Bande

Heute morgen ein kleiner Termin am Amtsgericht. Der Richter heißt mit Nachnamen wie die zweite Namensgeberin meines kleinen Anwaltsbüros. Der gegnerische Anwalt lässt sich eingangs die Frage an den Richter nicht nehmen:

Gibt es zwischen Ihnen und der Sozia des Bevollmächtigten des Beklagten möglicherweise irgendwelche Bande?

Der Richter reagierte ziemlich gelassen:

Nö, sonst hätte ich das selbstverständlich von mir aus gemeldet.

Thema durch.

Der abgelaufene Beschluss

Die Mandantin hatte eine Hausdurchsuchung. Sie berichtet, die Polizeibeamten seien sehr darauf bedacht gewesen, dass sie der Beschlagnahme von Computern und Unterlagen zustimmt.

Mittlerweile weiß ich auch, warum.

Der Durchsuchungsbeschluss datiert nämlich vom Februar 2009. Dummerweise ist es so, dass Durchsuchungsbeschlüsse unwirksam werden, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach Erlass vollstreckt werden. Sie haben dann keine „rechtfertigende Kraft“ mehr, so das Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung. Diese Entscheidung ist übrigens mittlerweile 12 Jahre alt und sollte sich eigentlich auch bei der Polizei rumgesprochen haben. Eigentlich.

Dass da wohl sehenden Auges ein rechtswidriger Beschluss ausgeführt wird, ist in der Sache kaum nachvollziehbar. Hat sich da jemand für Schlendrian geschämt? Oder geht man davon aus, der Beschuldigte wird schon nichts merken oder, wenn doch, sich trotzdem demütig in sein Schicksal fügen?

Wie auch immer, wir werden kurzfristig das aus dem Kreuz geleierte Einverständnis gegen die Beschlagnahme in einen Widerspruch umwandeln und darauf drängen, dass der Richter innerhalb der vorgesehenen drei Tage über den Widerspruch entscheidet.

Bin mal gespannt, wie groß die Neigung ist, sich gegen die klare Vorgabe durch das Bundesverfassungsgerichts zu stellen. Immerhin würde ein Richter sich dadurch eigentlich selbst schaden. Die Sechsmonatsfrist wird nämlich auch damit begründet, dass ansonsten der Richtervorbehalt unterlaufen wird. Denn die richterliche Entscheidung bezieht sich ja immer auf einen bestimmten Sachverhalt, der sich mit der Zeit zwangsläufig ändert.

Anwälte gegen Vorratsdatenspeicherung

Morgen verhandelt das Bundesverfassungsgericht über Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung. Der Deutsche Anwalt Verein (DAV) lehnt die Vorratsdatenspeicherung nach wie vor strikt ab. Die Vorratsdatenspeicherung ist nach seiner Auffassung unverhältnismäßig, da hiervon Millionen von Menschen betroffen sind, die sich überhaupt nicht verdächtig gemacht haben.

Auch werde unzumutbar in das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant eingegriffen, wenn deren Telekommunikationsdaten gespeichert werden würden. „Wegen der Unverhältnismäßigkeit ist das Gesetz verfassungswidrig“, betont Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident. Die Daten, die die Strafverfolgungsbehörden tatsächlich verwerteten, machten nur einen Bruchteil der insgesamt gespeicherten Daten aus. Schon dieses Missverhältnis mache deutlich, dass die Maßnahme unverhältnismäßig sei.

„Die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung verstößt überdies gegen das strikte nationale Verbot der Sammlung personenbezogener Daten auf Vorrat, ohne dass ein konkreter Anlass vorliegt“, so Ewer weiter.

Du siehst aus wie…

„Du bist die Schweinegrippe, du hast die Schweinegrippe, du siehst aus wie die Schweinegrippe.“

So ein blöder Spruch reicht für eine krasse Schlägerei mit mehreren Verletzten – jedenfalls in der Düsseldorfer Altstadt. Da jeder Zeuge bei der Polizei was anderes erzählt, wird kaum zu ermitteln sein, was wirklich geschehen ist.

