Geschmeidig angepasst

Meine Mandantin nutzte einen verfälschten EU-Reisepass, um sich ein Zimmer in einem Bordell zu mieten. Bei der nächsten Razzia flog sie natürlich auf und durfte mit zur Polizei. Da es rechtlich nicht möglich war, sie in Abschiebehaft zu nehmen, durfte sie wieder gehen.

Vorher wurde aber ihr ganzes Geld als „Sicherheitsleistung“ einbehalten. Außerdem erklärte sie sich schon im vorhinein schriftlich mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Auflage einverstanden.

Nicht gerade überraschend hat die Staatsanwaltschaft jetzt das Verfahren eingestellt. Die Auflage beläuft sich auf 2.500 Euro, genau der Betrag, den meine Mandantin bei sich führte.

Erfahrungsgemäß wäre es bei 300 oder 15.000 Euro ebenso gelaufen. Für die Betroffenen ist das natürlich nicht schlecht, denn normalerweise kommt man, zumal als Wiederholungstäter, für Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Ausländergesetz nicht so gut weg.

Trotzdem ist es schon interessant, wie geschmeidig sich das Sanktionsinteresse des Staates dem Inhalt der jeweiligen Geldbörse anpasst.

Drei Tage

Drei (Werk-) Tage vor einer Hauptverhandlung nehme ich den Einspruch gegen einen Strafbefehl zurück. Vorab per Fax; damit hatte sich der Termin erledigt.

Nun weiß ich, bei manchen Amtsgerichten kann man nicht damit rechnen, dass dem Richter ein Fax nach 72 Stunden vorliegt. Eine Woche müsse man kalkulieren, sagte der Richter, als er sich freundlicherweise aus dem Gerichtssaal erkundigte, wo ich bleibe.

E-Mail hat er zwar, aber da schaut er nur selten rein.

Ich habe gehört

E-Mail:

Guten Tag Herr Vetter,

ich habe bereits von mehreren Freunden gehört, dass Sie gerne eine kostenlose Einschätzung über die rechtliche Lage geben. Ich würde mich über Ihre Einschätzung zu folgendem Fall freuen:

Ein Freund von mir…

Antwort:

Ihre Freunde scherzten. Das ist Ihnen wahrscheinlich entgangen.

Derzeit

Ursula von der Leyen:

Der § 184 b des Strafgesetzbuches, der sexuelle Missbrauch von Kindern, ist ein klar abgrenzbarer Bereich. Auf dieser Grundlage sollen die Listen durch das Bundeskriminalamt unter der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erstellt werden. Dies und nur dies sind die zu sperrenden Inhalte, über die wir derzeit sprechen.

Und worüber sprechen wir demnächst?

Polizisten sollen U-Haft kontrollieren

Das geplante Gesetz stellt die Rechtssicherheit in Nordrhein-Westfalen auf den Kopf – der Deutsche Richterbund warnt schon davor und hat „verfassungsrechtliche Bedenken“. Denn künftig sollen die Kriminalbeamten, die einen vermeintlichen Rechtsbrecher ermittelt und festgenommen haben, auch dessen Briefe in der Untersuchungshaft kontrollieren dürfen.

Sie sollen auch weiter darüber entscheiden, ob und wer den Gefangen im Knast besuchen darf. So jedenfalls sieht es ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor. Es geht um die Ausübung einer Macht, die bislang nur Richtern zusteht. Und im Notfall den Staatsanwälten.

Die beiden Berufsgruppen schon sind unterschiedlich. Während die Richter verfassungsgemäß zur unabhängigen Rechtsprechung gehören, sind die Staatsanwälte weisungsgebundene Beamte. Die wiederum haben – so heißen sie in der Strafprozessordnung – Ermittlungspersonen. Das sind meistens ausgesuchte, erfahrene Beamte der Kriminal- und der Schutzpolizei. Nur sie dürfen etwa bei „Gefahr im Verzuge“ unter engen Grenzen die Entnahme einer Blutprobe oder eine Hausdurchsuchung anordnen.

Dass sie künftig zusätzliche, also bislang fremde Aufgaben übernehmen sollen, begründet der Gesetzesentwurf der Bundesregierung mit der Überlastung der Staatsanwaltschaften. Die soll allerdings weiter die Verantwortung dafür tragen, was ihre Ermittlungspersonen künftig entscheiden.

Wie das demnächst in der Praxis funktionieren soll, weiß selbst das nordrhein-westfälische Justizministerium nicht. „Das lässt schwerlich schon heute mitteilen“, sagt Behördensprecher Ulrich Hermanski. Er meint, noch sei alles „im Schwange“.

Dem Deutschen Richterbund ist das Gesetz ein Gräuel. Der DRB skizziert diesen Fall: Der Beschuldigte wird von der Polizei festgenommen. Nach einem kurzen Intermezzo beim Richter ist wieder die Polizei gefragt. Damit entstehe der Eindruck, dass aus einer Untersuchungs- eine Polizeihaft werde. „Es wäre besser, die Staatsanwaltschaften personell aufzustocken“, heißt es in der NRW-Richterzeitung. (pbd)

Wir werden sehen

Herr N. hat mich mit seiner Verteidigung in einer Strafsache beauftragt. Es geht um das Berufungsverfahren. Ich lege Berufung ein, erhalte die Akte. Nach einiger Zeit dann der Anruf des Kammervorsitzenden.

