Buschkowsky muss seine Helfer nennen

Das Bezirksamt Neukölln muss einem Berliner Journalisten Auskunft über die Mitwirkung seiner Bediensteten geben, die in Nebentätigkeit an der Erstellung des Buches „Neukölln ist überall“ beschäftigt gewesen sind. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hatte das Buch im Herbst als Privatperson veröffentlicht. Das Bezirksamt wollte sich zuerst nicht dazu äußern, welche städtischen Bediensteten Buschkowsky bei dem Buch geholfen haben. Die Stadt Berlin berief sich darauf, eine Veröffentlichung der Informationen würde “schutzwürdige Belange” verletzen.

Das Verwaltungsgericht Berlin gab dem Eilbegehren statt. Nach dem Berliner Pressegesetz seien alle Behörden verpflichtet, der Presse zur Erfüllung ihrer Aufgabe Auskünfte zu erteilen. Die Auskunft in der Causa Buschkowsky erstrecke sich auf Vorgänge, mit denen das Bezirksamt im Rahmen seiner Zuständigkeit befasst gewesen sei. Nebentätigkeiten der Beamten und Angestellten seien nämlich anzuzeigen.

Somit gehe es bei der Auskunft nicht nur um Privatangelegenheiten der entsprechenden Mitarbeiter. Es sei auch der Eindruck entstanden, dass einer oder mehrere Mitarbeiter des Bezirksamtes solche Nebentätigkeiten tatsächlich verrichtet hätten.

Dem Bezirksamt stehe demgegenüber kein Auskunftsverweigerungsrecht zu. Die privaten Interessen der Bediensteten am Schutz ihrer Personal- und Sozialdaten würden durch die Erteilung der begehrten Auskünfte nicht verletzt, da sie hierdurch nicht identifizierbar seien. Im Einzelnen muss die Behörde nun Auskunft über die Zahl der in Nebentätigkeit mitwirkenden Mitarbeiter Buschkowskys sowie darüber geben, ob die Nebentätigkeiten außerhalb der Dienstzeiten ausgeübt worden sind.

Einzelheiten im Berliner Tagesspiegel

Unschuldig in Haft

“Unschuldig in Haft” lautet der Titel einer ARD-Reportage, die sich mit Fehlurteilen deutscher Gerichte beschäftigt. An mehreren Beispielen zeigt die Sendung, wie der Staat zum Täter wird, wenn er seine Sorgfaltspflicht bei der Wahrheitsfindung schleifen lässt.

Ein eindringlicher Film, auch was die Selbstüberzeugung so mancher Staatsanwälte und Richter angeht. Die wollen ihre Fehler mitunter nämlich noch nicht einmal dann anerkennen, wenn sie ihnen längst nachgewiesen wurden.

Zu sehen ist die Reportage momentan noch in der ARD-Mediathek.

“Lieferverkehr frei”

Das Zusatzschild „Lieferverkehr frei“ vor Fußgängerzonen ist an sich kaum einer Interpretation zugänglich. Dennoch versuchte sich eine ostdeutsche Ordnungsbehörde daran, die Vorschrift einzuengen. Sie untersagte einem Mann, der in der Innenstadt Schaukästen mit Plakaten betreibt, die Zufahrt zur Fußgängerzone.

Obwohl sich der Mann an die Lieferzeiten hielt, kassierte er ein Knöllchen. Das Amtsgericht war noch der Auffassung, die Liefererlaubnis gelte nur für Waren, deren Umfang oder Gewicht ein Tragen über längere Strecken unzumutbar erscheinen lässt. Die Plakate jedenfalls befand das Amtsgericht als zu leicht.

Das Oberlandesgericht Thüringen lässt diese enge Sicht nicht gelten, worauf die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein hinweist. Lieferverkehr sei großzügiger zu interpretieren. Er umfasse jeden geschäftsmäßigen Transport von Gegenständen, die zum Geschäftsbetrieb der Firmen in der Fußgängerzone gehört. Auf das Gewicht oder die Sperrigkeit der Gegenstände komme es nicht an. Damit sind auch die Plakate vom zulässigen Lieferverkehr umfasst.

