Gericht akzeptiert “SMS to Fax”

Ein fristgebundener Schriftsatz, zum Beispiel die Berufung in einer Strafsache, kann auch per SMS eingelegt werden. Zumindest sofern die SMS über einen Faxdienst an ein offizielles Gerichtsfax geschickt und dort wie üblich ausgedruckt wird. Das hat das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden.

Die Mutter eines Jugendlichen hatte sich gegen eine Entscheidung gewehrt, mit dem ihr Sohn zu Jugendarrest verurteilt wurde. Die Botschaft übermittelte sie mit einem “SMS-to-Fax”-Service. Sie schrieb folgendes:

„ag fr…..(…])ich lege gegen d.urteil v.a-gericht …(04.04.2012/10uhr!)-sofortige berufung ein(folgt schriftl.)!m.f.g.c…“.

Ihr Name war in der SMS ausgeschrieben, nur der letzte Buchstabe fehlte. Das Jugendschöffengericht meinte noch, die Berufung sei unzulässig. Denn die Frau habe das Fax nicht eigenhändig unterschrieben. Normalerweise akzeptieren Gerichte Rechtsmittel per Fax. Aber, wie das Jugendschöffengericht, eben nur dann, wenn das bei Gericht ausgedruckte Fax die Unterschrift des Absenders zeigt.

Die Wiedergabe einer Unterschrift hält das OLG Brandenburg allerdings für nicht erforderlich. Es komme nur darauf an, dass der Absender (am Namen) erkennbar sei und kein Zweifel daran bestehe, dass Berufung eingelegt werden soll.

Den oft herangezogenen Einwand, ein nicht unterschriebenes Fax könne ja auch ein bloßer Entwurf sein, weisen die Richter als lebensfremd zurück. Die Berufung sei sehr bestimmt und unzweideutig formuliert. Gerichte dürften keine zu hohen formalen Hürden aufstellen, mit denen der Zugang des Bürgers zur Justiz erschwert werde.

Auf dieser Grundlage muss an sich auch ein Rechtsmittel per E-Mail akzeptiert werden – wenn der Absender erkennbar ist. Denn die Botschaft wird ja auch bei der SMS schon auf der Absenderseite ohne Unterschrift abgeschickt. Die Frage, ob der Text dann später als Fax oder E-Mail ankommt und normalerweise ausgedruckt wird, begründet dann ja keinen greifbaren Unterschied mehr.

Trotzdem muss man natürlich vorsichtig sein, dann die Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg ist längst nicht Konsens. Briefe oder Faxe ans Gericht sollten deshalb immer unterschrieben werden. E-Mails werden bei Gericht ohnehin fast nirgends akzeptiert, wenn damit Fristen gewahrt werden sollten.

Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2012, Aktenzeichen 1 Ws 218/12

Doppelt hält nicht besser

Sicherungsverwahrung darf nach derzeitigem Stand nur verhängt werden, wenn der Angeklagte nachweislich gefährlich für die Allgemeinheit ist und dies unerlässlich erscheint. Die Einschränkung ist auch Folge des Umstandes, dass der Europäische Gerichtshof die Bundesrepublik mehrfach und eindringlich für Menschenrechtsverletzungen bei der Sicherungsverwahrung gerügt hat und trotzdem an den unwirksamen Vorschriften festgehalten wurde.

Wegen der gravierenden Mängel der bisherigen Vorschriften hat das Bundesverfassungsgericht nämlich letztlich gleich alle gültigen Regeln zur Sicherungsverwahrung für ungültig erklärt und festgelegt, dass bis zu einem neuen Gesetz engste Voraussetzungen für die weitere Unterbringung eines Straftäters auch nach seiner Haftzeit gelten.

Ein neues Gesetz, das die Menschenrechte achtet, soll zwar Mitte des Jahres wirksam werden, zumindest bis dahin müssen sich Gerichte aber bei der Sicherungsverwahrung aufgrund der Übergangsregelung extrem zurückhalten. Nun hat der Bundesgerichtshof ein Urteil aufgehoben, weil er die Sicherungsverwahrung eines verurteilten Straftäters schon an sich für unangemessen hält.

Wegen Mordes sowie diversen Sexualdelikten gegenüber Kindern wurde der Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht Stade hat außerdem die Schwere seiner Schuld festgestellt. Für eine zusätzliche Sicherungsverwahrung ist da nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aber kein Raum.

Wenn die besondere Schwere der Schuld festgestellt ist, kann ein zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilter nämlich nicht unbedingt darauf hoffen, dass er nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen wird. Das geht in diesem Fall nur erheblich später. Außerdem muss besonders sorgfältig geprüft werden, ob der Betreffende noch eine Gefahr für die Allgemeinheit sein könnte.

Nach Auffassung der Richter sind diese Voraussetzungen identisch mit den Bedingungen, unter denen derzeit auch eine Sicherungsverwahrung vollzogen werden kann. Konsequenz: Wenn der Betreffende überhaupt einmal auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen wird, muss seine Ungefährlichkeit definitiv feststehen. In diesem Fall käme aber auch eine weitere Sicherungsverwahrung nicht mehr in Frage.

