Verleger: Diebstahl geistigen Eigentums nicht verfolgen
Bundestag: Debatten – in weniger als einer Minute
Qualitätsjournalismus, das hört sich so gut an. Aber wo findet man ihn noch?
Handgeschriebene Klingelschilder erwecken Argwohn der Polizei
Verleger: Diebstahl geistigen Eigentums nicht verfolgen
Bundestag: Debatten – in weniger als einer Minute
Qualitätsjournalismus, das hört sich so gut an. Aber wo findet man ihn noch?
Handgeschriebene Klingelschilder erwecken Argwohn der Polizei
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert den Notrufknopf für Internetseiten, berichtet die Welt. Der Alarmknopf namens „Web Patrol“ soll als Plugin in Browser integriert werden und es ermöglichen, verdächtige Webseiten zu melden. Auf Wunsch auch anonym.
Anonym?
Machen wir uns nichts vor. Was passiert, wenn in der geforderten „Clearing-Stelle“ tatsächlich die IP-Adressen von Meldern nicht gespeichert werden? Dann wird es zeitnah zu „Web Patrol“ auch Plugins geben, die jede, vielleicht auch nur jede dritte, zehnte oder fünfzigste im Browser aufgerufene Seite automatisch als verdächtig melden. Vielleicht kann man auch Seiten melden lassen, die bestimmte Stichworte enthalten. Wie Kai Diekmann, Guilia Siegel oder Polizeipräsident. Der Fantasie wären keine Grenzen gesetzt.
Und warum auch nicht, würde die Frage lauten. immerhin obliegt es ja dem noch zu gründenden Internetüberwachungsamt samt seinen aus Steuergeldern bezahlten, rund um die Uhr im Einsatz befindlichen „Juristen, Psychologen, Kriminalisten und Internetexperten“, die laienhafte Wertung besorgter Bürger auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.
Gut möglich also, dass es schon deswegen nichts wird mit der Anonymität und dann auch schon mal morgens um sechs persönlich beim Anschlussinhaber nachgeschaut wird, wie er denn gerade auf diese und jene Internetseite gekommen ist. Im Gegensatz zur Annahme mancher Polizeifunktionäre ist es nämlich gar nicht so einfach, „rein zufällig“ über kriminelle Inhalte im Netz zu stolpern. Noch dazu solche, die eine URL haben.
Absehbar ist übrigens schon heute die Erkenntnis, dass die ganze Infrastruktur hinter dem Blockwart im Brauser nur Sinn macht, wenn die Experten im Internetüberwachungsamt zeitnah reagieren können.
Zum Beispiel, indem sie vorläufige Stoppschilder aufstellen.
Der Paketbote hat heute einen Schwung lebensnotwendiger Legal Pads ins Büro gekarrt.
Der Geschäftsbetrieb kann also geordnet weitergehen.
Eine Strafrichterin am Amtsgericht Köln hatte mich auf Wunsch eines Mandanten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Ohne Einschränkungen. Nun streicht der Kostenbeamte die Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld mit der Begründung, der Angeklagte hätte auch einen Verteidiger aus Köln benennen können.
Ich will auf diesen Blödsinn nicht näher eingehen. Nur so viel: Die Richterin hat mich beigeordnet und auch keine Einschränkungen gemacht, obwohl sie mich kennt. Oder jedenfalls meinen Briefkopf vor Augen hatte, der Düsseldorf als Bürositz ausweist. Da ist es dann nicht Sache eines Kostenbeamten, diese Entscheidung nachträglich zu revidieren.
Neu ist aber der Umstand, dass das Gericht auch die Aktenversendungspauschale streicht. Das sind immerhin 12 Euro, die mir das Gericht für die Zusendung der Ermittlungsakte berechnet. Leider enthält der Beschluss an dieser Stelle keine Begründung. Mir fällt als Argument nur ein, dass Kölner Anwälte möglicherweise für verpflichtet gehalten werden, die Aktenversendungspauschale zu sparen, indem sie die Akte selbst beim Gericht abholen.