Oberlandesgericht Thüringen, Entscheidung vom 17. Juli 2012, Aktenzeichen 1 Ss 67/12

Zum Schwarzfahrer gestempelt

Kann man wegen Schwarzfahrens bestraft werden, obwohl man eine gültige Monatskarte hat? Nach Ansicht vieler Verkehrsbetriebe: ja. Zumindest werden immer wieder Fahrgäste angezeigt, bloß weil sie ihr Ticket nicht vorzeigen können. So ging es auch einem Berliner Jugendlichen. Doch das Kammergericht Berlin hat jetzt noch mal bestätigt: Wer ein Ticket gelöst hat, darf nicht zum Schwarzfahrer gestempelt werden, bloß weil er bei einer Kontrolle den Fahrschein nicht dabei hat.

Der Betroffene hatte zwar eine – nicht übertragbare – Monatskarte gekauft, sie aber verloren. Er fuhr trotzdem weiter mit der U-Bahn und wurde erwischt. Das Jugendschöffengericht sah darin eine Straftat und verurteilte den Jugendlichen zu Arbeitsstunden. Das ist fehlerhaft, befand nun das Kammergericht Berlin.

Die Begründung ist an sich leicht nachvollziehbar. Wer ein Ticket gekauft und bezahlt hat, besitzt einen Beförderungsanspruch gegen den Verkehrsbetrieb. In diesem Fall hatte der Jugendliche sogar eine Beförderungsflatrate erworben. Ob er beim  Fahren seinen Fahrschein nicht vorzeigen kann, ändert hieran rein gar nichts. Ein Schaden kann dem Verkehrsbetrieb auch nicht entstehen, da er sein Geld ja schon bekommen hat. Ohne finanziellen Schaden gibt es in diesem Zusammenhang auch keine Straftat. 

Das alles gilt jedenfalls für Tickets, die nicht übertragbar sind. In diesem Fall ist es dem Verkehrsbetrieb nämlich auch leicht möglich, zu überprüfen, ob der Betroffene ein Monatsticket besitzt. Das steht nämlich im Firmencomputer. Sofern der Fahrschein nicht übertragbar ist, kann ihn auch niemand sonst (legal) nutzen.

Mehr zum Thema sage ich in einer aktuellen Folge von „Vetter’s Law“ auf TRIGGER.tv.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2013, Aktenzeichen (4) 121 Ss 113/12 (149/12)

Das Jurion Strafrecht Online Blog zum gleichen Thema

Klare Worte zum Leistungsschutzrecht

Zum Thema Leistungsschutzrecht wird der Freisinger Rechtsanwalt und Blogger Thomas Stadler am 30. Januar als Sachverständiger im Bundestag angehört.

Er hat hierzu einen Text vorbereitet, den man jetzt schon nachlesen kann.

Ich kann nur hoffen, dass Stadlers Darstellung den Abgeordneten klar macht, wie schräg dieses Leistungsschutzrecht ist und welche Gefahren es auch für die Informationsfreiheit birgt.

Folgemaßnahmen

Selbst geringe Mengen krümelartiger Substanzen führen oft dazu, dass die Polizei sich gerne mal die Wohnung des Verdächtigen ansehen möchte. Ein Mandant ist darum herumgekommen. Allerdings waren die Umstände reichlich glücklich.

Denn bei der mobilen Großkontrolle, wie es sie oft an Ausfallstraßen gibt, ist wohl was schief gelaufen, wie sich aus dem Polizeibericht ergibt:

Folgemaßnahmen, wie ED-Behandlung und Durchsuchungsmaßnahmen an der Wohnanschrift sind durch weitere Kontrollmaßnahmen und Wechsel der kontrollierenden Beamten untergegangen.

