Höchste Zeit

So läuft das mit den Massengentests: Wer nicht erscheint und freiwillig seine Speichelprobe abgibt, ist verdächtig – obwohl er bislang nichts Illegales getan hat. Derzeit kann man das im Mordfall Nelli Graf beobachten. Über 200 Männer, Nachbarn des Opfers im westfälischen Halle, sind nach einem Zeitungsbericht dem Gentest ferngeblieben. Nun sollen sie Besuch von der Polizei erhalten. Diese will ihre Alibis überprüfen.

Was die Polizei “Ausschlussverfahen” nennt, ist in Wirklichkeit die Abschaffung der rechtsstaatlichen Regel, nach der man nicht seine Unschuld beweisen muss. Um an diesem Grundsatz wenigstens formal festhalten zu können, sind die Tests offiziell noch “freiwillig”. Aber eben nur auf dem Papier, wie das Verhalten der Polizei in Halle nun gerade wieder zeigt.

Die Männer, die jetzt Besuch von der Polizei bekommen und Auskunft zu ihren Alibis geben sollen, haben sich nämlich nichts zuschulden kommen lassen. Außer dass sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, die staatlich postulierte “Freiwilligkeit” für sich in Anspruch zu nehmen.

Wenn die Polizei via Presse erklärt, die Verweigerer müssten als “Zeugen” Auskunft geben, geht das Ganze sogar noch einen Schritt weiter – und verkennt die Rechtslage. Ob nun fahrlässig oder vorsätzlich, lasse ich mal offen. Jedenfalls scheint der Polizei in Halle den Bürgern lieber nicht sagen zu wollen, dass niemand, Zeugen eingeschlossen, mit der Polizei reden muss. Dazu bedürfte es zumindest einer Vorladung durch den Staatsanwalt. Einem Kommissar, der mal so an der Haustür klingelt, muss man schlicht und einfach nicht Rede und Antwort stehen.

Überdies ist natürlich höchst zweifelhaft, ob die 200 tatsächlich noch Zeugen sind. Es spricht viel dafür, sie als Beschuldigte zu betrachten. Immerhin kommt die Polizei ja nicht ohne Grund vorbei. Aber selbst wenn sie noch Zeugenstatus hätten, dürfte jeder auch beim Staatsanwalt, sofern dieser eine Ladung schickt, die Auskunft zu seinem Alibi verweigern. Das sind nämlich Angaben, durch die man sich selbst (noch stärker) in Verdacht bringen könnte, eine Straftat begangen zu haben.

Dafür gibt es, aus gutem Grund, ein Auskunftsverweigerungsrecht auch für Zeugen. Das ist der Grundsatz, dass man sich nicht selbst belasten muss. Wieder so eine rechtsstaatliche Sache, die den Ermittlern offenbar nicht recht in den Kram passt. Letztlich können da nur mutige Richter helfen, die legales Verhalten nicht als Grundlage für einen Tatverdacht akzeptieren – und der Polizei die dann absehbaren Durchsuchungsbeschlüsse verweigern. Ich wäre allerdings positiv überrascht, wenn mal ein Richter an der Basis den Mut hat, auf Einhaltung von Recht und Gesetz zu pochen. Höchste Zeit wäre es in jedem Fall. 

Bitte ich um Mitteilung

In einem ziemlich umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren hatte ich für meinen Mandanten Stellung genommen. Ziemlich umfangreich, wie nicht anders zu erwarten. Diverse Bitten, das Verfahren nach meinen goldenen Worten doch nun einzustellen, blieben unerhört. Erst wurde angeblich noch weiter ermittelt. Dann wollte der Staatsanwalt erst mal sehen, was er mit den anderen Beschuldigten macht.

Nun gut, es gibt kaum eine Möglichkeit, ein Verfahren aus der Schwebe zu nehmen. Wenn der Staatsanwalt nicht will, dann will er halt nicht. So ging geraume Zeit ins Land, bis wir mal wieder was hörten. Und zwar in Form einer aktualisierten Ermittlungsakte. Zum Glück kam kein Kleintransporter voller Kartons. Sondern eine DVD.

“Die Akte wird übersandt mit der Bitte um Stellungnahme binnen 2 Wochen”, hieß es im Begleitschreiben. Ich guckte zwar mal in die DVD rein, konnte aber beim besten Willen nichts finden, zu dem ich nicht schon Stellung genommen hätte. Ich versuchte es deshalb mal auf diese Tour:

… bitte ich um Mitteilung, zu welchem Teil der Ermittlungsakte ich jetzt noch Stellung nehmen soll. Für eine konkrete Antwort wäre ich sehr dankbar.

