Bloß keine Vernehmung

Die Polizei übersendet meinem Mandanten einen Anhörungsbogen. Der Mandant erhält Gelegenheit, sich zu einem Vorwurf schriftlich zu äußern. Nichts ungewöhnliches, dafür gibt es ein Muster. Der zuständige Beamte scheint allerdings besonders darauf bedacht, seine Arbeitsbelastung zu minimieren. Er hat den Vordruck teilweise geschwärzt.

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Unter dem Balken steht:

Ich möchte bei der Polizei vernommen werden.

Sportstudio darf nicht in Intimsphäre schnüffeln

Verträge mit Sportstudios sind schnell geschlossen. Bei der Kündigung stellen sich die Betreiber gerne quer. Selbst bei ernsten Erkrankrungen von Mitgliedern wird gemauert, wie eine aktuelle Entscheidung des Amtsgerichts Drieburg zeigt. Ein Sportstudio wollte die Kündigung eines Mitgliedes schon deshalb nicht anerkennen, weil dieser keine “geeigneten Belege” für seine Krankheit präsentiert habe.

Bei dem Freizeitsportler war unerwartet Rheuma festgestellt worden. Sein Arzt riet ihm selbst von leichtestem Sport für mindestens ein Jahr ab. Dem Fitnessstudio reichte das Attest nicht aus. Über seinen Anwalt verlangte es nähere Informationen zur Krankheit. Nach den Bedingungen des Clubs sei jedes Mitglied verpflichtet, eine unplanmäßige Kündigung mit “geeigneten Belegen” zu untermauern.

Das Amtsgericht Drieburg befand schon die Klausel für unwirksam. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot. Letztlich maße sich der Studiobetreiber die Auslegung an, welche Unterlagen nun gemeint seien. Dies könne übermäßig in die Persönlichkeitsrechte des Mitglieds eingreifen. Schließlich habe jeder Betroffene ein berechtigtes Interesse, dass persönlichste Daten nicht an Dritte gelangen.

Überdies habe der verhinderte Sportler auch alles getan, was von ihm verlangt werden könne. Mehr als eine ärztliche Bescheinigung mit einer klaren Aussage könne ein Studiobetreiber unter keinen Umständen verlangen. Der Schutz der Intimsphäre wiege nämlich schwerer als das Umsatzinteresse des Studiobetreibers.

Das Studio hatte noch argumentiert, der Kunde könne jedenfalls die anderen Angebote nutzen. Etwa Sauna, Solarium oder Entspannungskurse. Dem folgte das Gericht nicht. Der Kunde eines Sportstudios müsse sich nur auf Nebenangebote verweisen lassen, wenn es ihm bei Vertragsschluss wesentlich darauf angekommen sei. Für das Gericht spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Kunde eines Sportstudios in erster Linie Sport machen will. Das Gegenteil konnte der Betreiber nicht beweisen.

Die außerordentliche Kündigung wurde demgemäß anerkannt.

Amtsgericht Drieburg, Urteil vom 9. Februar 2011, Aktenzeichen 211 C 44/09 (via)

Lotto-Kläger: “Wir haben Testkäufer geschickt”

Haben Hartz-IV-Empfänger Lottoverbot? Die Frage wird seit gestern abend heftig diskutiert, nachdem eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln bekannt wurde. Zu den Hintergründen habe ich mit Rechtsanwalt Andreas Okonek aus der Bonner Kanzlei Redeker gesprochen. Er vertritt die Klägerin, den Sportwettenanbieter Tipico mit Sitz in Malta. Hier das Interview:

Dürfen Hartz-IV-Empfänger jetzt wirklich nicht mehr Lotto spielen?

Wir haben unseren Verbotsantrag so gestellt, dass damit in erster Linie “Glücksspiele durch Sportwetten” für bestimmte Personen untersagt werden sollen. Zu diesem Kreis gehören Minderjährige und Überschuldete. Aber auch Menschen mit so niedrigem Einkommen, dass sie durch Glücksspiel überfordert werden. Diese Personengruppe umfasst auch Hartz-IV-Empfänger.