Immerhin ein sympathischer Zug, wenn dies sogar noch aktenkundig gemacht wird.

Wie im Film

Einen 45 Meter langen Tunnel haben Einbrecher in Berlin gegraben, um an die Schließfächer in einer Bankfiliale zu kommen. Der Tunnel begann in einer Tiefgarage und führte exakt bis in den Tresorraum der Bank. Insgesamt erbeuteten die Täter den Inhalt von rund 200 Schließfächern.

Die Berliner Polizei spricht von professioneller Arbeit und geht davon aus, dass die Arbeiten Wochen dauerten. Dennoch habe wohl niemand etwas davon gemerkt. Der Tresorraum an der Wrangelstraße ist nach den Angaben der Polizei nach modernen Standards gesichert. Nur mit Spezialgerät sei es den Tätern gelungen, die auf dem Weg liegenden Zwischenwände von Gebäuden und letztlich den Sicherheitsraum der Bank selbst zu knacken.

Im Anschluss an ihren Beutezug legten die Einbrecher wahrscheinlich selbst einen Brand in der Bank, um Spuren zu verwischen. Allerdings gelang es den Tätern nicht, alle der rund 800 Schließfächer aufzubrechen. Ob die Täter gestört wurden oder mit der bisherigen Beute zufrieden waren, ist bislang nicht ermittelt.

Immerhin hat die Polizei nun eine Spur, mit der sie an die Öffentlichkeit gehen kann. Sie sucht per Phantombild einen 30 bis 40 Jahre alten Mann. Hervorstechendes Merkmal ist nach Zeugenangaben, dass er zur möglichen Tatzeit im Bereich der Tiefgarage verschmutzte Arbeitshosen und ockerfarbene Arbeitsstiefel getragen haben soll.

Nach dem Urteil ist vor der DNA

Obwohl ich mich in einem Ermittlungsverfahren als Verteidiger gemeldet hatte, erging ein Strafbefehl gegen meinen Mandanten. Das passierte, weil die Polizei mein erstes Schreiben, mit dem ich um Akteneinsicht bat, nicht gleich an die Staatsanwaltschaft weiterleitete, der Staatsanwalt selbst aber geradezu blitzartig arbeitete.

Der Strafbefehl war also in der Welt, bevor der Staatsanwalt etwas von meiner Tätigkeit wusste. Ich erfuhr erst nachträglich von alledem. Nämlich, als mich mein Mandant beiläufig darüber informierte, er habe die Geldstrafe akzeptiert.

Na ja, immerhin hat der Mandant die Einspruchsfrist absichtlich verstreichen lassen. Es ist ja seine eigene Entscheidung, ob er sich tatsächlich gegen den Tatvorwurf verteidigen will. Gut möglich, dass auch die Frage nach dem finanziellen Aufwand eine Rolle spielte. Ein Anwalt kostet ja auch Geld.

Allerdings hätte ich darauf wetten können, wieder vom Mandanten zu hören. Denn ihm war womöglich nicht ganz klar, dass die Sache damit nicht ausgestanden war. Schon wenige Wochen später fasste der Ermittlungsrichter nämlich einen weiteren Beschluss. Die Anordnung, dass mein Mandant eine DNA-Probe abgeben muss. Begründung: Von ihm seien auch künftig Straftaten zu erwarten.

Bei vielen Staatsanwaltschaften ist es mittlerweile Standard, praktisch jeden Verurteilten zur DNA-Probe vorladen zu lassen. Wer nicht freiwillig antritt (wozu niemand verpflichtet ist), wird eben per Gerichtsbeschluss dazu angehalten und dann notfalls mit Gewalt gezwungen.

Die durchaus engen juristischen Voraussetzungen für eine DNA-Probe werden oft genug sehr weit ausgelegt. Längst nicht jeder, der vom Gericht dazu verdonnert wurde, hätte nach dem Buchstaben des Gesetzes, das immerhin Straftaten von erheblicher Bedeutung  oder ein Sexualdelikt verlangt, dazu verdonnert werden dürfen.

