Dem Staat gehört nun ein Bordell

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat das Kölner Laufhaus „Pascha“ beschlagnahmt. Damit gehört nun eines der größten Freudenhäuser Europas dem Staat, zumindest vorläufig.

Hintergrund sind Ermittlungen gegen eine mutmaßliche Schleuserbande, die in Nordrhein-Westfalen wohlhabenden Kunden aus China und dem Oman Aufenthaltserlaubnisse beschafft haben soll. In dem Komplex wird auch gegen Beamte und Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen ermittelt. Es soll auch großzügige Spenden an Politiker bzw. deren Parteien gegeben haben, bis hinauf in NRW-Ministerkreise.

Hauptbeschuldigte sind zwei Rechtsanwälte. Wieso der Zugriff auf das Pascha im Rahmen des Verfahrens erfolgte, ist noch nicht ganz klar. Das Grundstück an der Hornstraße in Köln soll 2021 von einer chinesischen Firma gekauft worden sein.

Der laufende Betrieb ist nicht gefährdet, so heißt es.

Bericht

Fototapete vor Gericht

Eine Frau hatte ihre Wohnung in einem Facebook-Video gezeigt – hierauf wurde sie von einem Fotografen wegen Urheberrechtsverletzung verklagt. Grund: Die Fototapete, für die der Fotograf das Motiv geliefert hatte, war in dem Video zu sehen. Diesem Abmahnwahnsinn hat der Bundesgerichtshof nun ein Ende bereitet.

Insgesamt musste sich das höchste deutsche Zivilgericht mit drei Fällen dieser Art beschäftigen. Andere Beklagte waren Hoteliers, die ihre Zimmer mit einer der Fototapeten ausgestattet und die Bilder auf Hotelportalen eingestellt hatten. Im letzten Fall ging es um den Screenshot einer Webseite, die eine Medienagentur in ihrem Werbeauftritt zeigte. Der auf dem Foto erkennbare Gastraum eines Tenniscenters war ebenfalls mit einer Fototapete tapeziert.

Mit dem Verkauf der Fototapete habe der Hersteller damit rechnen müssen, dass diese im „üblichen“ Rahmen verwendet werde. Es stehe im „Einklang mit der Lebenserfahrung“, so das Gericht, dass Räume auch fotografiert und die Bilder davon veröffentlicht werden. Es liegt also eine schlüssige Einwilligung vor, weitergehendes Copyright müsste in eine ausdrückliche Lizenz gefasst werden. Die übliche Nutzung gilt laut dem Bundesgerichtshof auch für Dritte wie die Medienagentur, die – im Einverständnis mit dem Wohnungsbesitzer – Bilder der Räume veröffentlichen (Aktenzeichen I ZR 139/23, 140/23 und 141/23).

Karma is a bitch

Aus dem Polizeibericht:

Am Samstagnachmittag (7. September), gegen 15:30 Uhr, erreichte die Bundespolizeiinspektion München die Meldung über einen Exhibitionisten in einem Regionalzug (Rosenheim – München), kurz vor dem Halt am Münchner Ostbahnhof.

Nach aktuellem Ermittlungsstand masturbierte der Beschuldigte unverhohlen im Reisezugwagen, indem er sein erigiertes Glied offen zur Schau stellte und sich selbst befriedigte. Dabei beobachtete er die beiden Frauen durch den Spalt zwischen den Sitzlehnen. …

Wie sich herausstellte waren die Geschädigten zwei privat reisende Polizistinnen, die sich diese inakzeptable Schweinerei nicht gefallen ließen.

Originalmeldung

Sozialgericht: Asylbewerber müssen mit Karte zahlen

Bezahlkarte statt Bargeld – diese Regelung ist Asylbewerbern zumutbar. Das Sozialgericht München entschied das nun in zwei Eilverfahren. Das Gericht hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Bezahlkarten.

Nach Auffassung des Gerichts ist es verfassungsgemäß, das Existenzminimum durch Sach- oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Barobergrenze von 50 Euro monatlich stelle „keinen wesentlichen Nachteil“ dar. Das hat das Sozialgericht Hamburg vor kurzem anders gesehen.

Geklagt haben eine Frau aus Sierra Leone und ein Mann aus Nigeria. Die Frau machte geltend, sie müsse wegen einer Augenerkrankung oft mit dem Taxi zu Arztterminen fahren, viele Taxis würden aber keine Karte akzeptieren. Außerdem müsse sie auf Flohmärkten und in Billigläden einkaufen, was die Bezahlkarte erschwere.

