Wer Geld wäscht, muss den Schaden ersetzen

Oft sehen Menschen nur den schnellen Euro – für wenig oder gar keine Arbeit. Am Ende bleiben ihnen aber nur Ärger und Kosten – und eine strafrechtliche Verurteilung noch dazu. Das gilt für alle, die ihr Konto für “leichtfertige Geldwäsche” zur Verfügung stellen. Wer so was macht, muss den Geschädigten auch noch den kompletten Schaden ersetzen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Es war einer der üblichen Fälle. Mit vielversprechenden Annoncen köderten Täter Helfer. Die mussten nichts anderes tun, als ihr Konto für Transaktionen zur Verfügung zu stellen. Im entschiedenen Fall hatte eine Frau Unbekannten gleich ihre gesamten Bankdaten zur Verfügung gestellt. Die Täter konnten eingehendes Geld nach Belieben weiter überweisen. 400 Euro bekam die Betreffende hierfür monatlich. Dafür lotste sie die Einnahmen aus betrügerischen Onlineshops über ihr Konto weiter, 51.000 Euro waren es insgesamt.

Wie die Vorinstanzen hat auch der Bundesgerichtshof keinen Zweifel, dass so ein Verhalten zum Schadensersatz verpflichtet. Die Richter sehen in den Geldwäscheparagrafen nämlich Vorschriften, die auch den einzelnen schützen. Deshalb können sich Opfer zivilrechtlich darauf berufen, dass ihnen durch die Geldwäsche ein Schaden entstanden ist.

Ein Grund mehr, solchen Angeboten mit größter Skepsis zu begegnen. Am Ende werden fast immer nur die mehr oder weniger arglosen Mittelsleute dingfest gemacht, weil ihre Kontodaten bekannt sind. Die wirklichen Täter bleiben im Hintergrund, weil sie die weiteren Zahlungswege meist professionell verschleiern.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Dezember 2012, Aktenzeichen VIII ZR 302/11

Wie ein Fisch

Die Wette gilt: Es war  nicht das erste Mal, dass ein deutscher Bankchef einen deutschen Spitzenpolitiker angerufen hat, um sich über Unbotmäßigkeiten zu beschweren. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen etwa, oder andere störende Kleinigkeiten. Man sitzt ja – zumindest bisher – auch gern mal in trauter Runde zusammen. Ein Beispiel: Kanzlerin Angela Merkel gab vor gar nicht so langer Zeit sogar ein Geburtstagsessen für den damaligen Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.  Im Kanzleramt. Die Gästeliste und sogar Informationen über die die Speisenfolge mussten sich Journalisten später herausklagen.

Kurze Drähte sind seit jeher dazu da, gesponnen und genutzt zu werden. Oder glaubt jemand, das 85. Stehrumchen im Jahr macht irgend jemandem Spaß? Das gilt für alle Ebenen der Politik. Der kleine Stadtrat im Kommunalparlament oder der Kreistagsabgeordnete müssen sich ebenso entscheiden wie ein Ministerpräsident. Nämlich, ob sie Interessengruppen näher stehen als ihrem Wähler. Es wäre vermessen zu glauben, dass die Entscheidung stets für die integre Lösung ausfällt. Von Korruption muss da noch längst nicht die Rede sein. Das Klima der Nähe ist meist eher zum Glück eines kalkulierter Freundlichkeit, nicht eines eiskalter Bestechlichkeit. Man sieht sich ja immer zwei Mal im Leben.

Bemerkenswert ist also nicht der Anruf des Spitzenbankers beim Spitzenpolitiker, sondern die Art und Weise, wie sein Anbiederungsversuch aufgenommen wurde. Der hessische Ministerpräsident schüttelte den Deutsche-Bank-Chef ab wie einen glibberigen Fisch. So blitzen Immobilienfuzzis ab, die mit Ideen für Spaßbäder hausieren gehen. Man hätte den Anruf ja auch unter den Teppich kehren, den offensichtlichen Fauxpas vergessen können. So wie dies früher – im besten Fall – sicher auch geschehen wäre.

