Anwalt: Schweigepflicht geht vor Datenschutz

Das Kammergericht in Berlin hat eine wichtige Entscheidung zum Datenschutz für Rechtsanwälte getroffen:

„Aus der Kontrollpflicht der Datenschutzbehörde ergibt sich keine gesetzliche Befugnis (oder gar Verpflichtung) des Rechtsanwalts zur Weitergabe mandatsbezogener Informationen an den Datenschutzbeauftragten.“

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hatte gegen einen Anwalt ein Bußgeld von 3.000 Euro verhängt. Der Jurist hatte in einem Strafverfahren zwei Briefe zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, die ein Zeuge, der mit dem Angeklagten in einem Nachbarschaftsstreit lag, an seine Hausverwaltung geschrieben hatte. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Berliner Beauftragten für Datenschutz verweigerte der Rechtsanwalt unter Berufung auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht die Auskunft, wie er in den Besitz der Briefe gekommen war.

Nach Auffassung des Kammergerichts geht die anwaltliche Schweigepflicht eventuellen Datenschutzgesetzen vor. Der Anwalt kann deshalb nicht aufgrund anderer Normen gezwungen werden, Informationen preiszugeben, die an sich seiner Schweigepflicht unterliegen.

Mitteilung der Rechtsanwaltskammer Berlin

Beweismittel wider Willen

Nicht nur die räumliche und möglicherweise persönliche Nähe des Vorsitzenden Richters im Fall Kachelmann zum Vater des mutmaßlichen Opfers sollen zu einem Befangenheitsantrag geführt haben. Die Anwälte Kachelmanns wehren sich wohl auch gegen das Vorhaben des Richters, Kachelmann während der Hauptverhandlung von einem Arzt „beobachten“ zu lassen (Bericht).

Grundsätzlich ist das Gericht berechtigt, einen Angeklagten untersuchen zu lassen. Normalerweise erstreckt sich die Untersuchung aber auf die Frage nach der Schuld- und Verhandlungsfähigkeit. Bei Kachelmann soll der Sachverständige laut den Berichten etwas anderes bewerten – Kachelmanns Glaubhaftigkeit. Damit will sich das Gericht womöglich in der absehbaren Situation „Aussage gegen Aussage“ eine Bewertungsgrundlage verschaffen.

Das ist aus verschiedenen Gründen problematisch.

Kachelmann hat bereits erklärt, an einem Gutachten nicht mitzuwirken. Das ist sein gutes Recht. Er kann sich verweigern, wie jeder andere Angeklagte auch. Das Gericht kann Kachelmann nicht zwingen, mit dem Sachverständigen zu sprechen. Kachelmann muss auch keine Tests oder sonstige Untersuchungen über sich ergehen lassen.

Was also bleibt dem Sachverständigen? Er kann Kachelmann lediglich beobachten, so lange dieser – wie angekündigt – schweigt.

Ist so eine Beobachtung überhaupt sinnvoll?

Ich vermute mal, dass auch der beste Psychiater die Glaubhaftigkeit eines Menschen nicht bewerten kann, wenn er nur dessen Verhalten im Verhandlungssaal und vielleicht mal zufällig in der Gerichtskantine wahrnehmen kann. Bei Kachelmann könnte er sich natürlich auch noch unzählige Fernsehaufnahmen ansehen. Aber das würde den Prozess wahrscheinlich im Chaos versinken lassen, schon was die Gegenwehr von Kachelmanns Anwälten angeht.

Es ist also höchst zweifelhaft, ob dieser Gutachtenauftrag „Überwachung Kachelmann“ überhaupt ein geeignetes Mittel ist. Zumal Kachelmann ja schon Berufs wegen sein Verhalten in der Öffentlichkeit besser steuern kann als „normale“ Menschen. Was also soll da rauskommen, wenn der Sachverständige den Showprofi Kachelmann während der Verhandlung im Auge behält?

Dem absehbaren Nullnutzen solch eines Gutachtens gegenüber steht der Druck, der durch die Anwesenheit des Sachverständigen nun auf Kachelmann und seinen Anwälten lastet. Kachelmann weiß, dass jede seiner Gesten und jeder Blick möglicherweise ein Indiz sein kann, auf dessen Grundlage er mit wissenschaftlichem Anspruch als unglaubhaft bewertet wird. Das ist nicht nur eine unangenehme Situation, sondern beeinträchtigt auch das Lager des Angeklagten.