Der ebenfalls erkrankte Mann aus Sierra Leone ist seit 2003 in Deutschland, sein Aufenthalt ist nur noch geduldet. Laut dem Gericht gibt es für ihn in München genug Möglichkeiten für Kartenzahlung. Außerdem, so das Gericht, ergebe sich aus den Kontoauszügen des Mannes, dass er auch vor der Bezahlkarte schon oft bargeldlos gezahlt hat.

Die Kläger können ihre Hauptsacheverfahren noch fortsetzen (Aktenzeichen S 42 AY 63/24 ER und S 52 AY 65/24 ER).

Intimbehandlung ist keine Kassenleistung

Wer sich vor Gericht auf Diskriminierung berufen will, muss auch diskriminiert sein. Nicht immer ist dies – bei näherem Nachdenken – auch der Fall, wie ein Fall vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zeigt.

Eine 72-jährige Frau litt beim Geschlechtsverkehr unter Schmerzen. Sie bekam von einem Arzt eine Intimbehandlung mit dem Laser empfohlen. Damit lasse sich die Kollagen- und Elastinbildung erhöhen, was ihre Beschwerden langfristig mindern könne.

Problem: Die Laserbehandlung ist keine Kassenleistung. Vor Gericht machte die Frau geltend, sie werde wegen ihres Alters diskriminiert. Die sexuelle Gesundheit älterer Menschen werde nicht ernst genommen, der Geschlechtsverkehr sei naturgegeben, auch für ältere Menschen. Deshalb müsse die Krankenkasse bei Störungen aufkommen.

Laut dem Gericht können neue, aber noch nicht zugelassene Therapien nur ganz ausnahmsweise Kassenleistung sein. Auch die beklagte Altersdiskriminierung wollen die Richter nicht erkennen. Die Lasertherapie werde auch jüngeren Menschen nicht bezahlt, so die trockene Begründung (Aktenzeichen L 16 KR 426/23).

Super-Skonto geht nach hinten los

Die Einbauküche sollte fast 70.000 Euro kosten. Das Küchenstudio lockte die Interessenten aber mit einem großzügigen „Skonto“, der die Küche um rund 15.000 Euro billiger gemacht hätte. Bedingung: Der Kaufpreis musste spätestens am Tag der Lieferung vollständig gezahlt sein.

Mit der Klausel „fällig bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung“ hat sich der Anbieter aber letztlich keinen Gefallen getan. Die Skonto-Klausel ist nämlich unwirksam, so das Oberlandesgericht Zweibrücken. Die Klausel nehme dem Kunden die Möglichkeit, die erbrachte Leistung sowie die Rechnung nach Erhalt zu prüfen, um gegebenenfalls Mängel zu rügen. Außerdem sei eine Bar- und Sofortzahlung von so hohen Beträgen dem Kunden nicht zumutbar.

Letztlich handele es sich gar nicht um einen Skonto, sondern um eine Art Vertragsstrafe für den Fall, dass der Kunde nicht faktisch auf seine Rechte verzichtet. Ein Skonto sei nur in Höhe von 1 bis 3 % üblich.

Für die Kunden ein erfreulicher Ausgang. Sie müssen nur den Sonderpreis zahlen, dürfen die Küche aber behalten. Es kann sich also lohnen, nach unwirksamen Vertragsklauseln Ausschau zu halten, sofern genug juristischer Kampfeswille vorhanden ist (Aktenzeichen 5 U 38/23).

Sinnliche Genüsse in Beamtenkreisen

Hausdurchsuchung. Ja oder nein? Diese Frage müssen Verwaltungsgerichte nicht so oft beantworten. Aber es kommt vor, wie ein Fall aus Hessen zeigt. Es ging um sexuelle Gefälligkeiten in Beamtenkreisen…

Ein Polizeioberkommissar soll mit einer Frau gechattet haben, die bei der hessischen Polizei den Einstellungstest nicht bestanden hat. Kein Problem, soll der Kommissar erklärt haben. Er kenne da einen Kollegen, der könne den nächsten Einstellungstest „wohlwollend beeinflussen“. Als Gegenleistung soll der Beamte Oralverkehr für seinen Kollegen gefordert haben. Er selbst wolle lediglich zusehen oder zumindest ein Video von dem Bezahlvorgang haben. Angeblich, so der Beamte, habe das in der Vergangenheit schon prima funktioniert.

