Wieder ein Urteil gegen Mobilfunk-Kostenfallen

Mobilfunkbetreiber müssen ihre Kunden auf Kostenfallen hinweisen. So ist es unzulässig, wenn ein Telefonanbieter seinem Kunden ein Handy überlässt, bei dem sich die Navigationssoftware nach dem Start ausgiebig online aktualisiert. Fast 11.500 Euro sollte ein Kunde für diesen unerwarteten Spaß zahlen. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein befand die Forderung des Anbieters jedoch für unrechtmäßig. 

Der Kunde hatte das Mobiltelefon subventioniert erworben. Sein verlängerter Vertrag hatte eine Internetoption für Wenignutzer. Dementsprechend schlug die Aktualisierung der Navigationssoftware zu Buche, die sich über Stunden hingezogen haben soll. 

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein befand, die Klägerin habe ihre Nebenpflichten aus dem Mobilfunkvertrag verletzt, als sie dem Kunden ohne nachdrückliche Warnung vor der Kostenfalle das Mobiltelefon verkaufte. Es gehöre auch bei Mobilfunkverträgen zu den Nebenpflichten, für eine möglichst reibungslose und transparente Abwicklung zu sorgen. Außerdem gebiete es die Fürsorgepflicht, Schäden von der anderen Seite abzuwenden.

Der Käufer eines Mobiltelefons mit Navigationssoftware gehe davon aus, dass diese auf aktuellem Stand ist. Muss er sich im Laufe der Installation entscheiden, ob er eine Kartenaktualisierung in Gang setzen will, so wird und darf er nach Auffassung der Richter denken, dass er nur so und ohne weitere Kosten an die ihm nach dem Kaufvertrag zustehende aktuelle Software gelangen kann. Auf Abweichendes müsste der Verkäufer ausdrücklich hinweisen, was hier nicht geschehen ist.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 15.9.2011, Aktenzeichen 16 U 140/10

Filmreif

Es sieht nach Dreharbeiten für einen Film aus, war aber wohl ein ganz normaler Verkehrsunfall. In Langerwehe hat ein Autofahrer seinen Opel etwas zu flott in eine Kurve gelegt. Folge: Sein Auto prallte in anderthalb Meter Höhe gegen einen anderen Wagen. Ein Spezialkran musste die beiden Fahrzeuge trennen, um größeren Schaden zu vermeiden.

So sah es an der Unfallstelle nach dem Crash aus:

vu_langerwehe2409_1

Foto: Polizei Düren

Nur das Beste

Herr N. ist unterwegs festgenommen worden, weil ihm die Polizei ein (kleines) Drogendelikt unterstellt. Während er auf der Wache sitzt, entschließen sich die Beamten zu einer Hausdurchsuchung. Auf den erforderlichen richterlichen Beschluss verzichten sie aus folgenden Gründen:

Die Einholung einer richterlichen Anordnung zur Wohnungsdurchsuchung über die Staatsanwaltschaft würde auf Grund des grundsätzlich schriftlich zu begründenden Antrags zu einer unverhältnismäßigen Dauer einer Freiheitsentziehung des Beschuldigten führen.

Die Polizei verstößt also selbstlos gegen die Strafprozessordnung, weil sie nur das Beste für den Beschuldigten will. Wie rührend. Vor allem angesichts der Tatsache, dass bei der dünnen Faktenlage ein Ermittlungsrichter mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit den Antrag zurückgewiesen hätte.

SCHWER (ARBEITN)

Dass an einem gerichtlichen Schriftstück ausgerechnet die Unterschrift eines  Urkundsbeamten spannend ist, kommt auch nicht alle Tage vor. Am Amtsgericht München schafft das aber ein Justizmitarbeiter. Der unterzeichnet mit folgendem Namensvermerk:

SCHWER (ARBEITN)

Hier der Bildbeweis (zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken). 

