Plaudern ohne Risiko

Hat der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich unbefugt über den Fall Edathy geplaudert? Nach Angaben der SPD hat Friedrich im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel gesagt, gegen Edathy werde ermittelt.

Der heutige Vizekanzler Gabriel war damals noch kein Regierungsmitglied, so dass dies jedenfalls kein Gespräch zwischen Innenminister und einem anderen Amtsträger war. Friedrich könnte somit gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstoßen haben, meint der Staats- und Verwaltungsrechtler Ulrich Battis.

Es entbehrt zunächst natürlich nicht eine gewissen Ironie, dass der ehemalige Innenminister, der so engagiert auf die Enthüllungen von Edward Snowden nicht reagiert hat, sich selbst als begabter Whistleblower entpuppen könnte.

Abgesehen davon gibt es tatsächlich einen passenden Paragrafen im Strafgesetzbuch, an dem Friedrich sich messen lassen müsste: „Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“.

Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass Hans-Peter Friedrich nun Beschuldigter eines Strafverfahrens wird. Auch wenn ein Geheimnisverrat natürlich denkbar ist, ist die Sache gemäß Absatz 4 des Gesetzes überhaupt nur dann verfolgbar, wenn eine sogenannte „Ermächtigung“ vorliegt. Diese Ermächtigung ist zwingende Voraussetzung, damit ermittelt werden kann. Ohne geht es nicht.

Die Ermächtigung müsste wohl von Thomas de Maizière kommen. Dieser hat das Amt des Bundesinnenministers heute inne, während sein Kollege Friedrich in der Bundesregierung das Ressort Landwirtschaft betreut.

Wie wahrscheinlich es in dieser Konstellation ist, dass die Staatsanwaltschaft Berlin tatsächlich die Vorwürfe aufklären darf, kann man sich unschwer ausmalen. Insbesondere, weil ja auch die Minister Gabriel und Steinmeier kein Interesse daran haben dürften, dass ihr Umgang mit den Informationen durchleuchtet wird.

Ohne Gewalt keine Tat

Ein Anspruch auf Opferentschädigung ist ausgeschlossen, wenn die mögliche Straftat ein aufgenötigter Sexualkontakt ist, gegen den sich das Opfer nicht körperlich wehrt. Dann liegt nämlich kein „tätlicher“ Angriff vor, wie ihn das Gesetz fordert. Mit dieser Begründung wies das Landessozialgericht Celle-Bremen die Klage einer Frau ab, die sich von ihrem Arzt sexuell belästigt fühlte.

Der Mediziner sollte bei seiner Patientin eigentlich nur das Bein oberhalb des Kniegelenks untersuchen. Tatsächlich, so die Betroffene, habe er mit dem Ultraschallgerät sexuell motivierte Handlungen im Vaginalbereich vorgenommen.

Auf die Frage, was genau vorgefallen ist, kam es für die Richter am Landessozialgericht nicht an. Die Frau habe auch nach eigenen Angaben gegen die Berührungen jedenfalls keinen Widerstand geleistet. Als sie es nicht mehr ertragen habe, sei sie lediglich aufgestanden, habe sich angezogen und sei gegangen.

Mangels Widerstands der Frau gegen die Handlungen selbst liege also kein tätlicher Angriff vor. Im übrigen habe die Frau auch nicht belegen können, dass tatsächlich verletzt wurde. Deswegen, so die Richter, lasse sich eine Körperverletzung nicht bejahen.

An der Bewertung änderte für die Richter auch der Umstand nichts, dass gegen den Arzt schon vor Jahren in etwa ähnlichen Fällen ermittelt wurde. Damals soll er den Betroffenen Schmerzensgeld gezahlt haben; die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin die Verfahren ein (Aktenzeichen L 10 VE 29/12).

Der entscheidende Begriff

Die Süddeutsche Zeitung liefert heute abend interessante, aber auch bestürzende Informationen zum Fall Sebastian Edathy. Danach soll sich der Anfangsverdacht gegen den zurückgetretenen SPD-Bundestagsabgeordneten lediglich darauf stützen, dass er legale Aufnahmen von Kindern im Internet bezogen hat.