Selbst wenn man so ein Gutachten grundsätzlich noch für zulässig halten wollte, wo liegen die Grenzen in der konkreten Situation? Darf der Sachverständige zum Beispiel beobachten und bewerten, wie oft Kachelmann mit welchem seiner Anwälte flüstert? Darf er festhalten, von wem die Gesprächsinitiative ausgeht? Darf er eine beschwichtigende Handbewegung des Anwalts und ein sorgenvolles Gesicht Kachelmanns miteinander in Relation setzen – und daraus Schlüsse ziehen?

Gerade die letzten Fragen zeigen, was das für eine unerträgliche Situation für Kachelmann und seine Verteidiger sein muss. Sie sind nicht nur Partei in diesem Strafprozess, sondern auch Objekte eines wissenschaftlichen Gutachters mit „Spezialauftrag“. Wie man da im Rahmen des Möglichen „frei“ agieren können soll, ist mir ein Rätsel. Diese Freiheit ist allerdings Teil des fairen Verfahrens, auf das jeder Angeklagte einen Anspruch hat. Kachelmann und seine Anwälte werden dagegen zur Show genötigt. Das gibt dem Begriff Schauprozess eine ganz neue Bedeutung.

Das Ganze gewinnt einen Spin, wenn man folgendes bedenkt: Der Angeklagte unterliegt keiner Wahrheitspflicht. Er darf lügen. Durch die Positionierung eines Gutachters setzt das Gericht Kachelmann über das normale Maß hinaus unter Druck, von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen. Es zwingt Kachelmann quasi dazu, entweder nichts zu sagen – oder die Wahrheit. Letzteres, um nicht beim Sachverständigen „durchzufallen“. Dadurch untergräbt das Gericht den Spielraum deutlich, den ein Angeklagter nach der Strafprozessordnung nun mal hat.

Das geschieht auch dadurch, dass Kachelmann zum Beweismittel gegen sich selbst wird. Und zwar gezwungenermaßen. Egal, wie er sich verhält und was er sagt – sein Verhalten wird im Rahmen des Sachverständigengutachtens später zum Teil der Beweisaufnahme. Es gibt aber den ehernen Grundsatz, dass der Angeklagte nicht an seiner eigenen Überführung mitwirken muss. Aber gerade für den Fall, dass Kachelmann mal was sagen sollte, wäre möglicherweise genau das der Fall. Er würde – unabhängig vom Inhalt seiner Worte – Beweismittel gegen sich selbst schaffen. Diese würden nämlich möglicherweise die – als Beweis verwertbare – Erkenntnis des Sachverständigen stützen, dass Kachelmann nicht glaubhaft ist.

Hieran sieht man auch, worin der Unterschied zu den erwähnten „normalen“ Gutachten liegt. Bei der Frage nach der Verhandlungsfähigkeit geht es darum, ob der Angeklagte ein Gerichtsverfahren durchsteht. Auch das Gutachten über die Schuldfähigkeit ist von der möglichen Tat weitgehend losgelöst. Es erstreckt sich auf die Frage, ob der Angeklagte Unrecht einsehen konnte – sofern er die Tat überhaupt begangen hat. Die Frage nach der Glaubhaftigkeit des Angeklagten erstreckt sich aber auf die Tat. Der Sachverständige prüft gegen den Willen des Angeklagten, ob dieser unglaubhaft ist und somit als Täter in Frage kommt.

Ein möglicher Einwand ist natürlich, dass das Gericht das Beweisergebnis umfassend würdigen muss. Es ist in diesem Rahmen auch seine ureigenste Aufgabe, Aussagen als glaubhaft oder unglaubhaft einzustufen. Somit steht Kachelmann, wie jeder Angeklagte, natürlich auch immer unter Beobachtung des Gerichts. Die Richter sollen gerade aus der Hauptverhandlung einen Eindruck über die Glaubhaftigkeit von Zeugen und des Angeklagten gewinnen. Sie können auf diese Eindrücke aber auch ihre Entscheidung stützen.

Diese Meinungsbildung des Gerichts schöpft aber aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Ein Gutachten wäre dagegen Teil der Beweiserhebung. Es wäre klassisches Beweismittel und somit eine tatsächliche Grundlage, auf die das Gericht seine Auffassung – ergänzend – stützen kann (und insoweit auch weniger Verantwortung für das eigene Ergebnis übernehmen muss).

Kachelmann wird im Ergebnis zum Beweismittel gegen sich selbst instrumentalisiert. Ich halte das für unzulässig – und gefährlich.