110923a

Humor im amtlichen Schriftverkehr? Hilfeschrei einer überlasteten Fachkraft? Ein reichlich ungewöhnlicher Doppelname? Oder doch nur ein Lapsus des Textprogramms? Letztlich vielleicht lediglich der höchst amtliche, im Zusammenhang mit dem Namen Schwer lustige, aber ansonsten für Außenstehende nur schlicht unverständliche Hinweis, dass der Betreffende kein Beamter, sondern „Arbeitn“ / Angestellter ist? Ich hätte Herrn oder Frau SCHWER gerne gefragt, habe aber leider niemanden erreicht.

Die Ungewissheit verfolgt uns also ins Wochenende.

Danke an Malte H. für den Hinweis

Nicht geschmeidig

Dass für den eigenen Mandanten im Gerichtsaaal die Handschellen klicken, gehört zu den traumatischen Erfahrungen eines Verteidigers. Ich bin in 16 Berufsjahren davon verschont geblieben. Bis heute. Da wurde mein Mandant von einem bayerischen Amtsgericht mitten im Prozess  aus heiterem Himmel in Untersuchungshaft geschickt. Dabei hat sich seit Monaten nichts an der Sachlage geändert. Bis auf den kleinen Umstand, dass mein Mandant heute zum Verfahrensauftakt kein Geständnis ablegen wollte.

Jede Information, auf die das Gericht seinen Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr stützte, steht schon seit mindestens Mai 2011 in der Ermittlungsakte. Informationen aus fragwürdiger Quelle zumal. So verfasste ein Kommissar einen Vermerk, der sich wie ein Ermitttllungsbericht liest. Später stellte sich raus, der Beamte zitierte ungeprüft nur die Angaben eines anderen Kommissars, der privat wiederum was bei nicht näher benennbaren Bekannten aufgeschnappt haben soll. Also Lindenstraße statt Fakten.

Wenn der Haftbefehl sachlich begründet sein sollte, müssten sich Staatsanwaltschaft und Gericht vorwerfen lassen, meinen angeblich so gefährlichen Mandanten über Monate auf die Menschheit losgelassen zu haben, obwohl sie über alle Informationen verfügten, um die Wiederholungsgefahr zu bejahen. Da stimmt es dann schon nachdenklich, wenn der Gesinnungswandel ausgerechnet in dem Augenblick einsetzt, in dem sich der Angeklagte nicht wunschgemäß geschmeidig zeigt und unfassend gesteht. Zumal in den Monaten, die jetzt ins Land gegangen sind, mein Mandant noch nicht mal einen Parkverstoß begangen hat.

Ich habe schon im Gerichtssaal gesagt, dass ein Angeklagter so ein Vorgehen für versuchte Geständniserpressung mit strafprozessualen Mitteln halten kann. Auch wenn das Verhalten des Gerichts am Ende wohl nicht mit Paragrafen zu messen ist, weil die offizielle Begründung des Haftbefehls nichts über die auf der Hand liegenden Motive sagt. Einen Angeklagten für die Ausübung des elementaren Schweigerechts so offen abzustrafen, fördert aber auch nicht mein persönliches Restvertrauen in die Justiz. Selbst wenn es immerhin 16 Jahre dauerte, bis es nun auch mal mich getroffen hat.

Die Mühlen der Justiz

Aus einer Mail an einen Mandanten:

Der Staatsanwaltschaft liegt unsere Verteidigungsschrift nun seit elf Monaten vor. Bislang hat sich dort niemand mehr um die Angelegenheit gekümmert. Da dies möglicherweise auch dauerhaft so bleibt, möchten wir unsere bisherige Tätigkeit abrechnen. Unsere Kostenberechnung finden Sie in der Anlage.

Heute kam nun doch Post von der Staatsanwaltschaft. Die Einstellung mangels Tatverdachts, so wie sie von Anfang an zu erwarten war. Seit unserem Schreiben an den Mandanten sind weitere 19 Monate vergangen. 