Dabei ist die Ermittlungsakte schon 240 Seiten dick…

Großer Zeitablauf

Schreiben eines Landgerichts:

In obiger Sache wurde die Akte vorgelegt, da hierin noch ein Antrag auf Änderung der Kostenfestsetzung gemäß § 107 ZPO vom 22. Dezember 2005 aufgefunden wurde. Auf Grund des großen Zeitablaufs wird angefragt, ob über diesen Antrag noch entschieden werden soll?

Bei uns ist die Akte laut Computer seit 2006 abgelegt. Ich gehe davon aus, dass es nicht mehr ganz so wichtig ist…

Topstaatsanwalt engagiert Topverteidiger

Während der Aufklärung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses um die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen Abteilungsleiter des Umweltministeriums Harald Friedrich (Grüne) ist die Vernehmung wichtiger Zeugen geplatzt. Schuld daran sei Innenminister Ingo Wolf (FDP), befanden gestern nach fast zweistündiger geheimer Sitzung die Ombudsleute Stephan Gatter (SPFD) und Johannes Remmel (Grüne).

Weil Wolf einige Berichte des ermittelnden Landeskriminalamtes als „Verschlusssache“ und „Nur für den Dienstgebrauch!“ bewertet habe, „behindert er unsere Arbeit an zentraler Stelle“, kritisierte Remmel. Auch dass Kriminalbeamte auf jeweilige Aussagegenehmigungen des Ministers angewiesen sind, „ist nicht nachvollziehbar“, rügte Gatter. Gestern sollte der Kriminalbeamte Eckhard L., ein Hauptakteur der Ermittlungen, im Zeugenstand gehört werden – er kam vergeblich.

Wolfgang Gatzke, der Direktor des LKA und sein Chef, der Landeskriminaldirektor Rolf Behrendt, wurden Hals über Kopf ausgeladen. Aufgehoben worden ist auch ist auch die Vernehmung beteiligter Staatsanwälte, die am kommenden Montag gehört werden sollten. Dazu zählt Alfons Grevener, der stellvertrende Leiter der Staatsanwaltschaft Wuppertal, die für Korruptionsdelikte zuständig ist.

Grevener beruft sich schon jetzt auf sein „umfassendes Aussageverweigerungsrecht“ und hat sich vorsorglich für Fragen aus dem Parlament gewappnet: Er hat Sven Thomas in Düsseldorf engagiert, einen der besten Fachanwälte für Strafrecht.

Unterdessen wiederholt das Innenministerium, es gebe für die Kriminalbeamten eine vollständige Genehmigung zur Aussage. Lediglich für den Fall von Fragen nach polizeitaktischen Maßnahmen gelte ein Vorbehalt.

Der Untersuchungsausschuss will klären, ob es bei den Ermittlungen gegen Friedrich politische Beeinflussungen gab. Der 57-Jährige war im Sommer 2006 des bandenmäßigen Betruges und vom CDU-Umweltministerium der Korruption beschuldigt worden; er saß deswegen im Mai 2008 drei Wochen in Untersuchungshaft.

Jene Vorwürfe sind inzwischen aus der Welt – die Staatsanwaltschaft Wuppertal hatte, wie berichtet, diesen Verfahrenskomplex wegen erwiesener Unschuld eingestellt. (pbd)

Verbummelte Dokumente

Der Berliner Strafverteidiger Carsten R. Hoenig muss eine Entscheidung treffen. Das Gericht hat Anträge verbummelt, die er in einem Strafverfahren gestellt hat. Jetzt möchte der Richter die Unterlagen noch mal haben. Natürlich, um das Urteil fehlerfrei schreiben zu können.

Ähnliche Situationen gibt es, wenn Akten verloren gehen. Auch hier wird dann bei der Staatsanwaltschaft und Anwälten nachgefragt, ob diese ihre Unterlagen zur Verfügung stellen, damit die Akte rekonstruiert werden kann.

Bei so einer Anfrage sage ich nein. Denn mit der Aktenwiederherstellung trage ich dazu bei, dass eine Verurteilung meines Auftraggebers wahrscheinlicher wird. Das geht nicht, denn ich bin in erster Linie Vertreter seiner Interessen. Wer würde nicht zu seinem Verteidiger das Vertrauen verlieren und ihn zum Teufel wünschen, wenn dieser einfach mal nonchalant dabei hilft, die Verurteilung zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen?