Die Reaktion überraschte mich:

Ich habe das Ermittlungsverfahren gegen Ihren Mandanten mangels Tatverdachts eingestellt.

Irgendwie cool. Ich werde meine Anfrage als Textbaustein speichern.

Wiederholt erklärt

“Nicht berücksichtigt wurden im Übrigen die Aktenversendungskosten. Eine Erstattungsgrundlage gegen die Staatskasse ist nicht ersichtlich.” Schreibt mir ein Kostenbeamter des Amtsgerichts Velbert und streicht mit leichter Hand 28,56 Euro der Gebühren, die mir als Pflichtverteidiger zustehen.

Ich weiß nicht, bei wie vielen Anwälten der Beamte durchkommt. Es kann sich dabei eigentlich nur um jene Kollegen handeln, die den Betrag lieber abschreiben. Weil Briefe schreiben (lassen) Geld kostet und auch Arbeitszeit nicht beliebig vermehrbar ist. Auch ich spürte diesen Impuls, protestierte dann aber doch in knappen Worten gegen die Kostenkürzung.

Viel war da auch nicht zu sagen. Immerhin ist seit langem klar, dass Pflichtverteidiger selbstverständlich ihre Aufwendungen ersetzt verlangen können – sofern diese für das Mandat erforderlich sind. Akteneinsicht gehört auch eher zu den Dingen, die offensichtlich als unverzichtbar für eine sinnvolle Verteidigung gelten können. Wenig überraschend sieht das auch das Amtsgericht Velbert (Aktenzeichen 23 Ls 35/11) so:

Bei der Aktenversendungspauschale handelt es sich um besondere Geschäftskosten, die nicht in den Nr. 7000 ff. des Vergütungsverzeichnisses enthalten und die dem Rechtsanwalt über §§ 670, 675 BGB zu erstatten sind (vgl. Baumgärtel/Hergenröder/Hoouben, RVG 14. Aufl., 2008, Vorbem. 7 VV Rd. 4).

Diese Kosten sind einem Pflichtverteidiger grundsätzlich zu erstatten, unabhängig davon, wann er die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt hat oder wann diese erfolgt ist. Entscheidend ist nur, dass er in dem Verfahren als Pflichtverteidiger beige­ordnet worden ist und dass die Aktenversendung mit seiner Tätigkeit als Verteidiger für den Angeklagten in Zusammenhang stand. Von Letzterem ist grundsätzlich aus­zugehen.

Tja, nun kennt der Kostenbeamte auch die Rechtsgrundlage, die für ihn nicht ersichtlich ist. Würde mich allerdings wundern, wenn ihm das Gericht dies zum ersten Mal erklären musste. Noch mehr wundern würde mich, wenn der Kostenbeamte nun aufhört, unnötige Kosten für Anwälte und den Steuerzahler zu produzieren. Womöglich versteht er nicht nur das Gesetz, sondern auch seinen Titel nicht. 

Post nach Berlin

Bei der Rücksendung von größeren Ermittlungsakten muss man die Hohlräume im Paket manchmal mit Zeitungspapier ausstopfen. Ich finde, meine Sekretärin hat das nett gemacht:

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Die Sendung ging an die Staatsanwaltschaft Berlin.

Tauschbörsen: Ehegatten müssen sich nicht bespitzeln

Haftet der Inhaber eines Internetanschlusses automatisch mit, wenn sein Ehegatte illegal Musik, Filme oder Spiele über eine Tauschbörse lädt? Nein, sagt das Oberlandesgericht Köln. Die Richter sehen keine Aufsichtspflicht gegenüber der Ehefrau oder dem Ehemann.

Eine Frau hatte sich mit dem Argument verteidigt, nicht sie, sondern ihr inzwischen verstorbener Ehemann habe ein Spiel aus einer Tauschbörse besorgt – und es damit gleichzeitig wieder für andere angeboten. Das Landgericht Köln hatte die Frau zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt. Diese Entscheidung hob das Oberlandesgericht Köln nun auf.

Wer seinen Ehepartner den Internetanschluss nutzen lässt, haftet nach Auffassung der Richter nur, wenn er definitiv weiß, dass urheberrechtlich geschütztes Material geladen wird. Das war hier aber nicht der Fall. Ohne konkreten Anlass seien Ehegatten auch nicht verpflichtet, die Internetnutzung des anderen vorsorglich zu überwachen. Der Fall liege anders als bei minderjährigen Kindern. Gegenüber dem Nachwuchs bejaht das Oberlandesgericht eine Kontrollpflicht.

