Polizeistatistik: Kinderporno-Fälle rückläufig
Kein Bein gestellt: Freispruch für Ex-Minister
Ein offensichtliches Fehlurteil beschäftigt die bayerische Justiz: Angehörige eines Landwirts waren zu hohen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie den Mann getötet, zerstückelt und an die Hofhunde verfüttert haben sollen. Nun wurde die Leiche des mutmaßlichen Opfers aber aus der Donau geborgen. Der Mann saß eingeklemmt hinter dem Steuer seines Autos. Sein Körper war unversehrt.
Das Gericht hatte die Urteile auf Geständnisse der Angehörigen gestützt. Allerdings hatten diese ihre Aussagen schon zu Prozessbeginn widerrufen. Kriminalistische Anhaltspunkte für die Tat sollen sich nicht gefunden haben.
Die Anwälte der Verurteilten vermuten, dass die Polizei die Beschuldigten zu Falschaussagen verleitet hat. Sie wollen die Wiederaufnahme des Verfahrens durchsetzen.
Es bedurfte zweier Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, um Kinderpornografie und Urheberrechtsverletzungen in einem Satz zu nennen – mit einer semantischen Steigerung in Richtung Urheberrecht:
Die SPD wäre dadurch Gefahr gelaufen, Straftaten im Internet Vorschub zu leisten, von der Vergewaltigung und Erniedrigung kleiner Kinder bis hin zu Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen.
Wie aber, so fragt man sich, kommt es dann zum letzten Satz:
Dabei machen wir – gerade als Medienpolitiker – ganz klar: Zugangssperren im Internet müssen und werden einzig und allein auf kinderpornographische Seiten beschränkt bleiben.
Will die CDU/CSU, mal ihre eigene Sicht der Dinge zu Grunde gelegt, wirklich Straftaten im Internet Vorschub leisten, indem sie die Zensur auf Kinderpornografie beschränkt? Will sie wirklich mit ansehen, wie Urheberrechte „in breitestem Ausmaß“ verletzt werden – obwohl man die Angebote doch ebenso sperren kann wie Kinderpornos?
Logisch ist das nicht. Es sei denn, die Schlussfloskel ist nur ein Lippenbekenntnis und wir werden angelogen. Das wäre zwar kein Verbrechen, aber abscheulich.
Nachtrag: Die Große Koalition hat sich auf das Zensurgesetz geeinigt
Ich musste 44 Jahre alt werden, um mal im eigenen Namen zu klagen. Die Postbank hat die Ehre, mich so weit herausgefordert zu haben.
Es geht um die SparCard. Mit diesem sinnvollen Produkt kann man zehnmal im Jahr kostenlos Geld abheben. Weltweit. An allen VISA-PLUS-Geldautomaten. In den Bedingungen der Postbank heißt es dazu wörtlich:
Im Ausland sind an den weltweit über 1.000.000 VISA-PLUS Geldautomaten zehn Abhebungen pro Jahr und Konto entgeltfrei. Ab der elften Verfügung sind Abhebungen kostenpflichtig in Höhe der im jeweils aktuellen Preis- und Leitungsverzeichnis hinterlegten Kondition.
Von dem Angebot habe ich im April Gebrauch gemacht. Doch bei drei Abhebungen – es handelte sich um die ersten im Jahr 2009 – an VISA-PLUS-Automaten in Thailand tauchten dann Gebühren auf. Jeweils 150 Baht, das sind rund drei Euro. Obwohl ich jeweils nur 20.000 Baht abgehoben habe, wurden mir 20.150 Baht in Rechnung gestellt. Auf den Quittungen, welche die Bankautomaten in Thailand ausspucken, sind die 150 Baht ausdrücklich als „Fee“ (Gebühr) ausgewiesen.
Auf meine freundliche Bitte, die 450 Baht zu erstatten, reagierte die Postbank nur mit einer lapidaren Antwort:
Für Ihre Abhebungen haben wir kein Entgelt in Rechnung gestellt. Der Betrag wurde offensichtlich von der ausländischen Bank für die Nutzung des Automaten einbehalten. Die Berechnung von Entgelten steht im Ermessen der jeweiligen Bank. Die Postbank hat hierauf keinen Einfluss.