Daraus schlossen die Ermittler laut SZ allerdings, Edathy könne womöglich auch strafbare Kinderpornografie besitzen. In dem sechsseitigen Durchsuchungsbeschluss stehe ausdrücklich, bei den Aufnahmen, die Anlass für die Ermittlungen waren, handele es sich nicht um Kinderpornografie im Sinne des Strafgesetzes.

Die Rede ist also wahrscheinlich von sogenannten Posing-Aufnahmen. Auch diese zeigen oftmals nackte Kinder, aber eben nicht bei sexuellen Aktivitäten und auch nicht in Blickwinkeln, welche die Geschlechtsteile herausstellen. Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, sind solche Bilder womöglich anstößig und können moralische Urteile rechtfertigen. Sie sind aber kein Fall für den Staatsanwalt.

Oder aber eben doch, wie nun die Causa Edathy anschaulich vor Augen führt. Es ist offensichtlich, dass der von der Strafprozessordnung geforderte Anfangsverdacht hier aufs äußerste strapaziert wird. Denn die dafür notwendige Schlussfolgerung, wer sich solche Bilder besorge, konsumiere (womöglich) auch strafbare Kinderpornos, lässt sich eigentlich nur willkürlich ziehen. Und von der Willkür emsiger Staatsanwälte und Ermittlungsrichter sollte niemand abhängig sein.

Selbst wenn jemand für solch hartes Material affin sein sollte, kann es genau so gut sein, dass er die Grenze zur Strafbarkeit bewusst nicht überschreitet. Es gibt ja auch genug Leute, die auf Joints verzichten oder auf Kokain, obwohl sie ohne gesetzliche Verbote danach greifen würden. Diese Menschen nehmen sich zurück, respektieren das Gesetz. Schon damit hat insbesondere das Strafrecht seine vornehmste Aufgabe wirksam erfüllt: die Einhaltung gesellschaftlicher Regeln.

Umso unverständlicher wird vor diesem Hintergrund der Fall Edathy. Man mus sich ja auch vor Augen führen, dass wir hier nicht über eine Verkehrsunfallflucht reden. Vielmehr ist schon der Tatvorwurf Kinderpornografie geeignet, Menschen schon mit der Beschuldigung augenblicklich den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Schon alleine deswegen sollte nicht alles gemacht werden, was unter Berufung auf den schwammigen „Anfangsverdacht“ mit allergrößten Bauchschmerzen vielleicht juristisch noch durchgewunken werden kann. Wie so oft, ist Verhältnismäßigkeit auch hier der entscheidende Begriff.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung

Neugierige Kameras bei Mr. Wash

Die Autowasch-Kette Mr. Wash kontrolliert ihre Mitarbeiter systematisch mit Kameras, berichtet der stern. Laut der Illustrierten hat hat das Unternehmen in den meisten seiner bundesweit 33 Waschstraßen Webcams installiert, die via Internet aus der Firmenzentrale in Essen angesteuert werden können.

Hierbei sollen nicht nur die Waschstraßen selbst erfasst werden, sondern etwa auch die Pausenräume. Das Kamerasystem wurde Insidern zufolge, auf die sich der stern beruft, bei Mr. Wash schon vor Jahren installiert und fortlaufend auf Stand gehalten.

Bei Mr. Wash arbeiten rund 800 Menschen. Über die Kameraüberwachung sei das Gros der Belegschaft nicht informiert, heißt es. Lediglich die Filialleiter hätten Kenntnis von den Webcams.

Eine solche Form der Arbeitsplatz-Kontrolle ist nicht erlaubt, insbesondere wenn sie heimlich erfolgt. „Versteckte Überwachung ist ein schwerwiegender Verstoß“, sagt Nils Schröder, Sprecher des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesdatenschutzgesetz sieht dafür hohe Bußgelder vor.

Mr. Wash erklärte in einer Stellungnahme, die „Situation in ausgewählten Bereichen unserer Niederlassungen“ zu beobachten. Es liege „in der Natur der Sache, dass im Erfassungsbereich dieser Kameras auch Personen zu erkennen sind“.