Damit die Sache höchstrichterlich geklärt werden kann, hat das Oberlandesgericht Köln die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 16. Mai 2012, Aktenzeichen 6 U 239/11

Mit 15 Euro sind Sie dabei

Oft sind es die kleinen Dinge, welche biedere Bürger gegen die Polizei aufbringen. So zum Beispiel in Deggendorf. Am schönen Birkerlweg war die Autofahrerwelt bislang in Ordnung. Bis ein Polizeibeamter auf die Idee kam, Knöllchen an Autos zu hängen, die entgegen der Fahrtrichtung geparkt waren – obwohl das definitiv niemanden störte.

Die Anwohner wissen mittlerweile, dass die Straßenverkehrsordnung Parken entgegen der Fahrtrichtung untersagt. Sachlich gehen die Verwarnungen über 15 Euro also in Ordnung. Was die Menschen Am Birkerlweg jedoch nicht verstehen: Jahrelang haben sie unbeanstandet “falsch” geparkt, hätte man sie nicht zumindest vorwarnen können, dass diese kleine Verkehrssünde künftig kostet?

Eine berechtigte Frage, welche der Deggendorfer Polizeisprecher gegenüber der Passauer Neuen Presse auf bemerkenswert Art und Weise beantwortete. "Was hätten wir denn tun sollen?", zitiert die Zeitung den Beamten. Eine "Gelbe Karte" ohne Gebühr gebe es einfach nicht. "Bei einer Verwarnung sind eben die 15 Euro mit dabei."

Oft sind es nicht nur die ganz kleinen Dinge, welche biedere Bürger gegen die Polizei aufbringen. Sondern darüber hinaus, wie das Polizeihandeln als schier unausweichlich verkauft wird. Was der Polizeisprecher sagt, ist nämlich falsch.

In Bußgeldsachen gilt das sogenannte Opportunitätsprinzip. Das bedeutet, ein Beamter kann nach pflichtgemäßem Ermessen auch entscheiden, dass er eine Ordnungswidrigkeit nicht verfolgt. Überdies hat er natürlich stets die Möglichkeit, es bei einer mündlichen Verwarnung zu belassen. Einen Kassierzwang, wie ihn der Polizeisprecher behauptet, gibt es nicht.

Ansonsten wären ja auch sogenannte “Einführungswochen” unzulässig, wie man sie von Polizeibehörden kennt, die mehr von Bürgernähe halten. Sofern sich zum Beispiel Tempobeschränkungen ändern, wird ja andernorts gern zunächst informiert – und erst nach einer Umgewöhnungszeit kassiert.

Nur in Deggendorf geht das angeblich nicht? Die Anwohner am Birkerlweg dürfen sich nach meiner Meinung nun doppelt verschaukelt fühlen.

Links 741

„Die totale Kontrolle der Allgemeinheit zum Zweck der Rechtsdurchsetzung einer Minderheit ist bizarr“

„Das Internet sorgt für mehr Kunst, mehr Künstler, mehr Musik und mehr Filme“

Liebe Künstler, können wir reden? / Link zum Diskussionspad

Extrasteuer für Konfessionslose?

Dortmund: Polizeigewalt oder notwendige Maßnahme?

Ehemaliger Mordermittler hält Günther Kaufmann weiter für schuldig

Jeden Monat ein Bonitätszertifikat

Die skurrile Jagd auf Florian Homm

“Kostenpflichtig bestellen”

Die Button-Lösung für Internetgeschäfte kommt: Ab dem 1. August müssen Anbieter ihre Kunden unmittelbar vor der Bestellung klar, verständlich und in hervorgehobener Weise über die wesentlichen Vertragselemente – insbesondere den Preis – informieren.

Ein Vertrag kommt nur dann zustande, wenn der Verbraucher ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt der Vertragsschluss per Mausklick auf eine Schaltfläche, muss diese gut lesbar mit einem eindeutigen Hinweis versehen sein, etwa  "zahlungspflichtig bestellen".

Fehlt es an der Bestätigung des Verbrauchers oder einer korrekt beschrifteten Schaltfläche, kommt kein Vertrag zustande. Im Zweifel muss der Unternehmer beweisen, dass er seinen Informationspflichten ausreichend nachgekommen ist.

Das Gesetz soll zwar vorwiegend Abo- und Kostenfallen im Internet ausschalten. Es gilt aber für alle Anbieter gleichermaßen. Es müssen deshalb auch die Webseiten von Unternehmen angepasst werden, bei denen Kunden die Kostenpflicht kennen oder an anderer Stelle informiert werden.