Um Geld ist es nicht gegangen

Das Bundeskriminalamt und Politiker werden nicht müde, den angeblichen Millionen- oder gar Milliardenmarkt für Kinderpornografie zu beschwören. Angeblich wird mit dem gefilmten Missbrauch von Kindern unglaublich viel Geld verdient.

Im Beitrag „Die Legende von der Kinderpornoindustrie“ hatte ich schon einmal dargestellt, wie selten es in Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornografie Hinweise darauf gibt, dass jemand mit dem Material Geld verdient.

Heute begann in Darmstadt ein Prozess, in dem es gegen die mutmaßlichen Köpfe eines veritablen Kinderporno-Rings geht. Sie sollen Adminstratoren in einem Netzwerk gewesen sein, das über Jahre einschlägiges Material vertrieben hat. Das gesamte System soll konspirativ angelegt gewesen sein. Sogar vor Google habe man sich abgeschottet, erklärte der zuständige Staatsanwalt laut Spiegel online der staunenden Gerichtsöffentlichkeit. Die Server seien auch nur durch direkte Adresseingabe erreichbar gewesen.

Neue Mitglieder hätten sich als zuverlässig beweisen müssen, indem sie selbst Material besteuerten. Je mehr der jeweilige Nutzer selbst auf den Servern ablegte, desto freier habe er sich an dem vorhandenen Material bedienen können.

Trotz der offenbar ausgefeilten Organisation stehe aber eines fest:

Um Geld sei es allerdings nicht gegangen.

Welche Überraschung.

Im hiesigen Bezirk

Die Überweisung war gefälscht, aber die Bank hat es nicht gemerkt. Das Konto des Opfers war um 1.700 Euro geplündert. An sich sollten ja jetzt hektische Ermittlungen nach dem Täter einsetzen. Stattdessen beginnt ein fröhliches Ping Pong zwischen Behörden.

Am 9. September 2009 schreibt Staatsanwaltschaft 1 an Staatsanwaltschaft 2:

Der gefälschte Überweisungsträger kann in jeder Filiale Deutschlands eingereicht worden sein; der Ort der Täuschungshandlung des Gebrauchmachens gem. § 267 StGB ist daher unklar. Jedenfalls ist der Schaden bei der P-Bank AG selbst oder auf dem Konto des Anzeigenerstatters eingetreten.

… unter Hinweis auf den vorstehenden Vermerk mit der Bitte um Übernahme übersandt.

Am 30. September antwortet Staatsanwaltschaft 2:

… unter Ablehnung der Übernahme zurück übersandt. Der Tatort kann nicht bestimmt werden, so dass sich die Zuständigkeit nach dem Wohnort des Geschädigten richtet.

Darauf schreibt am 14. Oktober Staatsanwaltschaft 1:

… erneut mit der Bitte um Übernahme des Verfahrens übersandt. Auch wenn der Ort nicht nachvollzogen werden kann, an dem der Überweisungsträger gefälscht und/oder eingereicht wurde, so steht als Tatort jedoch zumindest der Ort fest, an dem ein tatbestandlicher Erfolg, nämlich der Vermögensschaden eingetreten ist. Dies ist nach hiesiger Auffassung jedoch – zumindest auch – der Sitz der kontoführenden Bank. Die Tatortzuständigkeit dürfte damit im dortigen Bezirk gegeben sein.

Staatsanwaltschaft 2 erwidert am 27. Oktober:

… erneut unter Ablehnung der Übernahme übersandt. Im hiesigen Bezirk ist kein Tatort. Der Geschädigte wohnt in L. Geschädigte ist nicht die P-Bank, sondern der Kontoinhaber, von dessen Konto die Abbuchung erfolgte. … unter keinem denkbaren Aspekt eine Zuständigkeit gegeben.

Letztlich hat die Staatsanwaltschaft 1 nachgegeben und sich für zuständig erklärt. Wer den Überweisungsträger gefälscht hat, konnte nun aber nicht (mehr) ermittelt werden.

Der Humor der Steuerfahnder

Witzischkeit kennt ja bekanntlich kaum Grenzen. Bislang habe ich allerdings vermutet, dass zumindest die Finanzbehörden auf der anderen Seite liegen. Weit gefehlt. Ausgerechnet die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen bemüht sich um Lockerheit – zumindest in ihrem Internetauftritt.