Ich bin nicht da. Er lässt ausrichten, ich solle mich auf einen langen Tag einstellen. Er werde alle Zeugen vernehmen, notfalls bis 20 oder 21 Uhr. Für ihn sei das kein Problem. Ende der Botschaft.

Ob da auch was zwischen den Zeilen steht? Wir werden sehen…

Katja Günther hat ein Konto weniger

Das Landgericht München 1 hat gestern die Klage der Rechtsanwältin Katja Günther auf Fortführung der Kontoverbindung bei der Stadtsparkasse München abgelehnt und auch die einstweilige Verfügung aufgehoben, das Konto bis zum rechtskräftigen Urteil weiter zu führen (Aktenzeichen 28 O 398/09).

„Wir begrüßen es sehr, dass sich das Gericht für unsere Auffassung entschieden hat und wir endlich diese belastende Kontobeziehung auflösen dürfen, die dazu missbraucht wurde, ahnungslose Internetnutzer zu prellen und ihnen erhebliche Geldbeträge abzunötigen“, so Harald Strötgen, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse München. Leider hätten sich viele Betroffene einschüchtern lassen und die Mahnungen der Rechtsanwältin Günther beglichen, um sich weiteren Ärger zu ersparen.

Verschiedene Medien berichteten bereits vom Geschäftsgebaren der Rechtsanwältin, die bei der Stadtsparkasse München ein so genanntes Anderkonto, also ein Konto für Ansprüche Dritter, geführt hat. Günther trieb mit Mahnungen Geldbeträge für verschiedene Anbieter von angeblich im Internet zustande gekommenen Verträgen für „Nutzlos-Inhalte“ im Web ein.

Für die Stadtsparkasse München war das Geschäftsgebaren der Rechtsanwältin bei der Kontoeröffnung in keiner Weise ersichtlich gewesen. Nach Hinweisen von Betroffenen und Geprellten hat die Stadtsparkasse die Konten sofort gekündigt, um den Missbrauch der Konten zur Schädigung weiterer Internetnutzer zu verhindern. Gegen die Kontokündigung erwirkte die Anwältin zwei gerichtliche Verfügungen, durch die die Stadtsparkasse München gezwungen wurde, die Konten mehrere Monate aufrecht zu erhalten.

Diese Verfügungen wurden nunmehr aufgehoben und die Klage der Anwältin abgewiesen.

IT-Eltern gegen Symbolpolitik

Wer in der IT-Branche arbeitet, Mutter oder Vater ist und in die Diskussion um Internetsperren eingreifen will, kann bis heute nachmittag hier eine Erklärung zeichnen. Die Erklärung wendet sich gegen Internetsperren. Sie fordert eine sachliche Debatte und wirksame Maßnahmen statt Symbolpolitik.

Rotarmist und NS-Verbrecher

„Einer der letzten noch lebenden NS-Verbrecher“. So die Standardwendung in den Zeitungen über John Demjanjuk, der heute von den USA an Deutschland ausgeliefert wurde. Es gibt viele Ungereimtheiten in seinem Lebenslauf. Ob er „Iwan der Schreckliche“ war, konnte etwa nie geklärt werden. Am Ende waren die Zweifel so groß, dass Israel ihn trotz eines Todesurteils wieder nach Amerika schickte.

Was allerdings über John Demjanjuk festeht, ist folgendes: Er war gebürtiger Ukrainer und kämpfte in der Roten Armee. Als russischer Soldat geriet er im Mai 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Was danach geschah, wird schon wieder unterschiedlich gedeutet. Nach der einen Ansicht ließ sich Demjanjuk von der SS anwerben, kriegte einen Dienstausweis und war fortan eine Art Angestellter im Tötungsbetrieb des Holocaust.

Demjanjuks Anwalt Ulrich Busch sieht das anders:

Laut Busch bestreitet sein Mandant, je in Sobibor gewesen zu sein. Doch selbst wenn das Gericht unterstelle, er sei dort gewesen, müsse Demjanjuk freigesprochen werden. Als gebürtiger Ukrainer wäre er in diesem Fall ein damals so genannter fremdländischer Wachmann gewesen. Für diese gelte aber ein Befehlsnotstand. „Entweder halfen sie mit oder sie wanderten in die Gaskammern. Wenn er am Ende doch da gewesen wäre, wäre er entschuldigt“, sagte Busch. (Focus)

Wie auch immer, dass ausgerechnet ein Ex-Rotarmist und Kriegsgefangener als „letzter lebender NS-Verbrecher“ den Kopf hinhalten muss, ist schon eine Ironie der Geschichte – wenn man an die zahlreichen KZ-Schergen deutscher Herkunft denkt, die unbehelligt im Nachkriegsdeutschland lebten oder hier gar nach wie vor ihren Lebensabend verbringen.

Zwei Promis und ich

Der Beschuldigte braucht einen Pflichtverteidiger. Dem Gericht macht er drei Vorschläge:

a) einen Rechtsanwalt und hochrangigen CDU-Bundespolitiker;

b) einen Rechtsanwalt und prominenten Bundestagsabgeordneten der Grünen;

c) mich.

Das Gericht hat jetzt wohl alle drei „Kandidaten“ angeschrieben und fragt, ob grundsätzlich Bereitschaft besteht, die Verteidigung zu übernehmen. Ich sage ja. Natürlich auch, um später mal erzählen zu können, ich hätte dem Soundso ein Mandat weggeschnappt.