Also geht es derzeit “nur” um Sportwetten und Lotto ist außen vor?

Das kann man nicht so einfach sagen. Der Gerichtsbeschluss bezieht sich zunächst nur auf Glücksspiel durch Sportwetten. Allerdings kennt man im Wettbewerbsrecht den “kerngleichen Verstoß”. Ein gerichtliches Verbot kann demnach auch Geschäftspraktiken umfassen, bei denen die rechtlichen Rahmenbedingungen gleich sind. Bei Lotto reden wir zwar über Unterschiede in den Nuancen, aber dennoch sind die Sachverhalte mit den Sportwetten vergleichbar. Wir werden in Ruhe prüfen, ob und wie wir mögliche Verstöße auch beim Lotto verfolgen.

Wie ist es eigentlich zu dem Antrag gekommen?

Glücksspiel ist in Deutschland fest in staatlicher Hand. Das europäische Recht billigt so ein Monopol aber nur dann, wenn es zum Schutz der Bevölkerung nötig ist. Die staatlichen Glücksspielanbieter rechtfertigen ihre Sonderstellung mit den Gefahren der Spielsucht. Leider halten sie sich dann aber nicht an die selbst gewählten Maßstäbe.

Sie meinen also, Ihr Gegner Westlotto tut nicht genug für den Spielerschutz?

Das ist keine Meinung, sondern Fakt. Wir haben etliche Testkäufer in Lottoannahmestellen geschickt und den Ablauf protokolliert. Die Ergebnisse waren ernüchternd. In 40 % der Fälle wurden Minderjährigen Sportwetten verkauft. Überschuldete oder Hartz-IV-Empfänger konnten alle ihren Spielschein abgeben.

Schulden oder Hartz IV sieht man aber auch niemandem an?

Die Testkäufer haben sich vor dem Verkaufspersonal laut unterhalten. Etwa so:

“Wieso tippst du schon wieder für 50 Euro? Du hast doch Schulden bis über beide Ohren!” “Ach lass mal, etwas Spaß muss sein.” Oder: “Du kannst doch hier kein Glücksspiel machen, wenn du schon mit dem Geld vom Amt nicht klarkommst?” “Aber das ist doch der einzige Weg, wie ich von Hartz IV runterkommen kann.”

Die Verkäufer haben meist gelacht und noch viel Glück gewünscht. Die Sportwette abgelehnt hat keiner.

Aber warum sollte der Verkäufer das auch tun?

Weil das geltende Recht es so verlangt! Nach den Vorschriften muss der Glücksspielanbieter nicht nur Minderjährige, sondern auch finanziell schwache Personen vor einer Überforderung schützen. Diese Regeln haben wir uns nicht ausgedacht, sondern die Politik.

Wie konnten Sie das Gericht davon überzeugen, dass Hartz-IV-Empfänger sich nicht ab und zu doch mal einen Spielschein leisten dürfen?

Wir haben uns an der jüngsten Debatte um Hartz IV orientiert. Es wurde ja ausführlich diskutiert, ob in der Grundsicherung auch ein Betrag für Glücksspiel enthalten sein soll. Am Ende wurde das abgelehnt. Ausgaben für Glücksspiel sind also nicht vorgesehen und damit logischerweise eine finanzielle Überforderung.

Hartz-IV-Empfänger fühlen sich nun diskriminiert. Ist da nicht eine Entschuldigung angebracht?

Es geht meiner Mandantin nicht darum, ganze Gruppen der Bevölkerung zu stigmatisieren. Nicht die privaten Glücksspielanbieter haben sich die extrem strengen Vorschriften ausgedacht, sondern die deutschen Politiker in dem Bestreben, das Glücksspiel weiter rein staatlich zu betreiben. Wenn etwas diskriminierend wirkt, dann höchstens die momentan gültigen Vorschriften.

Diese Vorschriften werden aber nicht umgesetzt, wenn man Ihren Tests vertrauen darf.

