblich von uns unterlassene Prozesshandlung zu seinem Vorteil ausnutzen, zu der wir nie verpflichtet waren. Darauf fällt ein Landgericht nie und nimmer rein. Also:

Horst.

Der „Kenntnisstand der Kammer“

Nachdem das Landgericht Köln vor kurzem bei den Porno-Abmahnungen in Sachen Redtube auf die Nase fiel, sorgt jetzt ein aktuelles Urteil für erneute massive Verwirrung.

Es geht darum, wie Webseiten die Quellen fremder Fotos kenntlich machen müssen. Im entschiedenen Fall hatte der Betreiber einer Seite eigentlich alles richtig gemacht – zumindest nach bisherigem Stand. Er nutzte ein Bild von der Fotoplattform Pixelio. Auf seiner Seite brachte er ordnungsgemäß den Quellenvermerk an, den die Pixelio-Lizenz verlangt.

Dem Fotografen, der das Bild auf Pixelio anbot, reichte dies jedoch nicht. Er monierte, der Quellenvermerk fehle, wenn man das Vollbild via Direktlink aufrufe. Das Landgericht Köln sieht darin in der Tat eine Verletzung des Urheberrechts. Auch wenn, wie das Gericht selbst einräumt, ein eigener Urhebervermerk, der bei Aufruf des Direktlinks zum Bild erscheint, heute absolut unüblich ist.

Das Gericht hält die Rechtslage allerdings für eindeutig. Bei jedem Aufruf eines geschützten Fotos müsse der Urheber ordnungsgemäß benannt sein. Technische Probleme sieht das Landgericht Köln nur wenige. Wörtlich:

Vielmehr hätte der Nutzer in diesem Fall entweder technische Möglichkeiten ergreifen müssen, um eine solche isolierte Anzeige und Auffindbarkeit über eine Internetsuchmaschine gänzlich zu unterbinden oder aber den Urhebervermerk im Bild selbst anbringen müssen, wie es nach dem eigenen Kenntnisstand der Kammer auch mit einer Standardbildbearbeitungssoftware jedem durchschnittlichen Internetnutzer ohne weiteres möglich ist.

Über das Urteil kann man nur den Kopf schütteln. Es ist nicht nur technisch unbedarft (was andere besser beurteilen können), sondern auch juristisch. Nur einer von vielen Aspekten: Der angeblich so simple Urhebervermerk auf dem Bild wäre juristisch auch höchst problematisch. Gerade so Leute wie der klagende Fotograf können in der Veränderung des Bildes eine unberechtigte Veränderung ihres Werkes sehen – was wiederum das Urheberrecht verletzten kann.

Zum jetzigen Zeitpunkt eröffnet das Urteil jedenfalls einen gigantischen Abmahnmarkt. Der Prozentsatz von Webseiten, die heute den Anforderungen des Gerichts genügen, dürfte nämlich verschwindend gering sein. Das Urteil birgt also ganz konkrete Gefahren.

Und das nicht nur für jeden einzelnen Seitenbetreiber, der sich an sich redlich bemüht, dem Urheberrecht zu genügen. Sondern auch für den Internetstandort Deutschland. Es wird wohl nur Stunden dauern, bis die restliche Welt mal wieder über uns lacht.

Link zum Urteil / Markus Kompa zum gleichen Thema

Nachtrag: Das Landgericht Köln bemüht sich offenbar gerade darum, die eigene Webseite umzubauen. Auch das Gericht verwendet nämlich Bilder von Pixelio. Abmahnfähig ist – Stand 15.20 Uhr – jedenfalls noch das Wegweiserschild auf dieseer Seite. Da fehlt nämlich jeder Quellenvermerk, wenn man das Bild selbst aufruft.

Erleuchtet

Bei seiner Vernehmung vor Gericht erzählt ein Zeuge, er sei auch kommunalpolitisch aktiv. Unter anderem habe er kleine Kundgebungen organisiert, um einem Gedenkstein im Ort etwas mehr Beachtung zu verschaffen. Insbesondere sei der Gedenkstein gar nicht beleuchtet.

Leider, so der Zeuge, habe die Stadt die Anregung nicht aufgegriffen. Der Gedenkstein blieb weiter im Dunkeln. Aber immerhin gibt es sinnvolle privatwirtschaftliche Initiativen. Eine davon sorgte für eine Lösung des Problems.

Kürzlich, so der Zeuge, ist direkt gegenüber dem Gedenkstein ein großer Puff gebaut worden. Der Gedenkstein ist jetzt von der Fassade des Etablissements hervorragend beleuchtet – wenn auch in Rot. Dagegen, meinte der Zeuge, lohnt sich der Protest aber nicht.

Ihre DNA, bitte

Einen ganz neuen Weg bei DNA-Reihentests geht die Polizei in Gütersloh. Nach einem bislang ungeklärten Doppelmord an einem Geschwisterpaar bitten die Beamten Angehörige, Nachbarn und ansonsten „interessante“ Personen um eine freiwillige Speichelprobe. Das Interessante hieran: Die Polizei hat am Tatort bislang eingestandermaßen keine brauchbaren DNA-Spuren sichern können, die sie möglicherweise vergleichen könnte.

Wozu die DNA der angefragten Personen denn überhaupt gut sein könnte, steht also in den Sternen. So richtig plausibel begründen können jedenfalls weder Polizei noch Staatsanwaltschaft ihre Aktion. Es heißt lediglich:

Die Proben werden im Vorgriff erbeten, damit diese Personen zu einem späteren Zeitpunkt und Stand der Ermittlungen – bei Bedarf – nicht erneut zur Abgabe einer Speichelprobe aufgesucht werden müssen.

