Warten auf Bestätigung

Am 11. November habe ich unsere Autoversicherungen bei der Victoria gekündigt. Nicht so sehr wegen der Tarife, obwohl die schon auf Apothekenniveau zu liegen scheinen. Vielmehr gab es ziemlichen Ärger mit einem Vertrag. Hatte bisher alle drei Jahre bei der Zulassung neuer Wagen durch das Autohaus alles problemlos geklappt, schafften es neue Vertreter, die plötzlich für uns zuständig waren, beim letzten Wagen meiner Kollegin nicht, die vorläufige Deckung in eine ordentliche Police umzuwandeln.

Ohne jede Vorwarnung flatterte die Stilllegungsverfügung des Straßenverkehrsamtes ins Büro. Nach zwei Tagen, etlichen Telefonaten und einigen deutlichen Worten, dass wir den Antrag abgeschickt hatten und für den Fall, dass dieser nicht angekommen ist, man uns ja mal hätte erinnern können, war das Auto zwar wieder zugelassen und die Victoria übernahm alle Kosten. Aber der Frust über so einen miserablen Kundenservice blieb natürlich.

Die Kündigungen vom 11. November schickte ich nun mit einfacher Post. Einfach mit dem Gedanken, dass bis ja nicht jedes Schreiben von uns „verloren“ gehen kann und überdies bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. November genug Zeit sein wird, damit die Victoria die Kündigung bestätigen kann – und dies auch tun wird.

Letzteres war allerdings eine vergebliche Hoffnung. Keine Kündigungsbestätigung. Auch nicht in der Samstagspost. Ich hatte schon überlegt, ob ich die Kündigungen morgen persönlich in dem Laden vorbei bringe und dem Pförtner einen Eingangsstempel abringe. Oder, falls der nicht will, irgendeinen Stromberg ins Foyer zitieren lasse. Die Regionaldirektion ist zum Glück gleich um die Ecke.

Ist allerdings unnötig, fiel mir vorhin auf. Denn vor einigen Tagen, am 25. November, kam ja Post von der Victoria. Wenn auch in anderer Sache. Ohne unsere Kündigungen auch nur zu erwähnen, teilte die Versicherung mit, dass sich die Beiträge durch Änderungen in den Regional- und Typklassen im nächsten Jahr saftig erhöhen.

Ansonsten ein Ärgernis, aber in dieser Situation doch eine erfreuliche Nachricht. Die Beitragserhöhung gibt nämlich ein gesondertes Kündigungsrecht. Innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung darf, zusätzlich zum regelmäßigen Kündigungsrecht am 30. November, ebenfalls zum Ablauf des Versicherungsjahres gekündigt werden.

Bis zum Ablauf dieses Monats habe ich dem Laden eine Kündigungsbestätigung aus dem Kreuz geleiert. Da bin ich mir sicher. Und danach: Hasta la vista, Victoria. Und zwar dauerhaft.

Vorstufe zur Abmahnung

Beim Bundestag steht folgende Online-Petition zur Mitzeichnung:

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass Abmahnungen im Internet einer kostenlose Vorstufe bedürfen.

Begründung des Antrags:

Abmahnungen im Internet sollen in Zukunft eine für den Beklagten kostenlose Vorstufe bekommen. Der Abmahner soll mit dem Beklagten in Kontakt treten und diesem seinen Abmahngrund mitteilen und diesem so eine Möglichkeit geben um diesen möglichen Verstoß innerhalb von einer Frist zu beseitigen.

Warum der Initiator den Vorschlag aufs Internet beschränkt, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Den Grundgedanken dafür umso mehr. In anderen Ländern geht es ja seit jeher ähnlich. Der Untergang des Abendlandes stünde also kaum bevor, wenn in Fällen, in denen der Abgemahnte einsichtig ist, derjenige künftig die Musik bezahlt, der sie bestellt.

Ganz ehrlich: Den Todeskampf der Abmahnindustrie würde ich gern verfolgen.