Bei dem betreffenden Mandanten ist es überdies fraglich, ob von ihm auch künftig Straftaten zu erwarten sind (eine weitere gesetzliche Voraussetzung). Jedenfalls bestehen gute Aussichten, dass das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für die DNA-Abgabe doch noch verneint.

Wenn es allerdings das Anliegen des Mandanten gewesen sein sollte, Geld zu sparen, dürfte sich diese Hoffnung nun nicht erfüllen. Eher wäre es billiger gewesen, sich von Anfang an gegen den Vorwurf selbst zu verteidigen. Denn eine Einstellung des Verfahrens wäre mir einigem Einsatz möglich gewesen – wasserdicht war an der Sache nämlich nichts.

Nun ja, nicht mein Problem. Ich freue mich jedenfalls über die Fortsetzung des Mandats.

GEMA und Youtube streiten weiter

An den Maßstäben des Internets gemessen, tobt der Streit schon seit unvordenklicher Zeit. Seit rund vier Jahren liegen Youtube und die GEMA im Clinch. Es geht darum, ob und wie viel Geld Youtube für Videos an die GEMA zu zahlen hat. Der deutsche User ist dabei der Hauptgeschädigte. Bei aktuellen Musikvideos, nicht nur solchen von der GEMA, bleibt er nämlich meist ausgesperrt.

Der Streit zwischen Youtube und der GEMA ist kaum noch überschaubar. Da wundert es doch schon sehr, dass ausgerechnet die Verwertungsgesellschaft nun noch ein neues Fass aufmachen wird. Ihr Vorstandsvorsitzender beklagt sich öffentlich darüber, Youtube stelle mit seinen Sperrhinweisen die GEMA zu Unrecht an den Pranger.

Droht da schon der nächste Prozess?

“Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar” gehört mit Sicherheit zu den meistgehassten Sätzen deutscher Videonutzer. Wer etwas weiter liest, dem präsentiert Youtube auch gleich einen Verantwortlichen. Das Video könnte Musik enthalten, “für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat”.

Klar, dass sich die GEMA nur ungern den schwarzen Peter zuschieben lässt. Schon lange steht sie aufgrund der millionenfachen Einblendung als Bösewicht da. Allerdings dürfte es der GEMA eher schwerfallen, sich aus Googles freundlicher Umklammerung zu lösen, die längst zu einem PR-Desaster für die GEMA geworden ist. Das meint jedenfalls der Urheberrechtsexperte Günter Poll. In einem aktuellen Artikel in der Legal Times Online warnt er die GEMA davor, Youtube wegen des Sperrhinweises zu verklagen.

Laut Poll gibt der Hinweis nur die tatsächliche Situation wieder und ist deshalb nicht zu beanstanden. Obwohl die GEMA längst nicht mehr den Großteil der Rechteinhaber im Onlinebereich vertritt, besteht eben für Youtube die Gefahr, dass Nutzer ein Video einstellen, das GEMA-Rechte verletzt. Von daher sei es nachvollziehbar, dass Youtube bei Musikvideos in Deutschland ziemlich radikal den Filter aktiviert – um letztlich nicht die aus Youtube-Sicht überhöhten Tarife an die GEMA zahlen zu müssen.

Laut dem Autor sollten sich die Parteien lieber bemühen, den eigentlichen Streit aus dem Weg zu räumen. Der dreht sich im Kern – natürlich – um Geld. Die GEMA verlangt eine Festvergütung von 0,00375 Euro für jeden Videostream. Das hält der Urheberrechtsexperte für klar rechtswidrig, denn Youtube schulde nach aktueller Rechtslage allenfalls eine prozentuale Vergütung, die sich an den eigenen Erlösen bemisst.

