Danke, Hollywood

Als Verteidiger muss ich mit Mandanten auch über mein Honorar sprechen. Da ich normalerweise nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz arbeite, muss eine schriftliche Honorarvereinbarung geschlossen werden. Mündliche Absprachen sind nämlich nicht wirksam.

Ich schlage regelmäßig Alternativen vor:

– Vergütung nach einem Stundensatz;

– Pauschalbetrag.

Persönlich finde ich den Stundensatz besser. Der Mandant bezahlt nur die Arbeit, die ich leiste. Ich kriege aber auch meine tatsächliche Arbeit bezahlt.

Beim Pauschalhonorar besteht immer die Gefahr, dass eine Seite „benachteiligt“ ist. Entweder der Mandant, weil sich (wer weiß das schon vorher?) das Verfahren mit wenig Aufwand aufdröseln und sozialverträglich beenden lässt. Oder ich, weil sich der Einsatz, den ich natürlich trotzdem erbringen muss, betriebswirtschaftlich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr rechnet.

Letzteres möchte ich eigentlich vermeiden. Deshalb ist immer, wenn ich ein Pauschalhonorar nenne, ein Zuschlag enthalten. Der sorgt dafür, dass ich im Regelfall nicht in die Röhre gucke. Nach knapp 15 Jahren als Verteidiger liege ich mit der Schätzung des Arbeitsaufwandes auch nur noch ganz selten komplett daneben.

Erstaunlicherweise scheinen Mandanten das alles anders zu sehen, auch wenn sie es normalerweise nicht offen sagen. Sie befürchten wirklich, dass der Anwalt Stunden ohne Ende kloppt und ihnen die Kosten über den Kopf wachsen.

Ich vermute, amerikanische Anwaltsserien tragen in diesem Punkt ordentlich zur Aufklärung bei. Deshalb an dieser Stelle mal ein herzlicher Dank nach Hollywood.

Jetzt geht es um Millimeter

Im Fall der supergenauen Polizisten versuche ich es mal mit einer Eingabe ans Amtsgericht:

In dem Bußgeldverfahren
gegen L.
… OWi

rege ich an, das Bußgeldverfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.

Es ist bereits fraglich, ob die von der Polizei angestellten Messungen hinreichend genau sind. Bei der Öse wäre nach Angaben der Polizei ein Maß von 41,5 mm zulässig gewesen. Die Lehre soll aber 41,6 mm angezeigt haben. Wir reden hier also über einen zehntel Millimeter!

Ob eine derart genaue Messung am Rande einer Autobahn an einem Wintertag nach Einbruch der Dunkelheit möglich ist, wäre gegebenenfalls durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Jedenfalls ist aber eine Unterschreitung der Toleranz um einen zehntel Millimeter nicht geeignet, die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges wesentlich zu beeinträchtigen.

Gleiches gilt für den Bolzen. Dieser soll 1 mm (!) weiter abgenutzt gewesen sein, als es zulässig ist. Es ist bereits nicht einmal klar, woraus sich ergibt, dass der Bolzen ein Mindestmaß von 36,5 mm aufweisen muss. Jedenfalls gilt auch hier, dass eine Messung von 1 mm an einem kalten Winterabend am Rande der Autobahn wohl nicht hinreichend genau sein dürfte.

Ein Sachverständigengutachten wurde von der Polizei nicht in Auftrag gegeben, so dass die Beweise nicht hinreichend gesichert wurden. Das kann nicht zu Lasten des Betroffenen gehen.

Überdies ist es so, dass die Fahrzeuge in der Tat im „Vollservice“ gewartet werden. Selbst wenn die Toleranzgrenzen derart geringfügig unterschritten gewesen sein sollten, was mein Mandant bestreitet, hätte ihm dies bei der vorgeschriebenen Sichtprüfung vor Fahrtantritt gar nicht auffallen können.

Jedenfalls ist offenkundig, dass hier kein gravierender Verkehrsverstoß vorliegt. Somit erscheint es gerechtfertigt, von einer weiteren Verfolgung nach § 47 Abs. 2 OWiG abzusehen.

Sollte das nichts helfen, kommen vier Wochen vor der Verhandlung ein paar Beweisanträge. Zum Glück ist der Mandant rechtsschutzversichert.

BKA: Kein Wissen ohne Handeln

Wie ist das eigentlich, wenn das Bundeskriminalamt demnächst Listen erstellt, nach denen die Internetprovider Stoppschilder vor Domains stellen? Dies bedeutet doch, ein Beamter hat sich (hoffentlich) davon überzeugt, dass auf den Servern tatächlich Kinderpornografie gehostet wird.