Somit wird durch die zusätzliche Sicherungsverwahrung nach Auffassung der Richter nichts gewonnen, so dass die Maßnahme gegen dem Betroffenen überflüssig war.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Januar 2013, Aktenzeichen 3 StR 330/12

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„Ich finde es bedenklich, dafür so harsch angegangen zu werden, sobald ich selbst eine Frage stelle“

ebay: Produktfotos kosten 20,00 Euro

Wer zur Bebilderung einer ebay-Auktion schnell mal von privat ein paar Fotos “klaut”, verletzt das Urheberrecht. Allerdings muss die Selbstbedienung nicht übertrieben teuer werden. Das Landgericht Düsseldorf urteilte jetzt, dass im nichtgewerblichen Bereich nur ein Grundpreis von 20,00 Euro für ein übernommenes Foto fällig werden.

Die Verkäuferin einer Tasche hatte wohl wenig Lust, das Produkt selbst zu fotografieren. Eine ganz normale Erscheinung, meint das Landgericht Düsseldorf. Oft sei es nur Bequemlichkeit, dass Verkäufer auf ebay sich bei anderen Fotografen bedienen. Im entschiedenen Fall hatte der Kläger – nach eigernen Angaben Profifotograf – das fragliche Taschenmodell auch adrett abgebildet.

Pro Bild sei dafür nur ein Schadensersatz von 20,00 Euro angemessen, befanden die Richter. Sie bezweifelten, dass die betreffenden Fotos tatsächlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Klägers entstanden. Die Fotos sähen zwar gut aus, hätten technisch aber nur mindere Qualität. Das spreche dafür, dass der Kläger die Fotos nicht für professionelle Zwecke gemacht habe.

Nach Auffassung des Landgerichts ist es deshalb nicht gerechtfertigt, für solche Fotos die üblichen Branchentarife heranzuziehen. Diese sehen weit höhere Vergütungen vor. Vielmehr solle der Richter den Schaden besser schätzen. 20,00 Euro pro Foto seien angemessen.

Nicht entscheiden musste das Landgericht Düsseldorf aus formalen Gründen die Frage, ob dem Kläger auch ein Anspruch zusteht, weil er nicht als Urheber der Bilder genannt wurde. In Frage kommt hier normalerweise 100 % auf den Bilderpreis.

Richtig teuer bleiben für die Beklagte allerdings die Abmahnkosten für den Anwalt, den der Kläger beauftragt hat. Hier spricht das Landgericht rund 900,00 Euro zu, so dass die Selbstbedienungsaktion letztlich doch deutlich mehr als 1.000 Euro gekostet hat.

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Oktober 2012, Aktenzeichen 23 S 66/12

Google ist nicht gleich Google

Ob und wie weit Google für Inhalte auf seiner Plattform “Blogger.com” haftet, bleibt jedenfalls nach einem Urteil des Amtsgerichts Halle offen. Das Gericht wies die Klage eines Künstlers, der sich durch den Blogeintrag eines anonymen Autors verleumdet fühlte, zwar ab. Aber nur deswegen, weil der Betroffene die Google Deutschland GmbH verklagt hatte. Nach Auffassung des Amtsgerichts ist aber die Google Inc. in den USA für die Inhalte auf Blogger.com verantwortlich.

Die Google Deutschland GmbH hatte sich in dem Prozess wenig überraschend damit verteidigt, gar nichts mit den Inhalten auf der Plattform “Blogger” zu tun zu haben. Google Deutschland kümmert sich nach eigenen Angaben im wesentlichen nur ums Marketing. Die Inhalte würden ganz allein von der Mutterfirma Google Inc. bereitsgestellt.

Das Amtsgericht Halle hatte gegen die Google Deutschland GmbH zunächst eine einstweilige Verfügung erlassen. Diese hob das Gericht aber jetzt wegen des Formfehlers auf. Der Betroffene hat angekündigt, dass er jetzt die Google Inc. als richtigen Gegner verklagen in Anspruch nehmen wird. Dazu muss er nicht unbedingt nach Amerika gehen. Vielmehr kann er, so der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall, den amerikanischen Konzern auch in Deutschland verklagen.

Wer sich in Gefahr begibt…

Es gibt kaum eine Beurteilung, die der Volksmund nicht kennt. Eine seiner Weisheiten (der Bibel entlehnt) heißt „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“. Aber was ist das, eine Gefahr?

Es gibt, nur beispielsweise, unter Juristen eine abstrakte, eine dringende, eine öffentliche, sogar eine „im Verzug“. Grob gesagt, wird dabei wird insgesamt eine Sachlage unterstellt, die „bei ungehindertem Geschehensablauf in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird“.

Haben mit so was auch nur entfernt zwei junge Männer gerechnet, die am 12. April 2008 an einem Strand im niederländischen Kijduin ihre Kitesurf-Ausrüstung einem 15-jährigen Bekannten aus Marl überließen – und ihm Hilfe beim Start geleistet hatten?

Nein, so sagt jetzt der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Es wies die Klage des 15-jährigen auf Schadensersatzanspruch gegen die beiden Helfer ab und bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts Essen.

Rund 250.000 Euro wollte der 15-Jährige haben. Er war bei dem Startversuch mit dem Kite von einer Windböe erfasst worden, prallte nach 50 Metern gegen eine Strandbude. Er erlitt so schwere Verletzungen, dass er seither vom Kopf abwärts querschnittsgelähmt ist. Aber ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der beiden Helfer, 26 und 28 Jahre alt, stellte der OLG-Senat nicht fest (Aktenzeichen I-6 U 57/12).