Wäre mir neu, dass ausgerechnet die Kölner Kollegen sich so was gefallen lassen.
Wer hat geschlafen bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach? Wer hat dort hat gleich so viele Fehler gemacht, dass die jetzt zur plötzlichen Entlassung eines wohl gefährlichen Gefangenen aus der Untersuchungshaft geführt haben.
In U-Haft saß seit Anfang September vorigen Jahres ein 58-Jähriger unter schweren Vorwürfen. Der Mann soll innerhalb eines Jahres in 19 Fällen immer wieder Mädchen sexuell missbraucht haben, auch schwer. Entsprechend hoch ist die angedrohte Haftstrafe, sie reicht von mindestens zwei Jahren bis weit über 10 Jahre Gefängnis.
Doch der Mann ist seit vorgestern auf freiem Fuß. Er läuft durch Viersen. Das darf er. So hat es der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) entschieden. Und nicht etwa mit seinem Beschluss über Schuld oder Unschuld geurteilt. Die Entscheidung ist aus Sicht der Justiz das schlichte Ergebnis einer automatischen Prüfung, unabhängig von der Schwere der Tat und der zu erwartenden Strafe.
Obwohl bei dem 58-Jährigen sogar ausdrücklich Fluchtgefahr angenommen wird. Das OLG hat sich blank auf ein rechtsstaatliches Prinzip gestützt. Die Untersuchungshaft hat gesetzliche Grenzen. Sie soll nicht mehr als sechs Monate dauern, kann aber vom OLG verlängert werden. Das passierte auch vor einem knappen Vierteljahr.
Alles schien rund zu laufen. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hatte sich an das Gebot des beschleunigten Verfahrens gehalten. Zwischendurch aber gab es Fehler. Nach der Festnahme des Mannes vergingen drei Monate, bis ein Gutachter eingeschaltet wurde. Der bekam zwar die Mahnung „Eilige Haftsache“ mit der Bitte um ein „schnellstmögliches Gutachten“. Das freilich wurde erst 5 Monate später, am 20. Mai abgeliefert.
Jetzt zog das OLG nicht mehr mit, es unterstellte der Staatsanwaltschaft, „nicht mit gebotenem Nachdruck“ gearbeitet zu haben. „Wir respektieren die Entscheidung“, so sagten es gestern unisono Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) und Generalstaatsanwaltschaft Gregor Steinforth. Beide sprachen aber von einer „völlig unerträglichen“ Folge.
Die Sorgen, das Unverständnis der Opfer und deren Angehörigen, überhaupt der Bürgerinnen und Bürger seien nachvollziehbar. Deshalb gebe es bereits eine umfassende Untersuchung zur Aufklärung des Falls. Unterdessen leistet die Polizei in Viersen Sonderschichten. Sie hält zu allen Betroffenen ständigen Kontakt, bietet allen Hilfe an. „Wir tun alles, um neuerliche Straftaten zu verhindern“, versichert Behördensprecherin Antje Heymanns.
Mit dem entlassenen Häftling „haben wir gesprochen“. Und sie wollen weiter mit ihm sprechen. Über die genaue Strategie der Polizei will Heymann „selbstverständlich“ nicht informieren. Fest steht: Niemand kann den 58-Jährigen, der schon zwischen 1972 bis 1979 einschlägig auftrat, festnehmen. Vielleicht kommt er freiwillig zu seinem Prozess, der im August geplant ist. Vorläufig jedenfalls. (pbd)
Die Rechtslage: Das Gesetz ist streng, es schützt auch Menschen hinter Gittern. Grundsätzlich darf niemand länger als sechs Monate in Untersuchungshaft genommen werden. Für Ausnahmen gibt es hohe Hürden, etwa bei „besonderen Schwierigkeiten“ des Ermittlungsverfahrens oder beim „besonderen Umfang der Ermittlungen“.