Es geht also anscheinend nach dem Motto: Wenn wir schon mal bei einem Zeugen sind, nehmen wir gleich mit, was wir kriegen können. Ist ja auch aufwendig, bei „Bedarf“ noch mal hinzufahren. In einer Großstadt wie Gütersloh. Oder am Ende gar einen richterlichen Beschluss erwirken zu müssen, falls ein Betroffener darauf besteht, dass „freiwillig“ bei uns noch immer auch bedeutet, nein sagen zu dürfen.

Mir drängt sich eher der Verdacht auf, die Bitte um eine Speichelprobe ist nur Mittel zum Zweck. Nämlich um zu sehen, wie Betroffene reagieren. Wer sich weigert, macht sich verdächtig. So einfach könnte das sein. Das ist ja gar kein dummer Ansatz. Gerade in einem Fall, in dem die Ermittler im Dunkeln tappen.

Sollte die Polizei wirklich so vorgehen, wäre das wohl nicht illegal, aber doch eine ganz schöne Trickserei. Dagegen kann man sich am Ende wohl nur prophylaktisch zur Wehr setzen. Indem man gleich kategorisch jedes Gespräch verweigert. Wozu man, ich wiederhole es ja gern, auch als Zeuge stets und ständig ohne jede Begründung berechtigt ist.

Bericht im Mindener Tageblatt

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Auf der Sonnenseite

Der Sommer ist zwar noch nicht in Sicht, aber trotzdem wird ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München so manchen Mieter interessieren. Laut der Entscheidung dürfen Mieter auf ihrem Balkon eine Markise anbringen, um bei heißem Wetter gut vor der Sonne geschützt zu sein. Der Vermieter kann nicht einwenden, ein Sonnenschirm tue es ja auch.

Geklagte hatte der Mieter einer Balkonwohnung, die in dem Haus nach hinten gelegen ist. Er wollte eine Markise anbringen, was dem Vermieter nicht gefiel. Dieser fürchtete um das Erscheinungsbild seines Hauses. Doch das propere Aussehen sei nicht so wichtig, befand das Gericht. Nach hinten raus müssten bei der Optik Abstriche gemacht werden. Das Interesse des Mieters, seinen Balkon in üblicher Weise nutzen zu können, gehe jedenfalls vor.

Überdies hatte sich der Mieter bereit erklärt, die Markise nach den Vorgaben des Vermieters zu gestalten. Damit war auch das Argument vom Tisch, das Haus werde verschandelt, wenn jeder Mieter nach Lust und Laune einen Sonnenschutz errichtet (Aktenzeichen 411 C 4836/13).

Entweder oder steht nicht im Grundgesetz

Keine Strafe ohne Gesetz. So bestimmt es das Grundgesetz. Alle Theorie ist allerdings grau. Eines der fragwürdigsten Rechtsinstitute nimmt nun ein Strafsenat des Bundesgerichtshofs ins Visier. Es handelt sich um die sogenannte Wahlfeststellung, die seit Jahrzehnten ihr Unwesen im deutschen Strafrecht treibt. Die Richter halten die Vorschriften für verfassungswidrig.

Bei der „ungleichartigen Wahlfeststellung“ handelt es sich um eine Rechtsfigur, die in engen Grenzen schon das Reichsgericht angewandt hat. Danach kann ein Beschuldigter „wahlweise“, also wegen Verstoßes entweder gegen das eine oder gegen das andere Strafgesetz verurteilt werden, wenn nach Durchführung der Beweisaufnahme offen bleibt, welchen von beiden Tatbeständen er verwirklicht hat. Außerdem muss die Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass keiner von beiden erfüllt wurde.

Entwickelt wurde diese Verurteilungsmöglichkeit ursprünglich für Fälle, in denen sich nicht klären lässt, ob ein Beschuldigter, bei dem gestohlene Sachen gefunden werden, diese selbst gestohlen (Diebstahl) oder von dem Dieb erworben hat (Hehlerei); beide Tatbestände schließen sich aus.

Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs kann in solchen Fällen aber eine „wahlweise“ Verurteilung erfolgen, da beide Taten „rechtsethisch und psychologisch vergleichbar“ seien. Im Laufe der Jahre wurde die Figur der ungleichartigen Wahlfeststellung auf zahlreiche andere Tatbestandspaare ausgedehnt.

Allerdings gibt es hierbei ein altbekanntes Problem, auf das der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshof erneut hinweist. Das Grundgesetz kennt nur die Verurteilung wegen einer konkreten Tat, die auf der Verwirklichung eines konkreten Tatbestandes im Strafgesetzbuch beruht. Dass es auch anders geht, haben sich Richter ausgedacht und über ihr faktisches Monopol bei der Rechtsanwendung über Jahrzehnte fest etabliert.

Dies will der 2. Strafsenat am Bundesgerichtshof so nicht akzeptieren. Das Gericht weist darauf hin, die unechte Wahlfeststellung bedürfe zumindest einer gesetzlichen Grundlage; diese gibt es jedoch nicht. Der 2. Strafsenat fragt nun bei den anderen Strafsenaten an, ob diese an der unechten Wahlfeststellung festhalten wollen. Sollte dies der Fall sein, könnte der Große Senat für Strafsachen die Streitfrage am Ende entscheiden (2 StR 495/12).