Wäre mir neu, dass die ausländische Bank etwas „einbehalten“ hat. Die ist gar nicht meine Vertragspartnerin, sondern die Postbank. Und nur die Postbank behält etwas ein, indem sie es von meinem SparCard-Konto abbucht.
Außerdem frage ich mich, ob die bei der Postbank mal ihre eigene Werbeaussage gelesen haben. Darin steht, die ersten zehn Abhebungen an VISA-PLUS-Automaten seien „entgeltfrei“. Das ist an Eindeutigkeit kaum zu überbieten. Jedenfalls steht da nicht, dass die Abhebungen entgeltfrei sind mit Ausnahme von Gebühren, welche die Betreiber der VISA-PLUS-Geldautomaten im Ausland berechnen.
Es geht mir eigentlich nicht um die 9,72 €. Sondern darum, dass ich mich nicht für dumm verkaufen lasse.
Ich gebe ab ans Amtsgericht Hamburg-St. Georg
Vorhin von einem Mandanten gehört, dass ihm die Cops Handschellen angelegt haben, als sie ihn zu einer Blutprobe auf die Wache brachten. Der Mandant soll angesäuselt Auto gefahren sein.
Warum Handschellen? Der Mandant, eine bürgerliche Erscheinung, versichert, er habe sich weder gewehrt noch rumgemotzt. Selbst hatte er sich wegen der Fesseln noch nicht mal groß Gedanken gemacht, sondern diese für „selbstverständlich“ gehalten – bis zu meiner Rückfrage.
Da haben wohl beide Seiten zu viel amerikanisches Fernsehen geguckt.
Lieber Denkzettel als Brandmal. Erziehung statt Strafe. Aufklärung vor Haft. Diese Begriffe wabern seit wenigstens 30 Jahren durch Debatten immer dann, wenn es um die Jugendkriminalität geht. In ihrem „Kampf dagegen“ wollen zwei Ministerien des Landes jetzt den Goldenen Weg gefunden haben.
Am Freitag sind in Köln erstmals Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Jugendgerichtshilfe gemeinsam unter ein Dach gezogen – ins „Haus des Jugendrechts“. In dieser neuen Einrichtung, das hob Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) hervor, sollen „besonders intensive Anstrengungen“ unternommen werden, um den Jugendlichen in seiner persönlichen und sozialen Lage konkret zu unterstützen. Ihn aber zugleich auch zu kontrollieren. Und ihm, falls erforderlich (Motto: „Rote Karte“) sehr schnell zeigen, wo es lang geht.
Die Ministerin meint, erst dieses konzentrierte und auf aktuellem Stand gehaltene Wissen versetze einen Jugendrichter in die Lage, dem jungen Beschuldigten schnell und spürbar eine passende Antwort auf seine Straftaten zu geben. Das sei sowohl aus erzieherischen Gründen „als auch im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung geboten“.
Innenminister Ingo Wolf (FDP) spricht für die Polizei von einem Prinzip der zusammen geschobenen Schreibtische. Genau die stoßen dem Strafrechtsausschuss des Kölner Anwaltvereins sauer auf: Die vertrauliche Arbeit der Jugendgerichtshilfe sei ein „zu schützender Rahmen“. Der dürfe nicht durch nun geplanten Informationsaustausch mit der Polizei gefährdet werden. Die Anwälte lehnen das „Haus des Jugendrechts“ ab und fragen mahnend: Wo bleibt denn das Jugendministerium dabei? (pbd)
Ob bei Demonstationen, Fußballspielen, Volksfesten oder ganz normalen Familienstreitigkeiten – Polizeibeamte werden immer wieder „hemmungslos“ angegriffen. Das hat gestern die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) behauptet, sie nennt eine Zahl: In Nordrhein-Westfalen stieg 2008 im Vergleich zum Vorjahr die Zahl von Widerstandsleistungen gegen Vollstreckungsbamte um 1.094 auf 6.414 Fälle (plus 20,6 Prozent).