So sei ihnen etwa auch nicht die Wahl eines ungeeigneten Startplatzes vorzuwerfen; oder anzulasten, dass sie den Kläger bei zu starkem Wind hätten starten ließen. Sie waren selbst Anfänger im Kitesurfen und hätten die Windstärke von 5 bis 6 nicht als zu stark einschätzen müssen.

Fazit: Da war keine Gefahr, jedenfalls keine zu erkennende. (pbd)

Weltuntergang, exklusiv

Der Weltuntergang nach dem Maya-Kalender hat ein Nachspiel, obwohl er ja am 21. Dezember irgendwie gescheitert ist. Ein findiger Geschäftsmann, der selbst Lokale betreibt, hat sich nämlich das Wort “Weltuntergang” als Marke schützen lassen. Jetzt mahnt er landauf, landab Gastronomen ab, die Weltuntergangspartys veranstaltet haben.

1.837,52 Euro soll etwa die Betreiberin der Gaststätte Fonte in Brandenburg an der Havel zahlen, weil sie zur “Ärzte spezial Weltuntergangsparty” geladen hat. Der Vorwurf: Sie habe damit die Rechte des Mannes aus Hof verletzt. Dieser hat 300 Euro investiert, um sich das Wort Weltuntergangsparty schützen zu lassen, berichtet die Märkische Allgemeine.  Offenbar war das erfolgreich, denn der Geschäftsmann beruft sich jetzt darauf, dass er ganz offiziell die Wortrechte für Weltuntergang im Bereich Gastronomie besitzt. Die Gastwirtin ist nicht die einzige Betroffene. Auch andere Gastronomen berichten, abgemahnt worden zu sein.

Der Kollege Thomas Stadler, der sich mit Markenrecht auskennt, gibt den Abmahnungen keine große Chance. Nach seiner Meinung verwenden die Partyveranstalter den Begriff Weltuntergang gar nicht zur Charakterisierung einer Dienstleistung, sondern beschreibend innerhalb eines Textes. Sie verwenden das Wort also ganz “normal” im eigentlichen Sinn und überhaupt nicht mit Bezug auf ein bestimmtes Produkt des Markeninhabers – das sei auch Gewerbetreibenden gestattet. Auch andere Juristen raten ihren Mandanten, die Abmahnkosten nicht zu zahlen.

Es wird sicher interessant, ob der Hofer Gastronom tatsächlich für seine Marke “Weltuntergang” vor Gericht zieht und sein vermeintliches Recht durchsetzen kann.

Akademiker bis in den Tod

Manchmal sind schon drei Buchstaben zu viel: Weil Behörden nur noch die nötigsten Daten in einem Sterbefall erfassen sollen, erwähnen Stadtverwaltungen teilweise nicht mehr den Doktortitel in der Sterbeurkunde. Zu Recht, urteilte jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Witwe eines verstorbenen Arztes hatte geklagt, weil der Doktortitel ihres Ehemannes nicht in die Todesurkunde aufgenommen wurde.

Die Arztwitwe berief sich auf Gewohnheitsrecht. Seit jeher sei es üblich, dass der akademische Grad eines Verstorbenen in der Todesurkunde vermerkt wird. Grundsätzlich sei dies richtig, meint das Oberlandesgericht Karlsruhe. Seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2009 sei diese Praxis jedoch hinfällig.

Der Gesetzgeber habe sich nämlich entschlossen, die Eintragungspraxis bei Sterbefällen erheblich zu straffen. Nur noch die nötigsten Angaben sollen im Register gemacht werden. Unter anderem werde  sogar auch der Beruf nicht mehr angegeben. Schon von daher müsse auch der akademische Grad unerwähnt bleiben. Er verbriefe nämlich nur eine akademische Leistung. Diese sei aber für das Sterberegister irrelevant. 

Das Oberlandesgericht Karlsruhe weist auch darauf hin, dass die Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes ausdrücklich verlangt hatten, im Sterberegister nur noch wirklich notwendige Daten aufzunehmen.

Durch ein so “gestrafftes” Register würden auch die Rechte des Verstorbenen oder der Hinterbliebenen nicht verletzt. Angehörigen stehe es nach wie vor frei, den Doktortitel des Verstorbenen wie bisher zu erwähnen. Dass der Doktortitel in der Sterbeurkunde nicht erwähnt wird, sage rein gar nichts darüber aus, ob der Verstorbene einen akademischen Grad erworben hatte.

Das Oberlandesgericht Nürnberg sieht die Sache übrigens völlig anders. Für die bayerischen Richter ist klar, dass der Doktortitel auch in eine Sterbeurkunde gehört. Sie wiesen ihr örtliches Standesamt in einem Beschluss deshalb an, dem Namen eines Verstorbenen dessen akademischen Grad voranzustellen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 11. Dezember 2012, Aktenzeichen 11 Wx 42/10

Nebenkosten: Pauschale Kritik reicht nicht

Wer sich mit seinem Vermieter um die Nebenkosten streiten will, muss konkret sagen, was ihn stört. Pauschale Kritik, die Nebenkosten seien zu hoch, ist unstatthaft. Das hat das Amtsgericht München entschieden.