Das ist doch genau der Punkt. Die Politik verhindert privaten Wettbewerb durch strengste Schutzvorschriften, aber die eigenen Monopolbetriebe halten sich dann nur mangelhaft daran. Man kann es privaten Glücksspielanbietern, die rigoros vom Markt gedrängt werden, wohl kaum verübeln, dass sie die Verantwortlichen beim Wort nehmen.

Man kann nicht Wasser predigen, aber gleichzeitig Wein trinken. Das gilt für jeden, sogar für den Staat.

NRW: Unmenschliche Haft bleibt Thema

151 Tage hat ein Gefanger unter menschenunwürdigen Bedingungen in zwei nordrhein-westfälischen Gefängnissen verbracht. Die Zellen für zwei Personen waren sowohl in Köln wie in Hagen gerade mal acht Qudratmeter groß; die Kloschüssel in einer Ecke war nur durch eine verstellbare Holzwand abgedeckt, einen Meter davon entfernt musste gegessen werden – dreiundzwanzig Stunden täglich hockte so der Gefangene in einem Gemisch von Fäkaliengeruch, Tabakrauch von wechselnden Mithäftlingen und deren Schweißdünsten.

Vier Jahre später endlich darf das Land NRW, so hat es jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden, auf Schadensersatz für diese Zustände verklagt werden – dem Gefangenen jedenfalls steht für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu (Aktenzeichen 1 BvR 409/09).

Der Bielefelder Rechtsanwalt Dirk Thenhausen hat das Urteil erstritten. Zuvor hatte das Landgericht Köln seinen Mandanten abblitzen lassen. Dem Gefangenen stehe Prozesskostenhilfe nicht zu, weil eine Entschädigung für die erlittenen Bedingungen erst gar nicht infrage komme. Dem hatte sich das Oberlandesgericht Köln angeschlossen.

Beide Beschlüsse kassierten nun die obersten Richter in Karlsruhe. Die Kölner Gerichte hätten sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und „im Vorfeld“ eines Schadensersatzprozesse dessen Ergebnis vorweggenommen. Das verstoße gegen das Prinzipg der „Rechtsschutzgleichheit“.

Das Verfahren muss nun vor dem Landgericht Köln verhandelt werden und notfalls alle weiteren Instanzen – über das Oberlandesgericht Köln bis hin zum Bundesgerichtshof – durchlaufen.

Nicht nur damit wird das Land in Sachen menschenwürdige Haftbedingungen beschäftigt sein. Momentan sind bei den Landgerichten noch 99 Klagen anhängig, bei den Oberlandesgerichten 104 Verfahren. Dazu kommen noch Prozesskostenhilfeverfahren. 82 solcher Klagen stehen noch bei den Landgerichten und 12 bei den Oberlandesgerichten aus.

Bei den Landgerichten sind bislang 88 Klagen rechtskräftig abgewiesen worden, bei den Oberlandesgerichten 16. Das Land NRW ist bei den Landgerichten in 23 Fällen rechtskräftig verurteilt worden und bei den Oberlandesgerichten in 17 Fällen. Außerdem haben sich die Parteien in 450 ähnlicher Fälle geeinigt und Vergleiche geschlossen.

Diese offiziellen Zahlen kann allerdings Rechtsanwalt Dirk Thenhausen nicht nachvollziehen: „Ich alleine habe noch wenigstens 300 unerledigte Fälle“. (pbd)

Keine Lottoscheine für Hartz-IV-Empfänger

Es klingt nach einem vorgezogenen Aprilscherz, scheint aber wahr zu sein: Hartz-IV-Empfänger dürfen momentan kein Lotto spielen. Das Landgericht Köln hat es “Westlotto” untersagt, Spielscheine oder Rubbellose an Empfänger von Sozialleistungen abzugeben. Ein Gerichtssprecher soll die einstweilige Verfügung gegenüber der Westdeutschen Zeitung bestätigt haben.