Minister will Privatsphäre stärker schützen

Es könnte eine wichtige Gesetzesinitiative werden, die Bundesjustizminister Heiko Maas auf den Weg bringt. Er möchte Verbraucherschutzverbänden eine Klagemöglichkeit geben, wenn Firmen den Datenschutz nicht ernst genug nehmen und die Privatsphäre ihrer Kunden missachten.

Maas sagte auf dem Safer Internet Day, er wolle den Schutz der Privatsphäre deutlich stärken. „Wer die Privatsphäre seiner Kunden verletzt, kann nicht mehr hoffen, dass er ungeschoren davon kommt“, erklärte der Minister. Eine Klagemöglichkeit für Verbraucherverbände könne hierbei helfen.

Bislang können Verbraucherschützer nur in eng begrenzten Fällen via „Allgemeinklage“ vorgehen. Dazu gehören Klagen wegen unwirksamer Geschäftsbedingungen und Wettbewerbsverstöße.

Kinder zahlen für ihre Eltern

Selbst wenn Eltern über viele Jahre lang jeden Kontakt mit ihren Kindern ablehnen, bleiben die Kinder unterhaltspflichtig. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden.

Verklagt war ein Scheidungskind, das nach vielen Jahren für seinen pflegebedürftigen Vater zahlen sollte. Der heute 50-jährige Mann lebte seit der Trennung seiner Eltern im Jahr 1971 bei der Mutter. Der Vater lehnte jeden Kontakt zu seinem Kind ab.

Nun sollte der Sohn die Kosten übernehmen, die das Sozialamt für den seit 2009 pflegebedürftigen Vater übernahm. Der Sohn machte geltend, er habe 27 Jahre nichts von seinem Vater gehört. Deshalb sei es ihm unzumutbar, nun für dessen Pflege aufzukommen.

Das sieht der Bundesgerichtshof anders. Die Richter weisen darauf hin, der Vater habe sich um den Sohn gekümmert, bis dieser volljährig war. Gerade in dieser Lebensphase sei die Unterstützung wichtig; deshalb liege hier keinesfalls eine Verfehlung vor, die das Gesetz für eine Verwirkung des Unterhalts verlangt.

Auch eine bloße Kontaktverweigerung, das Gericht spricht von „Aufkündigung des Familienbandes“, seit der Trennung reiche nicht aus. Gleiches gelte für für den Umstand, dass der Vater seine spätere Lebenspartnerin als Alleinerbin eingesetzt habe. Das sei das gute Recht des Mannes gewesen, er habe nur von seiner Testierfreiheit Gebrauch gemacht.

Wichtig an der Entscheidung ist die Aussage, dass eine einfache Verletzung elterlicher Pflichten höchstens dann eine Rolle spielt, wenn Eltern ihre Kinder in jungen Jahren vernachlässigen (Aktenzeichen XII ZB 607/12).

Hochzeitsfeier auf der Autobahn

Die Autobahn ist nicht unbedingt der richtige Ort für Feierlichkeiten. Das merkten jetzt die Teilnehmer einer türkischen Hochzeitsgesellschaft, die im Überschwang bei Bremen den Autobahnverkehr auf den Fernstraßen A 270 und A 27 behinderten.

Zeitweise sollen es mehr als 30 Autos gewesen sein, die im Rahmen einer Hochzeitsfeier Kolonne fuhren. Die Polizei berichtet, teilweise hätten die Fahrzeuge alle Fahrspuren und den Seitenstreifen blockiert. Die Autos seien mit eingeschaltetem Blinklicht etwa 50 Stundenkilometer gefahren, hätten aber mitunter auch bis zum Stillstand gebremst.

Die Polizei griff auf dem Rastplatz Osterwiesen rabiat durch, wohl mit dem Segen eines Staatsanwalts. Die Beamten riegelten den Parkplatz ab und beschlagnahmten die Führerscheine der Autofahrer.

Über die Verhältnismäßigkeit so einer Maßnahme kann man natürlich streiten streiten. Aber ganz ohne ist so ein Verhalten natürlich nicht. Auch wenn niemand verletzt wurde, steht zumindest gegen die „Anführer“ der Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Raum. Dafür kann es durchaus Strafen geben, unter anderem mit Fahrverbot oder sogar dauerhafter Entziehung der Fahrerlaubnis.