Der Richter störte sich bereits daran, dass der Mieter die Nebenkostenbelege nicht einmal angesehen hat, obwohl er die Unterlagen prüfen darf. Bleibt der Mieter mit seiner Kritik dann im allgemeinen, muss er sich das Versäumnis selbst zuschreiben.

Der Richter prüft dann nur, ob Abrechnung in sich nachvollziehbar ist. Dazu gehören im Kern nur die Angabe des Gesamtverbrauchs, des Umlageschlüssels und der Endkosten, die auf den Mieter entfallen. Außerdem müssen die Vorausazhlungen abgezogen werden.

Die Abrechnung des Vermieters entsprach diesen Anforderungen. Der Richter sah deshalb keinen Grund, der pauschalen Kritik nachzugehen. Wenn man sich gegen überhöhte Nebenkosten wehren will, sollte man deshalb immer vorher die Belege einsehen.

Amtsgericht München, Urteil vom 17. Dezember 2012, Aktenzeichen 472 C 26823/11

Youporn-Chef möchte eigenes Bild nicht sehen

Der ins Blickfeld der Justiz geratene deutsche Internetunternehmer Fabian T.. – Chef des Imperiums rund um “Youporn” – ist selbst überraschend kamerascheu. Dem Spiegel ließ T. jetzt verbieten, aktuelle Berichte über seine Probleme mit den Strafverfolgern zu bebildern. Jedenfalls so lange die Aufnahmen Fabian T. selbst zeigen. Das Landgericht Köln verbot dem Spiegel auf Antrag des Unternehmers nun tatsächlich, ein aktuelles Foto T.s zu veröffentlichen.

Das Ganze klingt so, als habe ein Paparazzo den Internetunternehmer “abgeschossen”. Das ist jedoch wohl nicht der Fall. Der Spiegel druckt lediglich ein Foto, das T. – vollständig angezogen – bei einem Auftritt auf der “Internet-Expo” zeigt. Die Internet-Expo ist eine Fachmesse für die Online-Wirtschaft. T. hielt dort einen Vortrag, der sogar von seiner eigenen Presseabteilung angekündigt worden sein soll. Das Video des Auftritts ist auch online.

Gleichwohl nimmt der Internetunternehmer laut seinen Anwälten für sich in Anspruch, immer sehr zurückgezogen gelebt zu haben. Deshalb verletze es seine Persönlichkeitsrechte, wenn der Spiegel nicht nur seine wirtschaftlichen Aktivitäten beschreibe, sondern auch Fotos von ihm zeige. Was Fotos angeht, mag das mit der Zurückhaltung stimmen. Allerdings zeigte T. sich gegenüber der Presse schon durchaus redselig. Der Financial Times Deutschland erläuterte er vor kurzem ausführlich, wie er sein Online-Imperium steuert und wie viel Geld sich damit verdienen lässt.

Man merkt dem Bericht des Spiegel in eigener Sache deutlich an, wie überrascht die Redaktion ist, ausgerechnet wegen eines Fotos des Internetunternehmers abgemahnt zu werden. Vor allem weil es genügend Anlass gibt, aktuell über T. zu berichten. Der Unternehmer war wegen möglicher Steuerdelikte auf Betreiben der deutschen Justiz in Belgien verhaftet worden. Aktuell soll er gegen eine Kaution auf freiem Fuß sein.

Dass Fotos von einem Wirtschaftsboss wie T. tabu sein könnten, wäre jedenfalls ein herber Schlag für die deutsche Presse. Immerhin zeigen die Bilder den Unternehmer ja, wie er vor einem größeren Publikum spricht. Das ist etwas völlig anderes, als wenn Wirtschaftskapitäne praktisch überhaupt nicht in der Öffentlichkeit auftreten, wie man es etwa von der Aldi-Dynastie kennt.

Es wird also spannend, ob das Landgericht Köln den Persönlichkeitsschutz tatsächlich so weit ausdehnt. Oder ob die einstweilige Verfügung, die ohne Anhörung des Spiegel ergangen ist, doch schnell wieder aufgehoben wird.

Die Weihnachtsgeschichte für Juristen

Bezugnehmend auf die aktuelle Jahreszeit und die damit in Verbindung stehende in Kürze sich ereignende Festlichkeit christlichen Ursprungs, stellt sich der Hergang der Ereignisse des 24. Dezembers im Jahre 0 unseres Erachtens nach wie folgt dar:

Kaiser Augustus, in Ausübung seiner Amtspflicht als legitime Legislativ- und Exekutivkraft, beschloss die zeitnahe Durchführung eines Zensus innerhalb des Gebietes seines Herrschaftsanspruches. Eine Anfechtung dieses verwaltungsrechtlichen Beschlusses war eingedenk des Alleinvertretungsanspruches für die Exekutivgewalt seitens des Kaisers A. nicht justiziabel, ebenso war ein Antrag auf Aufschiebung der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen am Geburtsort, beispielsweise aus als gewichtig zu wertenden persönlichen Umständen, aufgrund der hierzu fehlenden verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten als mit nur äußerst geringen Erfolgsaussichten zu bewerten.