Die Eisbein-Demo

Atomkraft ist gefährlich, Pistolen sind gefährlich, Schlagstöcke auch. Doch die echten Risiken lauern häufig im Verborgenen. Bodo Pfalzgraf, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Berlin, hat so eine Bedrohung ausgemacht. Offiziell wird uns die Gefahr als demokratischer Fortschritt in Form des neuen Namensschildes für Polizeibeamte verkauft, doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine tückische Waffe.

Aber lassen wir uns das von Bodo Pfalzgraf selbst erklären. Es lohnt sich übrigens, bis zum Ende durchzuhalten. Dann tritt noch ein Eisbein auf. 

Steuer-CDs: Credit Suisse füllt das Steuersäckel

Der Handel der Strafverfolger mit mutmaßlichen Steuersündern im Geldgewerbe scheint perfekt zu sein: Eineinhalb Jahre nach Beginn ihrer Ermittlungen will die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nun die Verfahren gegen die Schweizer Credit Suisse und deren Verantwortliche einstellen.

Die Schweizer Bank soll 150 Millionen Euro Unternehmensbuße inklusive erzielter Vermögensvorteile an die Gerichtskasse zahlen, ein verantwortlicher Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung mit einer Geldbuße von 250.000 Euro davonkommen.

Entsprechende Anträge liegen dem Landgericht Düsseldorf zur Zustimmung vor, ließ Oberstaatsanwalt Ralf Möllmann gestern wissen. Mit der Bank sei schon Einvernehmen erzielt worden.

Seit April 2010 hatte die Staatsanwaltschaft aufgrund einer vom Land Nordrhein-Westfalen gekauften CD mit Kundendaten ermittelt, der Informant hatte dafür 2,5 Millionen Euro bekommen.

Nach einer Großrazzia im Juli 2010 in 13 deutschen Filialen der Credit Suisse war noch gegen neun Mitarbeiter wegen Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt worden. Weitere Einzelheiten wollte Möllmann gestern nicht mitteilen; er beruft sich auf das Steuergeheimnis. (pbd)

Gerichtspräsident kontra “Internet-Blogs”

Von Meinungsfreiheit scheint der Präsident des Kölner Landgerichts Köln nicht viel zu halten – zumindest wenn sich die Meinung gegen einen seiner Richter wendet. Der Chefjurist schwärzte jetzt Rechtsanwältin Heidrun Jakobs bei der Anwaltskammer an. Das Vergehen der Anwältin: Sie hatte in ihrem Blog über eine Verhandlung am Landgericht Köln berichtet, in der es drunter und drüber ging. Die Kollegin spricht von einer absolutistischen Verhandlungsführung des Kölner Richters.

Der betreffende Kammervorsitzende fühlte sich so auf den Schlips getreten, dass er sich auf dem Dienstweg an seinen Präsidenten wandte. Der hatte dann nichts besseres zu tun, als eine reichlich bemühte Eingabe bei der zuständigen Anwaltskammer zu machen. Darin heißt es:

Im Zusammenhang mit dem Zivilverfahren 26 O 365/10 hat mir der Vorsitzende der Kammer, Herr Vorsitzender Richter am Landgericht K. anliegenden Internet-Blog von Rechtsanwältin Jakobs zur Kenntnis gebracht. Ich stelle – durchaus in Kenntnis der restriktiven Linie des BverfG (NJW-RR 2010, 204) – eine berufsrechtliche Prüfung im Hinblick auf § 43a Abs. 3 BRAO bzw. die wenig klaren Grenzen anwaltlicher Internetauftritte im Hinblick auf § 43 b BRAO anheim. Ich darf höflich bitten, mich zu gegebener Zeit zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Der Herr Präsident möchte also einen Fall eindeutig zulässiger Meinungsäußerung (und gleichzeitig Interessenvertretung der Mandanten) zum Anlass nehmen, anwaltliche Internetauftritte und “Internet-Blogs” ingesamt berufsrechtlich überprüfen zu lassen.

Die Eingabe ist schon deshalb eine Farce, weil der Gerichtspräsident ja selbst auf eines der maßgeblichen Urteile des Bundesverfassungsgerichts hinweist, die Online-Aktivitäten und damit auch Bloggen gerade für zulässig halten und auch keinen Grund sehen, Anwälten nur eine Meinungsfreiheit zweiter Klasse zuzugestehen.