Ob Ausnahmen vorliegen, wird durch das jeweiige Oberlandesgericht regelmäßig geprüft. Es kann die Untersuchungshaft verlängern, aber auch den Haftbeschluss aufheben. 2001 war auf diese Art ein des Mordes beschuldigter Mann vom Oberlandesgericht Hamm entlassen worden. Haftbefehlsaufhebungen gab es in Nordrhein-Westfalen 2003 achtmal, 2004 elfmal, 2005 13mal, 2006 16mal, 2007 zehnmal, 2008 fünfmal und diesem Jahr bislang dreimal. (pbd)
„Das Treten gegen einen wehrlos am Boden liegenden Mann wird nach rechtlicher Bewertung als niederer Beweggrund bezeichnet und führt deswegen zur Anzeige wegen versuchten Mordes.“
Ein Jurastudent würde mit so einem Satz durch die Zwischenprüfung fallen. Einen Staatsanwalt, der so was von sich gibt, sollte man schnell in eine Abteilung versetzen, in der er keinen Schaden anrichten kann.
Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass auch er von niedrigen Beweggründen geleitet ist. Pressegeilheit, zum Beispiel.
Wenn sich Mieter über Nachbarn beschweren, werden sie oft gebeten, „Lärmprotokolle“ zu führen. Damit soll dann eine mögliche Kündigung begründet werden. Vorhin hatte ich so ein Lärmprotokoll auf dem Schreibtisch. Zu einzelnen Tagen heißt es da:
– 0.45 Uhr: Frau J. kommt nach Hause.
– 20.35 Uhr: Der Sohn von Frau J. spielt mit einem Ball und springt in der Wohnung herum.
– 02.00 Uhr: Der Besuch von Frau J. verlässt die Wohnung.
– 18.45 Uhr: Frau J. wäscht wieder übermäßig Wäsche.
– 22.50 Uhr: Frau J. und unbekannter Besuch schauen Fernsehen. Lautes Lachen.
Vielleicht hätte die Hausverwaltung den empfindlichen Nachbarn auch erklären sollen, was richtige Kündigungsgründe sind. Mit so was dürfte man jedenfalls bei den allermeisten Richtern Schiffbruch erleiden.
Am schönsten finde ich aber die Stelle mit dem „unbekannten Besuch“. Zwei Worte, die so viel sagen. Über die Beschwerdeführer.
Die Firma Gedast GmbH, Rechteinhaberin so feinsinniger Werke wie „Casting+Fotzenspiel“ sowie „Dicke Lippen Kleine Löcher“, bringt für ihre Abmahnungen neue Anwälte in Stellung. Nun geht eine C-S-R Rechtsanwaltskanzlei aus Ettlingen gegen Internetnutzer vor, die angeblich Gedast-Filme in Tauschbörsen zum Upload bereitgestellt haben.
Gefordert werden eine Unterlassungserklärung sowie pauschal 650,00 €. Die bisher für Gedast tätigen Anwälte machten meist 450,00 € geltend. Aber gut, es wird halt alles teurer. Oder liegt es daran, dass nur noch wenige Angeschriebene auf die Masche reinfallen und nicht wissen, wie man der angedrohten Klage entgeht?
Die C-S-R Rechtsanwaltskanzlei verwendet einen interessanten Briefkopf. Es sind dort keinerlei Anwälte aufgeführt, die zur Sozietät gehören. Bei der Telekom und sonstigen Auskunftsdiensten habe ich heute keine C-S-R Rechtsanwaltskanzlei gefunden. Bei Google finden sich nur Berichte, die sich mit der von C-S-R losgetretenen Abmahnwelle beschäftigen.
Auch wenn man nach der angegebenen Adresse Am Hardtwald 9 in 76275 Ettlingen googelt, findet sich keine Anwaltskanzlei mit diesem Namen. Bleibt als einziger Anhaltspunkt also nur der Rechtsanwalt, der die Abmahnung unterschrieben hat. Dessen Name ist neben der Unterschrift genannt, sein Nachname beginnt mit „S“. Laut dem Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer Karlsruhe residiert er auch am Hardtwald 9.