In direkter Bezugnahme auf die ergangene Beschlussfassung seitens des Kaisers A., begaben sich somit Maria und Lebensgefährte Josef, welche sich in einer eheähnlichen Gemeinschaft (vgl. § 20 SGB XII) und durch eine beidseitig abgegebene Willenserklärung zur Eheschließung gemäß §§ 1297 ff. BGB bereits in einem Verlöbnis befanden, an den standesamtlich aktenkundigen Geburtsort des J., die Gemeinde Bethlehem.

M. befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in der Endphase ihrer Gravidität (beweisbar durch einzuholendes Sachverständigengutachten) und ein zeitnaher Beginn des Gebärvorganges war daher zu erwarten. Für M.s Gravidität war gemäß Zeugnis des Herrn Gabriel, hauptberuflich tätig als Engel und in dieser Eigenschaft betraut mit der Übermittlung von göttlichen Mitteilungen, nicht eine Beiwohnung durch Herrn J. ursächlich, vielmehr handele es sich um ein sakrales Phänomen, das aufgrund seiner Natur einmalig bleiben würde.

Inwieweit diese Version der Geschehnisse, welche zur Zeugung des noch ungeborenen Kindes Jesus geführt haben sollen, der allgemeinen Lebenswirklichkeit entspricht, braucht an dieser Stelle nicht näher erörtert zu werden, da J. zu diesem Zeitpunkt bereits rechtsverbindlich die Vaterschaft gemäß § 1594 BGB Abs. 4 präpartal anerkannt hatte.

Vor Ort suchte J. nun mehrere Betreiber ortsansässiger Beherbergungsunternehmen auf, zwecks Erlangung einer Übernachtungsmöglichkeit für sich und M., auch und gerade in Hinblick auf die sich in absehbarer Zeit in einer Entbindung befindliche M.

Sämtliche von ihm mittels einer invitatio ad offerendum zur Angebotsabgabe animierten Beherbergungsunternehmer konnten oder wollten jedoch kein derartiges Angebot über ein zeitlich auf eine Nacht begrenztes Mietverhältnis für eine Übernachtungsmöglichkeit abgeben und begründeten dies mit der Voll- bzw. Überbelegung ihres jeweiligen Beherbergungsbetriebes.

Ein etwaiger Verstoß gegen die Art. 3 und Art. 6 Abs. 4 GG kann den Herbergsbetreibern zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr nachgewiesen werden, zumal eine tatsächliche Voll- oder Überbelegung der Beherbergungsbetriebe nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Im Bestreben eine Lösung für die aufgrund des körperlichen Zustandes der M. als Notlage zu klassifizierende Situation zu finden, entschieden sich die Verlobten in ein nahegelegenes, landwirtschaftlich zum Zwecke der Nutzviehhaltung verwendetes Bauwerk auch ohne Einverständnis des Eigentümers zwecks Aufenthalt in der folgenden Nachtzeit und ggf. auch zur Durchführung des Gebärvorganges seitens Frau. M.s einzudringen.

Aufgrund fehlender Sicherungsmaßnahmen desselben und der Unmöglichkeit, innerhalb einer angemessenen Frist Rücksprache mit dem Eigentümer des Bauwerkes zu halten, geschah der Zutritt zu diesem Gebäude ohne Rücksprache mit dem oder Kenntnisnahme seitens des Eigentümers, zumal auch eine fernmündliche Konsultation des Gebäudeeigners aufgrund der zum Tatzeitpunkt eingeschränkten Telekommunikationsmöglichkeiten nicht praktikabel war.

Hierzu sei auch erklärt, dass die fehlenden Sicherungsvorrichtungen für das Nutzgebäude, auch aufgrund der akuten Notlage, in der sich M. und J. subjektiv und objektiv (im Zweifel belegbar über ein einzuholendes Sachverständigengutachten) befanden, als mutmaßliches Einverständnis des Gebäudeeigentümers zur sachfremden Verwendung des Gebäudes als behelfsmäßige Beherbergungsmöglichkeit für den Zeitraum bis zum folgenden Tage interpretiert werden könnte; in diesem Falle wäre auch zu prüfen, ob J. sich im Sinne einer Geschäftsführung ohne Auftrag im Namen des Gebäudeeigners selbst die Gestattung zum Zutritt erteilen konnte.

Hilfsweise erklären wir für den Fall einer eventuellen Anklageerhebung gegen J. wegen Verstoßes gegen § 123 StGB (Hausfriedensbruch), dass dieses Vergehen gemäß § 34 StGB aufgrund eines rechtfertigenden Notstandes unseres Erachtens nach straffrei zu bleiben hat. Es wäre ohnehin genau zu prüfen, ob überhaupt noch ein Strafantragsberechtigter lebt. Ein öffentliches Interesse an der Verfolgung als Antragsersatz scheidet von Gesetzes wegen aus. Überdies dürfte die noch heute erhebliche Beliebtheit von M. und den beiden J.s insbesondere zur Weihnachtszeit in weiten Teilen der Bevölkerung zu berücksichtigen sein. 