Anbieter, die ab dem 1. August 2012 die Buttonlösung nicht umgesetzt haben, müssen mit Abmahnungen der Konkurrenz rechnen.

Erst heute vorgelegt

Brief der Staatsanwaltschaft Berlin vom 11.05.2012:

… wird bezüglich Ihres Schreibens vom 21.02.2012, welches erst am heutigen Tage vorgelegt wurde, mitgeteilt …

Mittlerweile hat sich die Sache schon anderweitig erledigt.

Mainzer Professoren verteidigen Drogenhelfer

Alle Jura-Professoren und Dozenten für Strafrecht an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität ziehen an einem Strang. Sie übernehmen gemeinsam die Verteidigung zweier Mitarbeiter des Mainzer „Café Balance“, einer Einrichtung der Drogenhilfe.  Die von der Stadt Mainz getragene und vom Land mitfinanzierte Einrichtung war in der vergangenen Woche von einer Hundertschaft der Polizei durchsucht und daraufhin kurzzeitig geschlossen worden.

Bisher wird gegen zwei Mitarbeiter ermittelt. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, illegale Drogengeschäfte in der Einrichtung geduldet oder gefördert zu haben. Außerdem sollen sie Besucher des Cafés vor Polizeikontrollen gewarnt haben. In der Einrichtung wurden laut Medienberichten jedoch keinerlei relevante Beweismittel gefunden, die diese Vorwürfe erhärten würden.

Zur Begründung ihres Engagements sagen Prof. Volker Erb und Prof. Michael Hettinger: „Unabhängig von der Substanz der strafrechtlichen Vorwürfe ist bereits der uns vorliegende Durchsuchungsbeschluss unzulänglich begründet. Die uns von Augenzeugen und in den Medien berichtete Art und Weise seiner Durchführung ist inakzeptabel und unverhältnismäßig. Wir bereiten zurzeit die Beschwerden gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Mainz und gegen die Leitung des Polizeieinsatzes vor.“

Prof. Jan Zopfs ergänzt zur Motivation: „Wir kennen das Café Balance seit Jahren, haben es begleitend zur Vorlesung Betäubungsmittelstrafrecht mehrfach mit unseren Studierenden besucht. Wir waren beeindruckt davon, wie die Mitarbeiter einerseits ein einfach zu erreichendes Angebot für Schwerstabhängige bereithalten. Andererseits sorgen sie aber mit einer Vielzahl konkreter Maßnahmen dafür, dass Besucher eben keine illegalen Geschäfte untereinander machen.”

Auf Grundlage der bislang bekannten Informationen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich die Vorwürfe gegen die Mitarbeiter als haltlos herausstellen werden. „In den Fällen schwerster Abhängigkeit gibt es kaum eine andere Chance der Hilfe, als die Abhängigkeit zunächst zu akzeptieren und wenigstens die elementarste Unterstützung zu leisten“, sagt Kriminologe Prof. Michael Bock. “Wenn unsere Gesellschaft diese Menschen nicht von vornherein aufgeben will, bleibt vor einer Motivation für Therapie und Heilung nichts anderes, als sie erst einmal so zu nehmen, wie sie sind, einschließlich der kriminellen Gefährdung, die Ursache oder Folge ihrer Krankheit sein kann.”

Dr. Knud-Christian Hein, Professor für Sozial- und Strafrecht an der Hochschule Darmstadt und Lehrbeauftragter der Universität Mainz, betont: „Mit ähnlichen wie den in diesem Verfahren erhobenen Vorwürfen könnte man alle niedrigschwellig arbeitenden Einrichtungen der Drogenhilfe bundesweit dichtmachen. Dort, wo Schwerstabhängigen ganz praktisch geholfen wird und diese sich daher länger aufhalten, können Drogen in kleinen Mengen zum Eigenkonsum schon denklogisch nicht fern sein.”

Auch in den in Hessen rechtlich zulässigen „Druckräumen“ bekämen die Abhängigen Drogen nicht gestellt, sondern müssen sie selbst mitbringen, weswegen die Polizei dort aber nicht etwa die Ankommenden durchsuche und kriminalisiere. Die Besucher würden sonst schlicht nicht mehr kommen und die „Junkie-Szene“ sich so unkontrolliert wieder in den öffentlichen Raum verlagern, was sicherlich nicht im Interesse der Bürger sei. Auch Vertreter der Justiz in Hessen, mit denen die Professoren gesprochen haben, würden nur den Kopf schütteln über das, was derzeit in Mainz geschieht.