Auch deswegen müsse die Strafandrohung bei Widerstand von derzeit zwei Jahren auf fünf Jahre angehoben werden, „damit die Gerichte auch härter urteilen können“. Die momentane Androhung sei vergleichbar mit dem Tatbestand der Fischwilderei „und damit ein fatales Signal eines schwachen Staates.“
Im täglichen Einsatz, so die DPolG, erleben Polizeibeamte täglich tausendfach, wie Achtung und Respekt vor dem Staat und seinen Organen dramatisch abnehmen. (pbd)
Von Mattias Schlenker
DNS-basierte Internetsperren kinderpornografischer Inhalte galten bislang als der einzig praktikable Weg, ohne Verfassungsänderung schnell ein symbolträchtiges Sperrgesetz auf den Weg zu bringen: Befürworter des Gesetzes argumentieren, dass eine manipulierte Nameserver-Antwort noch in die Phase vor dem Kommunikationsaufbau fällt und deshalb keinen grundrechtsrelevanten Eingriff in die Kommunikation selbst darstellt.
Die Funktionsweise der im „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“ geplanten Sperren ist am ehesten mit einer manipulierten Telefonauskunft zu vergleichen: Ruft ein Surfer eine Webseite auf, wird zunächst bei einem Nameserver die einem Hostnamen zugehörige IP-Adresse angefragt. Bei den hierzulande geplanten und in einigen skandinavischen Ländern umgesetzten Sperren liefert der – auf staatliches Geheiß – manipulierte Nameserver des Internetproviders einfach die IP-Adresse des „Stoppseitenservers“, der entweder beim BKA oder beim Provider stehen wird.
Bislang konzentriert sich die Debatte lediglich auf die Sperrung von Webseiten, fast jeder Diskussionsbeitrag und jedes Rechtsgutachten geht davon aus, dass der Anfrage an einen Nameserver zwangsläufig ein HTTP-Aufruf, also die Abfrage einer Webseite folgt.
Doch was geschieht, wenn die Anfrage an den Nameserver vorgenommen wird, um in der Folge eine E-Mail zustellen zu können?
Bei E-Mail folgt ein zweistufiges Auskunftsverfahren: Zunächst wird der Nameserver angefragt, welcher Host denn als Mail-Exchange zuständig ist. Bei „großen“ Domains ist das oft ein separater Server („mail.domain.xyz“, „mx.domain.xyz“ o.ä.; feste Regeln für den Namen existieren nicht), bei „kleinen“ Domains häufig „www.domain.xyz“.
In der zweiten Stufe – der Anfrage nach der IP-Adresse des so bekannt gewordenen Mail-Servers – wird folglich auch bei der Mail-Zustellung mit der IP-Adresse des „Stoppseitenservers“ geantwortet: Es folgt der Zustellversuch nicht an den eigentlichen Nameserver, sondern an den „Stoppseitenserver“.
An dieser Stelle wird spannend, wie der „Stoppseitenserver“ mit den Zustellversuchen umgeht: Die sauberste Konfiguration wäre wohl, einfach gar keine E-Mails anzunehmen oder durch die DNS-Sperren verursachte Fehlzustellungen korrekt als unzustellbar abzuweisen. In diesem günstigsten Fall findet nur ein kurzer Dialog zwischen Sender- und Empfänger-Mailserver statt, in dem lediglich die Absenderadresse mitgeteilt wird: Der „Stoppseitenserver“ erfährt nichts vom Inhalt der Nachricht.