Sie hat gelächelt

Der gegnerische Anwalt scheint freundliche Richterinnen nicht zu mögen. Jedenfalls schaffte er es tatsächlich, eine Amtsrichterin wegen Befangenheit abzulehnen, weil sie – lächelte. Ich zitiere aus einem Schriftsatz des Anwalts:

Durch eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts F. ist glaubhaft gemacht, dass die Richterin in bestimmten Situationen lächelte. Dieses Lächeln rührte nach dem Eindruck Rechtsanwalt F. nicht daher, dass die Richterin eine entspannte Atmosphäre schaffen wollte. … Auf dieses Verhalten, welches eine fehlende Objektivität deutlich zum Ausdruck kommen lässt…

Hierauf das Amtsgericht:

Entscheidend ist, ob ein Prozesbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ein Lächeln allein kann vielfache Ursache haben. Auch in der Situation der Beweisaufnahme stellen natürliche, nicht überzogene Reaktionen der Beteiligten – auch der Richterin – keinen Ablehnungsgrund dar.

Damit nicht genug. Der gegnerische Anwalt legte Beschwerde ein. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Die Begründung umfasst einen Satz. Dass die entscheidende Richterin dabei gelächelt hat, kann nur vermutet werden.

Gute Zeichen!!

Die Zahl der Ausrufezeichen ist ein wichtiges Indiz für die Qualität von Anwaltsschreiben. Viele Ausrufezeichen sind immer gut – für den Gegner, den Empfänger des Schreibens.

In einer eher kurzen Abmahnung, die der Kollege Thomas Stadler nun von einem Frankfurter Abmahnanwalt im Dienste der Branchengröße DigiProtect wegen kritischer Äußerungen erhalten hat, zähle ich auf die Schnelle durchaus anwaltsunübliche vier Ausrufezeichen.

Wobei anzumerken ist, dass der verfassende Kollege die Angewohnheit zu haben scheint, immer zwei Ausrufezeichen hintereinander zu setzen. Ziemlich peinlich, aber gerade deswegen fast ein noch besseres Zeichen!!

Ansonsten markige Worte, aber nicht sonderlich viel dahinter. Da soll dem Kollegen Stadler doch tatsächlich die Äußerung untersagt werden, der Abmahnanwalt fordere für seine Mandantin Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Auf diese Idee könnte man schon deshalb kommen, weil in den Abmahnschreiben, welche der betreffende Anwalt tausendfach verschickt, sogar entsprechende Rechnungen aufgestellt werden. Diese Rechnungen enden mit Beträgen, die fast noch mehr Angst machen als Ansammlungen von Ausrufezeichen.

Falsch, rufen die Anwälte des Abmahnanwaltes. Diese Gebühren würden nicht geltend gemacht, sondern nur für den Fall in Aussicht gstellt, dass es zu einem Prozess komme. Das darf man wohl dann wirklich als „Breaking News“ verstehen: Obwohl in den Schreiben schon mal markige Rechnungen aufgemacht werden, sind diese irrelevant und müssen demgemäß nicht beachtet werden. Gute Nachrichten für alle Abgemahnten…

Dumm nur, dass Anwaltsgebühren entweder angefallen sind. Oder nicht. Auf die Frage, ob diese auch gerichtlich geltend gemacht werden, kommt es nicht an. Jedenfalls entstehen Anwaltsgebühren nicht erst in dem Augenblick, in dem sie eingeklagt werden. Eingeklagt werden können, zumindest wenn man Wert auf einen Prozesserfolg legt, allenfalls schon entstandene Anwaltsgebühren.

Auch ist es die Frage, woraus sich die zu erstattenden Anwaltskosten denn sonst ergeben sollen, wenn nicht aus dem Vergütungsgesetz. Wie in jedem rechtlichen Bereich ist auch der Abgemahnte allenfalls verpflichtet, Anwaltsgebühren nach dem Gesetz zu erstatten. Andere Berechnungsgrundlagen, etwa Gebührenvereinbarungen mit dem Abmahner, sind für ihn jedenfalls unverbindlich.

Bemerkenswert überdies, dass in der Abmahnung das geleakte Fax des Frankfurter Anwalts, welches die Diskussion ins Rollen brachte, nicht als falsch bezeichnet wird. Ebenso wenig wird dem Kollegen Stadler ernsthaft vorgeworfen, dass er das Geschäftsmodell der Abmahnanwälte unzutreffend darstellt. Lediglich die juristische Wertung, mit dem Modell könne versuchter oder vollendeter Betrug einhergehen, soll der Kollege künftig nicht nur unterlassen, sondern auch widerrufen. Wenn das nicht mal ein bisschen zu viel verlangt ist.