Wie wenig der Gerichtspräsident an sein eigenes Schreiben glaubt, ergibt sich aus einem weiteren Umstand. Er nennt kein einziges Argument, warum der Beitrag der bloggenden Anwältin die Grenzen des Sachlichkeitsgebots überschritten haben sollte. Er hätte ja zumindest mal sagen können, woran er bzw. sein subalterner Kammervorsitzender sich konkret stoßen. 

Das Schreiben ist ein billiger Einschüchterungsversuch und ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Schade, dass ein Gerichtspräsident sich zu so etwas herablässt.

Keine Gnade für Falschparker

Parkt ein Autofahrer auf einem von mehreren öffentlichen Behindertenparkplätzen, kann er auch dann abgeschleppt werden, wenn die anderen Behindertenparkplätze frei sind. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt entschieden.

Ein Rechtsanwalt parkte am Vormittag des 26. Juli 2010 seinen Pkw vor dem Gebäude des Amtsgerichts Ludwigshafen auf einem der beiden Behindertenparkplätze. Eine Politesse vermisste den Schwerbehindertenausweis. Nachdem sie im Gerichtsgebäude nach dem Fahrer des Wagens geschaut hatte, rief sie den Abschleppdienst.

Der Rechtsanwalt wollte die 145,75 Euro Abschleppkosten nicht zahlen. Er hielt die Maßnahme für unverhältnismäßig. Die Politesse hätte ihn im Gerichtsgebäude ohne Weiteres auffinden können, wenn sie richtig gesucht hätte. Im Übrigen sei der zweite Schwerbehindertenparkplatz nicht belegt gewesen.

Von dieser Argumentation ließ sich das Verwaltungsgericht nicht überzeugen. Nach  Auffassung der Richter darf ein unrechtmäßig auf einem Behindertenparkplatz gestelltes Auto sofort abgeschleppt werden. Dem Schutz der Behindertenparkplätze komme mit Rücksicht auf die Hilfsbedürftigkeit der Betroffenen großes Gewicht zu. Diesem Personenkreis müsse der ihm vorbehaltene Parkraum unbedingt und ungeschmälert zur Verfügung stehen, weil zumutbare Ausweichmöglichkeiten selten bestünden.

Diesem Belang werde allein durch ein zügiges und konsequentes Abschleppen von Falschparkern effektiv Rechnung getragen.

Es habe auch völlig gereicht, dass die Politesse im Gericht selbst nach dem Fahrer geschaut habe. Weitere Nachforschungen seien auf keinen Fall erforderlich gewesen.

Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 13. September 2011, Aktenzeichen 5 K 369/11.NW

Die Smartcard der Anderen

Sky nervt. Weniger das Programm, eher das “Forderungsmanagement”. Schon zum wiederholten Mal verlangt Sky von mir eine Smartcard zurück, und zwar jene mit der Seriennummer 12405538227. Jetzt sattelt Sky sogar noch drauf und schreibt mir:

Sollten wir die Geräte nicht binnen 14 Tagen zurückerhalten, sehen wir uns leider dazu gezwungen, Schadensersatz in Höhe von 35,00 Euro geltend zu machen.

Dieses Schreiben ist schon deshalb unverschämt, weil ich nach dem letzten Brief bei Sky angerufen habe. Ich zahlte 14 Cent pro Minute dafür, einem Callcenter-Agent zu erklären, dass ich an Sky keine Smartcard zurücksenden kann, weil ich nie eine Smartcard von Sky erhalten habe.

Ich bin nämlich schon etliche Jahre Kunde beim Kabelanbieter Unitymedia. Das Sky-Abo habe ich später zugebucht. Was bei Unitymedia so läuft, dass die im Betrieb befindliche Smartcard von Unitymedia einfach zusätzlich für Sky freigeschaltet wird. Degemäß habe ich nie Hardware von Sky bekommen, also weder Receiver noch Smartcard.