Insofern war der Anruf typisch, die Reaktion darauf könnte jedoch ein wichtiges Signal geben. Dass Politik ihren Ehrlichkeitsfaktor zurückgewinnen kann, wenn der Boden nicht weiter beackert wird, auf dem Mauscheleien gedeihen. Dazu gehört aber in erster Linie auch, Absagen nicht erst dann zu erteilen, wenn der Gesprächspartner im Staub liegt. Das ist etwas, was Politiker schnellstens lernen sollten.

Mit Tempo auf den Gabentisch

Nur her damit. Das Ding gehört gekauft. Das taugt, um Nachbarn zu verärgern, Freunde zu Feinden zu machen und arglosen Autofahrern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Der Discounter Aldi-Süd bietet ab heute in seinen Filialen einen „Laser-Entfernungsmesser“ an. Einen mit „integriertem Geschwindigkeitsmesser“. Ab damit auf den Gabentisch!

Dann kann Durchschnittsbürger Franz-Josef Ödendödel loslegen. Mit Gattin Auguste Sausmikat. Beider möglicher Helfer: Ein Ruhestandsbeamter der Polizei, oder vielleicht ein pensionierter Amtsrichter, aber ein Staatsanwalt zu Beginn seines Lebensabends tut es natürlich auch.

Diese Drei stellen sich dann lauernd auf die Straße. Mit besagtem Gerät. Das kann (O-Ton Werbung) in einer Entfernung von „5 bis 600 m“ eine Geschwindigkeit von „0–300 km/h“ messen. Was für eine Abzockerei könnte das werden. Frei nach dem Motto: „Wir sind um die Verkehrssicherheit besorgte Bürger!“

Und dann, ein wenig streng, mit einem Hauch behördlichen Untertons, mit der Bekanntgabe des Mess-Ergebnisses, ein drohendes Zitat aus dem Bußgeldkatalog: „Das macht im Fall einer Anzeige drei Punkte!“ Um schließlich zu murmeln: „Wir wollen sie ja nicht anzeigen!“ – Kunstpause – „Sie können ja freiwillig, wenn nicht…“

So wäre nicht nur – parallel zur Entlastung von Polizei und Ordnungsamt – der Einkaufspreis von 99,99 Euro ruckzuck wieder drin. Mehr noch: Das Gerät wäre eine echte Kapitalanlage. Oder zumindest ein lukrativer Nebenjob, insbesondere für Ruheständler. Auf jeden Fall sorgt er für Freude an der frischen Luft.

Wie sonst nämlich ist die Werbung für diesen Entfernungsmesser zu verstehen? Von dem heißt es, er sei „ideal geeignet“ für „Outdoor-Aktivitäten“. (pbd)

Bewerber müssen über Ermittlungen keine Auskunft geben

Da werden viele Arbeitgeber, gerade auch der öffentlichen Hand, ihre Formulare anpassen müssen. Sie fragen nämlich immer wieder gern nach laufenden oder eingestellten Ermittlungsverfahren. Dies ist jedoch unzulässig, hat das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden.

Der Kläger bewarb sich als Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an
einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem
Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig ist oder innerhalb der letzten drei Jahre
anhängig war.

Der Kläger unterschrieb den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Ein anonymer Hinweis brachte ans Licht, dass gegen den Lehrer im fraglichen Zeitraum schon öfter ermittelt wurde – wenn auch ohne greifbares Ergebnis. Alle Verfahren wurden eingestellt.

Das Bundesarbeitsgericht hält schon die Frage nach früheren Ermittlungsverfahren für unzulässig. Aus dem Gesetz ergebe sich nämlich, dass nur eventuelle Vorstrafen, rechtskräftige Verurteilungen also, offenbart werden müssen. Und selbst diese nur unter bestimmten Voraussetzungen. Frage der Arbeitgeber dagegen sogar nach eingestellten oder laufenden Verfahren, verletze dies das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung. Eine Ausnahme gelte nur, wenn die Frage aufgrund besonderer Vorschriften zulässig sei. Etwa bei besonders sicherheitsrelevanten Berufen, zu denen der des Lehrers aber nicht gehöre.