Auf der Startseite sehen wir den Leiter der Münsteraner Steuerfahndung höchstpersönlich, wie er Einlass in ein properes Mittelstands-Häuschen begehrt. Text zum Bild:

Wir machen auch Hausbesuche

Harald Küper, Leiter der Steuerfahndung in Münster, sitzt nicht nur hinter dem Schreibtisch. Er besucht auch die Bürger, für die Steuergerechtigkeit nur ein Fremdwort ist.

Es trifft also nur die Bösewichte. Da sind wir aber beruhigt.

In der Tat hatte ich in meiner 16-jährigen Tätigkeit als Strafverteidiger bislang keinen einzigen Fall, in dem die Steuerfahndung Hausbesuche gemacht, Konten gepfändet und manchmal sogar auf Haftbefehle hingewirkt hat, und sich am Ende der Verdacht doch als Luftnummer erwiesen hat.

Dementsprechend ist auch noch nie passiert, dass – gerne auch durch anonyme Anzeigen – durch erst den nimmermüden Kampf für Steuergerechtigkeit und anschließende sang- und klanglose Verfahrenseinstellungen bürgerliche Existenzen den Bach runtergingen.

(Ich versuche ja auch nur, witzisch zu sein.)

via

Gartenzwerg-Fraktion

Einem unserer Mandanten, der ein Haus mit Garten gemietet hat, wird fehlender Ordnungssinn zur Last gelegt. Der Garten sei ungepflegt und passe nicht in die Nachbarschaft. So was geht dann sogar vor Gericht.

Zum Glück scheint die zuständige Amtsrichterin nicht der Gartenzwerg-Fraktion anzugehören, denn sie stellt in einem Hinweisbeschluss fachkundig fest:

… ist im Garten Bambus und japanischer Knöterich (vom Vermieter) gepflanzt worden. Hierbei handelt es sich um überaus schnell wachsende und über das Wurzelwerk sich ausbreitende Pflanzen. Es ist dem Mieter nicht zuzumuten, werden diese Pflanzen nicht fachgerecht angepflanzt, nämlich mit Wurzelsperren, den Wildwuchs zu bekämpfen.

Der Vermieter hat natürlich auch ein ganzes Fotoalbum vorgelegt, um das Chaos zu belegen. Doch die Bilder machten nur wenig Eindruck. Die Richterin:

Im Übrigen haben sich die Beklagten verpflichtet, den Garten in einem „ordentlichen Zustand“ zu halten. Die Meinungen dahingehend, was ein ordentlicher Zustand ist, gehen auseinander. Eine Pflichtverletzung ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Bleibt nur die Frage, was für Gartenexperten das Landgericht in der Berufung aufzubieten hat.

Das Autokennzeichen im Internet

Ermittlungsverfahren wegen verbotener Inhalte stößt meistens die „anlassunabhängige Internetüberwachung“ an. Beim Bundeskriminalamt und in einigen Landeskriminalämtern surfen Tag und Nacht Beamte durchs Netz.

Zu ihren Hauptaufgaben gehört der Scan von Tauschbörsen. Es genügt schon, wenn wegen einer illegalen Datei der Up- oder Download durch einen Internetnutzer festgestellt wird. Bei Kinderpornografie ist die Hausdurchsuchung dann unausweichlich – beim Inhaber des Anschlusses. Dessen Hardware geht dann mit und wird ausgewertet.

Nicht immer wird dann allerdings auch etwas gefunden. Normalerweise führt das zur Verfahrenseinstellung. Eine Staatsanwältin sah das nun aber anders. Zwar hatte ein gründliches Gutachten über die Hardware meines Mandanten ergeben, dass dieser nullkommanichts Verbotenes gepeichert hatte. Trotzdem teilte mir die Strafverfolgerin folgendes mit:

Es bleibt das Verbreiten der Videodatei „Unschöner Titel“ vom 10. April 2009.

Das war die Datei, die dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen im edonkey-Netzwerk aufgefallen war. Die festgehaltene IP-Adresse führte zum Anschluss meines Mandanten.

Für mich war das Anlass zu einer kleinen Klarstellung:

Mein Mandant bestreitet, dass er die Datei über seinen Internetanschluss verbreitet hat.

Es liegen keine Beweise vor, die einen hinreichenden Tatverdacht gegen meinen Mandanten begründen.

Als Beweismittel steht nur die technische Feststellung zur Verfügung, dass die genannte Datei über eine bestimmte IP-Adresse in eine Tauschbörse eingespeist worden sein soll.

Diese IP-Adresse mag zwar meinem Mandanten zugeordnet gewesen sein. Jedoch führt die IP-Adresse regelmäßig nur zum Anschlussinhaber, nicht zum tatsächliche Nutzer des Computers.