Ich hatte bei dem Telefonat das Gefühl, der Mitarbeiter, versteht, was ich meine. Zumindest als ich ihn darauf hinwies, dass die Smartcard mit der Seriennummer 12405538227 vor mir liegt, eindeutig von Unitymedia stammt und demgemäß allenfalls an Unitymedia zurückgeschickt werden muss.

Ich weiß nicht, was Sky mit den Telefongebühren macht, die ich für diese Aufklärung verbraten habe. Mit den dabei geflossenen Informationen scheint das Unternehmen jedenfalls herzlich wenig anzufangen. Anders kann ich mir die neuerliche Mahnung mit Androhung von Schadensersatz nicht erklären.

Überdies stellt sich doch die Frage, wieso Sky überhaupt eine Smartcard zurückhaben will, die eindeutig von einer anderen Firma ausgegeben wurde. Mit der ellenlangen Seriennummer sollte es doch wohl möglich sein zu prüfen, ob die Karte überhaupt zum eigenen Bestand gehört. Ganz abgesehen davon natürlich, dass schon in den Vertragsunterlagen steht, dass ich als Kunde auf Hardware verzichte.

Ich habe Sky heute die Geschichte aufgeschrieben. Nun hoffe ich auf Einsicht und darauf, künftig mit solchem Kinderkram verschont zu werden. Vielleicht trägt ja auch die beigefügte Anwaltsrechnung zur Entscheidungsfindung bei. 46,41 Euro sind sicher nicht die Welt, aber die möchte ich jetzt doch gerne haben.

Das große Lawblog-Bilder-Rätsel

Wer an diesem Wochenende beim Lotto leer ausgegangen ist, der kann jetzt noch beim großen Lawblog-Bilder-Rätsel sein Glück versuchen. Wer tippt richtig, was auf dem gleich folgenden Bild zu sehen ist?
Es gibt drei Möglichkeiten:

a) Das Manuskript von Udo Vetters ersten Roman
b) Die Beschwerdebriefe der Lawblog-Leser zur Urlaubsvertretung
c) Die Auskunft der Hamburger Arbeitsagentur auf die Anfrage eines Kunden zu gespeicherten Daten nach § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes.

Was gibt es zu gewinnen?

3. Preis: Ein Abendessen mit Udo Vetter
2. Preis: Ein Abendessen mit der Urlaubsvertretung
1. Preis: Ein Abendessen mit Udo Vetter und der Urlaubsvertretung

Bei gleicher Qualifikation werden weibliche Bewerber bevorzugt berücksichtigt.

Vielen Dank an Frank N. aus Hamburg für das Foto.
Die Urlaubsvertretung verabschiedet sich in den Urlaub, ab 19.9. macht hier Udo Vetter weiter.

Was beim Notar so rumhängt

Im Journalismus beobachte ich zunehmend ein Stille-Post-Syndrom. Da immer schneller und immer billiger produziert wird, schreibt einer vom anderen ab, auf die Quelle schaut kaum noch einer. Sollte irgendjemand in der Kette einen Fehler gemacht haben, wird daraus irgendwann eine fast unkorrigierbare Legende.

Ein schönes Beispiel dafür ist die zu Ausbildungsbeginn im September immer wieder gerne geschriebene Behauptung, Auszubildende hätten gar keinen Schutz bei der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente, weil man dafür erst mal fünf Jahre Wartezeit hinter sich bringen muss. Das ist Unfug, wird aber nicht nur von Journalisten, sondern auch von den Werbetextern der Versicherungswirtschaft jedes Jahr erneut verbreitet.

Ein anderes Beispiel aus dieser Woche: Einem Praktikanten hatte ich einen Text als Themenidee geschickt: Worauf man beim Grundstückskauf achten muss. Gefunden hatte ich den Text in dem Immobilienportal eines honorigen Verlages. Er basierte auf einer Pressemitteilung des „Bauherrenschutzbundes“. In dem Artikel hieß es unter anderem:

Bevor der Vertrag für den Grundstückskauf beim Beurkundungstermin vom Notar unterzeichnet wird, muss er mindestens zwei Wochen lang ausgehängt werden. Das schreibt das Beurkundungsgesetz vor.