In die Arbeit an dem Fall werden auch Studenten einbezogen. Ein Seminar zum Betäubungsmittelstrafrecht hat gerade begonnen.

Gutachter muss Überwacher überwachen

Ein Provider muss nur dann Nutzerdaten von Filesharingsündern herausgeben, wenn der Urheberrechtsinhaber belegt, dass er die IP-Adressen technisch zuverlässig erfasst hat. Dafür, so das Oberlandesgericht Köln, muss ein Sachverständiger das Verfahren überwachen und ein entsprechendes Gutachten vorgelegt werden.

Eine Frau hatte sich beschwert, weil das Landgericht Köln die Herausgabe ihrer Nutzerdaten anordnete. Dabei fehlten im Antrag an das Gericht vernünftige Angaben darüber, dass die Tauschbörse fehlerfrei überwacht wurde. Eidesstattliche Versicherungen von Mitarbeitern und Beweisanträge hält das Oberlandesgericht Köln nicht für ausreichend. Wörtlich:

Der Rechteinhaber muss daher, bevor er mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen beginnt, sicherstellen, dass diese Ermittlungen ordnungsgemäß durchgeführt werden und dass er dies dokumentieren kann.

Setzt er hierfür eine Software ein, muss diese durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüft und regelmäßig kontrolliert werden. Eine nachträgliche Untersuchung der eingesetzten Software durch das Gericht mit ungewissem Ausgang genügt dagegen nicht, um eine Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung begründen zu können.

Somit müssen dem Gericht schon bei Antragstellung nachvollziehbare Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich eine korrekte Überwachung ergibt. Hierzu muss auch ein unabhängiger Sachverständiger eingeschaltet werden. Eine nachträglich Überprüfung reicht schon deshalb nicht, weil dann ja die Nutzerdaten bereits herausgegeben wurden und das auch nicht rückgängig gemacht werden kann.

Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 20. Januar 2012, Aktenzeichen 6 W 242/11

Verdächtig durch Stromverbrauch

In Karlsruhe hat die Polizei eine private Marihuana-Plantage ausgehoben. Die Plantage befand sich in einer Privatwohnung. An sich eine alltägliche Geschichte, hätte die Meldung über die Angelegenheit nicht einen Kick: Auf die Spur des privaten Drogenzüchters, so heißt es lakonisch in einer Agenturmeldung, seien die Beamten durch dessen exorbitant hohen Stromverbrauch gekommen.

Wieso die Polizei ermittelte, wird leider nicht erwähnt. Obwohl sich Nachfragen aufdrängen. Checkt die Polizei etwa, wie viele Kilowatt Bürger verbrennen, und setzt sie diese Zahl in Relation zur Fläche der Wohnung? Ab welchem Stromverbrauch klingeln die Alarmglocken? Wird etwa berücksichtigt, wie viele Personen in der Wohnung leben. Geschehen solche Dinge routinemäßig? Oder nur bei begründetem Anlass? Und auf welcher Rechtsgrundlage geben Stadtwerke Daten raus?

Ich habe beim Pressesprecher der Karlsruher Polizei nachgefragt. Er sagt, seine Behörde überprüfe keineswegs die Stromrechnungen x-beliebiger Kunden. Vielmehr hätten seine Kollegen einen Anfangsverdacht gehabt. Der Vermieter des Betroffenen habe nämlich einen Hinweis gegeben. Wahrscheinlich hatte der Vermieter den Verbrauch des Verdächtigen nachgehalten. Stromzähler in Mietshäusern sind ja meist für alle Parteien zugänglich.

Bemerkenswert bleibt die Angelegenheit trotzdem. Immerhin hat die Polizei dann ja aufgrund des Anfangsverdachts den Stromverbrauch überprüft. In so einem Fall müssen die Stadtwerke als Zeuge Kundendaten liefern. Der Stromverbrauch war nach Polizeiangaben für eine Einpersonenwohnung so exorbitant hoch, dass ein Richter es für nachvollziehbar hielt, dass dort Tag und Nacht die Powerlampen einer Marihuana-Plantage brennen. Dementsprechend ordnete er die Durchsuchung an.

Der Polizei kann man zu Gute halten, dass sie sich offenbar nicht alleine auf die Angaben des Vermieters verließ. Unabhängig davon ist der Fall ein schönes Beispiel dafür, welche Ermittlungsansätze sich erst aus den Daten intelligenter Stromzähler ergeben können. Das Thema haben wir ja schon im letzten Jahr diskutiert.