Die IP-Adresse ist allenfalls vergleichbar mit dem Nummernschild an einem Auto. Kennt man das Nummernschild, lässt sich der Halter des Fahrzeugs ermitteln. Der Halter ist aber nicht unbedingt identisch mit dem Fahrer.

Wie beim Auto gibt es auch bei der IP-Adresse keine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber auch der Nutzer des jeweiligen Computers war. Der Computer kann auch durch andere Personen benutzt worden sein.

Mein Mandant hat Freunde und Familie. Alle gehen über seinen Anschluss ins Internet. Wer ihn besuchte, durfte auf Wunsch auch das seinerzeit eingerichtete WLAN-Netzwerk benutzen oder sein Notebook über Kabel mit dem Internetanschluss meines Mandanten verbinden.

Zeitweise hat mein Mandant das WLAN in seiner Wohnung auch offen gelassen, weil bei Nachbarn noch kein Internet gelegt war. Es entzieht sich der Kenntnis meines Mandanten, wer und in welchem Umfang bei den Nachbarn, deren Familie oder Besuchern über das WLAN meines Mandanten im Internet war.

Letztlich kann mein Mandant auch nicht ausschließen, dass ein Außenstehender sich Zugang zu seinem Drahtlosnetzwerk verschafft hat. Diese Vorgehensweise ist ja gerade auch typisch für Leute, die solche Dinge im Netz tauschen. Sie hacken sich gerne in fremde WLANs, weil sie dann praktisch nicht ermittelbar sind.

Gegen den angeblichen Tausch der Datei spricht auch der Umstand, dass bei meinem Mandanten keinerlei einschlägiges Material gefunden wurde.

Die Botschaft ist angekommen. Das Verfahren wurde nun doch eingestellt, und zwar mangels Tatverdachts.

Und frech war er auch

Aus dem Polizeibericht:

Offenbach/Lauterborn. Polizeibeamte überprüften am Mittwochmorgen insgesamt 24 Schüler auf Straßen und Plätzen, ob sie tatsächlich unterrichtsfrei hatten. …

Gegen 9 Uhr schlenderte ein Junge durch die Gegend, der einen Tagesverweis von der Schule erhalten hatte, weil er zu spät gekommen, keine Hausaufgaben gemacht hätte und auch noch frech gewesen sei. Er gab an, jetzt nach Hause zu gehen. 2 Stunden später lümmelte er sich jedoch im Park gegenüber der Edith-Stein-Schule herum. Nun brachten ihn die Schutzleute nach Hause in die Obhut seiner Mutter. Entsprechende Mitteilungen an das Staatliche Schul- und Jugendamt erfolgen.

Stadt Duisburg hat eine Baustelle weniger

Das Duisburger Nachrichtenblog xtranews und die Stadt Duisburg haben heute ihren Streit beigelegt. Die Stadt Duisburg hatte xtranews per Gerichtsbeschluss verbieten lassen, Dokumente zur Loveparade-Katastrophe zu veröffentlichen. Bei den Dokumenten handelte es sich um die Anlagen zu einem Gutachten von Anwälten, das einwandfreies Verhalten der Stadt Duisburg belegen soll. Das Gutachten selbst hat die Stadt Duisburg auf ihrer Homepage veröffentlicht, die Anlagen jedoch als nicht öffentlich eingestuft.

xtranews hatte Zugriff auf die Dokumente erhalten und sie als erstes Medium veröffentlicht. Hierauf reagierte die Stadt Duisburg mit einem Verbotsantrag.

Nach der jetzt getroffenen Einigung darf xtranews die Unterlagen wieder vollständig veröffentlichen. Es müssen lediglich Personen- und Kontaktdaten städtischer Mitarbeiter geschwärzt sein.

Die Stadt Duisburg erklärt in dem Vergleich ausdrücklich, dass sie keine Rechte mehr aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln herleitet. In dieser Verfügung, die auf Urheberrechtsverletzungen gestützt war, wurde xtranews jede Veröffentlichung der Dokumente untersagt.

Der Verhandlungstermin am 8. September 2010 findet wegen des Vergleichsschlusses nicht statt.