Nun ja, der Verwaltungsgerichtshof in Hessen sieht hier eine Gefahr für das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Staatsdienst. Zu den Vorteilen im Bestechungsrecht zählen laut den Richtern alle Belohnungen, Geschenke, aber auch „sonstige Vorteile“. Darunter seien problemlos auch „sinnliche Genüsse“ zu fassen, wie etwa der Beischlaf oder andere sexuelle Handlungen.

Die Hausdurchsuchung bei dem Beamten wurde genehmigt. Leider ist nicht bekannt, wie die Sache weiter ging (Verwaltungsgerichtshof Hessen, Aktenzeichen 28 E 818/23).

Hürden für Politikerbeleidigung

Der extra zum besonderen Schutz von Politikern geschaffene Paragraf 188 des Strafgesetzbuchs erweist sich immer mehr als Spielwiese für die Ermittlungsbehörden. Kein Wunder, die vermeintlich beleidigte oder verleumdete Person des politischen Lebens muss noch nicht einmal einen Strafantrag stellen. Somit können auch Äußerungen verfolgt werden, auf deren Verfolgung der mutmaßlich geschädigte Politiker gar keinen Wert legt.

Wolfgang Schäuble zum Beispiel hat, soweit bekannt, bei Beleidigungen nie Strafantrag gestellt. Das würde heute keine Rolle mehr spielen, denn bei Politikern bedarf es eben keines Strafantrags mehr. Allerdings gehen längst nicht alle Fälle nach dem Sonderparagrafen so durch, wie man es sich vielleicht erhofft hat. Das Oberlandesgericht Celle hat sich jetzt mit dem oft übersehenen Tatbestandsmerkmal in der Strafvorschrift beschäftigt, wonach die Tat geeignet sein muss, das öffentliche Wirken des Politikers erheblich zu erschweren.

Ausgangspunkt war ein Bild des Bundesgesundheitsministers auf Telegram, das diesen bei einer Covid-19-Impfung zeigt, versehen mit der Textzeile „Dr. J.M., 1943, nachkoloriert.“ Die Vorinstanz hatte eine „Aggressivierung“ durch den Beitrag behauptet, aber noch nicht einmal dargelegt, wieso ausgerechnet Beitrag auf einem Telegram-Kanal dem Minister seine Arbeit konkret erschweren könnte, geschweige denn erheblich. Das zusätzliche Erfordernis muss also von den Gerichten ernst genommen werden. Sonst droht die Urteilsaufhebung, wie in diesem Fall (Aktenzeichen 1 ORs 19/24).

Zu kalte Nächte am Ballermann

An der Playa de Palma hat sich ein deutscher Urlauber auf bemerkenswerte Weise selbst geholfen. Er riss die Klimaanlage in seinem Hotelzimmer raus – es war ihm zu kalt.

Mit dem Kühlaggregat im Arm soll der Urlauber dann an die Rezeption gegangen sein, um das weitere Vorgehen zu klären. Der Mitarbeiter habe erst an einen Unfall gedacht, berichtet die Mallorca-Zeitung. Dann habe er aber gemerkt, dass der Urlauber absichtlich Hand angelegt hatte.

In der Folge wurde die Polizei gerufen. Diese nahm den Deutschen zumindest vorläufig fest. Auch klimatechnisch hat er sich damit womöglich keinen Gefallen getan. Ich war auch schon mal in der großen Wache an der Playa, für eine Zeugenaussage. Ich fand’s dort extrem gut klimatisiert.

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Das ist so ziemlich der erste Spruch, mit dem dich ein Professor in der Anfängervorlesung Jura nervt. Es folgen viele weitere, aber dieser Spruch sollte hängenbleiben.

Tut er aber meist nicht.

Eine Auffrischung in simpler Gesetzeskunde versucht nun der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Er liest uns § 18 des Asylgesetzes vor, der da lautet:

Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern, wenn … er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a) einreist.

Das entspricht Art. 16a Grundgesetz, der wie folgt lautet:

Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.

Diese Regelungen wurden im Jahr 1993 nach harter Debatte beschlossen, obwohl dem Bundestag klar war, dass wegen der sicheren Außengrenzen unseres Landes damit praktisch nur noch ein Asylanspruch für Menschen bestehen dürfte, die mit dem Flugzeug einreisen. Das war kein Fehler, das war gesetzgeberische Absicht. Und dennoch gab es dafür die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag.