Strafe ohne Urteil

Möglicherweise sind es nicht (nur) gesundheitliche Gründe, die den SPD-Politiker Sebastian Edathy zum Rückzug bewegt haben. Wie nun bekannt wird, laufen Ermittlungen gegen Edathy wegen des Besitzes oder gar der Verbreitung kinderpornografischer Schriften. Privat- und Geschäftsräume von Edathy sollen durchsucht worden sein.

Dass die Staatsanwaltschaft eingreifen konnte, deutet jedenfalls auf einen nicht ganz fernliegenden Verdacht. Edathy sitzt für die SPD im Bundestag, deshalb musste im Vorfeld jedenfalls seine Immunität aufgehoben werden.

Es ist erneut bemerkenswert, dass es in solchen – und anderen – publikumswirksamen Fällen offensichtlich nicht ernsthaft versucht wird zu verhindern, dass vor der juristischen Aufarbeitung der Betroffene schon mal gesellschaftlich vorab bestraft, wenn nicht sogar exekutiert wird. Edathy selbst beklagt in einer aktuellen Stellungnahme, neben Polizeibeamten seien auch Journalisten bei der Durchsuchung aufgetaucht.

Gerade bei solchen Tatvorwürfen spielt es dann ja kaum noch eine Rolle, ob der Beschuldigte später tatsächlich einer Straftat überführt wird. Umso größer wird damit auch die Gefahr, dass derartige Vorwürfe nicht nur instrumentalisiert, sondern auch konstruiert werden. Die Versuchung in dieser Richtung dürfte auch durch den Fall Edathy nicht geringer werden.

Bericht im Handelsblatt

Im Auge des Betrachters

Im Rahmen von Ermittlungen untersuchte ein Polizeibeamter ein sichergestelltes Handy. Dabei stieß er auf vier Fotos, wegen denen mein Mandant nun wiederum ein Verfahren am Hals hat. Mein Mandant hatte dem Typen, dem das Handy gehört, im Rahmen einer WhatsApp-Plauderei einige private Bilder zugeschickt. Verbreitung pornografischer Schriften, lautet nun der Vorwurf.

Ach ja? Zwei Bilder sind typische Selfies. Bislang war mir nicht bekannt, was an einem Porträt – mehr als das Gesicht ist nicht zu sehen – pornografisch sein könnte. Aber vermutlich ist es die laszive Kombination mit dem Hintergrund, die den Polizisten angeregt hat. Der Kopf meines Mandanten ist nämlich auf zwei Kissen gebettet, und auf einem Bild guckt er etwas verkniffen. Sieht für mich aus, als wäre ein Zitronenbonbon im Spiel? Die Phantasie des Kommissars scheint allerdings anderweitig auf Touren gekommen zu sein, denn er nimmt die Bilder als „relevant“ in seine Akte auf.

Nun zu den beiden anderen Fotos. Auf denen ist ein männlicher Unterkörper zu erkennen. Gut möglich, dass dieser zu meinem Mandanten gehört. Allerdings ist die Leistengegend eindeutig bekleidet, und zwar mit einer undurchsichtigen beigen Herren-Unterhose. Nichts unkonventionelles, ich tippe auf ein Modell vom Grabbeltisch bei Strauss.

Wenig überraschend ist da, wo man bei Männern normalerweise einen Knubbel sieht, wenn man sie in Unterhosen fotografiert, tatsächlich ein Knubbel zu sehen. Der Polizeibeamte weiß aus kriminalistischer Erfahrung genau, was unter dem blickdichten Baumwollgeflecht lauert und womöglich die Rechtsordnung bedroht: „… der Penis, der sich als Beule abbildet“.