Der Lehrer durfte also falsche Angaben machen, ohne dass ihm dies später zur Last gelegt werden konnte.

Interessant ist der Fall natürlich auch für alle Stellenbewerber, gegen die aktuell noch ermittelt wird. Aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich eindeutig, dass auch nicht gefragt werden darf, ob gegen den Stellenbewerber aktuell ermittelt wird. Ist das nicht zulässig, wird sogar eine spätere Verurteilung kaum dazu führen können, dass der Arbeitgeber wegen der Vorstrafe kündigen kann.

Das Urteil kann also in verschiedener Hinsicht Bedeutung erlangen. Zum einen können längere Ermittlungen jetzt kaum noch dafür sorgen, dass ein Bewerber wegen der laufenden Verfahren keine Stelle mehr findet. Zum anderen muss sogar eine spätere Verurteilung kein Auflösungsgrund für das Arbeitsverhältnis sein, sofern das Verfahren schon älter ist und nichts mit der neuen Stelle zu tun hat.

Betroffenen kann man nur raten, die Frage nach Ermittlungsverfahren konsequent mit “nein” zu beantworten und dabei auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Als erstes verstößt nämlich der Arbeitgeber gegen geltendes Recht, wenn er überhaupt fragt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2012, Aktenzeichen 6 AZR 339/11

Gericht: Den Berliner gibt es vielleicht gar nicht

Es gibt Berliner Eigenheiten, wie einen mehr oder weniger ausgeprägten Dialekt. Oder die Vorliebe fürs traditionelle Bollenfleisch. Mancher wird den Berlinern vielleicht auch einen gewissen Hang zur Ruppigkeit nachsagen. Das alles reicht jedoch nicht, um selbst aus einem waschechten “Berliner” einen Berliner im Sinne des Gesetzes zu machen.

Jedenfalls kann sich jemand nicht nur deshalb auf Diskriminierung berufen, weil er als Berliner durchgeht. Dies musste jetzt ein Berliner Lehrer erfahren. Der Mann fühlte sich zurückgesetzt, weil er gern verbeamtet worden wäre. Dies verweigerte ihm die Schulbehörde jedoch, weil in Berlin Lehrer nur als Angestellte übernommen werden.

Der Lehrer witterte dennoch seine Chance, als Berlin eine groß angelegte Werbeaktion für Lehrer aus anderen Ländern ankurbelte. Wer als bereits beamteter Lehrer nach Berlin wechselte, konnte auch dort als Beamter weiter arbeiten.

Das Verwaltungsgericht Berlin sah allerdings keinen Anspruch des Klägers, ebenfalls Beamter zu werden. Unter anderem auch deshalb, weil es den Berliner als solchen nach Auffassung der Richter wohl eher gar nicht (mehr) gibt. Denn die Zuwanderung von Menschen aus anderen Gegenden Deutschlands, Europas und der Welt habe dazu geführt, dass die „Berliner“ als objektiv abgrenzbare Einheit kaum erkennbar seien.

Ansonsten sah das Verwaltungsgericht keine Ungleichbehandlung. Das Beamtenverhältnis neuer Lehrer werde nur fortgeführt, wenn diese dem Ruf Berlins folgen – und schon in ihrem Herkunftsland Beamte seien. So eine Werbemaßnahme für Fachkräfte im Erziehungsbereich sei zulässig und verletzte die Rechte des Klägers nicht. Dieser hätte nämlich selbst Beamter in Berlin werden können, wenn er als Berliner vorher in einem anderen Bundesland gearbeitet hätte und nach Berlin zurückgekehrt wäre. Die Regeln gälten also sowieso unabhängig davon, ob es den Berliner überhaupt gibt oder nicht.