Zu den angeblichen europarechtlichen Bedenken hat Papier auch eine klare Meinung:

Zu Einwänden, Zurückweisungen seien aus europarechtlichen Gründen wie der „Dublin-II-Verordnung“ an der deutschen Außengrenze nicht ohne Weiteres möglich, sagte Papier, diese Frage stelle sich eigentlich nicht: „Denn in der Frage, wer zu uns kommen darf, ist der Kernbereich der staatlichen Souveränität Deutschlands unmittelbar betroffen.“ Ein souveräner Staat könne „nicht gezwungen werden, jeder Person aus der Welt, die an der Grenze angibt, Asyl zu wollen, die Einreise zu gewähren“.

Außerdem setzen die Verteilmechanismen aus dem „EU“-Recht voraus, dass die Außengrenzen der EU gesichert sind. Geschäftsgrundlage ist also eine geregelte, tatsächlich kontrollierte Migration. Das aber ist nicht mehr der Fall, und wer das Gegenteil behauptet, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit.

Zweite Geschäftsgrundlage ist, dass das eigentliche Verteilsystem funktioniert. Aber auch das ist nicht der Fall. Nach Deutschland strömen viel mehr illegale Migranten als in andere Länder. Die Zurückverteilung nach Dublin-Quoten, also über die Rücknahmeverpflichtung der Erstregistrierungsländer, scheitert aus vielen Gründen.

Deshalb hat der Ex-Gerichtspräsident völlig recht, wenn er in Richtung eines Notstandes argumentiert, der uns berechtigt, unter Berufung auf deutsches Recht schlicht Nein zu sagen. So wie es die sicheren Drittstaaten durch ihr Handeln ja faktisch auch tun, wenn sie illegale Migranten zu uns durchwinken – obwohl sie nach EU-Recht dazu gerade nicht berechtigt sind.

Selbst wenn die EU-Kommission in Zurückweisungen einen Rechtsverstoß sehen sollte, ist dieser damit nicht festgestellt. Darüber entscheidet der Europäische Gerichtshof. Der Ausgang des Verfahrens wäre vielleicht offen, aber bis dahin würde unser geltendes Recht durchgesetzt.

Ein Nein zu EU-Regelungen führt übrigens nicht zu einem Eintrag ins Klassenbuch. Derzeit laufen vor dem Europäischen Gerichtshof 64 Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Unter anderem widersetzt sich die Bundesrepublik EU-Regelungen wegen Nitratbelastung des Grundwassers, Lärmschutz an Eisenbahnstrecken und dem Schutz seltener Vogelarten.

Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof dauert im Schnitt 16,1 Monate. Eine Atempause. Eine zupackende Regierung könnte sie uns verschaffen.

Gericht: FDP ist irrelevant

Kurz vor der Wahl in Brandenburg am 22. September werden die Spitzenkandidaten der Parteien im Fernsehen diskutieren. Voraussichtlich ohne die FDP. Denn nun wurde gerichtlich festgestellt: Die Partei ist schlicht irrelevant.

Für die Wahlsendung lädt der RBB (Radio Berlin-Brandenburg) die Kandidaten der Parteien ein, die im Landtag vertreten sind und in Meinungsumfragen stabil über fünf Prozent liegen. Beides ist bei der FDP nicht der Fall. Dennoch wollten sich die Liberalen in die Fernsehsendung klagen. Begründung ihres Landeschefs: Die FDP sei für eine „stabile Regierung aus der Mitte heraus“ unverzichtbar.

Das Verwaltungsgericht Potsdam sieht das anders. Parteien hätten keinen Anspruch auf „formale Gleichbehandlung“. Vielmehr dürfe ihrer unterschiedlichen Bedeutung „in angemessener Weise“ Rechnung getragen werden. Anders gesagt: Die FDP ist zumindest in Brandenburg momentan so bedeutungslos, dass man sie in einer Wahldebatte nicht dabei haben muss.

Ähnlichen Zoff gab es vor der Europawahl um das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Hier konnte sich das BSW in zweiter Instanz in die ARD-Wahlsendung einklagen – aber gerade wegen ihrer sehr guten Umfragewerte.

Die FDP Brandenburg kann noch Rechtsmittel einlegen (Aktenzeichen VG 11 L 733/24).

Kriminalstatistik in Echtzeit

Ich zitiere mich mal selbst, vom Tag des Münchner Attentatsversuchs:

Schüsse hier, Schüsse dort. Wer arbeiten muss, kann informationstechnisch gar nicht auf dem Laufenden bleiben.