Geklagt hat ein Glücksspielanbieter aus Malta. Seine juristische Stütze findet der Vorstoß offenbar im ewigen Streit um das Glücksspielmonopol und die von den Gerichten geforderte Spielsuchtprävention. Gerade die öffentlichen Lottoveranstalter rechtfertigen ihre Quasi-Monopol mit den hohen Suchtgefahren des Glücksspiels. In diesem Rahmen ist es den Klägern wohl gelungen, das Landgericht Köln davon zu überzeugen, dass nur Lotto spielen darf, wer über Sozialhilfeniveau verdient. Die Richter untersagten Westlotto nämlich, Spiel- oder Wettscheine oder Rubbellose an Personen zu verkaufen, die “Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen, insbesondere Hartz-IV-Empfänger sind”. So zitiert die Westdeutsche Zeitung aus dem Gerichtsbeschluss.

Bei Westlotto sei man über die Entscheidung schockiert, meldet die Zeitung. Ein Firmensprecher wird mit den Worten zitiert, man wolle die Entscheidung selbstverständlich respektieren, aber alle Rechtsmittel ausschöpfen.

Wie die Lottoveranstalter die Vorgaben praktisch umsetzen wollen, wird (noch) nicht erklärt. Immerhin wird ja kein Hartz-IV-Empfänger freiwillig seinen Bewilligungsbescheid vorlegen – um dann kein Los verkauft zu erhalten. An sich ist nur der umgekehrte Weg denkbar: Potenzielle Lottospieler müssen durch Vorlage geeigneter Belege nachweisen, dass sie über ein Einkommen verfügen, bei dem die Kosten für einen Spielschein noch “im Verhältnis” stehen.

Fragt sich nur, wie viel Prozent der Lottospieler zu einem Finanzstriptease bereit sind. Aber auch Hartz-IV-Empfänger werden sich die Teilnahme überlegen. Sie müssen ja damit rechnen, dass ihnen ein möglicher Gewinn wegen Verstoßes gegen das Glücksspielrecht gar nicht ausgezahlt wird.

Auf Seiten der Betroffenen regt sich bereits Widerstand. Das Erwerbslosen Forum Deutschland rügt offene Diskriminierung und spricht von Kastendenken. Eine ganze Bevölkerungsgruppe werde instrumentalisiert, um den Streit über privates und öffentliches Glücksspiel in Deutschland auszutragen. Die Hartz-IV-Lobby ruft Betroffene auf, sich in einem Forum als Lottospieler zu outen und so gegen die “absurde und skurrile Entscheidung” zu protestieren.

Nachtrag: Nach einem Bericht der Welt bezieht sich die einstweilige Verfügung auf Sportwetten (Oddset). Nachtrag zum Nachtrag: Die einstweilige Verfügung soll sich doch auf öffentliches Glücksspiel insgesamt beziehen. Dazu gehört auch Lotto (dpa-Bericht).

Müssen Blogger Nutzerdaten preisgeben?

Blogger und Forenbetreiber haften nicht unmittelbar für Kommentare, die Dritte auf ihren Seiten abgeben. Es reicht normalerweise, wenn sie auf begründete Beanstandungen reagieren und die Inhalte zügig entfernen.

Der Streit ist damit aber oft noch nicht vorbei. Denn “Geschädigte” wollen dann häufig persönliche Daten, die der Autor des Kommentars hinterlassen hat. Auch die möglicherweise gespeicherte IP-Adresse wird herausverlangt. Dabei wird auch gern mit Klagen gedroht und die Kostenkeule geschwungen.

Wie groß die Erfolgsaussichten in einem solchen Fall sind, musste jetzt das Amtsgericht München entscheiden. Autohändler hatten in einem Forum missliebige Kommentare entdeckt. Der Forenbetreiber löschte die Äußerungen. Er weigerte sich aber unter Berufung auf den Datenschutz, Kontaktdaten herauszugeben.

Damit verhielt er sich korrekt, befand das Amtsgericht München. Aus dem Telemediengesetz ergebe sich nämlich eindeutig, dass Internetanbieter nur Behörden auskunftspflichtig sein können, und das auch nur “auf Anordnung” und “im Einzelfall”. Private hätten dagegen keinen Auskunftsanspruch. Weder das Telemediengesetz noch eine andere Rechtsvorschrift gäben ihnen dieses Recht. Der Gesetzgeber habe dies auch bewusst so geregelt, so dass sich die Kläger nicht auf Treu und Glauben, den juristischen Notnagel wenn sonst nichts mehr geht, berufen können.