Schon kurz nach erfolgtem Betreten besagten Viehhaltungsnutzgebäudes durch M. und J. (s.o.) setzen bei M. Presswehen ein, welche den Beginn des Gebärvorganges somit irreversibel einleiteten. Trotz der widrigen Umstände konnte die Niederkunft der M. zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden, so dass M. und J. den Neonaten sogleich nach erfolgten geburtsnachbereitenden Maßnahmen zwecks Sicherstellung des für das Kind lebenswichtigen Wärmeerhalts in eine sich vor Ort befindliche Krippe verbrachten.

Trotz der aufgrund der Defäkationsvorgänge auf das sich auf dem Boden als Einstreu verwendete Strohmaterial durch das im Nutzviehunterkunftsgebäude untergebrachte Nutzvieh mangelhaften hygienischen Umstände, ist in diesem Falle des Verbringens eines Neugeborenen in eine Nutzviehfütterungsvorrichtung selbstverständlich auch nicht auf eine Kindswohlgefährdung durch M. und J. zu erkennen, da zu der Unterbringung des Neonaten in besagter Futterkrippe keine praktikable Alternative durchführbar war, zumal die medizinische Versorgung zum Zeitpunkt der dargestellten Sachverhalte als sich noch nicht auf heutigem Niveau befindlich beurteilt werden muss.

Zeitgleich zu den soeben dargestellten Sachverhalten befanden sich unweit der zweckentfremdeten Nutzviehunterkunft einige im Agrargewerbe als Hilfsarbeiter beschäftigte Personen, welche von ihrem Dienstherren mit der Beaufsichtigung einer Herde Hausschafe der Gattung Ovis orientalis aries betraut waren. Diese berichteten später übereinstimmend, dass ihnen eine sich im Flug befindliche, als Engel erscheinende Person am Himmel erschien, welche den Angesprochenen unaufgefordert mitteilte, dass ihnen ein König geboren worden sei, den (und auch seinen leiblichen Vater) es zu huldigen gelte.

Dass diese Äußerung bereits den Tatbestand des § 132a StGB (Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen) erfüllt, wird unsererseits vehement bestritten, zumal diese Äußerung inzwischen im Rahmen eines gesellschaftlichen Konsens von weiten Teilen der Bevölkerung als der Wahrheit entsprechend empfunden wird.

Aufgrund dieser Mitteilung verließen die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Hilfsarbeitskräfte des Nutzviehhalters ihren Arbeitsort ohne vorherige Rücksprache mit ihrem Dienstherren. Ob dieser im Nachgang auf arbeitsrechtliche Konsequenzen, deren Ergreifung ihm aufgrund der Pflichtverletzung seiner Angestellten de jure zweifelsfrei zugestanden hätten, verzichtete, ist nach derzeitigem, diesseitigen Kenntnisstand als nicht im Rahmen dieses Sachverhaltsberichts tradiert anzusehen.

Besagte Arbeitnehmer trafen kurz nach Entgegennahme der Botschaft durch die von Herrn Gott als Boten bestellte Person am durch M. und J. als Übernachtungsmöglichkeit verwendeten Bauwerk ein. Nachdem sie sich von der tatsächlichen Existenz des vom Mitteilungsüberbringer angekündigten zukünftigen Würdenträgers überzeugen konnten, erstatteten sie den Umstehenden Bericht von ihren Erlebnissen und kehrten anschließend an den Ort ihrer Arbeitsausübung zurück.

In der Annahme, dass es sich bei dem Neugeborenen um den „Retter der Welt“, „Messias“ bzw. „Heiland“ handele, begannen die besagten Personen mit rituellen Lobpreisungshandlungen zugunsten des Herrn Gott. Die Bezeichnung des Neugeborenen als beispielsweise „Retter der Welt“ ist unserer Rechtsauffassung nach nicht als Amtsanmaßung im Sinne des § 132 StGB zu werten, sondern als Äußerung der persönlichen Ansichten im Sinne der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs.1 GG; die kultischen Huldigungshandlungen zum Vorteil des Herrn G. sind durch die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG sowieso nicht justiziabel.

Auch ein Verstoß gegen die Pflichten als Arbeitnehmer ist in dieser Hinsicht nicht zu bejahen, da eine Durchführung von Huldigungs- und Lobpreisungsäußerungen den korrekten Ablauf der Beaufsichtigung der Hausschafsherde nicht beeinträchtigt und somit die geschuldete Arbeitsleistung seitens der Arbeitnehmer unserer Auffassung nach auch in dieser Situation vollumfänglich geleistet wurde. Für den Fall, dass es vorinstanzlich zu einer andersgearteten Bewertung kommen sollte, erklären wir bereits jetzt, das wir durchaus willens und bereit sind, gegen ein hierauf eventuell gründendes Urteil Rechtsmittel in Form von Revision oder Berufung einzulegen, da in Anbetracht der unserer Rechtsauffassung nach sehr eindeutigen Regelung in Art. 4 Abs. 1 GG mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit einer Verböserung des erstinstanzlichen Urteilspruches gerechnet werden muß.

M. und J. wurden in Folge auch von drei ausländischen Würdenträgern aufgesucht, deren etwaige Rechtsverstöße an dieser Stelle jedoch nicht näher betrachtet werden müssen, da diese Herren als durch die diplomatische Immunität geschützt angesehen werden. Ihren Aussagen folgend, seien sie einem spontan aufgetretenen astronomischen Phänomen in Form eines neu aufgegangenen Sternes gefolgt, welcher ihnen den Weg gewiesen habe.