Thomas Stadler wird sich nicht von den Drohgebärden einschüchtern lassen:

Ich habe dem von Dr. K. beauftragten Rechtsanwalt mittlerweile geschrieben und … ihn … wissen lassen, dass ich mich gegen die Unterlassungs- und Widerrufsforderung zur Wehr setzen werde, notfalls auch unter Ausschöpfung des Rechtswegs.

Den Streitwert gibt der Anwalt übrigens mit stolzen 250.000,00 Euro an. Er sieht sich nämlich nicht nur ungerecht dargestellt, sondern auch gleich seinen Kredit gefährdet. Wobei ich mich allerdings – aber selbstverständlich nur scherzhaft – frage, ob Filesharing-Abmahnanwälte nicht schon längst ohne fremdes Zutun jeden Kredit verspielt haben.

Früher zum Thema:

Abmahnanwälte verraten sich selbst

DigiProtect sagt, wie es ist

Nachtrag: Abmahnanwälte erwirken einstweilige Verfügung gegen Kanzlei Wilde & Beuger

Abschätzig behandelt

Nachricht der Staatsanwaltschaft:

Von der Verfolgung wird gemäß § 154 Abs. 1 StPO abgesehen. Der Beschuldigte hat in einem anderen anhängigen Verfahren eine Strafe zu erwarten. Die Strafe, die wegen der angezeigten Tat verhängt werden könnte, fiele daneben voraussichtlich nicht beträchtlich ins Gewicht.

Geschädigte wollen natürlich, dass der Beschuldigte wegen der ihnen zugefügten Tat verurteilt wird. Schon nachvollziehbar, dass sich da so mancher von der Staatsanwaltschaft abschätzig behandelt fühlt und stinkesauer ist.

Juristisch ist die Entscheidung natürlich völlig korrekt. Und überdies sachgerecht. Sonst hätte ich die Einstellung ja auch nicht in einem freundlichen Telefonat mit dem Staatsanwalt angeregt.

PR-Kram

Ein Berliner Rechtsanwalt wirbt mit einem Leichenwagen für seine Dienste, berichtet der Tagesspiegel.

Der Jurist ist vornehmlich auf dem Gebiet des Erbrechts tätig. Deshalb soll er seine Karosse vorwiegend an Friedhofseingängen parken. In den Fenstern des Autos hängen keine speckigen Gardinen, sondern Plakate mit der Aufschrift „Erbfall – was tun?“

Ich habe dazu keine Meinung. Mit diesem PR-Kram kenne ich mich nicht aus.

(Quelle des Links)

Bezüglich Bezügen

Selbst Beamten kommt Beamtendeutsch mitunter fremd vor. Sie bekommen zwar fast täglich Gesetze, Erlasse und Verfügungen auf den Tisch, die sich wie Kauderwelsch lesen. Aber es geht immer noch einen Tick besser. Ein Beispiel hat jetzt Paul Kemen, der Sprecher der Aachener Polizei, öffentlich gemacht.

In einer offiziellen Verfügung, die er auf dem Tisch hatte, heißt es gleich zu Beginn: „Die Bezüge zu a), b) und c) liegen vor. Die Bezüge zu d) und e) werden mit der Bitte um Kenntnisnahme und Auswertung zur Information, weiteren Veranlassung sowie zur Vervollständigung der Aktenlage übersandt.

Aufgrund der Aufhebung der Bezugsverfügung zu b) wird hiermit auch die Bezugsverfügung zu c) aufgehoben.“

Letztlich ist Kemen dem Verfasser der Verfügung dankbar: „Er hat bei der Vielzahl der Bezüge nicht sämtliche Buchstaben des Alphabetes benutzt.“ (pbd)

Nicht geboten

Wann besteht Anspruch auf einen Pflichtverteidiger? Unter anderem dann, „wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann“.