Auch Schwangere dürfen sich als Schwangerschaftsvertretung bewerben

Selbst wenn ein Arbeitgeber eine Schwangerschaftsvertretung sucht, muss ihm die Bewerberin nicht die eigene Schwangerschaft offenbaren. Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln in einem heute veröffentlichten Urteil entschieden.

Die Frage nach einer Schwangerschaft wird grundsätzlich als unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts bewertet. Eine schwangere Frau braucht deshalb weder von sich aus noch auf entsprechende Frage vor Abschluss des Arbeitsvertrages eine bestehende Schwangerschaft zu offenbaren. Das gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst dann, wenn nur ein befristeter Arbeitsvertrag begründet werden soll und voraussehbar ist, dass die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten kann.

Für den Fall, dass der Arbeitgeber für eine schwangere Mitarbeiterin wiederum eine schwangere Bewerberin einstellt, gilt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln keine Ausnahme. Auch die schwangere Vertretung sei umfassend durch das Gesetz geschützt. Das Landesarbeitsgericht Köln akzeptierte es deshalb nicht, dass der Arbeitgeber den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten wollte.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11. Oktober 2012, Aktenzeichen 6 Sa 641/12

Nutzloser Streit über Verkehrsschilder

Unsinnige Verkehrsschilder finden sich in jeder Stadt. Gerade wo Parkplätze knapp sind, gehen Autofahrer gern mal auf die Barrikaden. Doch der zivile Ungehorsam hilft regelmäßig nicht weiter – wie ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zeigt. Ein Autofahrer muss Abschleppkosten und Verwaltungsgebühr in Höhe von knapp 200 Euro zahlen.

Auf die Frage, ob der Mann vielleicht sogar recht hatte, kommt es nach Auffassung der Richter gar nicht an. Dabei ließen sich die Argumente des Betroffenen, es gebe an der Stelle gar keine Zufahrt und damit auch kein Feuerwehrzufahrt, sogar hören. Ebenso sein Einwand, er habe vor einem Baum geparkt und schon deswegen einen möglichen Feuerwehreinsatz nicht behindern können. Tatsächlich, so die Vermutung des Mannes, sorge die „Feuerwehrausfahrt“ eher dafür, dass der Notausgang eines Kinos nicht zugestellt werde.

Auf all diese Fragen geht das Verwaltungsgericht gar nicht ein. Es genüge völlig, dass die Feuerwehrzufahrt mit deutlichen Schildern und Markierungen gekennzeichnet sei. Da dies der Fall gewesen ist, seien die Schilder grundsätzlich zu beachten gewesen.

Es kann nach Auffassung der Richter nur in seltenen Fällen vorkommen, dass Schilder wirkungslos sind:

Lediglich bei offensichtlicher Willkür oder Sinnwidrigkeit oder bei objektiver Unklarheit, die sich durch Auslegung nicht beheben lässt, sind sie wegen Nichtigkeit unbeachtlich. Nichtig ist ein Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG NRW) nur dann, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

Es muss also ganz eindeutig klar sein, dass ein Verkehrsschild wirkungslos ist. Das Risiko hierfür trägt der Autofahrer:

Es obliegt auch nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer zu entscheiden, inwieweit der Bereich einer Feuerwehrzone zugeparkt werden kann, weil er zur Ein- oder Ausfahrt nicht erforderlich sein könnte.

Es gilt also weiterhin: Wer Verkehrsschilder für unsinnig hält, muss gesondert dagegen klagen. Widerstand gegen ein konkretes Knöllchen ist dagegen sinnlos. So lange das Verkehrsschild steht, muss es beachtet werden.

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. August 2012, Aktenzeichen 14 K 2727/12

Warentest: Auch Bestnoten sind nur relativ

Die Untersuchungen der Stiftung Warentest fallen oft sehr erfreulich aus. Mitunter erreicht eine stattliche Zahl geprüfter Produkte die Note „sehr gut“ oder zumindest „gut“.