Diese Äußerungen sind nach unserem Kenntnisstand nicht wissenschaftlich fundiert und widersprechen auch der allgemeinen Lebenswirklichkeit, so das wir hier ein Ermittlungsverfahren gegen die fremdländischen Regierungsvertreter wegen eines eventuellen Verstoßes gegen das BtMG, der der Wahrnehmung eines solchen astronomisch nicht belegbaren Himmelskörpers Erklärung verschaffen würde, anregen würden, wenn diese Diplomaten denn nicht durch die ihnen garantierte Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt wären.

Des Weiteren wird für den Fall des Nachweises der tatsächlichen Existenz dieses astronomischen Himmelskörpers bestritten, daß dieser gemäß § 315 StGB Abs. 1 S.1 Nr. 2 (Gefährlicher Eingriff in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr) als Hindernis zu werten ist, da dieser sich schon dem Anscheinsbeweis nach zu hoch am Himmel befindlich ist, um eine Gefährdung des Luftfahrtverkehrs darzustellen, der zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Himmelskörpers nachweislich sowieso noch nicht erfunden war.

Es kam zu einer Schenkung gemäß § 516 Abs. 1 BGB durch die nicht einheimischen Potentaten zugunsten des neugeborenen Jesus, der jedoch aufgrund seiner altersbedingten Geschäftsunfähigkeit aufgrund des noch nicht vollendeten siebten Lebensjahres (vgl. §§ 104 S.1 und 106 BGB) die Annahme dieser Schenkungen nicht gemäß § 516 Abs. 2 S. 1 erklären konnte, so dass seine Eltern dies für ihn taten (gemäß § 1629 Abs.1 S.1 und 2 BGB). Hilfsweise wird die stillschweigende Annahme der Schenkung durch Nichtabgabe einer Ablehnung gemäß § 516 Abs. 2 S. 2 angeführt.

Es handelte sich bei den übereigneten Vermögenswerten im Einzelnen um eine beträchtliche Menge des Edelmetalls Gold, sowie Räucherwaren in Form von Weihrauch und Myrrhe. Diese Schenkung hat in Übereinstimmung mit dem ErbStG steuerfrei zu bleiben, da der steuerfrei zu bleibende Freibetrag für das Kind noch nicht überschritten war.

Abschließend beschuldigen wir Sie, werter Leser, der Kenntnisnahme dieses Sachverhaltsberichtes, ggf. sogar unter Äußerung diverser Laute der Belustigung, und halten hierfür die besinnliche und frohe Begehung des Weihnachtsfestes im Rahmen Ihrer Angehörigen für Tat, Schuld und dem Anlass angemessen.

Ein Gastbeitrag von rubinsegeberg@gmx.de

Keine Garantie auf saubere Methoden

Es ist ein zynisches Urteil, das der Bundesgerichtshof heute verkündet hat. Auf der einen Seite stellt das Gericht fest, dass Ermittlungsbehörden “Zufallstreffer” bei DNA-Reihenuntersuchungen nicht verwenden dürfen. Konkret bedeutet dies: Es darf bei Ähnlichkeiten in der DNA nicht danach gesucht werden, ob die Probe vielleicht auf einen (nahen) Verwandten passt – auch wenn dies technisch möglich ist.

Gleichzeitig bestätigt der Bundesgerichtshof aber die Verurteilung eines jungen Mannes zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren. Der Täter selbst hatte gar nicht an dem Reihentest teilgenommen, sondern ein naher Angehöriger. Erst durch die Ähnlichkeit von dessen DNA waren die Behörden dem jungen Mann auf die Spur gekommen. Diese “Ähnlichkeit” hatte die Polizei eigenmächtig für weitere Recherchen genutzt, was nach Auffassung der Richter illegal ist.

Der Bundesgerichtshof sah im konkreten Fall aber keinen Grund, die Verwertung der illegal gewonnenen Beweismittel mit Folgen zu belegen. Die denkwürdige Begründung:

Zwar ist dieses Identifizierungsmuster rechtswidrig erlangt worden; denn der ermittlungsrichterliche Beschluss, der die Entnahme von Körperzellen des Angeklagten zur Feststellung dieses Musters anordnete (§ 81a StPO), beruhte auf dem durch die unzulässige Verwendung der Daten aus der DNA-Reihenuntersuchung hergeleiteten Tatverdacht gegen den Angeklagten.

Indes führt dies in dem konkret zu entscheidenden Fall bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht zu einem Verwertungsverbot. Entscheidend hierfür ist der Umstand, dass die Rechtslage zum Umgang mit sog. Beinahetreffern bei DNA-Reihenuntersuchungen bisher völlig ungeklärt war und das Vorgehen der Ermittlungsbehörden daher noch nicht als willkürliche Missachtung des Gesetzes angesehen werden kann.

Mit anderen Worten: Da die Behörden zwar illegal handelten, das aber in gutem Glauben, spielt der Gesetzesverstoß keine Rolle. Die Beweismittel gegen den Verurteilten dürfen in vollem Umfang verwendet werden – so als hätten sich die Ermittler an die Spielregeln gehalten. Dass die Strafverfolger jedenfalls bewusst die Grenzen des Gesetzes – über den Wortlaut hinaus – dehnten, spielt keine Rolle.