Bei meiner Mandantin hatte ich eigentlich wenig Zweifel, dass sie sich nicht selbst verteidigen kann. Sie hat bisher ein schwieriges Leben geführt, steht unter umfassender Betreuung. Sie ist, so ihr Arzt, geschäftsunfähig und nicht einmal in der Lage, ohne ständige Fürsorge ihren Alltag zu gestalten. „Frau J.“, heißt es überdies in einem Gutachten für den Betreuungsrichter, „ist nicht in der Lage, sich von vernünftigen Motiven leiten zu lassen.“

Aber der Strafrichter, dem ich die Dokumente vorgelegt und die wesentlichen Umstände schriftlich erläutert habe, sieht keine Notwendigkeit für einen Pflichtverteidiger. Seinen Beschluss versieht er in diesem Punkt mit einem Textbaustein:

Auch aus sonstigen Gründen (§ 140 Abs. 2 StPO) erscheint die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht geboten.

Begründung? Kein einziges Wort.

Amen.

20 Jahre!

Briefkopf eines Kollegen:

20 Jahre Berufserfahrung Arbeits-, Verkehrs- & Strafrecht

Warte nur noch auf dem Hinweis „DLG-prämiert“.

Um griffige Formulierung bemüht

Vor einiger Zeit hatte ich auf eine beachtenswerte Pressemittelung des Oberlandesgerichts Köln hingewiesen. Deren Überschrift lautete:

07.07.2009 – 2. Strafsenat eröffnet Hauptverfahren gegen NS-Schergen Heinricht B.

Ein Leser des law blog hat wegen der Formulierung „NS-Scherge“ und der damit aus seiner Sicht verbundenen Vorverurteilung gegen den Pressedezernenten des Oberlandesgerichts Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Hier die Antwort des Gerichtspräsidenten:

… Der Pressedezernent des Oberlandesgerichts hat zu Ihrer Dienstaufsichts­beschwerde Stellung genommen und ausgeführt, er sei als Pressespre­cher bisweilen bemüht, auch eine griffigere Formulierung zu suchen, um nicht immer von Angeklagtem sprechen oder schreiben zu müssen.

Der Angeklagte in dem Verfahren vor dem Landgericht Aachen sei in der deut­schen Presse seit über zwei Jahren als „NS-Scherge“ oder mit vergleich­baren Formulierungen bezeichnet worden, nachdem er im Jahr 1949 in
Amsterdam wegen derselben – ihm nunmehr in dem Verfahren vor dem
Landgericht Aachen vorgeworfenen – Taten wegen dreifachen Mordes in
Abwesenheit rechtskräftig verurteilt worden war.

Selbstverständlich sei der Angeklagte deswegen in Deutschland noch nicht bestraft worden, so dass hier auch die Unschuldsvermutung für ihn gelte. Deshalb habe er, der Pressedezernent, die von ihm gewählte Formulierung als Überschrift (Schlagzeile) für gerechtfertigt gehalten. Er nehme den Hinweis aus Ihrer Eingabe aber sehr ernst.

Ich teile Ihre Auffassung, dass die Justizverwaltung dazu aufgerufen ist, bei der Pressearbeit über laufende Gerichtsverfahren den Anschein jeglicher Vorverurteilung zu vermeiden, so dass es besser gewesen ware, wenn die von Ihnen beanstandete Formulierung nicht verwendet worden wäre.

Der Pressedezernent des Oberlandesgerichts ist ein sehr gewissenhaft, ernsthaft und umsichtig arbeitender Richter, der sehr darauf bedacht ist, im Umgang mit den Medien die Neutralität und Unvoreingenommenheit der Gerichte herauszustellen. Vor diesem Hintergrund sehe ich keinen Anlass zu dienstaufsichtlichen Maßnahmen.

Aufgedröselt

Kostenentscheidung:

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch wird die Gebühr für das Revisionsverfahren um ein Fünftel ermäßigt. Im Umfange der Ermäßigung der Gebühr für das Revisionsverfahren hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Ich hoffe, der Rechtspfleger stimmt meinem weitem „Verfahrensbegriff“ zu. Immerhin geht die Geschichte jetzt schon in die x-te Runde – Landgericht, Revision, Landgericht, Revision. Ich habe die Kosten aufgrund dieser Entscheidung nun ganz neu aufgedröselt, beim Vorverfahren und dem ersten von etlichen Verhandlungstagen beginnend.

Hiervon dann ein Fünftel, da kommt doch ganz schön was zusammen. Zumindest eine angemessene Entschädigung für kreuz und quer durch die Akte blättern.

Richtig kompliziert wird es aber vermutlich, wenn auch die neue Revision erfolgreich ist…