Aber anscheinend ist mit einem Ende der Streitigkeiten nicht zu rechnen. Die GEMA hat jetzt ein Schiedsverfahren gegen Youtube eingeleitet und will Millionenforderungen geltend machen. Bevor Sachfragen geklärt werden können, muss erst mal über die Zuständigkeit des Deutschen Patent- und Markenamtes gestritten werden. Denn möglicherweise sind auch die ordentlichen Gerichte für solche Streitigkeiten zuständig.

Anonymus malt Zebrastreifen

Da hat ein unbekannter “Künstler” aber ganze Arbeit geleistet. Noch ist nicht ganz klar, ob es ihm um Ruhm und Ehre ging. Oder schlicht um die Möglichkeit, gefahrlos die Alteburger Straße in Köln zu überqueren. Dort freuen sich aber alle Fußgänger seit etwa drei Jahren über einen Zebrastreifen, den es eigentlich gar nicht geben darf.

Die Stadt jedenfalls, so stellt sich jetzt heraus, hat den Zebrastreifen nicht aufgemalt. Was sich an den fehlenden Hinweisschildern zeigt. Und vor allem daran, dass der Zebrastreifen nicht in unverwüstlicher Kaltplastik-Acrylfarbe nach amtlichen Vorgaben aufgebracht ist und dementsprechend langsam verwittert.

Die schlechte Erkennbarkeit des Zebrastreifens, so berichtet der Kölner Stadtanzeiger, hat besorgte Bürger auf den Plan gerufen. Unter anderem einen Vater, dessen Kind tagtäglich den Zebrastreifen nutzt. Ohne seine Bitte, doch auch mal die üblichen Warnschilder aufzustellen, würde die Stadt bis heute nichts von dem fremdgemalten Zebrastreifen ahnen.

Der Leiter des Straßenverkehrsamtes räumt freimütig ein, dass den Mitarbeitern seines Amtes der Zebrastreifen bislang nicht aufgefallen und vor allem nicht verdächtig vorgekommen ist. Und das, obwohl erst vor kurzem wenige Meter weiter ein Kreisverkehr eingerichtet worden ist, der eindeutig den städtischen Segen hat.

Nun ärgern sich die Anwohner darüber, dass der beliebte Zebrastreifen wohl verschwinden wird. Die Straße sei nicht so belebt, heißt es vom Amt, dass ein Zebrastreifen eine Existenzberechtigung an der Stelle hat.

Polizisten dürfen nicht auf Abschiedsfeier

Er zeigte jahrelang ein Herz für Temposünder. Nun geht der Herforder Amtsrichter Helmut Knöner in den Ruhestand. Das will er am Rosenmontag feiern. Draußen bleiben sollen allerdings Herforder Polizeibeamte – wenn es nach ihrem Vorgesetzten Björn Brocks geht. Der Polizeirat möchte nicht, dass Beamte im Dienst am Ausstand des Richters teilnehmen.

Vordergründig verkauft der Polizeichef seine Aufforderung als reine Fürsorge. Beamte, ließ er die Neue Westfälische wissen, seien in ein enges Geflecht an Korruptionsregeln eingeschnürt. Mitfeiernde Polizisten wären nach seiner Meinung ein “Super-Gau”.

Nicht ganz klar wird allerdings, wieso der Polizeirat sogar Kollegen, die außerhalb des Dienstes privat auf der Richterfeier vorbeischauen wollen, vorsorglich zum Rapport bittet. Ihm ist wahrscheinlich klar, dass er seinen Leuten kaum vorschreiben kann, was sie in ihrer Freizeit tun. Laut dem Bericht wurden dennoch alle Beamten aufgefordert, ihre privaten Pläne in Sachen Abschiedsfeier vorher der hausinternen Führungsstelle Verkehr zu melden – und damit aktenkundig zu machen.