Der Praktikant hat das moderne Medienwesen schon adapiert und machte, ohne einen Blick ins Beurkundungsgesetz zu werfen, daraus:

Das Beurkundungsgesetz besagt, dass der Grundstückskaufvertrag vor der Unterzeichnung beim Notar vierzehn Tage lang auszuhängen ist.

Beinahe hätte ich den Praktikanten-Text mit dieser Passage so durchgewunken. Aber dann fragte ich mich: Wo ist eigentlich der Schaukasten beim Notar? Muss der Käufer wirklich daran vorbeilaufen, um den Vertragsentwurf zu sehen?

Ein Blick ins Gesetz hilft meistens weiter. Paragraph 17, Absatz 2 a des Beurkundungsgesetzes regelt, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhalten soll, „sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen“. Das geschieht „im Regelfall dadurch, dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird“.

Von Aushängen ist da nicht die Rede – es dürfte auch eine schlichte Mail reichen.
Aber wie ist denn das mit dem Aushang entstanden? Ein Blick in die Original-Pressemitteilung:

Entsprechend dem Beurkundungsgesetz muss der Entwurf des notariellen Kaufvertrages mindestens zwei Wochen vor dem Beurkundungstermin ausgehändigt werden.

Aushändigen und Aushängen – klingt ja auch wirklich ähnlich.

Schiedsverfahren nehmen ab: „Das Gesetz muss geändert werden“

Der Staat steht sich im Weg. Einerseits dürfen auch kleinere Straftaten ohne Einschaltung der Strafverfolgungshörden von Schiedsleuten beigelegt werden. Schlichten statt Richten heisst das Motto. Doch wegen einer Gesetzeshürde, die seit einigen Jahren verschärft beachtet wird, kommt nur noch knapp ein Drittel dieser Privaklageverfahren bei den aussöhnenden Schiedsleuten an. Dagegen steigt die Zahl solcher Verfahren bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Die dann, viel zu spät, wieder auf die Schiedsmänner und – Frauen verweist. Bis dahin, so kritisiert es Klaus Anschütz, der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Schiedsleute, „ist der Staat für nichts und wieder nichts beschäftigt worden“. Die 132 Jahre alte Idee also, Streit unter Bürgern ohne Staat und Gerichte durch ehrenamtliche Vermittler zu lösen, gerät zunehmend schräg. Dabei sind die Gesetzesvorschriften zunächst gut gemeint. Wer beispielsweise von einem anderen beleidigt worden oder Opfer einer Körperveletzung (durch etwa einen Faustschlag oder Fußtritt) ist, muss erst einen Sühneversuch mit seinem Gegner beim Schiedsmann probieren. Erst wenn der den Streit nicht beilegen kann, steht dem Verletzten der Gang zum Gericht offen, es kann eine Privatklage erhoben werden.