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Ende eines Kriminalfalls

Ich weiß nicht, was und wie die Polizeibeamten an einem Unfallort ermittelt haben. Jedenfalls mündeten ihre Erkenntnisse in folgenden Vorwurf gegen meinen Mandanten:

Laut Anordnung der Staatsanwaltschaft wurde gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Unfallflucht eingeleitet. Sie haben versucht, durch die Veränderung der Parkstellung Ihres Fahrzeuges eine Unfallrekonstruktion unmöglich zu machen.

Das macht juristisch keinen Sinn. Man kann sich nicht von einer Unfallstelle entfernen, wenn man noch an der Unfallstelle ist. Tarnkappenbesitzer ausgenommen. Darauf hatte ich hier bereits hingewiesen.

Zu allem Überfluss war alles sowieso ganz anders, wie sich eigentlich auch aus der Ermittlungsakte ergibt. Auf dem Parkplatz eines Geschäftskomplexes hatte eine Ladeninhaberin blaue Farbreste an der Fahrertür ihres Pkw bemerkt. Sie war zwar vier Stunden im Geschäft gewesen. Aber dennoch stand für die Frau fest, dass die Farbe nur von dem Auto stammen konnte, welches gerade neben ihrem Fahrzeug parkte. Das war das, zugegebenermaßen blaue, Auto meines Mandanten.

Mein Mandant war gerade im Fitnessstudio, das ebenfalls in dem Areal liegt. Dort ließ die Ladeninhaberin auch sein Nummernschild ausrufen. Dummerweise war mein Mandant gerade unter der Dusche oder in den Umkleiden. Dort sind die Durchsagen der Rezeption nicht zu hören.

Mein Mandant ging also arglos zu seinem Wagen, setzte sich rein, fuhr wenige Zentimeter los. Die Ladeninhaberin kam angerannt, klopfte an sein Fahrerfenster und konfrontierte ihn mit dem Vorwurf, ihr Auto beschädigt zu haben. Mein Mandant stieg aus und rief die Polizei.

Zum Glück hat sich nun wenigstens der Staatsanwalt bereit gefunden, die mittlerweile 35-seitige Akte zu schließen und den Kriminalfall zu beenden. Er hat das Verfahren eingestellt. Das fiel ihm sicher auch deswegen leicht, weil der Kostenvoranschlag für die „Reparatur“ auf stolze 73 Euro lautete. Die Kosten bestanden aus einer gründlichen Wagenpolitur (nicht nur der angeblichen Schadensstelle) und einer „vorgeschalteten Komplettwäsche“ des Fahrzeugs.

Auf Kosten des Mandanten

Nachricht aus dem Sekretariat:

Betreff: I.S. F. ./. Base hat das Büro des Gegenanwalts angerufen und nachgefragt, ob wir Herrn F. noch vertreten, da Sie deren letzte Schreiben unbeantwortet gelassen haben.

Meine Antwort:

In solchen Fällen können Sie sagen, dass wir den Mandanten selbstverständlich noch vertreten. Dass keine Antwort erfolgte, kann auch daran liegen, dass wir alles bereits mitgeteilt haben und uns nicht gerne wiederholen, schon gar nicht auf Kosten unseres Mandanten. Wir antworten nur auf Schreiben von Inkassobüros oder Forderungsanwälten, aus denen sich Neues ergibt.

Das BKA, die Zugriffs-Entzugs-Behörde

„Etwas vom Gesetzgeber Verbotenes dem öffentlichen Zugriff zu entziehen, kann keine Zensur sein.“

Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes, in einem Interview mit der Welt.

Wer noch den geringsten Zweifel daran hatte, warum das Bundeskriminalamt Websperren haben will, kann sich nach der oben stehenden Äußerung gewiss sein. Es geht längst nicht nur um Kinderpornografie. Diese Materie, bei der sich nur schwer Widerspruch regt, ist nur der Türöffner für jene, denen das Netz insgesamt einfach zu schmutzig, zu unübersichtlich und zu wenig kontrollierbar ist.

Nach Zierckes Verständnis könnte man auch Online-Wettanbieter und Tauschbörsen sperren. Dort gehen durchaus Dinge vor, die in Deutschland verboten sind. Gleiches gilt für Onlinemedien, Foren und Blogs. Das passende Verbot ist auch für Meinungsäußerungen schnell gefunden und angewandt.

Wenn Monate oder Jahre später vielleicht ein Gericht befindet, dass das Bundeskriminalamt falsch „geurteilt“ und als Zugriffs-Entzugs-Behörde ein Angebot zu Unrecht blockiert hat, kräht kein Hahn mehr danach. Jedenfalls ist das Ziel dann längst erreicht.

Ich nenne es deswegen auch Zensur.