Dass Beamte vorsoglich anmelden müssen, was sie in ihrer Freizeit tun, ist natürlich ein echter Fortschritt in Sachen Korruptionsprävention. Ob der Polizeichef seine Linie wirklich über den Einzelfall hinaus fortsetzen will, ist allerdings fraglich. Leider ist derzeit jedenfalls nicht bekannt, ab Herforder Beamte auch andere Freizeitbeschäftigungen melden müssen, die sie ebenso in Verlegenheit bringen können wir ein Gläschen beim Ausstand eines als ansonsten harmlos geltenden Juristen.

Etwas überraschend vermengt der Vorgesetzte nämlich sein hehres, aber beamtenrechtlich auch fragwürdiges Anliegen mit einem offensichtlichen Groll gegen den Herforder Richter.

Dessen “langjährige Einstellungspraxis” sowie seine “zum Teil anmaßenden Urteilsbegründungen in Richtung Polizei” machten eine Teilnahme für Behördenvertreter nicht statthaft – weder in Zivil noch in Uniform. Man darf wohl vermuten, dass dies der eigentliche Grund ist, warum Brocks seine Leute nicht auf der Richterfeier sehen will.

Amtsrichter Knöner nimmt die kleine Affäre gelassen. Die Zeitung ließ er wissen, er sei schon immer ein großer Anhänger der Meinungsfreiheit gewesen.

Die Wahrheit als Nebensache?

“Die Wahrheit interessiert mich nicht.”

Selbst wenn man sich schon einiges bei Gericht angehört hat, ist das ein ungewöhnlicher Satz. So was denken manche Richter allenfalls, sagen es aber nicht laut. Ein sächsischer Richter hat sich aber in einem Zivilprozess genau zu dieser prägnanten Aussage hinreißen lassen, die – natürlich – eine fragwürdige Dienstauffassung dokumentiert. Der Richter wurde prompt wegen Befangenheit abgelehnt.

Das alles, könnte man denken, ist an sich nicht dramatisch. Es gibt ja immer wieder Richter, die nur ihre eigenen Vorurteile gelten lassen und sich von den Idealen des Rechtsstaats innerlich verabschiedet haben. Dafür gibt es ja genug andere, pflichtbewusste Juristen, die solche Fehlentscheidungen schnell korrigieren. Sollte man meinen.

Aber das scheint mitunter ein Trugschluss zu sein. In Sachsen schafften es jedenfalls zwei weitere Instanzen nicht, in der Äußerung des Richters ein Problem zu sehen. Sowohl das Landgericht Chemnitz als auch das Oberlandesgericht Dresden meinten, durch sein Statement habe sich der Richter keinesfalls als befangen erwiesen.

Das Oberlandesgericht Dresden wies sogar dem Anwalt die Schuld zu. Dieser habe durch seinen Beweisantrag, den der Richter noch nicht mal ins Protokoll aufnehmen wollte, sachwidrigen Druck ausgeübt. Der Anwalt habe seinen Wunsch, einen bestimmten Zeugen zu hören, nämlich mit dem Hinweis verknüpft, dem Beweisantrag müsse im Interesse der Wahrheitsfindung stattgegeben werden.

Erst das Bundesverfassungsgericht stellte jetzt fest, dass der betreffende Richter “an der Erfüllung einer wesentlichen richterlichen Amtspflicht nicht interessiert sei”. So eine Dienstauffassung, wie sie in dem Verhalten des Richters deutlich werde, begründe aber die Besorgnis der Befangenheit.

Der angeblichen Druckausübung durch den Anwalt konnte das Bundesverfassungsgericht dagegen nichts abgewinnen. Es sei schon nicht ersichtlich, dass der Hinweis auf die Amtspflichten des Richters eine “verbotene Druckausübung” gewesen sei.

Das Land Sachsen muss jetzt die für die Verfassungsbeschwerde übernehmen. Und in dem Prozess ist das letzte Wort wahrscheinlich noch nicht gesprochen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Dezember 2012, Aktenzeichen 2 BvR 1750/12