Das Urteil ist eine erneute Ermutigung für Beamte, die im Zweifel bis ans juristische Limit gehen – oder sogar darüber hinaus. Denn im Zweifel, so zeigt die Rückendeckung von der Richterbank, führen auch illegale Ermittlungsmethoden zum Erfolg. Der Verdächtige wird verurteilt, obwohl seine Überführung nur möglich war, indem sich die Strafverfolger selbst nicht an Recht und Gesetz hielten.

Es bedarf also auch künftig nur geschickter Ausflüchte, um in solchen Fällen Verfahrensfehler ungeschehen zu machen. “Das haben wir nicht gewusst”, wäre das simpelste Argument. Noch heute berufen sich Polizeibeamte gerne darauf, ihnen sei gar nicht bekannt gewesen, dass im Normalfall nur ein Richter eine Blutprobe anordnen darf. Wie leicht wird es dann sein, dass irgendein Labormitarbeiter die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu DNA-Ähnlichkeiten schlichtweg nicht kennt.

Der Zweck heiligt also weiter die Mittel. Den Betroffenen bleibt nur die bittere Pille, dass die Strafprozessordnung für sie nur auf dem Papier gilt. Sie bekommen – wie heute vom Bundesgerichtshof – zwar schriftlich, dass Ermittler ihre Rechte verletzt haben. Verurteilt werden sie trotzdem, sogar wenn dies ohne den Verfahrensverstoß unmöglich gewesen wäre. So eine Einstellung zu den “Spielregeln” des Strafverfahrens lässt verbindliche Vorgaben zu reinen Empfehlungen erodieren. Das bekommt früher oder später jeder zu spüren, der mit der Polizei zu tun hat. Im schlimmsten Fall kann man sich eben nicht darauf verlassen, dass mit sauberen Methoden gearbeitet wird.   

Hinzu kommt, dass auf gesetzeswidrige Ermittlungen normalerweise keine Sanktionen folgen. Eine Verurteilung wie im Fall Daschner, der einem Tatverdächtigen Folter angedroht hatte, ist die große Aufnahme. Der alltägliche Verfahrensverstoß, der die Rechte eines Beschuldigten wahren soll, ist in der Regel noch nicht mal eine Straftat. Zu verfolgen ist da nichts, zumal am Ende ja doch nur der Ermittlungserfolg gesehen wird. Dienstrechtliche Konsequenzen bleiben da eine reine Illusion.

Unsere obersten Strafrichter sollten sich ein Beispiel am Sport nehmen. Was wäre auf dem Platz los, wenn so gut wie jedes Foul folgenlos bliebe – nur weil der Übeltäter die Grätsche mit einem Torschuss abschließen konnte. Was in so einer simplen Situation jedem Gerichtigkeits- und Ordnungsdenken widerspräche, ist Alltag im deutschen Strafprozessrecht. Dumm nur, dass längt nicht jeder schuldig ist, gegen den ermittelt wird.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 2012, Aktenzeichen 3 StR 117/12

Mieter haben kein “Grundrecht” auf dauerhafte Ruhe

Mieter können sich nicht darauf verlassen, dass ihre Wohnung dauerhaft ruhig ist. Wenn sich etwa der Straßenlärm durch eine geänderte Verkehrsführung erhöht, kann der Vermieter dafür nicht ohne weiteres haftbar gemacht werden. Eine Mietminderung ist deshalb unzulässig, hat der Bundesgerichtshof heute entschieden.

Wegen umfangreicher Bauarbeiten an der Pasewalker Straße in Berlin floss der stadteinwärts gehende Verkehr ein knappes Jahr an der Wohnung der Mieter vorbei. Wegen des Lärms kürzten sie die Miete um insgesamt 1.386,19 €. Auf diesen Betrag wollte der Vermieter nicht verzichten und klagte die Summe ein. Vor dem Bundesgerichtshof bekam er nun recht.

Die Karlsruher Richter erkannten zwar an, dass die Mieter bei Einzug ihre Wohnung für besonders ruhig hielten. Dieser – berechtigte – Eindruck reiche aber nicht, um beim Vermieter eine Art Garantie dafür auszulösen, dass es in der Straße nicht lauter wird. Wer dauerhaft wert auf ein besonders ruhiges Wohnumfeld lege, muss dies dem Vermieter deutlich machen und am besten in den Vertrag reinschreiben lassen. Ohne solch eine Vereinbarung trage der Vermieter nämlich nicht das Risiko, dass die Wohnung lauter wird.

Dies gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedenfalls so lange, wie die üblichen Grenzwerte nicht überschritten werden. Zwar war die Wohnung lauter geworden, doch der Verkehrslärm durch die Umleitung hielt sich noch immer in den Grenzen des Berliner Mietspiegels. Von einer “hohen Belastung” könne deshalb keine Rede sein.

Die Mieter müssen die einbehaltene Summe nun zahlen. Immerhin haben sie seit Dezember 2010 wieder Ruhe. Seitdem fließt der Verkehr nämlich wieder über die Pasewalker Straße.

Bundesgerichtshof, Urteil vom vom 19. Dezember 2012, Aktenzeichen VIII ZR 152/12