Anders wäre es wahrscheinlich, wenn ich für den Verlust der Akte zumindest mitverantwortlich bin. Wenn die Akte zum Beispiel bei mir im Büro verlorengeht. Oder Fehler bei der Rücksendung nicht auszuschließen sind. Zum Glück musste ich diesen Fall noch nicht entscheiden…

Bei den Anträgen des Kollegen Hoenig liegt die Sache doch etwas anders. Es handelt sich um Dokumente, die von ihm stammen und die er dem Gericht aus freien Stücken überreicht hat. Dem Gericht jetzt hiervon Kopien vorzuenthalten, die sich ja normalerweise in der Akte des Verteidigers finden (sofern er die Anträge nicht im Gericht per Hand geschrieben hat), kann ja nur dem Wunsch entspringen, das Gericht möge ohne die Unterlagen formale Fehler machen. Mit der Konsequenz, dass der Verteidiger dann in der nächsten Instanz die Kopien doch vorlegt und behauptet, er habe doch was ganz anderes geschrieben.

Sozusagen ein bewusstes Hinwirken auf Fehler im Urteil. In dieser Konstellation kann ich mir gut vorstellen, dass die Rolle des Verteidigers als Organ der Rechtspflege den Interessen des Mandanten zumindest nicht nachstehen dürfte. Denn, um es zu wiederholen, es handelt sich ja um die eigenen Eingaben des Verteidigers, die er im Interesse des Mandanten vorgelegt hat. Das jetzt nicht erneut zu tun, wäre aus meiner Sicht nur zu rechtfertigen, wenn der eine oder andere Antrag sich im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung als „Eigentor“ erwiesen hat.

Abmahnanwälte berechnen keine Millionen

Vor dem Kölner Landgericht mussten vorgestern der Hamburger Anwalt Clemens Rasch und ein Kollege aussagen. Raschs Kanzlei gehört zu den emsigsten Abmahnern im Bereich Filesharing.

Es ging um das Geschäftsmodell Massenabmahnung und insbesondere um die Frage, ob die Anwälte für Ihre Auftraggeber überhöhte Gebühren geltend machen. Es wird nämlich bezweifelt, dass etwa die Musik- und Filmindustrie bzw. die von ihr beauftragten Firmen wie DigiProtect tatsächlich von den Anwälten die Kosten in Rechnung gestellt bekommen, welche bei den Abgemahnten eingefordert werden.

Diese Frage ist wichtig, denn grundsätzlich dürfen von einem Abgemahnten nur die Anwaltskosten verlangt werden, die auch der Abmahner – als Auftraggeber des Anwalts – letztlich selbst zahlt. Dass dies tatsächlich geschieht, scheint der Zeuge Rasch jedenfalls nicht behauptet zu haben. Er soll eingeräumt haben, dass im Falle eines Vergleichsschlusses mit dem Abgemahnten, zum Beispiel Zahlung einer Pauschale von 400,00 €, die an sich weitergehenden Kosten, mit denen gern in den Schreiben gewunken wird, gegenüber den Rechteinhabern nicht mehr geltend gemacht werden.

Die Differenz zwischen dem an sich mickrigen Vergleichsbetrag und den rechnerischen Anwaltskosten von teilweise mehrere tausend Euro versickert also im Sande. Rasch soll erklärt haben, hierüber würden dann immer individuelle Vereinbarungen geschlossen.

Jedenfalls kann man nun recht gewiss sein, dass die Film- und Musikindustrie keinesfalls die Millionenbeträge an Anwaltsgebühren erstattet, die sich eigentlich aus den Abmahnungsschreiben ergeben. Allerdings führt dies dazu, dass sich die Frage stellt, wieso die (im Einzelfall) verklagten Abgemahnten dann plötzlich so exorbitante Summen zahlen sollen. Für mein Verständnis läuft das ziemlich eindeutig dem Grundsatz zuwider, wonach der Abgemahnte nur das an Anwaltskosten erstatten muss, die letztlich auch den Abmahner treffen.

Ähnlich sieht es der Kollege Thomas Stadler. Ich hoffe, auch das Landgericht Köln erkennt den Bruch in der Argumentation und streicht die Anwaltskosten aus den Klageforderungen raus. Eine Entscheidung soll Ende Januar verkündet werden.