Den Autohändlern stellte das Gericht frei, eine Strafanzeige zu erstatten. Möglicherweise nehme sich die Staatsanwaltschaft der Sache an, so dass sie auf diesem Weg an die Daten kommen.

Amtsgericht München, UIrteil vom 3.2.11, Aktenzeichen 161 C 24062/10

Datentarife: Kunde hat Anspruch auf Beratung

Knapp 1.000 Euro sollte ein Smartphone-Nutzer für Datenverkehr bezahlen. Doch mit dieser Forderung blitzte sein Provider jetzt am Landgericht Münster ab. Grund: Die Telefonfirma hat Beratungs- und Warnpflichten aus dem Mobilfunkvertrag verletzt.

Für sein erstes Smartphone ließ sich der Kunde einen Volumentarif aufschwatzen. Motto: Schauen sie erst mal, wie viele Daten sie verbrauchen, dann lässt sich immer noch ein Datenpaket oder eine Flatrate dazu buchen. Teil des mitgelieferten Smartphones war aber auch eine Navigationssoftware, die schon mal eigenständig Updates lud.

Im Volumentarif kostete eine Datenverbindung mit bescheidenen 31,15 MB bereits 637,94 €. Die monatliche Flatrate schlug dagegen nur mit 25,00 Euro zu Buche. Angesichts des krassen Missverhältnisses sah das Langericht Münster die Verantwortung eindeutig beim Telefonanbieter. Der Berater im Telefonshop habe den Kunden nicht hinreichend über die offensichtlichen Risiken aufgeklärt:

Hätte der Mitarbeiter diesen Hinweis ausgesprochen, hätte der Beklagte einen Tarif mit unbegrenztem Datenvolumen vereinbart, die Funktionen seines Handys besonders vorsichtig kontrolliert oder sogar ganz von dem Vertragsschluss Abstand genommen.

Überdies kommt für das Landgericht Münster eine Warnpflicht in Betracht, wenn der Kunde bereits telefoniert. Bei einem eklatanten Missverhältnis zwischen Tarif und Nutzungsverhalten sei für die Telefonfirma erkennbar, dass sich der Kunde “unbewusst selbst schädigt”. In diesen Fällen spreche viel dafür, dass der Kunde gewarnt werden muss, zum Beispiel mit einer SMS.

Weil sich der Anbieter vertragswidrig verhalten hat, sprach ihm das Landgericht Münster nicht nur die Datengebühren ab. Die Richter verneinten auch einen Anspruch auf die Grundgebühren für den (gesperrten) Anschluss bis zum Ablauf des Vertrages. Diese Kosten betrugen ebenfalls rund 1.000 Euro.

Auch wenn Flatrates auf dem Vormarsch sind, ist die Abzocke vieler Anbieter noch längst nicht zu Ende. Das Urteil wird Betroffenen sicherlich helfen, wenn sie sich gegen überraschend hohe Forderungen wehren.

Nach wie vor spricht auch viel dafür, dass etliche Volumentarife schlicht sittenwidrig sind. Mitunter kostet ein MB das tausendfache wie im Rahmen einer durchschnittlich genutzten Flatrate. Bislang haben alle Mobilfunkanbieter, mit denen wir für unsere Mandanten die Wucherdiskussion führen wollten, den Gang zum Gericht gescheut und die Forderung niedergeschlagen.

 Landgericht Münster, Urteil vom 18. Januar 2011 / (via)

Nicht schmerzbefreit

Entgegen anderslautenden Gerüchten scheinen Sachbearbeiter bei der GEZ nicht völlig schmerzbefreit zu sein. Jedenfalls hat das Amtsgericht Düsseldorf nun festgestellt, dass folgende Formulierung in einem Schreiben an die GEZ beleidigend ist:

Ich ficke Deine Mutter, Du kleiner schwuler Sachbearbeiter.