Er hat somit Kenntnis davon, dass über einen bestimmten Server Kinderpornografie verbreitet wird. Das ist eine Straftat. Lassen wir mal die Frage offen, ob die deutschen Polizeibehörden sich für Server zuständig fühlen müssen, die im Ausland stehen. Aber eins ist doch klar: Wer solche Sperrlisten verwaltet und implementieren lässt, der hat auch die Möglichkeit, durch simple Abfragen (Beispiel) herauszufinden, dass so ein Server wahrscheinlich in Deutschland steht.

Sofern das der Fall ist, haben die Ermittlungsbehörden, hier das Bundeskriminalamt, keinen Spielraum:

§ 163 Strafprozessordnung

(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes übersenden ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Erscheint die schleunige Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen erforderlich, so kann die Übersendung unmittelbar an das Amtsgericht erfolgen.

Meyer-Goßner, der Standardkommentar zur Strafprozessordnung, umreißt die Vorschrift mit einem treffenden Wort: Erforschungspflicht. Die Polizei muss ohne Wenn und Aber jedem Tatverdacht nachgehen. Ihr steht, im hier interessierenden Deliktsbereich, kein Ermessen zu.

Natürlich ist das Bundeskriminalamt nicht verpflichtet, von sich aus das Internet nach deutschen Kinderpornoservern zu durchsuchen. Aber wenn man im Rahmen der Internetzensur darauf stößt und dann nichts weiter macht als Stoppschilder aufzustellen, könnte das in eine Handlungspflicht erwachsen.

Ich möchte jedenfalls nicht der Beamte sein, der Stoppschilder vor deutsche Internetserver setzt und es damit gut sein lässt. Das ließe sich nämlich zwanglos als Strafvereitelung im Amt (§ 258, § 258a Strafgesetzbuch) bewerten.

(Ich greife einen Gedanken von Oldman auf.)

Staatsanwaltschaft mit leeren Händen

Schnell ermitteln, falls nötig sofort anklagen und möglichst rasch ein Strafgerichtsurteil erreichen– zu alledem ist nach der Krawallnacht nach dem Aufstieg von Fortuna 95 in Düsseldorf die Staatsanwaltschaft bereit. Ihr sind allerdings die Hände gebunden: „Uns fehlen belastbare Fakten und verlässliche Zahlen von der Polizei“, sagte gestern Behördensprecher Christoph Kumpa.

Damit ist die Möglichkeit verspielt, den 24 mutmaßlichen Gewalttätern etwa noch zum Wochenende den Prozess zu machen. Den gesetzlichen Weg dazu gibt es. Das „beschleunigte Verfahren“ wird in der Strafprozessordnung geregelt. Die geht von einem einfachen Sachverhalt aus. Und den sehen die Ermittler auch.

Es sind überwiegend deutsche Staatsangehörige aus dem Raum Düsseldorf im Alter von 15 bis 49 Jahren, die des Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte beschuldigt werden.

Speziell für diese Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft eine Sonderdezernentin abgestellt. Jeanette Bold könnte nach Prüfung der Vorwürfe beim Amtsgericht ohne Anklageschrift auftreten, doch sie hat noch keine einzige Akte. Polizeisprecher Wolfgang Rodax: „Wir arbeiten mit Hochdruck!“ (pbd)

Kinderpornos: Provider reagieren schnell

Im Streit um geeignete Maßnahmen gegen im Internet dokumentierten Kindesmissbrauch („Kinderpornographie“) wird von Befürwortern bloßer Sperren angeführt, dass es oftmals nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich sei, die Inhalte zu entfernen oder der Urheber habhaft zu werden.

Jetzt machte Alvar Freude vom Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) die Probe aufs Exempel, analysierte mit automatischen Verfahren die diversen europäischen Sperrlisten und schrieb die Provider an, auf deren Servern sich laut der Listen kinderpornographisches Material befinden soll. Mit beeindruckender Resonanz: Innerhalb der ersten 12 Stunden nach Aussenden der Mails wurden bereits 60 Webauftritte gelöscht.

Weitere Resultate und Erkenntnisse:

* Die ersten Reaktionen bzw. Löschungen folgten bereits nach wenigen Minuten und kamen unter anderem aus den USA, Holland, Dänemark, Russland sowie Deutschland.

* Drei der jetzt vom Netz genommenen Webauftritte befanden sich auf Servern in Deutschland.

* Insgesamt wurden automatisiert 348 verschiedene Provider in 46 Ländern angeschrieben und über rund 1943 gesperrte vorgeblich illegale Webseiten informiert. Eine manuelle inhaltliche Analyse der Webseiten hat vorher nicht stattgefunden.

* 250 Provider haben auf die Anfrage geantwortet, haben aber hauptsächlich legale Inhalte gefunden; mit Stichproben konnten diese Angaben bestätigt werden.