Warum seine mutmaßlich existierenden Sozien „C“ und „R“ nicht auf den Abmahnbriefen auftauchen wollen? Darüber lässt sich nur spekulieren. Ich würde es allerdings auch so halten.
Um die 20 Euro zahlt der Mandant jeden Monat für die Mitgliedschaft in einer Partnerbörse. Auf der Plattform kann er sich nicht nur umsehen, sondern er kriegt auch konkrete Vorschläge gemailt. Aber nicht nur diese. Vielmehr verschickt das Unternehmen auch Werbung. Mindestens einmal die Woche, mitunter auch öfter, bombardiert es den Mandanten mit kommerziellen Angeboten.
Das wunderte den Mandanten dann doch. Immerhin hatte er Werbung nicht zugestimmt. Auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens erwähnen das Thema nicht. Ein vorgedrucktes Ja zur Werbung wäre ohnehin unwirksam.
Auf seine Beschwerde erhielt der Mandant einen Tipp. „Löschen Sie Ihre E-Mail-Adresse aus dem Nutzerprofil. Sie erhalten dann keine Werbung mehr.“ Seltsamer Vorschlag, denn dann wäre auch Schluss mit den Partnervorschlägen. Und für die hat der Mandant ein Jahr vorausbezahlt.
Der zweite Protest, in dem auch die Worte Abmahnung und Anwalt fielen, hatte etwas mehr Erfolg. Man sei sich des Problems bewusst, hieß es. „Wir arbeiten an einer technischen Lösung.“
Zwei Monate hat der Mandant abgewartet. Eigentlich genug Zeit für ein Feature, das den Kunden entscheiden lässt, ob er Werbung sehen will oder nicht. Doch diese Wahlmöglichkeit gibt es bis heute nicht. Der Mandant wird weiter munter mit Werbung zugespammt.
Nun geht die Abmahnung raus.
Heute von einer Mandantin, einem mittelständischen Unternehmen, wieder einige neue Fälle bekommen. Am nettesten ist der mit der dicken Rechnung eines Elektrobetriebes. Das Unternehmen will knapp 33.000 Euro für Arbeiten in der Werkshalle meiner Mandantin, „zahlbar innerhalb von 14 Tagen ohne Abzug“.
Die Rechnung datiert vom 17. Juni 2009.
Ich wundere mich, dass keine sonstigen Unterlagen oder Korrespondenz beigefügt sind. Zum Beispiel über Mängelrügen oder sonstige Gründe, warum die Rechnung nicht bezahlt wird. Dann sehe ich im Abspann der Rechnung, wann die Arbeiten ausgeführt wurden: „im Zeitraum 18.10.2000 bis 28.12.2001“.
Aha, meine Mandantin will wissen, ob sie das noch zahlen muss. Die Antwort lautet nein.
Es ist schon interessant, wie anwaltliche Vertreter der Musikindustrie mit den Schadensersatzforderungen ihrer Mandanten umgehen:
Ausgangsforderung: 5.000 Euro.
Nach begründetem Widerspruch: 3.000 Euro.
Nach eisigem Schweigen: 1.400 Euro.
Das alles steht in einem beredten Kontrast zu den seitenlangen Ausführungen zur Sach- und Rechtslage. Alles eindeutig, alles kein Problem. Ja, wenn das so ist, warum kommt sie dann nie, die in jedem Schreiben angekündigte Klage?
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute entschieden,
dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz
vereinbar ist.
Dagegen verstößt das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union insoweit gegen Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 GG, als Bundestag und Bundesrat im Rahmen von europäischen Rechtssetzungs- und Vertragsänderungsverfahren keine
hinreichenden Beteiligungsrechte eingeräumt wurden. Die Ratifikationsurkunde der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon darf solange nicht hinterlegt werden, wie die von Verfassungs wegen erforderliche gesetzliche Ausgestaltung der parlamentarischen Beteiligungsrechte nicht in Kraft getreten ist. Die Entscheidung ist im
Ergebnis einstimmig, hinsichtlich der Gründe mit 7:1 Stimmen ergangen.