Das hat wohl einen Hersteller von Nassrasierern gestört. Dieser warb nämlich nur mit der Testnote „gut“. Dabei verschwieg er aber, dass sein Rasierer zwar gut abgeschnitten hat, eine ordentliche Zahl von Geräten aber in der Rangfolge sogar noch besser war.

So was hält das Oberlandesgericht Frankfurt für wettbewerbswidrig. Durch die Angabe des Testurteils „gut“ werde im Verbraucher der Eindruck erweckt, er bekomme auch ein Spitzenprodukt. Was allerdings durch den verschwiegenen Umstand etwas relativiert wird, dass eben noch sechs Nassrasierer im Test besser abgeschnitten haben.

Wenn sie Kunden nicht in die Irre führen wollen, müssen Unternehmen deshalb also auch den Rang angeben, auf dem ihre Produkte in der Gesamtbewertung gelandet sind. Das hätte im Fall der Nassrasierer natürlich schon weniger gut ausgesehen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25. Oktober 2012, Aktenzeichen 6 U 186/11

„Neomarxistischer“ Lehrplan des Staates?

Ist der Schulunterricht in NRW neomarxistisch angelegt? Zielt er auf die Zerstörung der Eltern-Kind-Beziehung ab und auf die Entfernung christlicher Werte aus der Gesellschaft? Übt die Schule die Kinder in der Gossensprache – und will sie durch „Gender Mainstreaming“ die „gottgegeben unterschiedlichen Wesensmerkmale von Mann und Frau verwischen“? Ja, so ist es, dieser Ansicht waren Eltern aus dem Großraum Bonn.

Im Sommer 2010 waren sie vom Kreisschulamt mehrfach vergeblich aufgefordert, zwei ihrer Kinder zur Grundschule anzumelden. Weil das vergeblich war, meldete das Schulamt schließlich selbst den zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alten Sohn und die 8 Jahre alte Tochter zur nächstgelegenen städtischen Gemeinschaftsgrundschule an. Die Eltern blieben beharrlich, die beiden kamen nicht zum Unterricht.

Weil weder mehrfache Ermahnungen der Eltern noch ein Gespräch mit dem Vater halfen, setzte die Kreisverwaltung gegen sie ein Bußgeld fest. Zurecht, so befindet es jetzt das Oberlandesgericht Köln in seinem rechtskräftigen Beschluss (AZ: 1 RBs 308/12). Und folgt damit einer Entscheidung des Amtsgerichts Euskirchen. Dies hatte das zunächst auf jeweils 150 Euro festgesetzte Bußgeld wegen erstens der wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie und zweitens mit Blick auf lediglich die „Fahrlässigkeit“ der Mutter reduziert – es mochte aber keinen Rechtsverstoß des Kreisschulamtes erkennen.

Das OLG Köln schließt sich an: Ein Konflikt zwischen der Glaubensfreiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern einerseits und dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag könne nur durch Befreiung von einzelnen schulischen Veranstaltungen – nach § 43 Abs. 3 Satz 1SchulG NWR – gelöst werden, nicht aber eine generelle Verweigerung des Schulbesuchs rechtfertigen.

Ob der Schulunterricht nun nach staatlichen Lehrplänen als neomarxistisch einzuordnen ist, das haben weder das Amtsgericht noch das OLG erörtert – angeblich besuchen beide Kinder besuchen inzwischen eine Realschule. (pbd)

Reden fürs Recht?

Wer je – auch nur selten – eine Folge der Fernsehserie Boston Legal mitbekommen hat, wird ahnen, was speziell heranwachsenden Juristen hierzulande fehlt. Es sind, so der O-Ton des Landgerichts Düsseldorf die „wichtigen Schlüsselqualifikationen wie freie Rede, Rhetorik und Überzeugungskraft“. Sowas lernen die zumeist jungen Leute…

… diese Erkenntnis stammt wiederum vom erwähnten Landgericht, „vielfach erst nach dem Studium“. Was also tun? Üben? Dazu haben sich besagtes Landgericht und die Heinrich-Heine-Universität in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskammer und dem Anwaltsverein (alle: Düsseldorf) einen „Moot Court“ ausgedacht. Ein fiktive Verhandlung also. Ein Spaß? Ein Spuk? Ein Spiel?