* Zehn Provider gaben an, ingesamt 61 illegale Inhalte entfernt zu haben. Mit einer einfachen E-Mail kann man also schon viel erreichen.

* Bei der überwiegenden Mehrheit der Webseiten, darunter einigen aus Deutschland, zeigte sich bei der Überprüfung durch den Provider, dass die Webseiten kein kinderpornographisches, teils überhaupt kein irgendwie beanstandbares Material enthielten – die Webauftritte waren folglich zu Unrecht gesperrt. In Finnland werden zudem auch mehrere inländische Webseiten blockiert, die sich kritisch mit den dortigen Internet-Sperren auseinandersetzen.

* Die Provider wurden bislang nicht darüber informiert, dass die bei ihnen gehosteten Webauftritte auf einschlägigen Sperrlisten geführt wurden.

* Wenn sie darauf hingewiesen werden, sind die Provider zur Kooperation bereit und entfernen illegale Inhalte umgehend.

* Teilweise handelte es sich bei dem gesperrten Material um „gecrackte“ Webauftritte, also solche, die durch Ausnutzen von Sicherheitslücken zur Verbreitung fremden Materials missbraucht wurden. Auch hier zeigten sich die Provider sehr dankbar für die Hinweise.

Die Abschaltung von Webauftritten mit kinderpornographischen Inhalten dauert nicht länger als die Übermittlung einer Sperrliste. Dies führt die Argumentation der Befürworter des bloßen Sperrens ad absurdum – es gibt keinen sachlichen Grund, strafbare Inhalte im Netz zu belassen und sie für alle einschlägig Interessierten mit minimalem Aufwand weiterhin zugänglich zu halten.

Was für eine Bürgerinitiative wie den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur möglich ist, sollte für die deutsche Regierung und Strafverfolgungsbehörden ein Leichtes sein und die hier erzielten Ergebnisse deutlich übertreffen können.

Pressemitteilung des AK Zensur

Nachtrag: Kulturstaatsminister für Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen

Artikel-Schnelldienst

Um 13.40 Uhr erreichte mich heute folgende Mail einer Fachzeitschrift:

In diesem Zusammenhang erlauben wir uns, Sie um einen kleinen redaktionellen Beitrag zu bitten. In unserer Rubrik VIP-Forum wollen wir verschiedene Experten zu Wort kommen lassen…

Der Beitrag sollte eine Länge von 2.200 Zeichen haben (bitte die Leerzeichen nicht mitzählen) und die Redaktion am Mittwoch, den 27. Mai erreichen.

27. Mai, Moment mal, das wäre morgen…

Ergänzungslieferungen

Ergänzungslieferungen sind was für Masochisten. Meine Meinung. Ich weiß, dass auch viele Juristen noch lange nach dem Examen ihren Schönfelder und Sartorius (auch Ziegelsteine genannt) hegen und pflegen. Ich tue es nicht, denn ich sehe keinen Sinn darin, drei oder vier Mal im Jahr eine oder anderthalb Stunden zu opfern und in mühseliger Kleinarbeit hunderte von aktualisierten Seiten mit veralteten zu tauschen.

Ich nutze lieber die Online-Gesetzesammlung des Bundes. Oder beck-online. Ein paar Standardgesetze habe ich allerdings auch auf dem Schreibtisch stehen, und zwar die Nomos Gesetze. Die Sammlung erscheint einmal im Jahr komplett neu, zu sortieren gibt es nichts.

Ich bin übrigens nicht der einzige, der das so sieht.

Mustergültiger Einsatz

Die Düsseldorfer Polizei hatte vorgestern alle Hände voll zu tun, randalierende und marodierende Fußballfans in ihre Schranken zu verweisen. Wie das praktisch aussieht, zeigt dieses Video:

Man muss gar nicht ins Handbuch der Polizeitaktik sehen, um festzustellen: mustergültiger Einsatz. Weiter so.

via Nerdcore

Fahrtkosten für Fortgeschrittene

Beigeordnete Rechtsanwälte, die von weiter her kommen, könne auch dann Fahrtkosten geltend machen, wenn sie „zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Bevollmächtigten“ beigeordnet worden sind. Sie dürfen zumindest die Fahrtkosten von dem Ort aus geltend machen, der im Gerichtsbezirk am weitesten vom Gericht entfernt ist.

So hat es das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschieden (11 A 48/08, Beschluss vom 12.05.2009). Man kann sich den Beschluss ruhig mal antun. Schon aus Mitleid mit den Richtern, die sich ständig mit solchen Bagatellen rumschlagen und trotzdem sachlich bleiben müssen.

Ansonsten: Wieder was gelernt.

(Quelle des Links)