Tja, und wenn mein Mandant nun sagt, er hat sich einen Marsriegel – einen von den kleinen – in die Hose geschoben, um ein Scherzfoto zu whatsappen? Ich stelle diese lästerliche Frage nur, weil sie schön belegt, warum es sich hier nie und nimmer um Pornografie im Sinne des Strafgesetzbuchs handelt. Abgesehen von dem Umstand, dass wir ansonsten unsere Freibäder nicht mehr öffnen dürften, spielt das Pornokino hier nämlich gar nicht auf dem Display eines iPhone, sondern ausschließlich im Kopfe des beamteten Betrachters.

Das werde ich der zuständigen Staatsanwältin schreiben. Ich wage die Prognose, wir müssen die Sache nicht weiter vertiefen.

Neue Gesetze gehören ins Internet

Gastbeitrag von Dr. Patrick Breyer

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, gibt ein altes Sprichwort einen
Grundsatz des Rechts wieder. Man geht davon aus, dass jeder Bürger die
Möglichkeit hat, das ihn betreffende Recht zu kennen. Zumindest diese
Möglichkeit der Kenntnis braucht es, um die Legitimität des Rechts zu
begründen.

Gesetze und Verordnungen werden den Bürgern durch den formalisierten Akt
der Verkündung zur Kenntnis gebracht. Die Verlesung neuer Erlasse auf
dem Marktplatz, wie sie im Mittelalter praktiziert wurde, ist heute
natürlich nicht mehr das erste Mittel der Wahl. Das geschah zu einer
Zeit, als es wenige dieser „Gesetze“ gab und auch die Räume, für die sie
Geltung beanspruchten, noch im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar
waren. Noch heute kann aber beispielsweise in Schleswig-Holstein in
kleineren Gemeinden das so genannte Ortsrecht mittels Anschlag an
Bekanntmachungstafeln in Kraft gesetzt werden. Hier soll die Reichweite
des örtlichen Anschlags ausreichen.

Bei Landes-, Bundes- oder gar Europarecht ist ein örtlicher Anschlag
untauglich, um die Bevölkerung zu erreichen. Deshalb wird Bundesrecht im
Bundesgesetzblatt und Landesrecht im Gesetz- und Verordnungsblatt des
Landes verkündet – auf Papier gedruckt, weil es die Verfassung so
verlangt. Diese gedruckten Gesetzblätter landen in Ministerien,
Behörden, einigen Bibliotheken und bei ganz wenigen privaten Abonnenten.
Das Gros der Bevölkerung müsste sich zur nächsten Bibliothek aufmachen,
um dann im Wochentakt neue Gesetze durchzuwühlen – vielleicht ist da ja
ein wichtiges darunter.

Bund und Bundesländer stellten ihre Gesetz- und Verordnungsblätter
bisher meist auch online kostenlos zur Verfügung – Schleswig-Holstein
aber nur bis 2013. Außerdem sind die Blätter teilweise erst Tage nach
Inkrafttreten der verkündeten Gesetze online abrufbar – mit gravierenden
Folgen. So beschloss der schleswig-holsteinische Landtag im Januar 2014
ein Gesetz, demzufolge das gewerbliche Einsammeln von Sperrmüll verboten
wird; Zuwiderhandlungen kosten Geld. Das Gesetz trat „am Tage nach
seiner Verkündung in Kraft“. Doch die Verkündung ist bis heute nicht im
Internet ersichtlich und abrufbar.

Zur rechtsgültigen Verkündung genügt bis heute die gedruckte Ausgabe,
und sei sie auch noch zu unzugänglich. Diesen Anachronismus haben das
Saarland, Bremen und Brandenburg ebenso wie die Europäische Union
klugerweise abgeschafft und verkünden ihre Gesetze elektronisch. Neben
der größeren Anzahl an Empfängern wird dadurch auch Menschen mit
Beeinträchtigung der Zugang zum Recht einfacher oder erst möglich
gemacht, indem beispielsweise sehbeeinträchtigte Menschen Screenreader
verwenden können.

Während ein E-Government-Gesetz des Bundes längst in der Umsetzung
begriffen ist und in Schleswig-Holstein ein Sonderausschuss
Verfassungsreform unter anderem die „Herausforderungen der digitalen
Gesellschaft“ diskutiert, wird unserm Vorschlag als Piratenfraktion,
eine elektronische Verkündung zuzulassen, bislang mit Skepsis begegnet.
Eine unmittelbare Umsetzung der elektronischen Verkündung, wie sie in
immerhin drei Bundesländern schon praktiziert wird, steht dabei noch
nicht einmal im Raum. Es geht um die bloße Möglichkeit, in Zukunft eine
elektronische Verkündung gesetzlich zulassen zu können.