Denkbar wäre jedoch auch eine weit perfidere Konfiguration, bei der das Mailsystem des „Stoppseitenserver“ einfach alle Nachrichten an die Domain der Sperrliste als vermeintlich zustellbar annimmt, vielleicht weiterleitet, aber für die Analyse durch die Polizeibehörden speichert. So gewonnene Informationen dürften für die Strafverfolger weit interessanter sein als die Webserverlogs der „Stoppseite“, aus denen bekanntlich nicht hervorgeht, ob ein Aufruf absichtlich oder zufällig erfolgt (beispielsweise weil eine Spam-Mail eine Grafik auf einem auf der Liste verzeichneten Server einbindet).
Bereits der schwächere Fall der Abweisung einer Nachricht als unzustellbar greift in das Fernmeldegeheimnis ein, weil hier die „näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche“ bekannt werden. Eingriffe der Strafverfolgungsbehörden in Telekommunikationsvorgänge sind jedoch nur auf richterliche Anordnung zulässig.
Doch gerade auf die richterliche Anordnung wird – vorgeblich aus Zeitgründen – verzichtet, lediglich ein verwaltungsrechtliches Einspruchsverfahren im Nachhinein ist vorgesehen. Während der Gesetzentwurf im Detail die Sperrung auf Ebene der Auflösung in IP-Adressen fordert und sich auf Telemedienangebote konzentriert, trifft er keine Aussage darüber, was mit versehentlich „fehlgeleiteter“ E-Mail passieren soll.
Wird das Gesetz in seiner derzeit diskutierten Form Realität, dürften sich Strafverfolger und Gefahrenabwehrer bald über die neuen, einfachen Möglichkeiten der E-Mail-Überwachung per Sperrlisteneintrag freuen.
Mattias Schlenker ist Autor und EDV-Berater
http://blog.rootserverexperiment.de/
http://blog.mattiasschlenker.de/
Wochen- und monatelang hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen getönt, Kinderpornografie sei ein Millionengeschäft. Nun gibt die Bundesregierung, allerdings das Wirtschaftsministerium, auf eine Anfrage der FDP zu:
Die Bundesregierung verfügt über keine detaillierte Einschätzung des kommerziellen Marktes für Kinderpornographie in Deutschland.
Entweder weiß Frau von der Leyen mehr als die Bundesregierung, der sie angehört. Oder sie behauptet ins Blaue hinein oder aus dem Bauch heraus etwas, für das es derzeit weder Erkenntnisse noch Belege gibt.
In der Antwort der Bundesregierung wird zwar noch auf internationale Erkenntnisse hingewiesen. Diese sind aber wenig geeignet, die Mär von der Kinderpornoindustrie zu stützen. Mit Geld zu tun hat einzig der Verweis auf Erkenntnisse aus dem Jahr 2004, wonach über Konten, die im Zusammenhang mit Kinderpornografie gesehen wurden, in einer Woche 1,3 Millionen US-Dollar geflossen sind. Bis heute fehlt allerdings jeder Beleg dafür, dass der angebliche Zahlungsstrom tatsächlich aus Geschäften mit Kinderpornografie herrührt.
Andere Zahlen kann die Bundesregierung offensichtlich nicht nennen. Stattdessen wird angeführt, die Zahl der kinderpornografischen Abbildungen im Netz habe sich von 1998 bis 2008 von 100.000 auf 15 Millionen erhöht. Dies ist, Richtigkeit unterstellt, wohl zunächst dem Umstand geschuldet, dass das Internet 1998 noch in den Kinderschuhen steckte. Zum anderen gibt die Zahl der kinderpornografischen Inhalte im Netz keinen Aufschluss darüber, ob mit ihnen Geld verdient wird.
Weiter beruft sich die Regierung auf den Bericht der Internet Watch Foundation. Dieser Verband verwaltet in England unter anderem die Sperrliste für Kinderpornoseiten. Die IWF soll in ihrem Jahresbericht 2008 festgestellt haben, „ein Großteil“ der kinderpornografischen Seiten im Netz sei kommerziell organisiert. So weit ich das recherchieren konnte, wird in dem Jahresbericht zwar diese Wertung geäußert – überprüfbare Rohdaten nennt die IWF aber auch nicht.