Der Rundfunkkunde wider Willen muss nun eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zahlen. Ich konnte daran leider auch nichts ändern.

Auch alte Sparbücher beweisen Forderung

Eine Bank kann sich bei “vergessenen” Sparbüchern nicht einfach unwissend stellen. Insbesondere kann sie nicht einwenden, keine Kontounterlagen mehr zu haben. Mit dieser Begründung verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt nun eine Bank, Guthaben und Zinsen für ein Sparkonto auszuzahlen, auf dem es seit über 50 Jahren keine Bewegung mehr gegeben hat.

Im entschiedenen Fall ging es nicht bloß um ein vergessenes Konfirmationsguthaben. Vielmehr wies das Sparbuch als letztes Guthaben 106.000 DM aus. Der Sohn und Erbe eines Verstorbenen fand das Sparbuch im Nachlass und legte es der Bank zur Abrechnung vor. Das Geldhaus bestritt jedoch die Echtheit des Sparbuchs und berief sich darauf, nach so langer Zeit seien keine Unterlagen mehr vorhanden.

Die Richter ließen einen Sachverständigen prüfen, ob das Sparbuch echt ist. Der Experte fand keine Anhaltspunkte für eine Fälschung. Somit sei das Sparbuch eine taugliche Beweisurkunde, befand das Oberlandesgericht Frankfurt. Es sei dann Aufgabe der Bank, diesen Beweis zu erschüttern. Wenn die Bank Unterlagen über offene Guthaben nicht aufbewahre, sei das ihr Problem.

Die Bank muss jetzt die 106.000 DM ordnungsgemäß verzinsen und in Euro auszahlen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.2.2011, Aktenzeichen 19 U 180/10

Führerscheinverzicht löscht Punkte nicht

Wird einem Verkehrssünder die Fahrerlaubnis entzogen, hat das wenigstens einen positiven Effekt. Sein Punktekonto in Flensburg wird auf null gestellt. Hierauf hoffte auch ein Autofahrer, der seinen Führerschein freiwillig abgegeben hatte. Zu Unrecht, urteilte jetzt das Bundesverwaltungsgericht. Nach Auffassung der Richter bleibt das Punktekonto unverändert, wenn der Betroffene auf seine Fahrerlaubnis verzichtet.

Geklagt hatte ein Autofahrer, der dem Entzug seiner Fahrerlaubnis zuvorgekommen war. Er sollte wegen zu vieler Punkte zur MPU, konnte sich den “Idiotentest” aber nach eigenen Angaben nicht leisten. Er verzichtete auf die Fahrerlaubnis, machte aber nach Monaten erneut den Führerschein. Nachdem er wegen neuer Verkehrsverstöße 16 Punkte (Kontostand einschließlich alter Führerschein) erreicht hatte, meldete sich die Führerscheinbehörde bei ihm und verlangte ein Aufbauseminar.

Dies lehnte der Kläger mit der Begründung ab, sämtliche Punkte, die er noch auf der alten Fahrerlaubnis gesammelt hatte, müssten gelöscht werden. Dies sei für den Entzug der Fahrerlaubnis vorgesehen. Für den freiwilligen Verzicht könne nichts anderes gelten.

Entgegen den Vorinstanzen verneint das Bundesverwaltungsgericht die automatische Löschung. Die Richter beziehen sich auf die Gesetzesbegründung. Danach ist die Frage diskutiert worden, aber für den Fall des Verzichts ausdrücklich von einer Punktelöschung abgesehen worden. Somit könne die Regelung für den Entzug der Fahrerlaubnis nicht entsprechend angewendet werden.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. März 2011, Aktenzeichen 3 C 1.10

Pakete: Nachbarn sind keine Ersatzempfänger

Paketboten sind findig, wenn der Empfänger nicht anzutreffen ist. Sie geben die Sendung dann gern auch mal bei Nachbarn ab. Ein Postdienstleister erlaubte sich diese unkonventionelle Zustellungsmethode sogar selbst, indem er per Kleingedrucktem den Nachbarn zum tauglichen “Ersatzempfänger” bestimmte. Das Oberlandesgericht Köln hat die Klausel nun für unwirksam erklärt.