Dass die Piratenfraktion Schleswig-Holstein Lösungen aus dem 21.Jahrhundert für das 21. Jahrhundert vorschlägt, verwundert den kundigen Beobachter nicht. Hoffen wir, dass sich auch die übrigen Fraktionen mit einer Gesetzesverkündung auf dem ‚virtuellen‘ Marktplatz anfreunden können.

Patrick Breyer ist Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein.

Vielgestaltige Angriffe

Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin muss dauerhaft auf ihren Doktortitel verzichten. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigte das erstinstanzliche Urteil, mit dem Koch-Mehrin der Doktortitel wegen gezielter Täuschung aberkannt worden war.

Koch-Mehrin hatte 2000 in Heidelberg promoviert. Die Arbeit trug den Titel „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: Die Lateinische Münzunion 1865 – 1927“. Im Jahr 2011 kamen Plagiatsvorwürfe gegen die Politikerin auf, welche der Promotionsausschuss nach einer Untersuchung bestätigte und demgemäß den Doktortitel annulierte.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erkannte jetzt keine durchgreifenden Gründe, die das Urteil kippen könnten. Zwar zeichne sich die Beschwerde „durch die Vielgestaltigkeit der von der Klägerin erhobenen Angriffe“ aus, doch letztlich konnte kein Grund die Richter überzeugen (Aktenzeichen 9 S 885/13).

Loveparade: Anklage nach dreieinhalb Jahren

Dreieinhalb Jahre hat die Duisburger Staatsanwaltschaft gebraucht, um die Katastrophe bei der Loveparade im Juli 2010 aufzuarbeiten. Nun scheinen die Ermittlungen vor einem Abschluss zu stehen und wir werden erfahren, ob die Zeit sinnvoll genutzt wurde. Die Staatsanwaltschaft wird jedenfalls Anfang kommender Woche ihre Anklage gegen die mutmaßlich Verantwortlichen beim Landgericht Duisburg vorlegen, berichtet die WAZ.

21 Menschen waren damals ums Leben gekommen, über 500 wurden verletzt. Seit Sommer 2010 hatte die Staatsanwaltschaft gegen ursprünglich 17 Beschuldigte wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. Zuletzt hieß es, der Kreis der Beschuldigten habe sich auf zehn oder elf reduziert.

Zu ihnen sollen vor allem Mitarbeiter des Duisburger Bauamtes zählen, die die Veranstaltung genehmigten und Angestellte des Veranstalters Lopavent. Offen war bis zuletzt, ob der städtische Koordinator der Loveparade, Rechtsdezernent Wolfgang Rabe, zu den Angeklagten gehören wird. Schon vor kurzem hatte der WDR berichtet, dass der damalige Oberbürgermeister Adolf Sauerland wohl nicht angeklagt wird, ebenso wenig der verantwortliche Einsatzleiter der Polizei.

Anzeigen müssen Anzeigen heißen

Gekaufte Texte in Zeitungen müssen klar als Werbung gekennzeichnet sein. Das hat der Bundesgerichtshof im Fall eines Anzeigenblatts entschieden.

Der Verlag hatte sich für die Veröffentlichung eines Textes bezahlen lassen. Gekennzeichnet war die Werbung durch den Hinweis „sponsored by“ und dem Logo des Auftraggebers. Das reicht nach Auffassung der Karlsruher Richter nicht. Sie fordern ausdrücklich, dass das Wort „Anzeige“ verwendet wird, sofern die Reklame nicht ohnehin klar zu erkennen ist. So verlangt es auch das Pressegesetz in Baden-Württemberg.

Die Tatsache der bezahlten Werbung, so die Richter, dürfe nicht durch unscharfe Begriffe kaschiert werden (I ZR 2/11).