Es lässt sich also festhalten, dass die Bundesregierung so einen grundrechtsintensiven Eingriff wie die Internetzensur durchpauken will, obwohl sie eingestandenermaßen keine belastbaren Daten für ihre Behauptungen hat.
Das gilt nicht nur für die Frage nach dem angeblichen Kommerz mit Kinderpornos. Sondern auch für die meisten anderen Kritikpunkte, die gegen die geplanten Stoppschilder geübt werden. Die meisten anderen Fragen werden mit dem Eingeständnis beantwortet, nichts Genaues zu wissen. Odem.org hat die entlarvenden Passagen zusammengestellt.
Zum Geschäft mit den Kinderpornos habe ich mich bereits hier geäußert.
Er ist Zucker für die Fantasie, dieser dehnbare Begriff im Polizeirecht. Denn was steckt hinter der „einfachen körperlichen Gewalt“? Damit kann der sanfte Stups eines Polizeibeamten gegen die Schulter eines festgenommenen Ladendiebes gemeint sein. Aber auch ungezählte brutale Faustschläge auf Augen, Mund und Nase fallen unter diese Lesart.
Genaus dies bekam am 15. Dezember 2002 der 39-jährige Andreas K. aus Espelkamp (Kreis Minden-Lübbecke) zu spüren. Und er wehrte sich mit dem richtigen Gegenmittel, einer Amtshaftungsklage. Sicher, K. war reichlich alkoholisiert. Er belästigte in diesem Zustand bei einer Party die Mädchen des Fanfarenzuges. Polizeibeamte waren bemüht, den unliebsamen Störer „wegzubringen“.
Seitdem leidet der Heizungsbauer unter einer Querschnittslähmung und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Die Folgen einer einfachen körperlichen Gewalt? Weil die Polizeibeamten das Rückenmark des Handwerkers verletzten, bekam der jetzt vom Oberlandesgericht Hamm (OLG) 100.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das Land muss im Rahmen der Amtshaftung zudem mit 50 Prozent für alle Folgeschäden aufkommen. Dazu zählen der Verdienstausfall und ein rollstuhlgerechter Umbau der Wohnung.
Sicher, der betrunkene Andreas K. hatte an diesem Abend randaliert. Er wollte partout nicht in den Streifenwagen und wehrte sich. „Er machte Randale“, so heißt in der Akte. Er bot damit Anlass zum gewaltsamen Einsatz der Polizei, so stellt es das Gericht fest. Einerseits.
Andererseits: Die Beamten, die von einem „ganz normalen Einsatz“ sprachen, beachteten nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das konnte im zwei Jahre langen Streit zwischen K.s Anwalt Rolf Lammermann und den Anwälten des Landes nur ein Gutachter herausarbeiten. Dessen medizinischer Befund ergab: Womöglich wurde K. von den Beamten im Schwitzkasten bis zu einer Minute die Luft abgedrückt. Oder ein Polizeiknie drückte dem am Boden liegenden Handwerker mit Gewalt in die Wirbelsäule.
Fest steht: Durch den Einsatz verschob sich ein Wirbel um 3 Zentimeter, das Rückenmark wurde verletzt. Andreas K. hatte in seiner Amtshaftungsklage ein angemessenes Schmerzensgeld vom Land gefordert. Das Oberlandesgericht Hamm dachte an 200.000 Euro, strich dann die Hälfte, weil es eine Mitschuld des Klägers sieht (AZ: 11 U 175/07).
Solche Gerichtsverfahren sind schwierig, weil sich das Land meistens lange und heftig wehrt. Das Opfer eines SEK-Einsatzes etwa musste acht Jahre lang prozessieren. Beamte des Spezialeinsatzkommandos hatten am 8. Dezember 2000 in Siegburg den unschuldig verfolgten Fliesenlegermeister Josef H. mit „einfacher körperlicher Gewalt“ zum Frührentner gemacht. Erst das OLG Köln urteilte ähnlich wie die Hammer Kollegen gegen das Land (AZ: 7 U 53/08).