Es hängt mittlerweile sehr vom Zufall und der individuellen Leidensfähigkeit ab, einen belastbaren Überblick über das Kriminalitätsgeschehen in unserem Land zu behalten. Es bedarf also einer gewissen Anstrengung, um nicht ebenso ahnungslos und argumentativ nackt zu enden wie etwa die stellvertretende Chefredakteurin des Spiegel in ihrem aktuellen Fernsehdialog mit Journalistenlegende Ulrich Wickert.

Aber es gibt Leute, die uns hören. Einer davon ist der Macher der Seite Messerinzidenz. Der Datenaktivist (Selbstbezeichnung) aggregiert aus belastbaren Quellen, insbesondere Polizeiberichten, eine anschauliche Deutschlandkarte mit den Messerdelikten des Tages. Alles anklickbar, inhaltlich überprüfbar und in Listen darstellbar. Das ist sozusagen Kriminalstatistik erster Klasse, nur ohne die ansonsten übliche Zeitverzögerung. Die konkreten Fälle sind aufrufbar und die Sachverhalte somit leicht zu recherchieren.
Großes Kino, schaut es euch unbedingt selbst an.

https://messerinzidenz.de/

Gemeinschaftlicher schwerer Raub – aber kein Haftbefehl

Wo wir schon beim Thema Messerkriminalität sind, hier noch ein bemerkenswerter Vorfall von gestern nacht. In Hildburghausen (Thüringen) bedrohten vier Asylbewerber im Alter von 22 bis 29 Jahren einen 21-jährigen Asylbewerber mit einem Messer und forderten ihn auf, sein Geld und sein Handy rauszugeben. Das verweigerte der Mann, worauf einer der Täter mit dem Messer zustach und ihn an Achsel und Hand verletzte. Anschließend raubten die vier das Geld und das Handy.

Damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Das 21-jährige Opfer flüchtete in Richtung eines Lebensmittelmarktes. Nachdem ihn die Angreifer – aus welchen Gründen auch immer – eingeholt hatten, eskalierte die Situation erneut. Jetzt bewaffnete sich das Opfer mit einer abgebrochenen Flasche und verletzte einen der Täter an der Schulter. Dann erstattete das Opfer Anzeige.

Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus traf das Opfer gegen Mitternacht erneut auf die Gruppe der vier Angreifer. Es kam zu einem lauten Streit, den Beamte allerdings beenden konnte. Bei der Gelegenheit stellten die Polizisten das geraubte Handy sicher.
Was dann passierte, steht ebenfalls im Polizeibericht und ist der Grund, warum ich das Thema aufgreife:

Die Angreifer mussten mit zur Dienststelle kommen und wurden nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen auf Weisung der Staatsanwaltschaft entlassen.

Die Formulierung „auf Weisung der Staatsanwaltschaft“ ist normalerweise ein deutliches Zeichen dafür, dass auch die Polizisten den Kopf geschüttelt haben. Völlig zu Recht. Denn wenigstens der Messerstecher ist eines schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung dringend verdächtig. Mindeststrafe: fünf Jahre. Der Mann hat ein Messer nicht nur bei sich geführt, sondern es auch eingesetzt. Bei der günstigsten Betrachtung dürfte dem Mann eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren drohen. Bei den anderen liegt Mittäterschaft nahe.

Beim Messerräuber ist es angesichts der drastischen Strafdrohung, die ja den Haftgrund der Fluchtgefahr begründet, schon sehr verwunderlich, dass er noch auf freiem Fuß ist. Noch verwunderlicher ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht einmal einen Haftbefehl beantragt. Dieser Haftbefehl könnte ja auch vom Gericht gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt werden. Wieso so eine Entscheidung dann auch noch gleich nach den Taten ergeht, ist ebenso wenig nachvollziehbar. Normalerweise bleiben Verdächtige in so einer Situation mindestens bis zum nächsten Vormittag im Gewahrsam, weil man dann auch weitere Ermittlungsergebnisse hat. Auch dann kann man noch über einen Haftbefehlsantrag entscheiden.

Wird diese Straftat möglicherweise zu einer Bagatelle, weil nur Asylbewerber beteiligt sind? Die Frage sollte man stellen.