Weil das erstens wenig bekannt ist und zweitens die Menschen nach der Erkenntnis des Schiedsleutebundes lieber erst zur Polizei laufen, beginnt ein absurder Weg. Polizeibeamte, die früher sofort klar die Zuständigkeit der Schiedsleute erkannten und an die verwiesen, sie dürfen das seit einigen Jahren nicht mehr. Sie müssen eine Anzeige schriftlich aufnehmen und damit ein Strafverfahren einleiten. Weil das von öffentlichem Interesse sein könnte, geht die Anzeige an die Staatsanwaltschaft. Dort prüft sie in der Regel ein Amtsanwalt. Jemand also, der in Diensten der Justiz steht und nicht, wie Polizeibeamte, der vollstreckenden Gewalt angehören. Diese Amtsanwälte verneinen regelmäßig ein Interesse der Öffentlichkeit an diesen privaten Streitereien. Sie stellen die Verfahren ein – und verweisen den Verletzten wieder an den Schiedsmann. Allein bei den sechs Staatsanwaltschaften rund um Düsseldorf ist das im vorigen Jahr 13 517 mal passiert. Nach der amtlichen Einstellung, nach vielen Wochen oder Monaten aber zu einem Schiedsmann zu gehen, fällt den Verletzten kaum noch ein. „Die Beleidigung ist dann verraucht, die Körperverletzung vergessen“, weiss Schiedsmann Klaus Anschütz: „Das alles steht nicht mehr im richtigen Verhältnis zueiander! Dabei klagt doch die Justiz über Überlastung“. Die Zahl solcher strafrechtlichen Delikte bei den Schiedsleuten ist innerhalb von acht Jahren von einst 5 422 auf 1 515 gesunken. Eine Lösung des Dilemmas sei Sache der Parlamente: „Das Gesetz muss geändert werden“. Denn es sei so gut wie aussichtlos, die Einstellung der Bevölkerung zu ändern. „Wir haben kein Geld, dass Bewusstsein der Menschen auf unsere Arbeit zu lenken“. Dennoch sind die Schlichter nicht ohne Arbeit. Sie haben landesweit zuletzt 4 425 zivilrechtliche Zwistigkeiten gelöst. Dazu gehörte die, dass einer älteren Frau ein Komposthaufen zu nahe an ihrem Wohnzimmerfenster lag, von der im Haus lebenden Schwiegertochter geschaffen. Die zeigte schließlich, nach dem Gespräch beim Schiedsmann, doch noch Einsicht. (pbd)

Fakten
Zuletzt haben sich die Schiedsleute in NRW, auch Friedensrichter genannt, vor drei Jahren gezählt, es waren 1197, Tendenz sinkend. Alle zusammen haben sie im Jahr 2008 etwa 5940 Streitereien geschlichtet, davon 4 425 im zivilen Bereich. Dazu gehören vor allem Nachbarschaftszwistigkeiten. Die Privatklageverfahren im strafrechtlichen Bereich (beispielsweise Hausfriedensbruch, Bedrohung, Sachbeschädigung) lagen bei 1 515. Die Funktion der Schlichtung wurde 1827 von den Preussen erkannt und eingeführt. Zur Zeit üben das Ehrenamt meistens ältere Menschen mit Lebenserfahrung aus. Ihre Arbeit ist kostenlos. Es fällt lediglich eine (Verwaltungs-) Gebühr von rund 25-30 Euro an. Näheres: www.schiedsamt.de (pbd)

Rente mit 60: Piloten klagen erfolgreich dagegen

Piloten sind offenbar ziemlich abgehobene Menschen. Während Millionen Arbeitnehmer über die Rente mit 67 fluchen und über aktuelle Planspiele für eine Rente mit 69 entsetzt sind, klagten drei Piloten gegen ihre Rente mit 60.

Bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist der Fall von drei Lufthansa-Mitarbeitern gegangen, die sich gegen eine Tarifvertragsklausel wehrten, wonach mit 60 die Zeit im Cockpit für sie vorbei sein sollte. Altersdiskriminierung sei das – und der EugH hat ihnen Recht gegeben (Rechtssache C‑447/09).

Dass keine Greisen mehr am Himmel kreisen, sei schon in Ordnung. Aber die Grenze sei durch nationale und internationale Regelungen auf 65 festgelegt. Alles darunter müsse auf verbotenene Diskriminierung hin geprüft werden. Dem liegt eine EU-Richtlinie zu Grunde, die in Deutschland mit dem Allgemeinen Gleichheitsgesetzes (AGG) umgesetzt wurde.

Der EugH kam zu dem Schluss, dass die Tarifvertragsklausel keine Maßnahme ist, „die für die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Gesundheit notwendig ist“. Ungleichbehandlung wegen des Alters ist laut der EU-Richtlinie zwar ausnahmeweise möglich, wenn damit ein legitimes Ziel verfolgt wird. Flugsicherheit sei kein legitimes Ziel, von dem Grundsatz des Diskriminierungsverbotes abzuweichen, so der EuGH.