Das Land widersetzte sich auch vehement dem Anspruch eines Landwirts aus dem Raum Kleve. Dessen drei trächtige Kühe waren von Polizeibeamten erschossen worden – die Tiere waren der Weide entkommen. Doch die Beamten hatten nicht einmal versucht, die Kühe Tiere durch einen Veterinär betäuben zu lassen.
Das Landgericht Kleve (AZ: 1 0 156/05) verurteilte das Land zum Schadensersatz. Die Berufung des Landes war ohne Erfolg. Wer landauf, landab nach mehr solcher Fälle fragt, stößt bei Polizei und Justiz auf größere Gedächtnislücken. „Wir führen darüber keine Statistiken“, heißt es immer wieder zur Rechtfertigung.
Deswegen auch führt die Eingabe des Begriffs „Amtshaftungsklage“ beim Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik zu dieser Antwort: „Die Suche erbrachte leider kein Ergebnis. Überprüfen sie die Rechtschreibung oder versuchen sie es mit einem allgemeineren Suchbegriff“. Da ist er wieder. Der Freiraum für die Fantasie. (pbd)
Wieder ein klares Bekenntnis:
In jedem Fall sollte aber meines Erachtens in der Debatte, welche Maßnahmen zur Gewaltprävention ergriffen werden, die von den Bundesministern von der Leyen und Schäuble vorgeschlagene Sperrung von kinderpornografischen Seiten im Internet mit Blick auf Killerspiele neu diskutiert werden.
CDU-Abgeordneter Thomas Strobl auf abgeordnetenwatch.de.
Die Beteuerungen, Netzsperren seien ausschließlich Kinderpornografie vorbehalten, sind schlicht unglaubhaft. Das Argument Kinderpornografie ist nur der bequeme Türöffner, um Stoppschilder vor weitere unliebsame Inhalte stellen zu können. Morgen trifft es Islamisten und die Hersteller von PC-Spielen, übermorgen Tauschbörsen und Webseiten, auf denen Meinungen abseits des Mainstreams vertreten werden.
Selbst wenn man den heute Verantwortlichen die Gutmenschen abnimmt (was ich nur noch bedingt tue), ist nicht zu vergessen: Gesetze, die heute gemacht werden, sind der Werkzeugkoffer, aus dem sich künftige Regierungen bedienen werden.
Im Fall der Internetzensur könnte das mit einem schäbigen, selbstzufriedenen Grinsen geschehen.
Eine wichtige Nachricht aus Frankreich: Der Verfassungsrat hat die Internetsperren für Raubkopierer für verfassungswidrig erklärt. Per Gesetz hatte die Nationalversammlung im Mai bestimmt, dass eine Überwachungsstelle vermeintliche Raubkopierer aufspürt und sie drei Mal verwarnt. Beim dritten Verstoß wäre der Internetanschluss für ein Jahr gesperrt worden, hätte aber weiter bezahlt werden müssen.
Die obersten französischen Richter sehen die Kommunikationsfreiheit verletzt. Außerdem die Unschuldsvermutung, denn der Anschlussinhaber müsse nicht zwingend der „Täter“ sein. Eine Umkehr der Beweislast sei verfassungswidrig.
Bericht bei stern.de, weitere Quellen.
Die Wettbewerbszentrale, eine der fleißigsten Abmahnerinnen in Deutschland, hat Probleme mit Trittbrettfahrern. Unbekannte Dritte schicken Abmahnungen unter der Bezeichnung Zweigstelle Hamm-Bellendorf der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. Es wird die Verletzung von Wettbewerbsregeln im Internet beanstandet und gleichzeitig die Zahlung einer Aufwandspauschale verlangt.
Die echte Wettbewerbszentrale weist darauf hin, dass es sich hier um fingierte Abmahnungen handelt. Sie rät auf die in der Abmahnung gestellten Forderungen nicht einzugehen und insbesondere keine Zahlungen zu leisten.
Die Staatsanwaltschaft soll eingeschaltet sein.