Polizeibericht

Machetenmann will Polizeiwache stürmen

Mal wieder ein Machetenangriff, doch diesmal mit einer Art Extra-Spin. In Linz am Rhein hat ein 29-jähriger Machetenmann heute nacht um 2.40 Uhr die Polizeiwache stürmen wollen. Den Beamten soll er schon von draußen den Tod angedroht haben.

Die wachhabenden Beamten reagierten besonnen und nutzten das Schleusensystem der Wache. Sie verriegelten die Eingangstür und öffneten die dahinterliegende zweite Tür zur Wache einfach nicht. Trotz seiner offenkundig misslichen Situation ließ sich der Mann nicht beruhigen und randalierte in der Schleuse, wie die Bild berichtet. Deshalb wurde das SEK angefordert, die Beamten setzten ihn dann mit einem Taser außer Gefecht und nahmen ihn fest.

Laut Polizei handelt es sich um einen albanischen Staatsbürger.

Polizeibericht

Next exit: Offenbarungseid

Neulich bekam ich Post vom Gerichtsvollzieher. Er kündigte mir persönlich einen Besuch in der Kanzlei an, um von mir 453,12 € zu kassieren. Für den Fall, dass ich nicht so viel auf den Tisch legen kann, drohte er mir gleich die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an. Früher nannte man das Offenbarungseid. So was Ähnliches ist die Sache auch, aber nach meiner Einschätzung eher für das Landgericht Wuppertal – diese Justizbehörde hat mir den Gerichtsvollzieher nämlich auf den Hals gehetzt.

Wie es dazu kam? Ich habe die Geschichte für meine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Rechtspflegerin so zusammengefasst:

Das Landgericht Wuppertal setzte wegen zu viel gezahlter Pflichtverteidigergebühren gegen mich mit Beschluss vom 14.08.2023 einen Betrag von 412,93 € fest.

Unmittelbar nach Rechtskraft des Beschlusses am 15.02.2024 rechnete die Landeshauptkasse mit Schreiben vom 19.02.2024 mit einer anderen Vergütungsforderung von mir auf. Damit war der Anspruch der Landeskasse in Höhe von 412,93 € erloschen (§ 398 BGB).

Gleichwohl forderte der zuständige Mitarbeiter des Gerichts mich mit Schreiben vom 27.03.2024 zur Zahlung des Betrages auf. Das war über einen Monat nach Erlöschen der Forderung. Ich widersprach dem mit Schreiben vom 29.03.2024. Die Ablehnung der Zahlung wurde meinerseits auch begründet. Ich wies ausdrücklich darauf hin, dass die geltend gemachte Forderung nicht existiert.

Gleichwohl leitete der zuständige Mitarbeiter gegen mich die Zwangsvollstreckung ein. Ich verweise auf die beigefügte Mitteilung des Gerichtsvollziehers Giovanni F. vom 21.06.2024.

Wie mir der Gerichtsvollzieher mitteilte, hatte das Gericht nach Erteilung des Vollstreckungsauftrags sogar nach aktiv auf dessen schnelle Erledigung gedrängt. Der Gerichtsvollzieher stellte die Zwangsvollstreckung nach Mitteilung des Sachverhalts ein, da offenkundig ein anfängliches Vollstreckungshindernis besteht.

Nun folgt meine Begründung, warum es so doch eher nicht geht:

Vorliegend handelt es sich um eine grobe Pflichtwidrigkeit.

Offenbar wurde vor Einleitung der Zwangsvollstreckung nicht überprüft, ob die Forderung erloschen ist. Die Aufrechnung mit anderen Forderungen ist ein übliches Verfahren, gerade durch die Landeskasse. Selbst wenn – wider Erwarten – keine entsprechende Mitteilung durch die aufrechnende Stelle an das Gericht erfolgte, wäre jedenfalls eine Nachfrage erforderlich gewesen. Denn bei einem Strafverteidiger liegt es mehr als nahe, dass dieser anderweitige Forderungen an die Landeskasse hat.

Die Nachfrage wäre aber jedenfalls spätestens dann erforderlich gewesen, nachdem ich ausdrücklich und unmissverständlich darauf hinwies, dass die Forderung nicht existiert. Offenbar besteht bei dem verantwortlichen Mitarbeiter keine Bereitschaft, sich mit solchen sachlichen Hinweisen auseinander zu setzen.

Schauen wir mal, wie die Antwort ausfällt. Immerhin freut es mich, dass ich mir selbst keine Anwaltsgebühren berechnen muss.