Damit stellen sich die Richter ausdrücklich gegen die Vorinstanz. Das Landgericht Köln hatte es noch für sozialüblich gehalten, dass Nachbarn füreinander Pakete annehmen und es dem Empfänger auch zugemutet werden kann, bei Nachbarn zu klingeln.

Ob das alles noch mit den heutigen Gepflogenheiten und dem Datenschutz vereinbar ist, brauchte das Oberlandesgericht Köln gar nicht zu entscheiden. Die Richter beanstanden nämlich, dass der Empfänger nach dem Wortlaut der Klausel noch nicht einmal darüber informiert werden muss, dass seine Sendung bei einem Nachbarn abgegeben wurde.

Dass sich der Paketdienst noch nicht einmal zu einer Nachricht verpflichte, benachteilige den Empfänger über Gebühr. Schon aus diesem Grund sei die Klausel komplett unwirksam.

Gut möglich also, dass sich die Gerichte demnächst wieder damit beschäftigen müssen, wie bequem es sich Paketdienste machen müssen. Dann nämlich, wenn der betreffende Paketdienst in seine Klausel reingeschrieben hat, dass der Zusteller einen Zettel in den Briefkasten des Empfängers zu werfen hat.

OLG Köln, Urteil vom 2. März 2011, Aktenzeichen 6 U 165/10

Abschreiben ist auch ein Fall für den Staatsanwalt

Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch immer nicht dasselbe, weiß der Volksmund. Wenn der Volksmund recht hat, geziemt dem Knecht offenbar noch lange nicht, was dem Herrn gefällt. Und in diesem Vergleich wäre (der erst gestern einsichtige) Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg der Herr gewesen – Andreas K., ehemaliger Spitzenpolitiker der CDU in Lippe der Knecht.

K. war, ebenso wie der Bundesminister, ein Student der Rechtswissenschaften. Er reichte vor sieben Jahren der Universität Göttingen eine Doktorarbeit ein, begann nahezu gleichzeitig seine politische Karriere im benachbarten Nordrhein-Westfalen und wurde im Sommer vor drei Jahren zum Vorsteher des Landesverbandes Lippe gewählt.

Dann stolperte Aufsteiger K. über seine Dissertation. Ein Rechtsanwalt hatte ihn bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angezeigt. Die Strafverfolger reagierten rigoros. Gleich 11 Passagen „aus verschiedenen Werken“ habe K. „bewusst und gewollt als eigene geistige Leistung“ in seiner vermeitnlich wissenschaftlichen Arbeit ausgegeben.

„Bei diesem Umfang“, sagte gestern der Göttinger Staatsanwalt Andreas Buick, habe man „sofort öffentliches Interesse“ bei den Ermittlungen unterstellt und auf ansonsten notwendige Strafanträge der düpierten Urheber verzichtet.

Das Ergebnis waren ein Strafbefehl sowie eine weitere Geldbuße, die K. akzeptierte. Dem „voll Geständigen“ hatten die Strafverfolger in Ostwestfalen nämlich noch geistigen Diebstahl aus anderen „literarischen Werken“ nachweisen können, wie es der Leitende Oberstaatsanwalt Günter Braun gestern formulierte.

Der Doktortitel wurde K. – wie ja auch Karl-Theodor zu Guttenberg – aberkannt. Allerdings hatte das für K. auch direkte berufliche Folgen. Dabei ging die Initiative vom Arbeitgeber aus. Vor knapp einem Jahr wurde er als Vorsteher der lippischen Landesverbandsversammlung einstimmig abgewählt.

Kurz danach berichtete eine knappe Pressemitteilung: „K. hat gegenüber dem Ministerium und dem Landesverband Lippe schriftlich erklärt, dass er darauf verzichtet, Rechtsmittel gegen die Abberufungsverfügung einzulegen. Damit ist der Weg für das Ausschreibungsverfahren für eine/n neue/n Landesverbandsvorsteher/in frei“. (pbd)