Das soll heute ab 9.30 Uhr ohne Öffentlichkeit in einem Saal des bewussten Gerichts beginnen. Dieses weiß auch, dass die Studenten dafür „monatelang geprobt, eine Hausarbeit geschrieben, Schriftsätze verfasst und Mandantengespräche geführt haben“. Heute also.

Heute also werden sich die rund zehn Kandidatinnen und Prüflinge aus den Bibliotheken, Vorlesungen und Seminaren hinauskatapultiert fühlen können. Um vor einem Berufsrichter zu landen, einem Anwalt und einem Hochschullehrer. Dieses Trio bildet das scheinbar rechtsprechende Gremium. Das Fragen stellen und Gründe erfinden will, mit denen die Teilnehmer zuvor nicht gerechnet haben.

Ein Spiel eben. Hoffentlich eins mit Maß. Da kann es Verlierer geben, die Prozedur kann schulen, aber auch abschrecken.

Bedenke: Menschen, die etwas zu sagen haben, werden keine Redner! (pbd)

Keine Geiselnahme

Die bewaffnete und gewaltsame Flucht eines Untersuchungshäftlings bleibt ohne strafrechtliche Konsequenzen, es gibt keine Gerichtsverhandlung gegen den Mann. Mit diesem rechtskräftigen Beschluss (AZ: 2 Ws 792/12) hat jetzt der 2. Strafsenat des Oberlandesgericht Köln eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Die hatte sich gegen eine Entscheidung des Landgerichts Bonn gewehrt – schon mit der war die Anklage wegen der Tat aus dem Jahr 1998 nicht zur Hauptverhandlung zugelassen worden.

Der Beginn der Geschichte reicht, wie erwähnt, rund 15 Jahre zurück. Seinerzeit war dem Mann wegen des dringenden Verdachts eines Sexualverbrechens der Haftbefehl verkündet worden. Polizeibeamte wollten ihn zunächst nochmal ins Präsidium, danach in die Untersuchungshaftanstalt bringen. Während der Fahrt (in einem Einsatzfahrzeug der Polizei), so schildert es die Justiz, „verfügte der Angeschuldigte aus nicht vollständig aufgeklärten Gründen über eine scharfe Schusswaffe“. Damit hatte er offenbar den Polizeibeamten am Steuer des Einsatzfahrzeuges bedroht.

Danach flüchtete er zu Fuß durch die Bonner Innenstadt, bedrohte mit der Waffe einen anderen Autofahrer und zwang den zu einer gemeinsamen Fahrt nach Meckenheim, wo sich die Spur verlor. Im Rahmen einer internationalen Fahndung war der heute 42-jährige Mann im Mai 2010 in den Niederlanden festgenommen worden. Die Tat seinerzeit, so meint die Staatsanwaltschaft Bonn, sei eine Geiselnahme gewesen.

Nein, so meinen unisono das Land- wie das Oberlandesgericht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genüge es nicht, wenn sich der Täter zwar des Tatopfers (durch die Bedrohung des Fahrers des Pkw mit einer Schusswaffe) bemächtige. Es bedürfe einer „zusätzlichen Handlung“, etwa der Nötigung des Autofahrers – die jedoch fehle.

Es sei lediglich um die „Mitnahme“ nach Meckenheim gegangen. Auch die von der Staatsanwaltschaft unterstellte schwere räuberische Erpressung komme nicht infrage. Ebensowenig ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer. Denn, so der 2. OLG-Strafsenat: „Die kurzzeitige Herrschaft über den Fahrer eines Pkw reicht hierfür nicht aus“. Und wenn noch von anderen Straftaten die Rede sei, etwa von Nötigung, dann sei „eine Verurteilung nicht zu erwarten“. Die Verfolgung sei nämlich wegen der Verjährung ausgeschlossen. (pbd)