Richter beschneiden Vorauskasse bei Flügen

Nachdem die Verbraucherzentrale NRW schon erfolgreich gegen die Vorauszahlungspraxis von Reiseveranstaltern vorgegangen ist, erstritt sie jetzt überwiegend positive Urteile gegen deutsche Fluggesellschaften. Die Verbraucherschützer hatten geltend gemacht, die übliche Komplettzahlung bei Buchung von Flugreisen benachteilige Verbraucher unangemessen.

Zwei Gerichte (Landgericht Frankfurt a. M. und Landgericht Hannover) folgten nun der Rechtsauffassung der Verbraucherzentrale: Klauseln, nach denen bereits bei der Buchung oft schon Monate im voraus der gesamte Flugpreis zu zahlen ist, seien unwirksam. Kunden übernähmen hierbei das Insolvenzrisiko der Airline. Die Aushändigung einer Buchungsbestätigung reiche nicht zur Absicherung.

Die Verbraucherzentrale NRW fordert bei Flugbuchungen klare Obergrenzen für Vorauszahlungen. Der Flugpreis sollte frühestens 30 Tage vor Abreise fällig werden. Eine Anzahlungspflicht sei allenfalls dann akzeptabel, wenn auch Fluggesellschaften eine Insolvenzabsicherung vorweisen können, wie sie für Reiseveranstalter bereits vorgeschrieben ist.

Aus diesem Grund legt die Verbraucherzentrale gegen ein Urteil des Landgerichts Köln Berufung ein. In dem Verfahren gegen die Lufthansa hatten die Richter entschieden, das Flugticket verbriefe den Beförderungsanspruch des Kunden gegen die Airline. Deshalb sei eine Vorleistung des Fluggastes in Ordnung.

Verkehrspolizist verhaftet Feuerwehrmann

In den USA ist ein Feuerwehrmann verhaftet worden. An sich ist das keine Nachricht, wäre der Feuerwehrmann nicht gerade im Dienst gewesen und hätte nach einem Unfall einem Schwerverletzten Erste Hilfe geleistet. Sein Vergehen, zumindest nach Ansicht des eingreifenden Polizisten: Der Feuerwehrmann hatte sein Einsatzfahrzeug im kalifornischen Chula Vista so abgestellt, dass es unnötigerweise die zweite Fahrspur teilweise blockierte.

Der Feuerwehrmann heißt Jacob Gregoire. Der 38-Jährige hat laut Berichten auf die Aufforderung des Verkehrspolizisten nicht reagiert. Vielmehr soll er ungerührt weiter Erste Hilfe geleistet haben, bis der Polizist ihn verhaftete. Der Polizeibeamte legte dem Feuerwehrmann Handschellen an und führte ihn zu seinem Dienstfahrzeug. Dort musste er eine halbe Stunde sitzenbleiben, bis er wieder auf freien Fuß gesetzt wurde.

Das Verhalten des Polizeibeamten wird in den USA bereits hitzig diskutiert, zum Beispiel in den Kommentaren zu diesem Fernsehbericht. Die meisten weisen darauf hin, der Polizist sei über das Ziel hinausgeschossen. Bei Rettungseinsätzen habe die Feuerwehr das Sagen, so lange unmittelbare Gefahr besteht. Außerdem parkten Feuerwehrleute ihre Fahrzeuge aus gutem Grund schräg, damit die Unfallstelle abgeschirmt ist.

Zwistigkeiten zwischen Feuerwehr und Verkehrspolizei gibt es in den USA wohl öfter. CBS hat jedenfalls gleich einige Präzedenzfälle aus dem Archiv gekramt. Neu ist allerdings die robuste Vorgehensweise des Polizisten. Bislang ist es wohl noch nie vorgekommen, dass ein Feuerwehrmann während seiner Arbeit in Handschellen gelegt wird. Ähnliche Schlagzeilen machte vor rund zwei Jahren ein Vorfall auf einem Campus der Universität von Kalifornien. Dort hatte ein Wachmann mit stoischer Ruhe friedlich demonstrierende Studenten mit Pfefferspray eingenebelt.

Die Polizei hat inzwischen mitgeteilt, es werde kein Verfahren gegen den Feuerwehrmann geben.