Die Justiz will sich selbst verwalten

Gegen eine Selbstverwaltung von Gerichten und Staatsanwaltschaften hat sich gestern NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) ausgesprochen. Sie bezieht sich damit auf eine aktuelle Diskusssion darüber, dass sich Gerichte aus ihrer Einbindung in die Justizverwaltung lösen und eine eigene Personal- und Haushaltsverantwortung haben wollen.

„Ich stehe solchen Modellen kritisch gegenüber“, sagte die Ministerin in Düsseldorf bei der Verabschiedung des ehemaligen Verwaltungsgerichtspräsidenten Reinhard Klenke. Auch an seinen Nachfolger Andreas Heusch richtete sie die Mahnung, eine Selbstverwaltung schränke die gesetzlich verankerte Unabhägigkeit der Richter ein. Man solle besser darüber nachdenken, wie die Rechtsschutzgewährung der Bürger verbessert werden könne.

Eine sich selbst verwaltende Justiz jedenfalls laufe Gefahr, eigenen finanziellen Interessen hinterherzulaufen. Der Deutsche Richterbund dagegen ist der Meinung, dass auch in Deutschland ein Selbstverwaltungsmodell eingeführt werden muss. Damit allerdings verlöre das Ministerium seine Eingriffsmöglichkeiten in die Justiz. (pbd)

Tiefenlöschen

Zeit online berichtet heute über den Ermittlungsansatz Nr. 1 im Internet – die IP-Adresse. Es geht auch darum, was man tun sollte, wenn man versehentlich verbotenes Material, zum Beispiel Kinderpornografie, heruntergeladen hat. Zu dem Thema werde ich zitiert:

In diesem Zusammenhang ist oft der Hinweis zu hören, man solle einen irrtümlichen Download auf gar keinen Fall verschweigen, sondern den Fehler sofort bei der Polizei melden. „Davon kann ich nur abraten“, sagt Vetter. Vielmehr sollte man seine Festplatte sofort tiefenlöschen oder noch besser: komplett vernichten. Wer treuherzig zur Polizei ginge, müsse auf jeden Fall mit einem Ermittlungsverfahren rechnen. „Da reibt sich die Polizei doch die Hände.“

Ich gehe dann mal heim, die Zahnbürste packen.

Warten aufs Urteil

Ein Mandant wartet auf ein Strafurteil. Die Entscheidung hat das Gericht am letzten Sitzungstag zwar mündlich verkündet. Die schriftliche Begründung lässt aber auf sich warten.

Tatsächlich haben Richter in Strafsachen ordentlich Zeit, das Urteil zu schreiben. Die Grundfrist beträgt fünf Wochen seit Verkündung der Entscheidung. Gab es mindestens vier Verhandlungstage, sind es sieben Wochen. Ab dem elften Tag kommen für zehn volle Verhandlungstage nochmals jeweils zwei Wochen hinzu.

Überdies muss das Urteil innerhalb der gesetzlichen Frist nur auf der Geschäftsstelle des Gerichts angekommen sein. Wann es dann ausgefertigt und an die Beteiligten versandt wird, spielt keine große Rolle. So kommen dann oft noch mal ein, zwei Wochen drauf.

Ich gucke bei Revisionen auf jeden Fall, ob das Urteil rechtzeitig in der Geschäftsstelle eingetroffen ist. Viele Richter sind überraschenderweise auch nur Menschen und als solche durchaus nicht abgeneigt, Fristen bis auf den letzten Moment auszunutzen. Oder auch mal einen oder ein paar Tage dranzuhängen in der Hoffnung, es wird schon niemand merken.

Schlecht nur, wenn es auffällt und das Revisionsgericht alllfällige Entschuldigungen (Überlastung, Nichtvorlage der Akten, allgemeines Behördenchaos) nicht akzeptiert. Dann muss die ganze Verhandlung wiederholt werden.

Zuletzt hatte ich das bei einem Strafrichter. Kurz vor der Rente verlor er offensichtlich nicht nur die Lust, sondern auch den Überblick. Unser Urteil schrieb er einen Tag vor dem Ruhestand – über vier Wochen zu spät.

Seine Nachfolgerin hat ohne Murren neu verhandelt und die Strafe deutlich gemindert.